Gespräch mit Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke zu Artensterben, Bleimunition und der Zukunft der Jagd

Quelle: VGT – VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN

Dr. Mark Benecke, renommierter Kriminalbiologe, Autor, Politiker und Schauspieler im Interview mit Dr. Rudolf Winkelmayer, Initiator des Volksbegehrens „Für ein Bundes-Jagdgesetz“. Diskutiert werden das Artensterben, die Prädatorenbejagung, Alternativen zur Bleimunition und die Zukunft der Jagd. Marks Motto: Zahlen statt Meinungen und Tiere einfach mal in Ruhe lassen!

Rudolf Winkelmayer: Den Wildtieren Österreichs geht es denkbar schlecht. Ihre Zahl schrumpfte seit 1986 um 70 %. Trotzdem sind immer noch gefährdete Tierarten als jagdbar in den Landesjagdgesetzen angeführt. Wie erlebst du das Artensterben und welche Konsequenzen hat es für Mensch, Tier und Umwelt?

Mark Benecke: Laut mehrerer Langzeitstudien ist die Biomasse der Insekten in Deutschland in den letzten 30 Jahren um 75 % zurückgegangen. Sichtbar schwinden auch Singvögel und Amphibien, ein echter Kahlschlag. Wir leben, klar gemessen, im größten Artensterben seit Menschen auf der Erde existieren. Es ist das sechste große Massensterben, seit es überhaupt Leben auf der Erde gibt.

Arten, die nicht an die Wärme und die verschwindenden Lebensräume angepasst sind, verschwinden weltweit. Ob Tiere für den Autobahnausbau, für die Jagd oder für Klopapierwälder sterben, macht biologisch keinen Unterschied. Die Zeit des Ausbeutens, Ausnützens und Ausdünnens der Tierwelt muss enden, falls wir Menschen lebenswert weiter machen möchten. Es ist wichtig, aber auch einfach, Naturräume, Tiere und Pflanzen in Ruhe zu lassen.

Wie stellt sich die gnadenlose Bejagung von Prädatoren (wie z.B. Füchsen) hinsichtlich der Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen dar? Stichwort: Hege!

Diese Bejagung ist biologisch unsinnig. Je höher wir in der Pyramide der Lebenskreisläufe kommen, umso mehr sehen wir, dass Nahrungsnetze von Tieren an der Spitze der Nahrungspyramiden abhängig sind und in gesundem Zustand gehalten werden. Natürliche Gleichgewichte stellen sich von selbst ein und sind neben allen möglichen Winzlingen vor allem durch die jagenden Tiere gegeben. Das entzieht sich unserer menschlichen Bewertung. Mit Naturschutz und Biodiversität hat die "Hege" biologisch nichts zu tun.

Jährlich wird die Umwelt in Österreich durch Tonnen an Blei aus Munition vergiftet. Drei Schrotschüsse mit einer Standardschrotpatrone enthalten 10 dag Blei. Jäger:innen argumentieren nicht auf Stahlkugeln (nicht Stahlschrot) umsteigen zu wollen, da wissenschaftliche Grundlagen zur Wirksamkeit und Geschwindigkeit der Tötung fehlen. Was denkst du als Kriminalbiologe dazu?

Die Waffen- und Herstellerindustrie für Geschosse ist eine große und stark wachsende Industrie. Wenn es ein Problem nicht gibt, dann ist es die Neu- und Weiterentwicklung von Schusswaffen, Patronen und Geschossen. Als Kriminalbiologe rede ich manchmal mit Herstellerfirmen und Schusswaffenexpert:innen. Es ist wohl eher ein Problem der Nachfrage nach bleifreier Munition. Blei wäre garantiert ersetzbar. Wenn man Tiere in Ruhe lässt, entsteht das Problem aber erst gar nicht.

Wie kann sich die Jagdpraxis in 10 Jahren darstellen? Wie wünschst du sie dir und was ist realistisch?

Ich bin in den 1970er Jahren geboren und aufgewachsen und habe die Bemühungen von damals als Kind und Jugendlicher mitbekommen. Schon damals sagten die Menschen dasselbe, wie die weltweite Forschungsgesellschaft heute. Sichtbar ist jetzt, dass es so viele Bionetzwerks-Störpunkte und gleichsam heraus gerissene Knoten im Netz des Lebens gibt, dass nur eine Anpassung an das, was uns die Umwelt überhaupt noch erlaubt, auch im Bereich der Jagd, möglich ist. Wenn südamerikanische Wälder weiter abgeholzt und verbrannt werden, verändert sich das gesamte Waldsystem, auch das nicht abgeholzte, zu Graslandschaften. Ähnlich wie früher durch die Rodungen der Römer in Europa. Nachdem wir nun immer wieder die wärmsten Monate und Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen haben, ist es mehr als sinnvoll, natürliche Wälder zu erhalten: Es ist das Allermindeste, was gar nicht mehr verhandelbar ist. Nur alte Wälder sind eine CO2- Senke. Aber sie sind auch eine Erholungsoase für die körperliche und geistige Gesundheit der Menschen, natürlich ohne Jagd und nur auf festen Wegen.

Tiere wie die Nosferatu-Spinne, die Blaue Holzbiene und die Gottesanbeterin sind in wenigen Jahren über tausende von Kilometern eingewandert, so etwas gab es noch nie und verdeutlicht den biologisch gesehen blitzschnellen Wandel. Ich sehe aus keinem biologischen Blickwinkel einen Sinn in der Jagd.

Vielen Dank für das Interview!

Kriminalbiologie & Klimawandel

Quelle: Acher- und Bühler Bote / Badische Neueste Nachrichten (BNN)

Von Wilfried Lienhard

Wie kommen Sie von der Kriminalbiologie zum Klimawandel?

Mark Benecke: Die Umweltveränderungen sind an Tieren und Pflanzen schon lange zu erkennen. Viele sterben, andere wandern schneller als je zuvor in die letzten noch für sie besiedelbaren Gebiete. Das betrifft mich in meiner Arbeit seit dem Jahr 2003. Damals haben wir erstmals an Leichen im Studierendenkurs super viele Wespen gesehen. Besonders die blauen "Brummer"-Fliegen, deren Larven wir zur Bestimmung der Leichen-Liegezeit gerne verwenden, hat die Hitze geschafft. Sie kennen es aber sicher auch von den seit etwa fünf Jahren auf einmal eingewanderten Nosferatu-Spinnen, blauen Holzbienen und Gottesanbeterinnen.

Ich liebe vor allem Leben. Doch nicht nur die Insekten sind weg, sondern auch Regenwürmer, Frösche und Singvögel. Es wird einsam und das ist zum Heulen.

Ich fand die Klima-Veränderungen übrigens schon immer interessant. In meinem ersten Buch von 1998 handelt bereits ein ganzes Kapitel vom Klimawandel. Es hat auch andere interessiert: Das Buch ist bis heute in Neu-Auflagen erhältlich.

Ihren Vortrag betiteln Sie „Klima: Endspiel“. Wer ist der Gegner in diesem Finale?

Der Titel stammt vom Veranstalter. Meine Serie heißt 'Time is up' mit den immer neuesten Messungen zur Umwelt. Gegnerschaft ist es nicht, sondern eine 'Ist mir doch egal'-Haltung. Das klarste Beispiel dafür sind Menschen, die Tier-Produkte verwenden. Jede und jeder weiß, wie fürchterlich die Tiere behandelt werden und welche Umwelt-Schäden dadurch auftreten. Aber die meisten juckt es nicht. Sie verzehren weiter Schinken und Kuhmilch. 

Wenn überhaupt, dann ist der Gegner des Menschen der Mensch selbst. Denn es geht ja auch uns Menschen an den Kragen.

Bei welcher Temperatur stehen wir Ihrer Meinung nach am Ende dieses Jahrhunderts?

Das hängt davon ab, wieviel Erdöl wir verbrennen, wie viele Wälder wir vernichten und ob wir vielleicht mal insgesamt weniger verbrauchen, auch Kleidung und Elektronik. 

Das angebliche 1,5-Grad-Ziel gibt es jedenfalls schon seit Jahren nicht mehr, weil es hinter uns liegt. Wir haben die Marke gerissen, und auch die Zweigrad-Marke reißen wir ganz sicher bald.

Was bedeutet das dann für das Leben auf der Erde?

Die sechste, jetzt ja schon deutlich messbare Massen-Auslöschung von Arten. Für Menschen: Schwindende Lebensqualität, um es mal sehr vorsichtig zu sagen.

Sie sind promovierter Kriminalbiologe, Spezialist für forensische Entomologie, Ausbilder an deutschen Polizeischulen, Gastdozent in den USA, Autor populärwissenschaftlicher BücherWissenschaftler durch und durch also. Spüren Sie auch die Folgen der zunehmenden Wissenschaftsfeindlichkeit?

Ich spüre eher, dass Menschen mit Lügen immer besser leben können.  

Wie problematisch ist das gerade beim Thema Klimawandel?

Das ständige Lügen und der Selbstbetrug? Es führt dazu, dass schon die kleinsten Schritte — Begrünung von Mauern und Wänden, Entsiegelung von Städten, Umstellung auf pflanzliche Ernährung und öffentlichen Verkehr — nicht stattfinden. Stattdessen zeigen viele auf ihre Nachbarn, China, die USA, "die" Politik oder irgendwen, der angeblich gerade viele schlimmer ist. 

Das ist eine Mischung aus Faulheit und Wirklichkeitsverleugnung. Kein Mensch muss Naturwissenschaften spannend finden. Aber eine Messung wie auf einer Küchenwaage, die jemand ohne schwierige Worte erklärt und die von ganz verschiedenen Messenden bestätigt ist: Die setze ich doch auch beim Backen und Kochen ohne Herumgerede ein und um. 

So ist es auch mit dem Arten-Verlust und der Erd-Erwärmung. Was dagegen hilft, versteht jedes Kind. Einfach mitmachen statt rumeiern und schwatzen.

Was müsste geschehen, um die Folgen des Klimawandels abzumildern? 

Fluten, Brände und Ernte-Ausfälle lassen sich nicht abmildern. Was hilft, ist vorzubeugen, so dass sie möglichst selten auftreten. Ist übrigens wie in der Kriminalistik: Derzeit soll ein Programm mit Intensiv-Täterinnen und -Täter eingeschmolzen werden. Natürlich kosten die Taten hinterher viel mehr als die Vorbeugung. Aber irgendwer glaubt offenbar, dass sich begangene Morde und Raubüberfälle hinterher abmildern lassen. Dazu müsste man dann aber wohl in der Zeit zurück reisen.

Letzte Frage: Wie viele Stimmen erhoffen Sie sich bei der OB-Wahl in Köln?  

Letztes Mal, das war im Jahr 2015, wurde ich dritter. Da ich diesmal auch meine Paten-Tante aus Bayern sowie eine Freundin aus dem Erzgebirge hinter mir weiß, sollte es für Platz eins reichen. 

Ehrlich gesagt gibt es außer mir auch keine Kandidatinnen oder Kandidaten mit einem vernünftigen Programm. Ich hingegen fordere bürgernah den Rückbau der Kölner Oper: Sie wird seit 2012 "saniert" und frisst alles Geld auf, was die Stadt woanders braucht. Außerdem Straßenreinigung mit Kölnisch Wasser und freie Sicht auf den Kölner Dom weltweit. 

Seit meiner Aufstellung haben wir auch schon allerhand interessante Angebote erhalten. Bei mir gilt: Ich will, was ihr wollt. Das wird also schön.


Quelle: Bühler Bote, 8. November 2024, Ausgabe Nr. 259, Seite 25

„Dr. Made“ macht klare Klima-Ansage

Der Kriminalbiologe Mark Benecke kommt für einen Vortrag über den Klimawandel nach Bühl

Von Wilfried Lienhard

Bühl. Beginnen wir mit einem steilen Vergleich: Wo Mark Benecke ist, ist der Tod nicht weit. Der Kriminalbiologe hat mit seiner Expertise manche Ermittlung aus der Sackgasse geholt. In Büchern wie „Mordmethoden“, „Mordspuren“ oder „Aus der Dunkelkammer des Bösen“ erzählt der laut Verlag „bekannteste Kriminalbiologe der Welt“ von spektakulären Kriminalfällen, in denen schon mal Maden und Larven eine wichtige Rolle spielen.

Seit Jahren treibt ihn aber ein weiteres Thema gewaltig um. Doch auch da ist der Tod nicht weit. Es ist der Klimawandel. In Vorträgen fasst der Wissenschaftler den Forschungsstand zusammen und benennt die Folgen, die eintreten können, wenn sich nichts ändert. Jetzt kommt er nach Bühl: Im Bürgerhaus Neuer Markt beginnt am Freitag, 15. November, um 18 Uhr der vom Gemeinwohl-Forum Baden veranstaltete Vortrag „Klima: Endspiel“.

Endspiel: Das klingt dramatisch. Der Titel stamme vom Veranstalter. Er selbst nennt seine Vortragsreihe „time is up“. Die Zeit ist abgelaufen. Der Endspielgegner des Menschen sei der Mensch selbst: „Denn es geht ja auch uns Menschen and den Kragen“. Da ist sie wieder, die Nähe zum Tod.

Die Umweltveränderungen seien an Tieren und Pflanzen schon lange zu erkennen: „Viele sterben, andere wandern schneller als je zuvor in die letzten noch für sie besiedelbaren Gebiete.“

Dabei liebe er vor allem das Leben: „Doch nicht nur die Insekten sind weg, sondern auch Regenwürmer, Frösche und Singvögel. Es wird einsam, und das ist zum Heulen.“

Wie es auf der Erde am Ende dieses Jahrhunderts aussehe, hänge davon ab, „wie viel Erdöl wir verbrennen, wie viele Wälder wir vernichten und ob wir vielleicht mal insgesamt weniger verbrauchen, auch Kleidung und Elektronik.“

Das angebliche 1,5-Grad-Ziel sei schon seit Jahren gerissen, „und auch die Zwei-Grad-Marke reißen wir ganz sicher bald“. Die Folgen: „Die sechste jetzt ja schon deutlich messbare Massenauslöschung von Arten. Für Menschen: schwindende Lebensqualität, um es mal sehr vorsichtig zu sagen.“

Fluten, Brände und Ernteausfälle ließen sich nicht abmildern. Vorbeugen könne helfen, dass solche Katastrophen möglichst selten auftreten. „Das ist übrigens wie in der Kriminalistik: Derzeit soll ein Programm it Intensiv-Täterinnen und -Tätern eingeschmolzen werden. Natürlich kosten die Taten hinterher viel mehr als die Vorbeugung. Aber irgendwer glaubt offenbar, dass sich begangene Morde und Raubüberfälle hinterher abmildern lassen. Dazu müsste man dann aber wohl in der Zeit zurückreisen.“

Seit 2003 ist Benecke mit dem Thema konfrontiert (ein Kapitel widmete er dem Klimawandel 1998 schon in seinem ersten Buch): „Damals haben wir erstmals Leichen im Studierendenkurs super viel Wespen gesehen. Besonders die blauen Brummer-Fliegen, deren Larven wir zur Bestimmung der leichen-Liegezeit gerne verwenden, hat die Hitze geschafft.“ Benecke ist seither auf vielen Kanälen unterwegs. Der promovierte Kriminalbiologe ist Spezialst für forensische Entomologie, Ausbilder an deutschen Polizeischulen, Gastdozent in den USA, Autor populärwissenschaftlicher Bücher und auch aus Funk und Fernsehen bekannt. „Nebenbei“ ist er seit 2011 Vorsitzender des Vereins „Pro Tattoo“, hat 2015 für „Die Partei“für das Amt des Kölner Oberbürgermeisters kandidiert und tut es jetzt wieder.

Bei so viel Wissenschaft: Bemerkt Benecke eine zunehmende Wissenschaftsfeindlichkeit, das Bestreben, gesicherte Erkenntnisse infrage zu stellen? „Ich spüre eher, dass menschen mit Lügen immer besser leben können.“ Deshalb würden schon die kleinsten Schritte wie Begrünung von Mauern und Wänden, Entsiegelung von Städten, Umstellung auf pflanzliche Ernährung und öffentlichen Verkehr nicht gegangen: „Stattdessen zeigen viele auf ihre Nachbarn, China, die USA, „die“ Politik oder irgendwen, der angeblich gerade viel schlimmer ist.“

Für Benecke ist das eine Mischung aus Faulheit und Wirklichkeitsverleugnung: „Kein Mensch muss  Naturwissenschaften spannend finden. Aber eine Messung wie auf einer Küchenwaage, die jemand ohne schwierige Worte erklärt und die von ganz verschiedenen Messenden bestätigt ist: die setze ich doch auch beim Backen und Kochen ohne Herumgerede ein und um.“ So verhalte es sich auch mit dem Artenverlust und der Erderwärmung. „Was dagegen hilft, versteht jedes Kind. Einfach mitmachen statt rumeiern und schwatzen.“


Quelle: Acher- und Bühler Bote, 18. November 2024, Seite 23

Am Oberrhein wird es am heißesten

Biologe Mark Benecke stellt in Bühl Statistiken und Messungen zur schnellen Verschlechterung des Weltklimas vor

Von Martina Fuß

Bühl. Mark Benecke schießt Sätze wie Pistolenschüsse ab. In ungeheurer Geschwindigkeit treffen seine brisanten Aussagen auf viele gespannte Zuhörerinnen und Zuhörer im Bürgerhaus Neuer Markt in Bühl. Dort spricht er über das „Klima:Endspiel". So lautet der Titel seines Vortrags, zu dem der Verein Gemeinwohl-Forum-Baden eingeladen hatte.

Dessen Vorsitzender Frohmut Menze erklärte in seiner Begrüßung, warum der Verein Benecke eingeladen hat. „Wie kommt es, dass Europa und die Welt das Wissen und die Technik, das Geld und die Institutionen haben, um den Klimawandel spürbar einzudämmen – und es passiert nichts! Schlimmer, der CO,-Ausstoß war noch nie so hoch wie in diesem Jahr. Mark Benecke wird uns zu dieser Frage einige Erkenntnisse liefern."

Nun also Mark Benecke. Eine schillernde Person mit weit gestreuten Interessen und Kompetenzen. Es gibt kaum einen gesellschaftlichen Bereich, in dem sich der promovierte Wissenschaftler keine Meriten erworben hat. Er ist Kriminalbiologe, hat in New York gearbeitet, daneben viele erfolgreiche Bücher geschrieben, im Radio und Fernsehen Kriminalfälle gelöst und Kinder-Experimentierkästen herausgegeben. Neu entdeckte Tiere sind nach ihm bekannt.

Er hat Musik und Theater gemacht und ist auch noch als Politiker für „Die Partei" auf allen Eben aktiv. „Ich zeige Ihnen heute neue Informationen, nachdem in den letzten Wochen viel passiert ist", sagt greift er zur Ausgabe der BNN an diesem Tag. Auf nahezu jeder Seite gibt es Hinweise zum Klima. Der Wald, die Wiesen, der Nationalpark, Ameisen, die Asiatische Hornisse – die Beispiele sind vielfältig. „Glauben gibt es bei mir nicht, nur Zahlen und Messungen", sagt Benecke und zeigt Statistiken und Schaubilder, über die sich alle Wissenschaftler in allen Regionen der Welt einig sind und die gemeinsam herausgegeben werden. Benecke weiß solche wissenschaftlichen Darstellungen auch für Laien nachvollziehbar zu erklären.

Demnach steigt der CO2-Gehalt exorbitant an. Sprunghaft, ohne Messfehler, in einer Geschwindigkeit, die selbst für Wissenschaftler kaum zu glauben ist. Benecke benennt das Phänomen, das insbesondere seit Mitte letzten Jahres die Wissenschaft aufschreckt.

In den vergangenen Monaten gab es Waldbrände in Griechenland, riesige ausgetrocknete Flüsse in Lateinamerika, einen Höllensturm in den USA und die „nie da gewesene Regen-Katastrophe in Spanien". Unwetter in Polen, Italien, Österreich. „Ausgetrocknet, abgefackelt und überschwemmt und alles hat eine gegenseitig verstärkende Wirkung. Das macht deutlich, was gerade hundertfach in Europa passiert. Es sind super-extreme Wetterereignisse außerhalb jeglicher bisher bekannter Aufzeichnungen", sagt Benecke und belegt die Situation mit Bildern und Messungen.

Die Katastrophe setze sich fort in der Tierwelt, im Meer, bei den Nährstoffen in den Böden, an den Erd-Polen und leider auch in Mittelbaden. „Sie verstehen das Problem, es wird auch Sie in Bühl tref-fen", sagt er und zeigt eine Vorhersage der Temperaturentwicklung in Deutschland. Die heißeste Region wird der Oberrheingraben sein. Seit 1970 werde all das vorhergesagt, aber die Schnelligkeit der Veränderungen habe niemand erwartet. Dabei wüssten die Menschen, was passiert. Zumindest wissenschaftlich gesehen. „Dennoch findet Klimaschutz nicht statt, obwohl die Menschen in Europa und insbesondere im wirtschaftlich starken Deutschland den größten Handlungsspielraum haben. Stattdessen gibt es immer noch Klima-Leugner, deren Wissen weit unterhalb von Kindergarten-Niveau liegt." Der Blick 450 Millionen Jahre zurück zeige, dass es mehrere Artensterben auf der Erde gab. Die hätten aber alle sehr lange gedauert. Nicht nur ein paar Jahrzehnte.

Die Schlussfolgerungen könne die Zuhörerschaft selbst ziehen: Der Schlüssel liege im Verbrauch durch die Menschen. Der Handlungsspielraum, den jeder Einzelne nutzen könne sei, weniger zu kon-sumieren, weniger Tierprodukte zu nutzen, weniger wegzuwerfen, im Garten ein Arten-Refugium zu schaffen und umzustellen auf erneuerbare Energien. Atomkraft? „Damit haben wir ein Problem, das noch viel größer ist und zehntausende Jahre besteht", sagt Benecke.

Er empfiehlt, umgehend zu handeln: „In der Zeit, in der ich über andere schimpfe, kann ich schon selbst vieles getan haben."



Neue Forensik mit KI: Wie Bakterien Verbrecher überführen können

Quelle: RedaktionsNetzwerkDeutschland,
4. Dezember 2024

Von Lucie Wittenberg

Die DNA-Analyse hat die Kriminalarbeit revolutioniert. Eine andere Art von Fingerabdruck könnte die Jagd nach Verbrechern künftig noch beschleunigen: Das Mikrobiom. Denn jeder Mensch auf der Welt hat sein ganz eigenes Bakterienmuster. Ein Gespräch über neue Arten der Forensik.

Egal, wie sehr wir putzen oder desinfizieren: Bakterien und Viren besiedeln jeden Menschen und jedes Lebewesen. Das sogenannte Mikrobiom, also die Gesamtheit aller Mikroorganismen, ist so individuell wie ein Fingerabdruck. Das ist besonders für die Ermittlungsarbeit interessant.

Ein Forschungsteam an der schwedischen Universität Lund hat sich diese Einzigartigkeit zunutze gemacht und ein neues System zur Strafverfolgung entwickelt. Mit dem „Microbiome Geographic Population Structure“ (mGPS) können mikrobiologische Proben genau zugeordnet werden. Das funktioniert auch mit der Hilfe einer KI, die eine Probe mit hoher Genauigkeit zuordnen kann. Was die Forschungsarbeit für die Polizeiarbeit und die Forensik bedeutet, erklärt Mark Benecke. Er ist Sachverständiger für biologische Spuren und Forensiker.

Herr Benecke, was ist ein Mikrobiom eigentlich?

Mikrobiome sind die auf alle möglichen Umgebungen fein angepassten Lebensgruppen von zumeist Bakterien. Es gibt sie überall, auch auf und in Menschen. Wir bestehen sogar aus mehr Bakterien- als Menschenzellen. Aber natürlich leben sie auch in der Erde, im Wasser, als Schmierfilme auf Oberflächen aller Art und auch sonst überall.

Die Universität Lund hat ein neues KI-gestütztes Mikrobiom-Werkzeug für Polizei und Forensik entwickelt. Was steckt dahinter?

Die Zusammensetzung von superkleinen Gemeinschaften von Lebewesen, dem Mikrobiom, verrät — wenn zuvor eine Datenbank dafür aufgebaut wurde — wo sie herkommen. Es gibt ultraviele Bakterien und noch mehr Zusammensetzungen. Das kann kein Mensch und auch kein normaler Rechenweg mehr zuordnen und zusammenführen. So kam die Künstliche Intelligenz zum Zuge. Mit ihr lässt sich aus der Zusammensetzung eines „Bakterienhaufens“ bestimmen, wo er lebte und herkam.

Wie können Mikrobiome bei Ermittlungen helfen?

Sie enthalten besonders vielfältige und darum aussagekräftige Informationen. Beispiel: Wenn ich das Blatt einer Erle in einem Sack mit einer Leiche finde, nützt das nicht so viel, denn es gibt viele Erlen. Habe ich aber Blätter von zehn verschiedenen Bäumen im Sack mit der Leiche, dann gibt es vielleicht nur noch wenige Orte, wo diese Bäume gemeinsam leben. Dort kann ich dann nach Spuren der Tötung oder des Verpackens der Leiche schauen.

Das Werkzeug soll es möglich machen, den Weg eines Verdächtigen (nach-)verfolgen zu können. Wie soll das gehen?

Die verschiedenen „Bakterien-Knubbel“ bleiben in Reifen, an Taschen, Schuhen, Händen, in der Lüftung und so weiter hängen. Dort kann ich sie abnehmen und dann im Labor zuordnen, woher sie stammen, also wo jemand sich aufgehalten und die Spur aufgepickt hat. Verschiedene Orte sind durch verschieden zusammengesetzte Bakteriengruppen gekennzeichnet: Unterschiedliche Bakterien fühlen sich an verschiedenen Orten wohl.

Die Zusammenstellung der Bakterien und ihre Arten sind wie ein Fingerabdruck der örtlichen Lebensbedingungen. Es ist wie mit dem Foto einer Stadt: Häuser gibt es überall. Aber die Zusammenstellung der Gebäude gibt es nur einmal. So lässt sich eine Stadt auf einem Foto anhand der Zusammenstellung der Gebäude eindeutig erkennen. Im Kleinen geht das stattdessen mit der Zusammensetzung und der Art der Bakterien.

Hat die Methode einen Vorteil im Vergleich zur DNA oder anderen forensischen Auswertungsmöglichkeiten?

Foto: Mark Benecke

Es ist ein zusätzliches, unabhängiges Verfahren. Das ist immer gut: Wenn eins der anderen Verfahren nicht so aussagekräftig ist, dann habe ich eine weitere, sachliche, nicht von Gefühlen oder Missverständnissen oder der Erinnerung abhängige Informationsquelle.

Was sind die Nachteile?

Nachteil würde ich es nicht nennen, aber die Genauigkeit ist nicht hundertprozentig. Aus welcher Stadt eine Probe stammte, konnte in der Studie mit immerhin 92-prozentiger Genauigkeit erkannt werden. Das ist schon sehr gut. Woher innerhalb einer Stadt die Probe stammte, konnte in mehr als vier Fünftel der untersuchten Fälle festgelegt werden. Das ist wirklich eindrucksvoll. Teils lagen die Probe-Orte weniger als einen Kilometer auseinander.

Wann könnte die Technik zum Einsatz kommen?

Jederzeit. Ich wende mit meinem Team manche Verfahren nur einmal an, andere dauernd. Das ist ganz fließend: Wenn sich eine Technik polizeilich bewährt, dann wird sie öfter eingesetzt. Wenn nicht, dann seltener oder nur in sehr schwierigen oder von irgendjemandem als wichtig wahrgenommenen Fällen.

Wieso sprechen die Entwickler aber davon, dass es noch einige Jahre dauern könnte?

Weil es für gerichtliche Fälle oft wichtig ist, dass die Spuren aus sich heraus beweiskräftig sind. Dazu müssen sie getestet werden. Außerdem sind für die Bakterienabgleiche auch viele Proben, also Datenbankeinträge nötig. Und die Umwelt und damit die Bakterien ändert sich. Das Gericht muss aber sicher sagen können: Die Bakterien unter ihren Schuhen stammen sicher vom Ort, an dem die Leiche gefunden wurde.

Anders sieht es aber mit ersten Untersuchungen bei der Polizei aus, da können schon Hinweise statt Beweise die Ermittlungen in eine vernünftige Richtung oder weg von einer weniger vernünftigen lenken. Daher sickern neue Verfahren immer langsam ein: Erst in der Wissenschaft und im Labor, dann bei der Polizei in der Ermittlungsarbeit und schließlich vor Gericht als harte Spurenbeweise.

Welches Potenzial bietet KI generell für Ermittlungsbehörden und wo wird sie bereits eingesetzt?

K.I.-Anwendungen schleichen sich überall in die Arbeit, sei es bei der Bearbeitung und Verbesserung von Fotos bis hin zur Untersuchung von Texten. Beispiele sind klassisches Zusammentragen von Informationen, wie es jetzt schon viele Schülerinnen und Schüler mit Chat-GPT machen — das geht natürlich auch bei der Polizei und Geheimdiensten. Es können aber auch persönliche Eigenarten bei Schreiben erkannt werden, etwa von Erpressernachrichten.

Die beiden ersten großen KI-Anwendungen in der Kriminalistik waren Handydaten und die Verbrechensvorhersage. Aus den Hunderttausenden von Handyverbindungen und „Gesprächsknoten“ wird sichtbar, wer mit wem wann, wo und wie lange in Kontakt stand. Diese selbst mir anfangs wie Science-Fiction erscheinende Technik wurde allerdings schon im Comic vorhergesagt: Batman, der ja auch Verbrechensjäger ist, führte solche Massendatenauswertungen von Handys als erster durch.

Die zweite Anwendung, also die Vorhersage von möglichen Verbrechen, stammt aus der klassischen Science-Fiction-Literatur, der Geschichte ‚Minority Report‘ von Philip K. Dick aus den 1950er Jahren. Mittlerweile versuchen einige Kolleginnen und Kollegen, die Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit vorwiegend von Einbrüchen in gewissen Gegenden oder zu bestimmten Zeiten zu berechnen. Beides — Handy-Massendaten und „Pre Crime“ — klappt allerdings auch ohne echte Künstliche Intelligenz, dafür reichen Gehirn- und Muskelschmalz und viel Rechnerleistung. Ob diese Verfahren eingesetzt werden oder nicht, ist eine soziale und kulturelle Frage.

Was sind die Gefahren von Künstlicher Intelligenz?

Wie bei jeder Datensammlung und -auswertung: Die Gefahren liegen darin, dass die Informationen ungefragt zusammengeführt werden und so ein allzu genaues Bild über persönliche Gewohnheiten geben. Das hat das Bundesverfassungsgericht schon 1983 im Volkszählungsurteil gut dargelegt: Menschen sollen im Kern selbst entscheiden, was über sie bekannt wird und was nicht.

"Tierleben in Köln – verschwenderische Sittiche, schwule Vögel und glitzernde Ofenfischchen"

Vortrag im Historischen Archiv der Stadt Köln am 4. Dezember 2024 von 18:00 bis 19:00 Uhr

Infos gibt es hier als .pdf

Dr. Mark Benecke mag neben Fliegen auch schwule Zootiere, kölsche und damit verschwendungssüchtige Papageien sowie alte Tierbücher. In seinem Vortrag stellt der bekannte Kriminalbiologe einige dieser fantastisch klingenden, aber wirklich lebenden Tiere und ihre Geschichten vor. Es könnten auch Ofenfischchen und rätselhafte Störche vorkommen. Und Stare, die ihren verirrten Kumpel liebevoll betreuen, bis Marks Ehefrau ihn rettet.

Der Vortrag ist Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung "Geliebt, gehasst, gegessen: Kölner Tiere zwischen Käfig und Körbchen."

Barrieren in der Schule abbauen

Quelle: autismus verstehen 02 | 24, Seiten 12–15

Wissenschaftliche Erkenntnisse zu barrierefreien Schulen

Klick hier für das .pdf

Interview: Marie-Louise Abele | Foto: Julian Pawlowski

Schule & Autismus: schAUT

Nicht über, sondern mit Menschen im Autismus-Spektrum, ganz im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention, war einer der Grundsätze für das Projekt schAUT. Zugrunde gelegt wurde ein neurodiverses Verständnis von Autismus als genetisch bedingte neurologische Variante.

Das Verständnis von Behinderung orientiert sich somit nicht an Diagnosen, sondern an den Barrieren in den verschiedenen Lebensbereichen. Von Juni 2021 bis Mai 2024 lief das partizipative Verbund-Projekt, das von Anfang an von Autistinnen und Autisten mitgestaltet wurde. Beteiligt waren die Partner White Unicorn - Verein zur Entwicklung eines autistenfreundlichen Umfeldes e. V., die Humboldt-Universität Berlin sowie die Goethe-Universität Frankfurt. Gefördert wurde dieses Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Zunächst wurde ein illustrierter Fragebogen zu den weitgehend unsichtbaren Barrieren von autistischen Schülerinnen und Schüler entwickelt. Mit diesem werden die subjektiven Einschätzungen erfragt. Das Erkennen dieser Barrieren ist Voraussetzung für deren Abbau und somit für die Inklusion und Teilhabe.

Bald stellte sich heraus, dass diese Barrieren auch für andere Kinder bestehen können. Der schAUT-Barrierefragebogen ist somit für alle Kinder und Jugendlichen ein Hilfsmittel zur barrierefreien Gestaltung des schulischen Umfelds im Klassenverband. Die Auswertung der subjektiven Einschätzungen aller ergibt Hinweise für die Gestaltung von Lernumgebungen, welche auch die Bedürfnisse der ganzen Klasse im Blick haben.

Im weiteren Verlauf des Projekts wurde eine Handreichung mit praxisbezogenen Empfehlungen zur Reduktion bestimmter Barrieren entwickelt. Diese enthält sowohl Vorschläge von Schülerinnen und Schülern als auch von Lehrkräften. Darüber hinaus wurde ein Raster zur Erhebung des Stands der inklusiven Entwicklung von Schulen erstellt. Auch digitale Fortbildungsmodule zur Handhabung dieser Materialien wurden entwickelt.

Welche Ergebnisse des Projekts schAUT können in unserem jetzigen Schulsystem übernommen werden?

Es hat mich selbst erstaunt, aber es lassen sich alle Ergebnisse übernehmen. Jede Schule kann sich heraussuchen, welche Vorschläge sie zum Abbau von Barrieren jeweils für Einzelne sowie für die ganze Klasse umsetzen möchte. Zum Beispiel ist es sinnvoll, Unterrichtsräume nur zu wechseln, wenn es zwingend notwendig ist. Bei störenden Gerüchen ist es möglich, mehr zu lüften oder die Entlüftung zu verbessern. Unangenehme Geräusche wie eine laute Schulklingel kann jede Schule einfach dämpfen, die Fenster lassen sich schließen und Kopfhörer zum Lärmschutz sind auch keine Schwierigkeit. Auch Rückzugsmöglichkeiten bis hin zum Unterricht zuhause sind hilfreich. Wer laute Gemeinschaftsräume nicht erträgt, kann in einen Ruheraum gehen.

Auch Licht lenkt oft ab, etwa durch Neonröhren, Geflackere oder blendende Lichter. Das lässt sich superleicht lösen, einfach die Kids fragen. Manche bevorzugen LED-Lampen oder dimmbare Lichter und natürlich herunter gelassene Rollläden bei Sonne. Unsere Handreichung zur barrieresensiblen Gestaltung inklusiver Schulen enthält viele Vorschläge, die direkt von den Kids kommen. Das meiste davon finden übrigens auch die nicht-autistischen Schülerinnen und Schüler angenehm.

Ein einfühlsamer Umgang untereinander hilft immer, damit sich alle gegenseitig verstehen. Autistinnen und Autisten brauchen immer einfach mehr Pausen. Das ist keine Einbildung, sondern lässt sich im Gehirn messen.

Wichtig ist auch, sogenanntes „Stimming“ zu erlauben. Das ist eine für die anderen Kinder möglichst nicht störende, beruhigende Beschäftigung wie Hände reiben, zeichnen oder ähnliches. Das lenkt Autistinnen und Autisten nicht ab, sondern erlaubt es ihnen, aufzupassen.

Gruppenarbeit ist auch nicht für alle geeignet. Autistinnen und Autisten sind vom Gruppengewirr oft überfordert. Wozu etwas erzwingen, was nur Chaos verursacht? Grundsätzlich gilt: Auf die Kids hören, wenn sie sagen, dass sie etwas stört. Nicht sagen: „Also mich und Leon und Mila stört das aber nicht.“ Und lieber einmal mehr nachfragen, wenn klar ist, dass etwas nicht stimmt.

Gibt es bereits Umsetzungsbeispiele von Schulen seit der Abschlusstagung?

Ja, beispielsweise hat das Humboldt-Gymnasium in Tegel schon einiges umgesetzt und ich habe dort auch einen Vortrag für Eltern, Lehrerkräfte und Schülerinnen und Schüler gehalten. Ist wie alles dazu auch auf Youtube zu finden.

Ich habe dort und in Vereinen ohne Fremdworte erklärt, dass Menschen im Autismus-Spektrum sich ebenso wenig „zusammenreißen“ können, wie ein Mensch der starken Durst hat oder todmüde ist. Autistische Schülerinnen und Schüler haben in ihrer Art vom Leben auf ihrer Schule berichtet. Das war erstklassig und es sind uns allen, auch mir, viele Lampen aufgegangen (für autistische Menschen: Das ist eine Redewendung).

Wie kann eine schrittweise Umstellung auf ein inklusives Schulsystem erfolgen und was ist für Sie das wichtigste Kriterium für eine gelingende Inklusion?

Einfach sofort anfangen anstatt zu diskutieren. Seit unserer Untersuchung wissen wir – aus tausenden von Informationen berechnet – ganz genau, was die Kids stört. Jede Schule kann wie gesagt anfangen, womit sie möchte: Entweder einfach das umsetzen, was am schnellsten geht oder das, wofür Fördermittel da sind oder das, worauf sich alle in der Schule gut einigen können. Handeln statt reden.

Was würden Sie verzweifelten Lehrerkräften als ersten, schnellen Schritt raten, die unter extrem angespannten Rahmenbedingungen arbeiten?

Manche Schulen unterstützen Begleitpersonen im Unterricht – und umgekehrt. Andere führen kleine Änderungen an der Beleuchtung und den Raumplänen durch. Viele erlauben es Autistinnen und Autisten, in der Pause allein in einem Raum zu bleiben. Es gibt superviele Möglichkeiten, einfach anzufangen. Wie gesagt: Mit den Kids reden und ihre Aussagen ernst nehmen, auch wenn ich persönlich anders ticke. Jede kleine Verbesserung ist besser als keine Verbesserung.

Das Allerwichtigste für verzweifelte Schulen ist es, Mobbing deutlich anzusprechen. Ein offenes und menschenfreundliches Umfeld tut allen Kindern gut. Wenn Schulen dort aufgeben oder ins „die sollen sich nicht alle so anstellen“ verfallen, ist der Rest sinnleer.

Was würden Sie sagen wäre der größte Wunsch aller an den Schulen?

Sich gegenseitig ernst nehmen. Viele Kinder geben auf, ihre Wünsche oder Bedürfnisse mitzuteilen, wenn niemand es ernst nimmt. Autistische Menschen haben oft weder einen zu ihren Wünschen passenden Gesichtsausdruck, noch sind sie zum richtigen Zeitpunkt laut genug, noch können sie sozial angepasst ihre Botschaft mitteilen.

Daher: Einfach wortwörtlich auf die Worte hören, die sie sagen oder aufschreiben oder – mit unseren gedruckten Hilfestellungen – als Bilder zeigen.

Müssten Menschen im Autismus-Spektrum weniger maskieren, wenn sie unter sich wären und nicht inklusiv an Regelschulen?

Das hängt von den Lehrerkräften ab. Wenn sie von diesen aufgefordert werden, sich zusammenzureißen oder wie alle andere zu benehmen, freundlicher zu lächeln, im Internat nachts Schnarchende im gleichen Raum zu ertragen oder ähnliches, dann würde auch eine Schule nur für autistische Menschen nichts bringen. Das wäre dann purer Fake.

An meiner Labortüre hing viele Jahre ein Schild auf dem stand „School for Gifted Youngsters“, wie bei den Marvel-Comic-X-Men. Das sollte bedeuten, dass zwar fast alle meiner Studierenden sonderlich sind, aber alle anders sonderlich. Eine Schule für Menschen im Autismus-Spektrum müsste also so wie Professor Xaviers Schule gestaltet sein: Jede und jeder ist anders mit anderen Stärken und Schwächen.

Wie haben Sie Ihren Schulalltag als Kind erlebt?

Ich fand meine städtische, ganz „normale“ Schule in der Kölner Innenstadt, das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium, super und habe nicht eine Minute blau gemacht.

Die Lehrkräfte waren erkennbar unterschiedlich, von ultrakonservativ bis superstreng, abgeschlafft und kränklich, rein wissenschaftlich oder sozial eingestellt. Es war die beste Lernumgebung im Fach „Menschen sind verschieden, aber alle können was (anderes), auch die eigentümlichen Erwachsenen.“

Gut war, dass wir in der Oberstufe viele Fächer abwählen konnten, das war in Nordrhein-Westfalen damals normal. Manche konnten als Abi-Hauptfach Sport oder Kunst wählen, andere lieber Sprachen, andere Naturwissenschaften. Das war anders als heute und der Lehrplan war viel freier

›Der‹ Vesalius: Gunther von Hagens & Angelina Whalley

Quelle: Von Pest, Knochen & Arzneien. Medizin der frühen Neuzeit in der Marienbibliothek zu Halle an der Saale. Hrsg. Jutta Eckle, 2024, Seiten 105 – 111.

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Im Gespräch mit Mark Benecke

Die Marienbibliothek ist für mich ›das‹ Kleinod der deutschsprachigen Bibliotheken. Dort finden sich nicht nur weltweit einzigartige Buch-Ausgaben, sondern auch ›der‹ Vesalius. Der Anatomie-Atlas entstand in den Jahren von 1538 bis 1542 als De humani corporis fabrica libri septem (lat.: Sieben Bücher über den Aufbau des menschlichen Körpers) und war das Grund-Werk der heutigen Wissenschaft vom Aufbau des menschlichen Körpers. Andreas Vesal galt als ›schweigsam und melancholisch‹. Sein Werk war ein Kraft-Akt; so zergliederte er alleine in Padua während seiner Tätigkeit dort alle Hingerichteten, das waren über 1.539 Leichen. Er stellte dabei nicht nur Bekanntes in neue Zusammenhänge, sondern machte und beschrieb auch Neuentdeckungen zur Niere, zum Gehirn, den Bändern der Gelenke und weiteren Teilen des Körpers. 

Das Buch, häufig Fabrica genannt, erschien 1543 in Basel. Die Druckvorlagen seiner Abbildungen bestanden wie damals üblich aus Holz. Leonhart Fuchs bearbeitete Vesals Werk weiter und gab es 1551 in Tübingen zunächst in lateinischer Sprache heraus; diese war die damals geläufige Wissenschafts-Sprache, so wie heute Englisch. So wie Konrad Geßners ›Vogelbuch‹ (Zürich 1557) und später das ›Thierbuch‹ (Heidelberg 1606) auch als deutschsprachige Ausgaben erschienen, gab Fuchs auch eine deutschsprachige und somit allgemeiner verständliche Fassung des Vesalius heraus. 

Lieber Gunther, ich erinnere mich an den Aufbau der sehr stark besuchten Körperwelten in Köln, wo Du nicht nur ein großes, schönes Bild aus dem Vesalius im Ausstellungszelt angebracht hast, sondern mich auch gebeten hast, ein Skelett in auf Knien betender Pose im Eingangsbereich herzurichten. Als Vorlage diente Tafel 36 aus William Cheseldens ›Knochenbuch‹ (London 1733), doch im Vesalius ist schon zweihundert Jahre zuvor – im Jahr 1543 auf Seite 165 seines Buches – ein vergleichbar positioniertes Skelett abgebildet. 

Das Skelett in der Ausstellung habe ich jeden Morgen wieder gerade gedreht, sozusagen ›nachpositioniert‹, bis es eines Tages, vielleicht wegen der Wünsche gläubiger Menschen der katholischen Domstadt, verschwunden war. Seither interessiert mich die Frage, woher kommt wohl Deine so deutlich sichtbare Zuneigung für das uralte Anatomie-Buch und seinen Autor Vesalius? 

GvH: Die Fabrica von Andreas Vesalius ist das detaillierteste Anatomiebuch des ausgehenden Mittelalters, in dem mehrere Ganzkörper in aufrechter, lebensnaher Pose realitätsnah abgebildet sind. Wie könnte ich als Human-Anatom keine Bewunderung für den Begründer der modernen menschlichen Anatomie empfinden? Vesalius hat bereits das Bindegewebe und das Parenchym beschrieben und den Unterschied zwischen ihnen veranschaulicht. Das zeigt, wie viele Sektionen er selbst durchgeführt hat. Dabei zeichnete er, was er sah. Für seine Abbildungsvorlagen hat er auch schon Knochen verschraubt. Er hat der Anatomie Leben gegeben, und die von ihm verwendeten Posen waren eine Inspiration für die Körperwelten. Vesalius etablierte, was ich heute Erlebnisanatomie nenne oder auch Anatomiekunst – die ästhetisch instruktive Darstellung des Körperinneren. Er hob die Anatomie aus dem Stand der damals unterprivilegierten Barbarei auf eine wissenschaftliche Ebene, deren Credo die Autopsie, das Selbst-Sehen, war. Er etablierte damit das Authentische, das Original, als die wissenschaftliche Quelle aller Erkenntnis und schuf damit die Basis für den späteren Siegeszug der Medizin. 

Wann hast Du das Buch erstmals entdeckt und wo war das? 

GvH: Als ich in den 1960er Jahren an der Universität Heidelberg arbeitete. Damals hatte jedes Institut seine eigene Anatomie-Bibliothek

Wann und wo konntest Du den Vesalius zum ersten Mal im Original lesen? Und sind Dir Originale wichtig, obwohl es heute sogenannte ›Digitalisate‹ gibt? 

GvH: Das Titelbild der Originalausgabe der Fabrica zeigt das Talent Vesals als Showman für das Wesentliche. Darauf anatomiert er eine Frau, auf deren Gebärmutter er zeigt. Um ihn herum das dicht gedrängte, neugierige Publikum, über ihm das Skelett und sein Familienwappen. Er seziert wie Andreas Tulp in Rembrandts Gemälde mit Hut, der damals wie heute für einen unabhängigen Geist, für Eigensinnigkeit und gegen etablierte Meinung steht. Leider habe ich das Original noch nie einsehen können. 

Die christliche Marienbibliothek in Halle ist ein Bücher-Schatz auch der Anatomie. Was denkst Du darüber, dass ausgerechnet eine religiöse Einrichtung die schöne Ausgabe des Vesalius über viele Jahrhunderte gerettet hat? 

GvH: Die Kirche und die Anatomie waren so viele Jahre lang miteinander verflochten. Das Christentum hatte sich zu Vesals Zeiten als anatomie-freundlichste Religion der Welt etabliert. Italien war mit Billigung der Päpste zum Geburtsland der Anatomie der Neuzeit geworden. Päpste hatten in Padua und Bologna öffentliche Sektionen erlaubt und ließen sich sogar selbst sezieren. Von dort aus trat die Anatomie ihren Siegeszug als ›Anatomia publica‹ über ganz Europa an. Vesal machte sich die Mächtigen zum Freund. Beispielsweise widmete er die Fabrica Kaiser Karl V., der von ihm eine kolorierte Prachtausgabe erhielt. Dass sich die Kirche nie offiziell zu seinem Wirken geäußert hat, steht für ihr damaliges diplomatisches Geschick als Mittler zwischen konservativen und progressiven Wertvorstellungen. 

Du unterhältst – was vermutlich manche nicht wissen – eine der größten Privat-Bibliotheken, die zumindest ich je gesehen habe. 

GvH: Natürlich habe ich darin auch mehrere Kopien von Vesalius Werk. Anatomen schätzen Zeichnungen mehr als Texte, und auch ich schätze seine Abbildungen sehr. An dieser Stelle möchte ich die Arbeit des Illustrators von Vesalius, Jan Stephan van Calcar, würdigen, der so selten für seine Beteiligung an einigen der anatomischen Zeichnungen gewürdigt wird. 

Angelina, Du warst und bist die Gestalterin der Körperwelten-Ausstellungen. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, bei manchen Ausstellungen jahrhundertealte anatomische Abbildungen zu zeigen? Viele Menschen finden heutzutage ja ›Gestriges‹ langweilig. Wie denkst Du darüber? 

GvH: Historische anatomische Darstellungen hatten wir vor allem in den frühen Körperwelten-Ausstellungen, weil wir uns in der Tradition der Renaissance-Anatomen sahen. Die Anatomen jener Zeit stellten die menschliche Anatomie nicht nur in einer bis dahin ungekannten Detailtreue dar, sondern priesen auch den Körper in all seiner Schönheit und betrachteten ihn als Tempel des Geistes. Zudem ließen sie die Öffentlichkeit an ihren Erkenntnissen im Rahmen der damals üblichen Anatomischen Theater teilhaben. Die Ästhetik dieser wunderbaren Bilder hatte schließlich auch einen wesentlichen Einfluss auf unsere Exponate. Die ersten Ganzkörperplastinate sahen z. B. wie anatomische Modelle aus: aufrecht, starr und steif. Sie konnten nicht einmal von allein aufrecht stehen, sondern wurden von einem am Becken befestigten Ständer gehalten. In der allerersten Körperwelten-Ausstellung in Japan beklagten manche Besucher jedoch, dass die Exponate zwar hochinteressant, aber auch etwas zum Fürchten seien, weil sie so tot aussähen. Das ließ uns sofort an die alten Anatomiebilder denken, in denen die Körper ästhetisch und in lebensnahen Posen, und manchmal sogar in wunderschönen Landschaften stehend, dargestellt waren. Uns war in diesem Moment klar geworden, dass auch unsere Exponate über ihre wissenschaftliche Aussage hinaus eine ästhetische Dimension benötigen, wie es die alten Renaissance-Anatomen bereits begriffen hatten. Bei der heutigen Schnelllebigkeit neigen wir in der Tat oft dazu, Altes als langweilig abzutun. Doch wie das Beispiel zeigt, können wir auch von alten Meistern Wichtiges lernen. Unabhängig davon haben die historischen Bilder über Jahrhunderte hinweg nichts von ihrem ästhetischen Reiz eingebüßt. 

Was macht für Dich einen Forscher oder eine Forscherin aus, der oder die in der Geschichte der Medizin ihren Platz findet? 

AW: Es gibt viele Forscher und Forscherinnen, die Pionierarbeit leisten und deren bahnbrechende Erkenntnisse einen großen Mehrwert für die jeweilige wissenschaftliche Disziplin und die Gesellschaft haben. Doch ganz besonders bleiben uns diejenigen im Gedächtnis, die ihre Leistungen trotz widriger Umstände oder entgegen fest etablierter Lehrmeinungen und Glaubenssätze erbringen und einen Wandel auslösen. Wie Andreas Vesal, der menschliche Körper erstmals systematisch zergliederte und mit seinen Erkenntnissen die jahrhundertelang vorherrschenden Lehrmeinungen revolutionierte. Das war zu Zeiten der Inquisition vermutlich kein leichtes Unterfangen. Auch Gunther hat als Erfinder der Plastination zweifelsohne seinen Platz in der Anatomiegeschichte gefunden. Mit seiner bahnbrechenden Konservierungsmethode hat er die anatomische Lehre maßgeblich verbessert und mit den Körperwelten die Anatomie einem breiten Massenpublikum zugänglich gemacht oder, wie er selbst gern sagt, »die Anatomie demokratisiert«. Körperwelten hat den Blick der Menschen auf sich selbst nachhaltig verändert und einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheitsaufklärung geleistet. Ich selbst habe die Ausstellung von Anbeginn inhaltlich konzipiert und gestaltet und habe damit an diesem Erfolg bedeutsamen Anteil. Doch den anfänglichen heftigen Kontroversen und Forderungen nach Verboten bis hin zu persönlichen Anfeindungen hätte ich niemals standhalten können; das ist allein Gunthers Verdienst. Mit der gleichen Unbeirrtheit und dem Durchhaltevermögen, mit dem er die Plastination – trotz scharfer Kritik und Ablehnung seiner Fachkollegen – von der initialen Idee bis hin zur Perfektion entwickelte, hat er auch diesen Kulturkampf ausgetragen. 

Hast Du alte, anatomische Lieblings-Bücher, die du besonders gerne gelesen hast oder in die Du immer noch hineinschaust – und falls ja, wo und wann hast Du sie entdeckt? 

AW: Anatomiebücher sind weniger Werke, in denen ich immer wieder gerne lese (schmunzelt). Aber manche anatomischen Darstellungen finde ich derart ästhetisch und künstlerisch gelungen, dass ich sie immer wieder gern anschaue. Dazu gehören vor allem die Abbildungen in der Fabrica von Andreas Vesal und die kunstvollen anatomischen Zeichnungen von Leonardo da Vinci. Auch die ungewöhnlichen Darstellungen des Anatomen Frederik Ruysch, der aus injizierten Blutgefäßen und klagenden Kinderskeletten kleine Landschaften schuf und diese in Zeichnungen festhielt, fand ich stets sehr bemerkenswert. Dafür näher interessiert habe ich mich eigentlich erst, als ich nach dem Medizinstudium meine erste Stelle am Anatomischen Institut in Heidelberg angenommen hatte. 

Das Interview mit Gunther von Hagens fand von Januar bis März 2024 statt und war nur durch die sehr freundliche Unterstützung von Angelina Whalley und Rebecca Brewer möglich, denen ich von Herzen danke. – MB 

Gunther von Hagens ist Anatom, Erfinder der Plastination und treibende Kraft hinter den Körperwelten-Ausstellungen mit haltbar gemachten Menschen und Tieren, die seit den 1990er Jahren weltweit zu sehen sind. Er studierte in Jena Medizin und saß wegen Republikflucht in der DDR im Gefängnis. 

Angelina Whalley konzipierte bereits 1988 die erste öffentliche Ausstellung in der AOK-Geschäftsstelle Pforzheim* und entwirft seit 1995 die Körperwelten-Ausstellungen. Sie ist Ärztin und mit Gunther von Hagens verheiratet. Körperwelten ist die besucherstärkste Ausstellung, die es weltweit je gab. Die Plastination hat die universitäre Anatomie-Lehre grundlegend verändert, da die Körperteile dabei sehr stabil sowie lebensgetreu darstellbar sind. Das Plastinarium in Guben ist sowohl Ausstellungsfläche als auch Herstellungs-Ort der Plastinate. Es ist in einer ehemaligen Hut-Fabrik untergebracht. 

Mark Benecke ist Kriminal-Biologe und Sachverständiger für biologische Spuren. Nach seiner Rückkehr vom Office of Chief Medical Examiner in New York City arbeitete er bei der Körperwelten-Ausstellung in Köln und führt bis heute Kurse im Plastinarium durch. 

Autismus to go: Fortbildungspodcast des Berufsbildungswerks Hamburg

New Podcast Episode: Im Gespräch mit Dr. Mark Benecke und Ines Fischer von White Unicorn e.V.

Der Verein White Unicorn e.V. ist ein peergestützter Verein, der sich für ein  autismusfreundliches Umfeld einsetzt. Mithilfe von Forschungs- und Aufklärungsprojekte entwickelt der Verein Materialien, um bessere, inklusive Bildungschancen für Kinder im Spektrum zu ermöglichen.

Materialien sowie Handreichungen findet ihr auf der Webseite des Vereins unter 

 https://www.white-unicorn.org/startseite

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Anmerkung von Mark: Wir bedanken uns bei allen, die mit uns seit Jahren zusammen arbeiten, darunter die Goethe-Universität Frankfurt/Main, die Humboldt-Universität Berlin (HU), Aktion Mensch, das Bundesministerium für Bildung & Forschung (BMBF) und der Verbund 'Schule & Autismus' (schAUT) 🤝

Deutschlands berühmtester Kriminalbiologe zu Besuch auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt

Quelle: Thüringer Allgemeine, 30. November 2024

Von Martin Wichmann

Erfurt. Ein Plüsch-Rupfi für Dr. Made, das gibt’s nicht alle Tage. Wer auf dem Domplatz gesichtet wurde, verraten wir hier: Das erste Weihnachtsmarkt-Wochenende lockt am Samstag Tausende Besucher auf den Erfurter Domplatz. Und auch Erfurts lichte Fichte Rupfi stand dabei im Mittelpunkt. Denn am Nachmittag schaut auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt Rupfis wohl prominentester Fan vorbei. Ein Mann im Gothic-Look mit schwarzem Rollkoffer zog etliche Blicke auf sich.

Es ist Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe Mark Benecke alias Dr. Made, der es sich nicht nehmen ließ, auf seiner Reise von Fürth nach Jena, Station in Erfurt zu machen. Und das nur für Rupfi!

Benecke ist derzeit auf Vortrags-Tour, referiert über grausame Serienmorde in ausverkauften Hallen und holte sich vor seinem Auftritt am Abend im Jenaer Abbe-Hörsaal seinen persönlichen Plüsch-Rupfi an Rupfis Glühweinstube ab.

Benecke reiste mit Frau Ines mit dem Zug an, mit der Straßenbahn ging es direkt zum Domplatz. Knapp eine Stunde nahm sich Benecke Zeit.

Beneckes und Frau Ines’ Vater stammen beide aus Weimar, Ines selbst ist aus Leinefelde. “Wir sind also sehr mit Thüringen verbunden.” Und die Verbundenheit zu Rupfi? Benecke: "Ich war damals auf dem Domplatz dabei, als Rupfi fiel und habe davon ein Video gedreht. Im Folgejahr durfte ich offiziell den Erfurter Weihnachtsmarkt eröffnen.”

Bei Dr. Made ging Rupfi sogar unter die Haut. So trägt er ein Abbild der lichten Fichte seit Anbeginn als Tattoo auf seiner Wade. Und nun ist auch ein Plüsch-Rupfi mit auf Tour. Benecke: “Den nehme ich jetzt mit auf Reisen und werde so Rupfi’s außergewöhnliche Geschichte in die anderen Bundesländer tragen.” Mark Benecke drehte rund um Rupfi noch ein paar Handy-Videos, erfüllte auf dem Weihnachtsmarkt etliche Selfie-Wünsche, bevor es mit einer Tüte Nüsse und dem Plüsch-Rupfi im Gepäck weiter nach Jena ging. Am Sonntag reist Benecke zurück in seine Heimatstadt Köln.


Podcast: Trauern, Joggen, Gassi gehen — Wie verändern sich Verhaltenscodes auf Friedhöfen?

Auf mittelalterlichen Kirchhöfen herrschte ein reges Treiben: Gärtnern, Handwerkern oder Feiern waren keine Seltenheit. Erst in den folgenden Jahrhunderten entstand langsam die Idee vom Friedhof als Ort der Totenruhe. Heute befinden sich Friedhöfe wieder in einem Transformationsprozess: Es wächst eine neue Offenheit für die Auseinandersetzung mit Tod und Trauer, immer mehr Menschen begreifen Friedhöfe wieder als lebendige Orte im urbanen Leben, nutzen sie als grüne Oasen in dichten Städten. Wie stimmig sind althergebrachte pietätvolle Verhaltensnormen noch? Und wie viel Leben wollen wir auf Friedhöfen? Kicken, feiern, arbeiten – was ist neben Gräbern noch okay?

Mit:

Dr. Mark Benecke, Kriminalbiologe

Dr. Thorsten Benkel, Soziologe, Universität Passau

Anja Franczak, Kulturwissenschaftlerin und Trauerbegleiterin

Dr. Barbara Happe, Kulturwissenschaftlerin, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Matthias Meitzler, Soziologe, Eberhard Karls Universität Tübingen

Dr. Martin Venne, Landschaftsarchitekt

Tillmann Wagner, Geschäftsführer Ev. Friedhofsverband Berlin

SR kultur "Bist du behindert?" – Leben als Autist:in (mit Mark & Ines)

Quelle: tabularasa – weg mit Tabus · SR2 KulturRadio · 12. November 2024 · ARD Mediathek & SR2 Radio · https://www.ardaudiothek.de/episode/tabularasa-weg-mit-tabus/bist-du-behindert-leben-als-autist-in/sr-kultur/13881917/ · titel thesen temperamente (ttt)

Auszüge aus dem Podcast

[0:00:03]: Mark Benecke:

"Sowohl dieser Begriff der Folter, der jetzt auch garantiert empörte Zuschriften an den Sender hier hervorrufen wird als auch der Begriff dieser Umwandlungs-Behandlungen, der ist, der ist leider messbar, zutreffend, sachlich."

Host Laura:

"Das Besondere an Autismus und ein Grund, warum Diagnosen oft spät erfolgen, ist, dass es ein Spektrum ist – die Symptome treten in ganz unterschiedlicher Ausprägung und Stärke auf. Daher spricht man in der Psychologie heute von einer Autismusspektrumstörung. Warum Autismus schwer zu diagnostizieren ist und welche Überlappungen es zu anderen Formen der Neurodivergenz gibt, hat mir Mark Benecke genauer erklärt."

[0:15:41]: Mark Benecke:

Es gibt viele Überschneidungen. Es gibt nicht 'den Autisten' oder 'die Autistin'. Zum Beispiel kann jederzeit eine posttraumatische Belastungsstörung dazukommen, weil Autist*innen in ihrer Kindheit häufig von Umweltreizen genervt werden.

[0:16:29]: "Ich habe bewusst nach den Problemen von Autistinnen gefragt und nicht danach, was Autistinnen sind. Das habe ich auch die Partnerin von Mark Benecke gefragt, und sie hat ähnliche Schwierigkeiten wie ich, das zu erklären."

[0:16:44]: Ines Benecke:

"Ich finde es schwierig zu erklären, weil man Autismus immer im Vergleich zu Neurotypischen erklären muss. Und dafür muss ich mich als Autistin in eine neurotypische Sicht hineinversetzen, um den Unterschied zu erkennen. Für mich ist mein Verhalten ja normal – neurotypische Menschen finden mich komisch, nicht umgekehrt." 

[0:17:40]: Mark Benecke:

"Grundsätzlich ist Autismus eine andere Verdrahtung im Gehirn, als ob die „Drähte“ die Nerven wären. Zum Beispiel nehmen Autist:innen Reize oft viel stärker wahr. Es ist jedoch bisher nicht genau geklärt, ob die Reize wirklich intensiver ankommen oder ob bestimmte Filter nicht so funktionieren, dass die Sortierung, also das Gewicht, das einem Reiz gegeben wird, eingeschränkt ist. Es ist also nicht sicher, ob ein Geräusch tatsächlich lauter wahrgenommen wird oder ob einfach die Möglichkeit fehlt, sich davon abzulenken. Bei mir wäre das zum Beispiel das Ticken einer Uhr."

[0:42:56]: Mark Benecke:

"Es gibt allerdings auch Therapien, die ganz andere Ansätze verfolgen. Deswegen muss man da stark unterscheiden. Ines meint hier die gängigsten Angebote – dabei handelt es sich um spezielle Verhaltenssysteme, die auf Englisch bezeichnet werden, mit Lernmethoden und Verhaltenstherapien, die aber nichts mit herkömmlichen psychologischen Verhaltenstherapien zu tun haben, sondern speziell auf Autismus bezogen sind. Für Autisten und Autistinnen werden diese Methoden jedoch oft als eine Art Folter empfunden, bei der sie sich stundenlang an Reize gewöhnen sollen, an die sie sich nicht gewöhnen können."

[0:44:27]: Mark Benecke

"Aber das ist bei Autistinnen messbar. Es sind keine „Flausen“ , sondern neurologisch belegte Reaktionen, die man im Gehirnscans sehen kann: Bei bestimmten Reizen leuchten die Bereiche für Angst, Ekel oder Vermeidung auf."

[0:44:45]: Host Laura:

"Ines und Mark haben als Beispiel für solche Abneigungen Knoblauchgurken genommen. Wenn ein Autist oder eine Autistin Knoblauchgurken eklig findet, ist das absolut nachvollziehbar."

[0:44:56]: Mark Benecke:

"Das ist eigentlich gar nicht abwegig, aber ein autistisches Kind soll sich dann doch bitte an diese „blöden“ Knoblauchgurken gewöhnen."

[0:45:06]: Mark Benecke:

"Wer würde denn beim Abendessen sagen: „Damit du dich daran gewöhnst, gibt es heute nur Knoblauchgurken?“ Das würde doch niemand machen."

Mark Benecke:

"Das Verrückte an dieser Art von Therapie ist, dass nicht das echte soziale Verhalten gefördert wird, sondern nur eine angepasste, oft „verlogene“ soziale Anpassung."

[0:48:59]:

"Autisten erleben oft Traumatisierungen wie Mobbing und Ausgrenzung. Vielleicht wäre es besser, eine Therapie zu entwickeln, die darauf Rücksicht nimmt, statt auf Anpassung zu setzen." 

[0:49:21]:

"Gefühlt müsste man eher die Gesellschaft therapieren, damit sie lernt, mit Autist:innen umzugehen."

"Auch gegenseitiges Verständnis wäre hilfreich. Es geht darum, das Selbstwertgefühl von Autistinnen zu stärken und ihre Stärken zu erkennen."

[0:51:15]:

"Autismus ist offiziell eine Behinderung. Innerhalb der Betroffenen gibt es jedoch auch Stimmen, die Autismus als eine Art Superkraft sehen."

[0:51:45]: Mark Benecke: 

"Es ist auch eine Superkraft. Das meine ich wirklich. Auch wenn ich das jetzt ein bisschen lustig sage."

[0:52:07]:

"Man sagt, „kennst du einen Autisten, kennst du einen Autisten“ , und das zeigt auch die Vielfalt der Community."

[0:52:21]: Beccs

"Ich sehe Autismus nicht als Superkraft, sondern eher als Behinderung, wenn auch in einer idealen Gesellschaft."

[0:52:33]: Host Laura:

"Ich sehe sowohl Vorteile als auch Nachteile durch den Autismus. Letztlich wiegt es sich für mich aus."

[0:53:11]: Co-Host Katharina:

"Das Wort „Behinderung“ bedeutet ja, dass man an etwas gehindert wird, und das trifft in einigen Bereichen zu."

 [0:53:56]:

"In manchen Bereichen können Autist*innen jedoch glänzen."

[0:54:02]: Mark Benecke:

"Viele erfolgreiche Code-Knacker sind natürlich Autist:innen."

[0:54:14]: Host Laura:

"Wenn man keine wissenschaftliche Karriere anstrebt, kann eine Diagnose aber hilfreich sein, z. B. für Nachteilsausgleiche oder einen besonderen Kündigungsschutz."

[0:54:41]:

"Es kann auch ein Vorteil sein, Autist:in zu sein. Es gibt Fähigkeiten, die andere nicht haben. Es hängt von deinem Lebensumfeld ab, ob Autismus ein Vorteil oder Nachteil ist."

Doktor Made ermittelt

Quelle: KURIER.at, 8. November 2024

Von Birgit Seiser

Nachgefragt. Immer noch ist offen, wann der Doppelmörder Roland Drexler gestorben ist. Experte Mark Benecke erklärt, welche Faktoren für die Bestimmung des Todeszeitpunkts essenziell sind.

Fünf Tage lang suchte eine Hundertschaft an Polizisten Wälder im oberösterreichischen Bezirk Rohrbach (OÖ) nach dem mutmaßlichen Doppelmörder Roland Drexler ab. Am Samstag stand fest, dass er tot ist, seine Leiche wurde in seinem Jagdgebiet entdeckt. Mit Spannung erwartete das ganze Land das Ergebnis der Obduktion, das aber weiter Fragen offen ließ. Der genaue Todeszeitpunkt konnte nicht bestimmt werden. Nun sollen forensische Entomologen das Rätsel lösen.

Einer der bekanntesten Vertreter dieses Fachs ist Dr. Mark Benecke. Der Kriminalbiologe, der auch als "Dr. Made" bekannt ist, erklärt im KURIER, wie man den Todeszeitpunkt bestimmen kann und wie Insekten dabei helfen. Die folgenden Zeilen sind nichts für Menschen mit schwachen Mägen.

Leiche als Brutstätte

"Bei einer frischen Leiche erkennt man den Todeszeitpunkt beispielsweise über die Reizbarkeit der Muskeln mit Strom, die Auskühlung des Körpers und die Beweglichkeit der Pupillen, wenn etwas hineingetropft wird. Auch, wie sich die Gelenke biegen lassen, gibt Aufschluss über den Todeszeitpunkt", sagt Benecke. 

Ist der Tod schon vor längerer Zeit eingetreten, gibt es andere Merkmale, die zur Aufklärung beitragen können. Insekten nutzen Leichen als Brutstätte und Nahrungsquelle: "Je länger eine Leiche liegt, umso mehr zersetzt sich der Körper. Dann kann man das Alters der Larven von Schmeißfliegen verwenden, die wie eine Uhr ticken, also wachsen", erklärt der Kriminalbiologe. Käsefliegen oder Aaskäfer, die Leichen erst später besiedeln, können ebenfalls zur Bestimmung des Todeszeitpunkts beitragen. In manchen Fällen können sogar Pflanzen und deren Wurzeln untersucht werden, die über oder durch die Leiche hindurch wachsen.

Genau solche Merkmale sollen nun helfen, den Todeszeitpunkt von Roland D. festzustellen. Dass er schon länger tot gewesen sein muss - sich möglicherweise direkt nach dem Doppelmord am Montag das Leben genommen hat - kann durch das Auftreten von Insekten aber nicht zwingend abgelesen werden.

"Insekten können superschnell auf einem Leichnam zu finden sein. Ich habe es schon erlebt, dass die schwangeren Fliegen-Weibchen sofort nachdem die Leichen ins Freie gelegt wurden, beispielsweise im Studierenden-Kurs oder auf der Body Farm, angesaust kamen. Fliegen können Butanol und Methylsulfid, das aus Leichen strömen kann, sehr gut riechen."

Störfaktoren

In der forensischen Entomologie gibt es aber selbstverständlich auch Störfaktoren, die Untersuchungen erschweren können. "Wenn  eine Leiche verlagert, also von einem Ort an den anderen gebracht wurde, kennt man die jeweiligen Temperaturen der Orte vielleicht nicht. Die brauchen wir aber, um die Wachstums-Geschwindigkeit der Larven zu errechnen. Manchmal werden Leichen auch versenkt oder irgendwo eingeschlossen, wo die Tiere nicht sofort dran gehen. Oder es ist zu kalt oder regnet", sagt Benecke. 

Die Witterungsbedingungen dürften in der vergangenen Woche so gewesen sein, dass sie keine negativen Auswirkungen auf die kommenden Untersuchungen haben sollten. Die Temperaturen lagen deutlich im ein- bis niedrigen zweistelligen Bereich; an drei Tagen regnete es, aber nur sehr mäßig. Die Leiche wurde laut Polizei außerdem nicht eingeschlossen oder in Wasser versenkt, entdeckt, sondern soll offen in dem Waldstück gelegen haben. 

Kriminalbiologe Mark Benecke bestätigt: KZ-Lampenschirm ist aus Menschenhaut

Quelle: BILD, 22. März 2024

Von: Laura Meinfelder

Der Lampenschirm aus Menschenhaut und andere Präparate sind Beweise für die unfassbar grausamen nationalsozialistischen Verbrechen. Die Aufnahme entstand kurz nach der Befreiung am 16. April 1945

Weimar (Thüringen) – Viele hatten es bereits geahnt, doch jetzt ist es erschreckende Realität: Der berüchtigte „Kleine Lampenschirm“ aus dem KZ Buchenwald wurde aus Menschenhaut hergestellt! Das bestätigten nun neueste Untersuchungen.

Ein früheres Gutachten von 1992 hatte fälschlicherweise behauptet, der Lampenschirm sei aus Kunststoff. Geschichtsleugner nutzten diese Fehleinschätzung immer wieder, um die nationalsozialistischen Verbrechen zu bestreiten. Deswegen hatte sich die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Thüringen entschieden, die Präparate noch einmal mit neuesten technischen Verfahren untersuchen zu lassen.

Der bekannte Kriminalbiologe Mark Benecke (53) stellte jetzt klar, dass das Material vom Lampenschirm „nur menschlich sein“ könne. Das ist das Ergebnis seiner forensischen und mikroskopischen Analyse.

Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke wurde bei der Vorstellung der neuen Forschungsergebnisse mit Direktor Jens-Christian Wagner (links) digital zugeschaltet.

Im Hintergrund ist der kleine Lampenschirm zu sehen, der sicher aus Menschenhaut besteht und sich in einer SS-Villa befand.

Lampenschirm stammt aus KZ der Nazis

Der kleine Schirm stammt aus einem der Häuser der SS-Villensiedlung und wurde unmittelbar nach der Befreiung im April 1945 vom ehemaligen deutschen politischen Häftling Karl Straub (1898-1966) an sich genommen.

Später kam der Lampenschirm wieder zurück nach Buchenwald, wo er von 1954 bis 1990 in der Gedenkstätte ausgestellt wurden. Mittlerweile ist er aus ethischen Gründen nicht mehr öffentlich zu sehen.

Im KZ Buchenwald wurden Menschen gequält, gefoltert und getötet

„In unseren Ausstellungen zeigen wir bewusst keine menschlichen Überreste, obwohl sie sich in unserer Sammlung befinden. Eigentlich müssten diese aus humanitären Gründen bestattet werden. Da sie jedoch auch Beweise der nationalsozialistischen Verbrechen in den Konzentrationslagern sind, bewahren wir sie auf“, heißt es auf der Internetseite der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.

Für solche Präparate benutzte die SS von Adolf Hitler bevorzugt die Haut von tätowierten Häftlingsleichen.

Direktor Jens-Christian Wagner betont, dass die Herstellung von Lampenschirmen und anderen „Geschenkartikeln“ aus Menschenhaut zeigt, wie „komplett dehumanisiert“ die SS war. In keinem anderen deutschen Konzentrationslager wurden derartige Gegenstände hergestellt.

Wetter und Temperatur spielen eine große Rolle

Quelle: t-online.de, 26. Juni 2024

Von Simone Bischof

Kriminalbiologe zum Fall Arian

In Niedersachsen wurde eine Kinderleiche gefunden. Möglicherweise ist es der vermisste Arian. Wie die Ermittler das herausfinden, erklärt der Kriminalbiologe Mark Benecke.

Am Montagnachmittag entdeckte ein Landwirt auf einer Wiese im Landkreis Stade eine Kinderleiche. Die Ermittler schließen einen Zusammenhang zu dem seit mehr als zwei Monaten vermissten sechsjährigen Arian aus Bremervörde nicht aus. Der Leichnam wurde zur Obduktion in die Gerichtsmedizin gebracht, Ergebnisse der Untersuchung sollen noch in dieser Woche bekannt gegeben werden.

Der Forensik-Experte Dr. Mark Benecke hat die Polizei schon in vielen Fällen unterstützt. Im Gespräch mit t-online erklärt er, wie die Ermittler, die mit der Aufklärung des Falls befasst sind, im Weiteren vorgehen.

t-online: Herr Benecke, Arian ist vor etwas mehr als zwei Monaten verschwunden. Vorausgesetzt, bei der gefundenen Kinderleiche handelt es sich um den Sechsjährigen: In welchem Zustand ist die Leiche nach so langer Zeit?

Mark Benecke: Das hängt von mehreren Faktoren ab. Wetter und Temperatur spielen eine große Rolle. Wenn es warm und feucht ist, zersetzen sich Leichen im Freien schnell. Weiterhin spielt eine Rolle, wie die Leiche gelagert ist – beispielsweise in einer Kiste oder in der Erde. Außerdem, ob es Tierfraß gibt. Etwa durch Ameisen, Maden oder Wildschweine.

Welche Wetterbedingungen spielen beim Zustand einer Leiche eine Rolle? Zum Zeitpunkt von Arians Verschwinden war es noch kalt. Inzwischen gab es Unwetter mit viel Regen, außerdem Hitze.

Solange es kalt ist, wachsen die Bakterien und Insekten langsam. Wenn es wärmer wird, wachsen sie schneller und lösen die Leichen dann auch schneller auf.

Wie erschwert der Zustand einer Leiche ihre Identifizierung?

Das spielt seit der Erfindung beziehungsweise Entdeckung genetischer Fingerabdrücke in Vermissten-Fällen keine Rolle mehr. In den Knochen und Zähnen ist immer genug Erbgut, um zu bestimmen, ob die Leiche die vermisste Person ist oder nicht.

Gibt es einen leichteren Weg?

Wenn es um den "ersten Blick" geht: Meist über die Bekleidung.

Wie wird eine Leiche untersucht und wonach wird gesucht?

Gesucht wird nach Verletzungen, die an Knochen sichtbar sind, beispielsweise "Scharten", also Ritzer, die von einem Messer stammen könnten. Außerdem nach Giften, die im sogenannten "Weichgewebe" sind, aber auch in harten Körper-Teilen. Und nach Spuren von Brand, Ersticken, Knochenbrüchen und natürlich allem, was von einem Täter oder einer Täterin stammen könnte: Haut-Zellen, Haare, Kleidungs-Fasern, Blut, Sperma oder Speichel.

Nach welchen "typischen" Merkmalen wird zuerst gesucht, um die Todesursache festzustellen?

Die Kolleginnen und Kollegen aus der Rechtsmedizin schauen unter anderem danach, ob es bestimmte Flecken auf Organen gibt, sofern diese noch erhalten sind, ob es Brüche beispielsweise am Kehlkopf gibt oder ob der Schädel gebrochen oder durchlöchert ist. Blut-Unterlaufungen können interessant sein oder Löcher in der Haut, eigentlich alle "Veränderungen" gegenüber dem Grundzustand.

Interview: Serienmörder Luis Alfredo Garavito Cubillos (1957—2023)

Quellen: Meldung aus web.de vom 28. Oktober 2024 und Bonus-Interview, das die Grundlage für den Text war

Wenn Du den Fall Garavito in drei Wörter beschreiben müsstest - welche wären das? Und warum?

Da reicht ein Wort: Apokalyptisch.

Wenn man einem Serienmörder gegenübersitzt - wie fühlt sich das an, was strahlt er (anders als andere Menschen) eventuell aus?

Sie sind eitel, das heißt, sie versuchen, sich im Knast gut darzustellen. Die Ausstrahlung der meisten ist ruhig, ehrlich und offen. Das ist gut zu erkennen auf Videos beispielsweise von Jeff Dahmer und Samuel Little, die im Internet zu finden sind. 

Abgesehen von der immensen Anzahl an Opfern: Was machte Garavito als Serienmörder so einzigartig? Weshalb hat er dein Interesse geweckt? Was hat dich dazu gebracht ihn persönlich kennenlernen zu wollen?

Niemand wollte mit ihm reden. Meine Kolleginnen und Kollegen in Bogotá meinten zu mir, er sei ein Monster, kein Mensch, und Monstern nehmen sie weder Blut ab noch reden sie mit ihnen. 

Hattest du auch Kontakt zu direkt Betroffenen, wie den Familien seiner Opfer, oder ermittelnden Beamten? Wenn ja, was haben sie dir über ihre Perspektive auf die Morde und ihre Aufklärung erzählt?

Es war wegen der Entführungen zu gefährlich, ins ländliche Kolumbien zu reisen. Sogar von meinem Patenkind in Kolumbien habe ich seit langem nichts mehr gehört, es ist wirklich nicht einfach dort. Auch die Polizei konnte mich kaum schützen. In Villavicencio haben mein Übersetzer Miguel, der heute Richter ist, und ich alleine in einem riesigen Raum gefrühstückt, bewacht von zwei Menschen mit Maschinengewehren im Anschlag neben uns. Ich habe versucht, mit der Polizei eine Art Fonds für die Opfer-Familien einzurichten, das war wegen der vollständigen Bestechlichkeit der Behörden aber unmöglich. Den Müttern der verschwundenen Kinder hat die Polizei anfangs auch oft nicht geglaubt. Das war sehr hart für alle, im Nachhinein auch für die Polizistinnen und Polizisten, die schwere Schuld-Gefühle haben.

Schwer traumatisiert ist auch der Staatsanwalt des Falles. Ich habe zuletzt nicht mehr mit ihm gesprochen, da er echt "weg" war, wenn er vom Fall berichtete. Das letze, was er mir sagt, war, dass ihn vermutlich Gott ausgewählt hat, diese Sache zu bearbeiten, anders konnte er damit nicht mehr leben. Er war auch nicht mehr zu stoppen, wenn er anfing, darüber zu sprechen. 

Letztlich wurde das ganze Land schwer mitgenommen. Die beteiligten Polizistinnen und Polizisten in einerm abgelegenen Gebiet, Garavito selbst, ein befreundeter Priester, der selbst mal Kokain-Schmuggler und im Knast war und ich waren vielleicht die einzigen, die völlig offen miteinander über die Sache geredet haben.

Garavito wird in Berichten als kooperationsbereit bei der Aufklärung bezeichnet. Ich hatte beim Lesen der Nachrichten von damals den Eindruck, dass er nicht wirklich Reue für die Morde gezeigt hat? Wie hast du ihn erlebt?

Antisoziale Narzissen haben im Gehirn eine Veränderung, die es ihnen unmöglich macht, Reue zu empfinden, wie sie "normale" Menschen kennen. Garavito hat sich selbst — teils zurecht, er hatte eine Kindheit und Jugend, die ich niemandem wünsche — bemitleidet. Er hat mir berichtet, dass ein Junge, der ihm erzählte, sexuell missbraucht worden zu sein, ihm leid tat. Das erinnerte ihn an seine Kindheit. Er hat das Kind danach tot gefoltert.

Wie hast du seine Situation im Gefängnis wahrgenommen? Er hatte offenbar Kaffee in Haft, wie ich in einem Instagram-Post von dir gelesen habe, das erscheint mir ungewöhnlich. Wer hat ihm diese Dinge besorgt? Meinst du er wollte etwas damit bezwecken, dir etwas "rares" anzubieten?

Er hatte Geld. In deutschen Knästen kannst du auch Handies und Drogen haben, soviel du willst, wenn du genügend Verbindungen hast. Da Garavito ein Muster-Häftling war und zusätzlich Geld hatte, lief das problemlos. Als ich das letzte Mal bei ihm war, wurde ich komplett (ganz komplett, hüstel) durchsucht. Ich durfte nichts mitbringen. Er wusste das und hatte alles vorbereitet, samt Aufnahme-Gerät, Stiften, Papier und Ersatz-Batterien. 

Wie war deine Reaktion auf eine mögliche Freilassung auf Bewährung? Wäre er eine erneute Gefahr gewesen? Wäre eine Rehabilitation realistisch gewesen?

Er hatte sicher keine Lust, nochmal in den Knast zu gehen. Bewährung ist in seinem Fall sinnlos, da er sich unmöglich irgendwo hätte eingliedern können. 

Niemand hätte ihm geholfen oder helfen können: Er wäre draußen in Tagesfrist tot gewesen, wenn er erkannt worden wäre. 

Vermutlich wäre er blitzschnell abgetaucht. Darin war er sehr gut und es ist in Kolumbien wegen der weiten Gebiete und des Chaos auch einfach. 

Es ist zwar möglich, dass er wie Dennis Rader einfach aufgehört hätte. Allerdings — das ist aber nie öffentlich berichtet worden — hat Garavito auch mögliche Zeuginnen und Zeugen getötet. Könnte also sein, dass er noch aus anderen Gründen als den klassisch-serienmördermäßigen weiter getötet hätte. 

Am ehesten hätte man ihn mit Bildung "rehabilitieren" können, denn die hat er wirklich ersehnt.

Unabhängig davon: Was soll ein Serienmörder tun, um das Leid der Familien auch nur ansatzweise wieder gut zu machen? Damit tun sich ja schon Allerwelts-Mörder so schwer, dass die meisten niemals mit den Opfer-Familien reden. Soweit ich es beurteilen kann, ist Wiedergutmachung für Menschen wie Garavito schon rein sachlich unmöglich. Viele der Mütter haben auch erfahren, wie er die Kinder getötet hat. Da gibt es endgültig nichts mehr zu verzeihen.  

Garavito wusste das vermutlich. Im Gefängnis ist er Christ geworden und hat auf den jüngsten Tag und göttliche Vergebung gehofft — das habe ich von ihm schriftlich. Er hat mir sogar einmal geschrieben, dass er hofft, dass Gott auch mich beschützt. Tja.

Die Zahl seiner Opfer wurde immer wieder unterschiedlich angegeben (oft zwischen 170 und 190)- du gehst in deinen Texten von einer deutlich höheren Zahl aus, worin begründet sich deine Annahme?

Aus den polizeilichen Akten. Es ist normal, dass nur das angeklagt wird, was vor Gericht gut darzulegen ist. Das hat aber — in allen Ländern — nicht immer etwas mit der echten Opfer-Zahl zu tun. Die Polizei stand zudem eh schon in ungutem Licht da, weil sie Garavito nicht früher erkannt hatte. Er ist ja nur durch Zufall im Knast aufgeflogen, wo er unter falschem Namen saß.

Hast du seine Angst davor im Gefängnis vergiftet zu werden als realistische Angst wahrgenommen?

Nein. Wir haben uns wirklich gut verstanden. Er war der einzige Experte für seinen Fall, daran habe ich keinen Zweifel gelassen. Wir haben uns ernst genommen. 

Wurde dir etwas zum Tod Garavitos mitgeteilt? Ich habe nur etwas zu "gesundheitlichen Problemen" gefunden.

Ja, er hatte Blutkrebs. Ich bin bis heute mit den Polizisten in Verbindung. Sie hatten viele Fragen und sind auch nach wie vor schockiert.

Warum denkst du haben die Behörden ihn bei seiner Verhaftung im April 1999 nicht direkt mit den Morden in Verbindung gebracht?

Weil es wie eine Sexualstraftat mit überlebendem Kind aussah. Das ist in armen Ländern leider nichts allzu ungewöhnliches.

Wann hast du Garavito das letzte Mal gesehen/Kontakt zu ihm gehabt?

Vor ein paar Jahren über seinen Neffen, mit dem ich Briefe und Mails geschrieben habe.

Warum meinst du hat er Jahre nach deiner ersten Anfrage doch mit dir sprechen wollen?

Er hat sehr schnell mit mir gesprochen. Wir mussten nur die Reise klären, mit der Staatsanwaltschaft reden, eine Unterkunft im Nichts besorgen und natürlich Übersetzer. Miguel hatte nach einem Treffen mit Garavito geschworen, nie wieder eine Zehenspitze nach Kolumbien zu bewegen (seine Worte). Zudem brauchte ich jemanden, der den starken örtlichen Dialekt verstehe, alles mitschreiben konnte und sich von Garavito nicht einwickeln liess.  

Anhand der Verbrechen möchte man sagen: Garavito war ein Monster. War er das?

Ist mir egal, denn die Bewertung hilft niemandem. Wichtiger ist, dass er ehrlich geredet hat und wir dadurch etwas für die Vorbeugung kommender Taten durch ähnliche Menschen lernen konnten. Die Toten werden nicht mehr lebendig. Aber es gibt vielleicht auch durch seine Hilfe weniger neue Tote. Mehr kann ich von einem Serienmörder nicht erwarten, der sich normalerweise für nichts außer sich selbst interessiert.

"Leichen-Hand" im Meer (Norderney)

Quelle: t-online, 24. Oktober 2024

Ist ein Leichenteil an der Nordseeküste angespült worden? Das haben sich einige Menschen im Netz gefragt. Ein Experte klärt auf.

Ein Fund am Strand der Nordseeinsel Norderney hat für Verwirrung gesorgt. Ein großer, hautfarbener Knubbel wurde angespült und von einer Finderin an den forensischen Experten Mark Benecke weitergeleitet. Dieser postete die Bilder in den sozialen Medien – und löste Spekulationen aus, ob der Knubbel nicht menschlichen Ursprungs ist.

Die Diskussion unter dem Post brachte schnell Klarheit: Viele Nutzer vermuteten, dass es sich um eine Koralle handelt. Dr. Benedikt Wiggering von der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer bestätigte das der "Kreiszeitung" und identifizierte das Objekt als Alcyonium digitatum, auch bekannt als "Tote Mannshand".

Diese Lederkoralle kommt normalerweise ab 20 Meter Tiefe in der Nordsee vor und wird nur selten an Stränden gefunden. Der Experte betonte, dass das Objekt kein Grund zur Aufregung sei, weder kriminalistisch noch biologisch. Er empfiehlt jedoch, solche Funde immer zu melden, beispielsweise über das Portal beachexplorer.org, um deren wissenschaftlichen Wert zu nutzen.

Dr. Made lässt jetzt Schweine verwesen

Quelle: BILD, 6. Februar 2024

Von Nicole Biewald

Hier gibt es den Artikel als .pdf

Der bekannteste Kriminalbiologe der Welt macht jetzt versaute Experimente!

Dr. Mark Benecke (53) aus Köln ist Spezialist für Entomologie (Insektenkunde), bekannt als Dr. Made – und hat jetzt mit einer zehnköpfigen Studentengruppe fünf Baby-Schweine verwesen lassen.

Was soll der Schweine-Kram?

Foto: Mark Benecke

„Wir haben beobachtet, in welchem Stadium welche Leichen-Bewohner kommen, wie sie sich vermehren und was mit dem Schweine-Körper dadurch passiert“, sagt Dr. Benecke zu BILD. Das Ergebnis ist ein 18-minütiger Lehrfilm, der bald online geht.

Die Mini-Schweine bekamen die Wissenschaftler geliefert. „Die sind eines natürlichen Todes gestorben, wir haben sie eingefroren erhalten“, sagt der 53-Jährige. Unter sommerlichen Bedingungen – 27 Grad, 50 Prozent Luftfeuchtigkeit und indirekter Sonneneinstrahlung – hat die Gruppe abgewartet, was passiert.

Und das ging ganz schön schnell...

„Die Haut der Tiere hat sich schon nach wenigen Stunden durch die Bakterien grün verfärbt“, sagt Dr. Benecke. Er erklärt: „Wärme und Feuchtigkeit lassen die Haut schnell verwesen. Die Knochen sind schon nach wenigen Tagen zu sehen.“

Schwangere Fliegen legen ihre Ei-Pakete auf der Leiche ab, die Maden schlüpfen aus den Eiern, Fliegen machen sich breit Der Kriminalbiologe: „Verwesungszustände sind für die Ermittlungsarbeit der Polizei interessant. Daraus ist ersichtlich, wie lange die Leiche beispielsweise im Freien gelegen hat.“ Sie geben auch Aufschluss darüber, wie lang ein Kind oder eine ältere Person vernachlässigt wurde.

Für diese Experimente werden Schweine verwendet, weil die dem Menschen am Ähnlichsten sind. „Schweine sind fast gleich gebaut wie der Mensch. Nur Hände und Füße unterscheiden sich“, so der Experte.

Auch die Polizei nutzt Schweine oder nur deren Köpfe (je nach Gewicht), um beispielsweise herauszufinden, wo und wann eine Leiche ins Wasser geworfen wurde. Dr. Benecke: „Anhand der Strömung kann das nachvollzogen werden.“

Das Fazit des Verwesungs-Experiments? Dr. Benecke: „Die ersten Eier und Maden lassen sich bevorzugt in Augenwinkeln, Nasenlöchern und Ohren nieder. Die Vermehrung geht schnell. Später kommen so genannte sekundäre Leichenbewohner dazu. Das sind Käfer, die sich nicht von der Leiche, sondern von den auf ihr lebenden Maden ernähren.“

Nach etwa einer Woche war die Schweinehaut übrigens samt Muskeln und Fett weg. Es waren größtenteils nur noch die Knochen der Tiere zu sehen. Der Kriminalbiologe: „Die werden von den „Maden-Teppichen“ hin und her geschoben, aber nicht wirklich zersetzt.“

Caroline (Letzte Generation): Kein Knast

9. September 2024  

Hallo lieber Mark,

hier schreibt Caroline Schmidt. Du hast letztes Jahr ein schriftliches Interview mit mir gemacht, weil ich im Kontext von Straßenblockaden mit der Letzten Generation zu 8 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt wurde.

Am 22.08.24 fand mein Berufungsprozess statt. Die Haftstrafe wurde nicht bestätigt. Gerne hätte der Richter das Verfahren eingestellt, die Staatsanwaltschaft war jedoch dagegen. Das Urteil lautet 90 Tagessätze à 20 Euro. Das Strafmaß umfasst zwei Blockaden in Berlin (ein Versuch einer Blockade wurde in dem Verfahren fallen gelassen) und ein rechtskräftiges Urteil von 40 Tagessätze à 30 Euro in Köln. Außerdem wird mir die Hälfte der Gerichtskosten erlassen.

Der Prozess hat sich sehr bestärkend angefühlt. Der Richter bedankte sich ausdrücklich für meine letzten Worte und sagte, er würde aus diesem Prozess etwas mitnehmen.

Meine Einlassung und mein letztes Wort sende ich Dir im Anhang, für den Fall dass Du etwas damit anfangen möchtest. Falls Du Fragen hast, melde Dich gerne.

 Viele liebe, widerständige Grüße

Caroline


Einlassung 22.08. Berlin

Ich möchte Ihnen meine Motivation gerne darlegen und freue mich sehr über eine ausgewogene Zuhörerschaft.

Uns ist allen klar, dass wir in einer Nicht-Nachhaltigen Gesellschaft leben und dass wir das ändern müssten, wenn wir möchten, dass Kinder und Enkel noch eine Chance auf ein nicht zu hartes Leben haben.

Seit meiner Teenager-Zeit lebe ich in dem Bewusstsein, dass unsere Lebensart, hier im globalen Norden, die Zerstörung unserer Lebensgrundlage und Leid für sehr viele Menschen bedeutet. Sowohl im globalen Süden als auch hier zu Laden und für kommende Generationen.

Und während ich persönlich eine bescheidene Lebensart wähle, was ich nicht als Opfer empfinde, es kommt eher aus intrinsischer Motivation und ich erwähne es nur, damit Sie die Möglichkeit haben, sich möglichst in meine Perspektive zu versetzen.

Ich nehme wahr, dass um mich herum, Jahr um Jahr die Autos größer werden, die Werbung von allen Seiten suggeriert, dass wir mehr konsumieren müssen, um etwas zu gelten, wir jedes Jahr ein neues Handy brauchen und das Wachstum – Freiheit bedeuten soll.

Ich erkenne, dass es in unserer Lebens- und Wirtschaftsrealität Profiteure und Leidtragende gibt. Profiteure, die an Macht, Geld und Einfluss gewinnen und Menschen, die darunter massiv leiden müssen.

So z.B. die Menschen in den Kohleabbaugebieten des globalen Südens, wie z.B. dem Niger Delta: Sie atmen eine von Öl und Gas verseuchte Luft, ihr Wasser ist kontaminiert und sofern es überhaupt noch Fische in dem verseuchten Fluss gibt, sind auch diese vergiftet. Die einst so fruchtbaren und lebendigen Gebiete bedeuten jetzt Krankheit und Tod.

In Kolumbien befindet sich das größte Abbaugebiet für Steinkohle in Südamerika. Die abbauende Firma Glencore nimmt dem indigenen Volk der Yukpa ihre Territorien, ihr Wasser und verschmutzt die Luft, die sie atmen und die Nahrung, die sie essen. Nach eigenen Angaben war Glencore im Jahre 2022 mit 256 Milliarden Dollar das weltweit umsatzstärkste Bergbauunternehmen. In diesem Jahr haben sie vier Millionen Tonnen mehr Steinkohle aus Kolumbien gefördert als im Vorjahr. ...während dort Kinder an Atemwegserkrankungen sterben.

Und Deutschland kauft die Steinkohle, um den Wohlstand nicht zu gefährden. Dies sind nur wenige Beispiele, die aber die Machtverhältnisse in der Welt sehr deutlich darstellen. Als Bürgerin eines Landes, das genau von diesem Gefälle wirtschaftlich profitiert und damit eine Verantwortung für die Zerstörung unserer Lebensgrundlage trägt, sehe ich es als meine moralische Pflicht an, mich diesem „weiter so“ in den Weg zu stellen. Wer kann das als verwerflich bezeichnen?

Wir befinden uns längst nicht mehr im Spektrum des „Nicht-wissen-könnens“ sondern sind längst im „Nicht-wissen-wollen“ angelangt. Und alle hier im Saal können nicht so tun, als ginge sie das nichts an und als würden andere das Problem lösen.

Seit Ende der 70ger Jahre wissen Ölkonzerne um die Auswirkungen der CO2-Emissionen durch das Verbrennen fossiler Rohstoffe. Ölkonzerne und Politik wissen um die hohe Wahrscheinlichkeit eines menschengemachten Klimawandels und dessen Folgen. Doch anstatt einen Paradigmenwechsel anzugehen und erneuerbare Energien auszubauen, wird die Abhängigkeit von fossiler Energie immer weiter verstärkt.

Und 40 Jahre später hat sich daran nichts geändert: Statt beim Ausbau der erneuerbaren Energien voranzukommen und einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden, wurde auf immer mehr Erdgas gesetzt. Das setzt sich aktuell beim Aufbau der LNG-Infrastruktur fort. Die Schäden dieses Lobbyeinflusses belasten heute unsere Gesellschaft: milliardenschwere Fehlinvestitionen, weitere Abhängigkeit vom fossilen Erdgas, hohe Gasrechnungen und weiter anhaltende Treibhausgasemissionen.

Wir wissen um den menschengemachten Klimawandel und den Kipppunkten – den sich verstärkende Elemente im Klimasystem, die wir mit hoher Wahrscheinlichkeit erreichen oder sogar schon erreicht haben:

  • Die Arktis schmilzt.

  • Eisflächen reflektieren mehr Sonnenstrahlen als der dunkle Ozean, welcher Wärme besser aufnimmt. Je kleiner die Eisfläche wird, desto größer ist die dunklere Wasserfläche, welche dann mehr Wärme aufnehmen kann. Umso kleiner wird wiederum die Eisfläche, auf Grund der Erwärmung des Ozeans...usw.

  • Das Grönländische Eisschild kippt.

  • Die Eismassen dort schmelzen schneller ab, als sie sich neu bilden können. Dadurch sinkt die Eisoberfläche logischer Weise in immer tiefere und damit wärmer Luftschichten ab, was zur Folge hat, dass das Eis noch schneller schmilzt... usw. Das Eis, das noch aus der letzten Eiszeit stammt.

  • Sheperd, ein Wissenschaftler des IPCC Berichtes sagt: „Nach den aktuellen Trends werden durch das Abschmelzen des Eises in Grönland gegen Ende des Jahrhunderts jedes Jahr 100 Millionen Menschen Überschwemmungen erleiden“ Berücksichtigen wir auch den Eisverlust in der Arktis, werden 400 Mio. Menschen betroffen sein.

  • Der Amazon-Regenwald kippt, und stößt dann mehr CO2 aus, als er aufnimmt

  • Durch die Klima-Erwärmung (und ihre Folgen) verliert der Wald an Widerstandsfähigkeit. Dadurch sterben bei den häufiger werdenden Dürren und Bränden noch mehr Bäume. Dadurch wird CO2 frei, was wiederum die Erderwärmung anfacht. Das wiederum macht den Wald noch anfälliger…

  • Ab ca. 2 Grad durchschnittlicher Erwärmung würde der Amazonas-Regenwald wahrscheinlich ganz absterben und zu einer Savanne werden, was wiederum ungeheure Mengen an CO2 in die Atmosphäre entlassen würde.

  • Permafrostböden stehen kurz davor zu tauen: In diesen Böden ist sehr viel Kohlenstoff in Form von Pflanzenresten eingefroren. Die Hälfte des gesamten im Boden gespeicherten Kohlenstoffs befindet sich im Permafrost. Aber nicht mehr lange, denn die Böden tauen auf und Kleinstlebewesen beginnen die Pflanzenreste zu zersetzen. Dadurch entweicht Methan in die Atmosphäre, ein Treibhausgas, welches 80mal stärker wirkt als CO2! Dadurch erwärmt sich das Klima weiter und die Böden tauen noch schneller auf... usw. Wenn der Permafrost kippt, ist es wahrscheinlich, dass sich eine 3 Grad wärmere Welt nicht mehr abwenden lässt.

Und wir wissen um die wissenschaftliche Prognosen, die es zu den Folgen des Klimawandel gibt und die wir zum Teil schon jetzt zu spüren bekommen: Folgen des Klimawandels sind:

- großflächige Überflutungen und Hitzetote

- Wasser und Nahrungsknappheit

- Zusammenbruch von Infrastruktur

- Kriege

- territoriale Abschottung

- sowie die brutale Verteidigung der Außengrenzen

- und es ist sehr unklar, wie der Umgang miteinander innerhalb dieser Grenzen aussehen wird.

Schon jetzt lassen wir Menschen an den Außengrenzen Europas sterben und beschneiden das Grundrecht auf Asyl. Ich habe lange in der Gastronomie gearbeitet und wenn ich mir anschaue, wie ausgelassen und sorglos die Menschen in ihren 20iger und 30iger Jahren ihr Leben feiern und genießen und mir dann klar mache, dass die heutigen Kinder in ihren 30ger Jahren eine immer lebensfeindlicher werdende Welt erleben müssen – überkommt mich eine große Traurigkeit und Beklemmung.

Denn obschon wir wissen, dass es – wenn überhaupt – nur noch ein kurzes Zeitfenster gibt, in dem wir entschlossen handeln können, um den Klimawandel abzumildern, verhalten wir uns nicht danach. Wir wissen, dass bis Ende 2030 eine durchschnittliche Erderwärmung von 1,5°C erreicht wird. Beim aktuellen Kurs landen wir (laut IPCC) bei einer Erwärmung von 3,2 Grad bis Ende des Jahrhunderts. Deshalb wurde sich 2015 in Paris darauf geeinigt, die Erhitzung auf 1,5 Grad oder deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Diese Einigung ist ein völkerrechtlich bindendes Abkommen.

Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, 2045 klimaneutral zu werden, um das Pariser Abkommen einzuhalten. Am Ende wird es nicht reichen, das Klimaabkommen fast erfüllt zu haben, um Kipppunkte aufzuhalten. Es braucht entschlossenes Handeln und eine ehrliche Kommunikation. Durch seine wirtschaftlichen Beziehungen und seinem internationalen Ansehen, hat Deutschland hier eine Schlüsselrolle inne. Doch was passiert statt dessen: Trotz Massenprotesten für einen effektiven Klimaschutz, verfasste die Bundesregierung ein Klimaschutzgesetz, das nicht ausreichend ist und somit verfassungswidrig. Damit verstößt Deutschland gegen ein völkerrechtlich bindenden Abkommen und die Regierung hält die Ziele des ohnehin zu schwache KSG nicht ein. Die Regierung verstößt gegen unser aller Grundgesetz Art. 20a GG: “Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewaltund die Rechtsprechung.”

Anstatt alles zu tun, um den Klimawandel abzumildern und zum Schutz der Bevölkerung zu handeln, setzen die Regierenden auf Technologien, die weder im angemessenen Maße existieren, noch von Ihrer Umsetzung und Energieverbrauch verhältnismäßig sind und deren ergebnisoffene Entwicklung ohnehin noch viele Jahre dauern wird. Jahre, in denen wir den Individualverkehr ausbauen und weiter fossile Rohstoffe verbrennen. Die Regierung steht nachweislich unter starkem Einfluss der fossilen Lobby.

Lobbycontrol hat über 30 ehemalige Politiker:innen zusammengetragen, die als Schlüsselfiguren für die Gaslobby dienten und dienen. Unser Bundeskanzler hat sogar das Framing der Gasindustrie übernommen und fossiles Gas zu einem zentralen Akteur der Energiewende aufgewertet – trotz der Warnungen von Wissenschaftler:innen vor den enormen Klimaschäden und den entsprechend hohen Kosten für die Gesellschaft.

Eine umfassende Aufklärung über die Situation, in der wir uns befinden, passiert hingegen nicht (obschon eine Aufklärung, wie wir bei Corona erlebt haben, sehr effektiv möglich wäre). Solange Politik sich nicht den Umständen des Klimawandels entsprechend verhält und diesen hingegen weiter verharmlost – wie schon vor 40 Jahren – wird die Dringlichkeit der Transformation bei den Bürger*innen nicht angemessen ankommen.

Konfrontiert mit aktuellen Alltagssorgen, scheint der Klimawandel und seine Folgen für einen Großteil der Bürger*innen zu weit weg, da wir die Auswirkungen hierzulande bisher erst verhältnismäßig schwach spüren: Oder Menschen haben bereits resigniert uns sagen, es sei ohnehin zu spät. Oder Menschen bewerten diejenigen Informationen bzw. Desinformationen zum Klimawandel höher, die sich mit dem eigenen Verhalten decken (viele Menschen die sich der FDP angehörig fühlen, erscheinen mir hier ein gutes Bespiel zu sein). Oder das Individuum denkt sich, was kann ich alleine schon ausrichten, ich selber tue doch schon was ich kann (Spannweite von Wasser sparen und Mülltrennung bis zum Verzicht auf das Auto und Flugreisen).

Was auch immer die eigene Handlungsohnmacht verursacht, es ist klar, dass das Thema Klimawandel und seine Folgen für die einzelnen Personen viel zu groß, komplex und schmerzhaft ist, als dass sie sich diesem alleine zu stellen vermag. Und nun bin ich mir all dessen Bewusst, wie kann ich darauf vertrauen, dass unsere Bundesregierung mich und den Rest der Bevölkerung schützen wird, indem sie alles dafür tut, der globalen Erderwärmung entgegenzuwirken?

Als Bürger*in muß man den gewählten Repräsentant*Innen vertrauen, dass sie komplexe Themen prüfen und nach bestem Wissen und Gewissen die richtigen Entscheidungen treffen. Laut dem Expert*Innenrat für Klimafragen der Bundesregierung, tut unsere Regierung dies jedoch nicht. Wie soll ich noch auf einen Paradigmenwechsel in der Klimapolitik vertrauen?

In einer Welt, die geprägt ist durch ein unfassbar großes Ungleichgewicht, von Profiteuren und Leidtragenden und einer Regierung, die auf der falschen Seite zu stehen scheint. In diesem Bewusstsein bin ich im Sommer 2022, an einem irrsinnig heißen Tag, auf ein Plakat der Letzten Generation aufmerksam geworden. Darauf hieß es: “Wir haben einen Plan”: Ein friedlicher Protest, der Alarm schlägt, und die Gesellschaft sowie die Politik fordert, sich mit der größten, epochalen Bedrohung unserer Menschheitsgeschichte auseinanderzusetzen und erste, einfache Maßnahmen, wie ein Tempolimit und günstigen öffentlichen Nahverkehr für alle zu fordern - und zwar zum Wohle aller.

Und ich fand, das ist allemal ein Versuch wert: Denn die Menschen, die in Deutschland am meisten von den Folgen betroffen sein werden (Kinder und kommende Generationen) sind jetzt noch nicht in der Lage, für ihre Rechte zu kämpfen. Wenn sie dazu in der Lage sind, für ihre Rechte einzustehen, sind Klimakipppunkte längst erreicht, wenn wir heute nicht entschlossen handeln.

(Erfahrung aus der entsprechenden Blockade:)

Ich erinnere mich noch gut an die erste Blockade am 17.10.22. Ich war unglaublich nervös und hatte große Angst. Angst davor, dass ein Mensch sich in seiner Wut doch dazu entscheiden könnte, aufs Gaspedal zu treten und mir oder einem meiner Mitmenschen etwas zustößt. Wir sind auf die Straße getreten und haben uns in einer Reihe vor die stehenden Autos aufgestellt. Ich habe meine orangene Warnweste angezogen und ein Banner gehalten. Dabei habe ich Blickkontakt zu dem vor mir stehenden Kraftwagenführer gesucht, um eine Verbindung zu finden, und versuchte ihm, über meinem Blick, mein Bedauern über die Situation auszudrücken.

Es hat sich furchtbar angefühlt, diese Menschen auf Ihrem Weg aufzuhalten. Ihre Wut und ihre Nöte zu spüren. Und gleichzeitig breitet sich in meinem Bewusstsein ganz deutlich die Erkenntnis aus, dass dieser Protest notwendig ist, dass die Bedeutung des Klimawandels viel größer ist, als ich, der Mensch vor mir oder sonst irgendeiner Person, und dass die Folgen uns alle betreffen, auch dem Menschen, der seine Tochter zur Schule bringen möchten, auch dem ungeborenen Kind, dass im Leib seiner Mutter zu Hause auf seinen Vater wartet oder der Person, die sich für einen Job auf einen weiten Weg gemacht hat, um ihren Kindern zu Hause mal “ein besseres Leben” zu ermöglichen.

Doch wenn wir jetzt nichts ändern – denke ich mir – werden all diese Kinder kein besseres Leben erwarten, egal von welchen Jobs ihre Eltern zu diesem Zeitpunkt erwartet werden. Während wir in dem Protest beschimpft werden, kommt eine Frau an mir vorbei. Sie beugt sich zu mir runter und sagt: “Ich finde es klasse, was ihr tut und meine Tochter auch. Vielen Dank!” Angesichts der bisher beschriebenen wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umstände was kann ich tun?

Als Mensch der sich dieser Situation bewusst ist und als Bürger*in einer Demokratie, die ihrer Verantwortung als Bürgerin eines wirtschaftsstarken und einflussreichen Landes gerecht werden möchte. Die gesehen hat, was schon alles versucht worden ist und was alles nicht ausgereicht hat, um eine Aufklärung und einen angemessenen Kurswechsel herbeizuführen im Gewahrsein dessen, dass es eine übermächtige Fossile Lobby gibt, die unsere Politiker*innen stark beeinflusst und deren Interesse besonders dem Profit fossiler Unternehmen und Nutznießern gilt

Welche Möglichkeiten gibt es noch nachdem von Warnungen der Wissenschaftler*innen Petition, Diskussion, eine Parteigründung bis zu Massenprotesten schon alles versucht wurde? Mein Gewissen hat mir keine andere Möglichkeit gelassen, als den strikt gewaltfreien, zivilen Ungehorsam. Das Protestieren auf eine Weise, die nicht ignoriert werden kann.


Letztes Wort 22.08. Berlin

Sechs von den neun planetaren Grenzen sind bereits überschritten. Diese wurden mal definiert, als Maßstäbe eines globalen Ökosystems, an das wir uns als Menschen angepasst haben, in dem wir prosperieren und dessen Bedingungen für unsere Existenz maßgeblich sind. Doch anstatt, dass wir uns diesem Ökosystem weiter anpassen, zerstören wir es, bzw. lassen wir es zu, dass es zerstört wird. Und häufig höre ich, die Menschen sind einfach so.

Aber stimmt das, sind „die Menschen“ wirklich so? Oder haben wir uns viel mehr ein Wirtschafts- und Sozialsystem gebaut, dass keinen anderen Schluss mehr zulässt. Weil das Wirtschaftswachstum einen höheren Stellenwert hat als die Soziale Entwicklung und das ideelle Wachstum?

Und welches Produkt kann diese Entwicklung wohl deutlicher versinnbildlichen als das Auto? Das fossile Instrument des Individualverkehrs, Statussymbol und in vielen Fällen eine notwendige Voraussetzung, um den Arbeitsplatz überhaupt zu erreichen, da es an entsprechender Infrastruktur für den ÖPNV fehlt. Die Beteiligung an den Straßenprotesten habe ich aus der tiefen Überzeugung heraus getan, dass ich im Sinne des rechtfertigenden Notstandes nach § 34 StGB handelt und das sehe ich immer noch so, aus folgenden Gründen: Die “gegenwärtige, nicht anders abwändbare Gefahrenlage für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder eines anderen Rechtsguts”, sind längst gegeben. Die gegenwärtige Gefahr der Klimakatastrophe und ihre Folgen steht nicht unmittelbar bevor, wir befinden uns längst mittendrin. Wir müssen jetzt entschlossen tiefgreifende Veränderungen vornehmen, um die schlimmsten Folgen noch abwenden zu können. Anders, als wir es im Zusammenhang mit diesem Gesetz gewohnt sind, liegen der Handlungszeitpunkt und der Eintritt der Bedrohung weiter auseinander, als wir es bisher kennengelernt haben.

Beispiel: Wir kennen es bisher so, dass wenn ein Haus brennt und wir einen Wasserschlauch mit einer Wasserquelle verbinden müssen, um das Feuer augenblicklich löschen zu können, es uns erlaubt ist einen unumgänglichen Regelbruch zu begehen, um den Schlauch am Hydranten zu befestigen. Der Regelbruch ist nach §34 StGB nicht strafbar. Beim Klimawandel hingegen liegen zwischen dem Anschließen des Schlauches am Hydranten und dem Wasser, welches das brennende Haus löschen kann, viele Jahre. Das ist nun mal so und es wird sich daran nichts ändern, auch nicht wenn wir einfach nur noch länger abwarten.

Im Gegenteil, bis das Löschwasser aus dem Schlauch kommt, müssen wir dringend weitere Maßnahmen ergreifen, um den Brand nicht noch weiter zu füttern und den Schaden nicht noch größer werden zu lassen. Auch das ist ein notwendiger Eingriff, um eine gegenwärtige Gefahrenlage abzuwehren. Und gerade weil das Zeitspektrum – das uns aus physikalischen Gründen gegeben ist – ein anderes ist, als wir es bisher gewohnt sind, müssen wir unsere Gesetzesauslegung entsprechend anpassen.

Nur weil Hamburg nicht schon morgen unter Wasser steht, heißt das nicht, dass wir heute nicht schon entschlossen handeln müssen, um genau das zu verhindern. Wie ich in meiner Einlassung schon erwähnt habe, kann ich nicht darauf vertrauen, dass die Regierungsverantwortlichen aus eigenem Antrieb alles dafür tun, um den Wasserschlauch - um bei der Metapher zu bleiben – anzuschließen, noch um den bereits vorhandene Brand einzudämmen. Weder Demonstrationen, noch Petitionen, Klagen vor Gericht, Partei Gründung, etc. haben Ausreichendes bewirkt und dürfen nicht als effektive Mittel angesehen werden, um die Regierung zum angemessenen Handeln zu bewegen.

Im Gegenteil, diese Mittel, wider besseren Wissens, weiterhin als angemessen zu bezeichnen, erscheint mir fahrlässig. Und es ist äußerst unvernünftig anzunehmen, dass die nächste Demonstration, Petition oder Parteien Gründung daran etwas ändern wird. Denn das Umfeld in welchem wir uns bewegen, bleibt das Gleiche: Ich fasse noch einmal zusammen:

Als Big Player unsere Gesellschaft, haben wir fossile sowie energie-intensive Unternehmen, die über ihre Lobby einen enorm hohen Einfluss auf Politik hat: Wenige große fossile Konzerne (wie beispielsweise Uniper, Wintershall DEA oder RWE) dominieren die Gaslieferkette und haben damit weitreichenden Einfluss auf die Grundversorgung und die kritische Infrastruktur in Deutschland. Dies führt zu einer gesellschaftlichen und auch politischen Abhängigkeit. Zugleich haben diese Konzerne auch die energieintensiven Unternehmen wie z.B. BASF als Verstärkung ihrer Lobbymacht im Rücken. Die bundeseigenen Deutsche Energieagentur DENA ermöglichte Steakholdern der Gasindustrie teils exklusive Treffen mit Beamt:innen des Ministeriums um sich austauschen zu können.

Und gemeinsam mit dem Lobbyverband Zukunft Gas gründete sie die LNG Taskforce. Wo sind hier die Vertreter*innen von Umweltverbänden und Klimaschutz? Wir wissen, dass Wissenschafler*innen bereits vor fast 50 Jahren vor dem menschengemachten Klimawandel und seinen Auswirkungen gewarnt haben und dass die fossile Industrie zu Beginn der 2000 Jahre – trotz besseren Wissens – eine erfolgreiche Desinformationskampagne gestartet hat, um die Klimawissenschaft in Zweifel zu ziehen.

Wohlgemerkt, Wissenschaftler der fossilen Industrie kamen zu den gleichen Ergebnissen, wie die mahnenden Klimawisschenafler*innen. Im Gutachten des Expert*innenrats von 2022 heißt es, dass es unabhängig davon, ob es einen Paradigmenwechsel gibt oder nicht (wir also unser Konsum- und Produktionsverhalten ändern), in jedem Fall sinnvoll ist, kontraproduktiv wirkende und komplexitätserhöhende Elemente im derzeitigen Instrumentenmix konsequent abzubauen.

Unser Bundeskanzler baut sie derzeit aus, Stichwort: Erdgas. Die Gefahr ist da und unsere Volksvertreter*innen handeln im Sinne der Abwendung dieser Gefahr, wissentlich kontraproduktiv. Unsere Regierung, als Weichensteller, erkennt die Gefahr nicht angemessen an und verstößt gegen das Grundgesetz Artikel 20a und damit gegen unsere Verfassung und darüber hinaus gegen ein völkerrechtlich bindendes Abkommen. Es werden Technologien zur CO2-Regulierung propagiert, die nicht ausgereift sind oder noch gar existieren. Der Klimawandel wird heruntergespielt und verharmlost. Unser Bundeskanzler spricht nicht ehrlich zu seinen Mitmenschen und ist nicht bereit sich öffentlich zum klimawissenschaftlichen Konsens zu äußern: Z.B. dass der CO2-Gehalt in der Luft viel zu hoch ist (0,42 ‰). Es befinden sich bereits jetzt hunderte Gigatonnen zu viel CO2 in der Luft. Dabei könnten wir die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch abmildern, wenn wir jetzt entschlossen handeln. -> lt. IPCC Sachstandsbericht ist dafür jedoch eine Vollbremsung unserer CO2 Emissionen erforderlich. Der Weltklimarat zeigt einen Weg (SSP1-1.9 “1,5°-Pfad”), mit dem die Menschheit die beste Überlebenschance hat.

Für eine Vollbremsung gibt es bereits anwendbare Konzepte. Als Beispiel sei hier das Vorbild der englischen Kriegswirtschaft im 2. Weltkrieg genannt. Jetzt könnten wir die Gesellschaftliche Transformation noch steuern. Es wird einen Zeitpunkt geben, da sind wir nur noch mit Aufräumen und Neuorganisation beschäftigt, dann können wir auf die Folgen des Wandel nur noch reagieren, aber nichts mehr wirklich gestalten.

Um aber gestalten zu können, brauchen wir wiederum eine ehrliche Kommunikation seitens der Politik. Denn bisher wird die bevorstehende Klimakatastrophe von einem Großteil der Gesellschaft verdrängt, die abstrakte Bedrohung der Klimakrise scheint für viele Menschen nicht in Gänze zu fassen zu sein, vielleicht, weil seitens der Gesellschaft weder Zeit noch Energie vorhanden sind, um sich damit tiefer zu beschäftigen, vielleicht, weil die Realisierung dieser Krise zu schmerzhaft ist (mir selbst ging es lange genauso). Dadurch verliert die gewaltige Bedrohung der Zukunft ihre Relevanz in der Gegenwart. Und all das steht für eine fatale Entwicklung, der wir alle, die sich mit dieser Situation auseinandergesetzt haben, mit friedlichen Mitteln und allem, was wir haben, entgegenwirken müssen. Durch den Klimawandel und das nicht-handeln unsere Regierung, ist außerdem unsere Demokratie enorm gefährdet: In einer stark erwärmten Welt besteht die große Gefahr, dass Demokratien dem Druck nicht standhalten werden.

Zur Erinnerung: Zur Zeit ist es wahrscheinlich, dass der durchschnittliche Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts (also in 76 Jahren) 3,2°C erreicht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die schweren täglichen Herausforderungen von Wasserknappheit und Ernteausfälle begleitet sind.

Irgendwann bricht die Infrastruktur zusammen. (z.B. Schiffe können in den flachen Flussbetten nicht mehr verkehren, Bahngleisen verformen sich durch große Hitze oder werden unterspült, Straßen und Bahnstrecken werden durch Extremwetter zerstört) – entsprechend reißen Lieferketten ab, was die Wirtschaft – auf die wir gegenwärtig doch gerade Alles setzten - stark beeinträchtigt.

Es wird große Migrationsbewegungen geben, weil in anderen Teilen der Welt schlicht und einfach nicht mehr gelebt werden kann. Es ist zu heiß. Es entsteht Krise auf Krise und die Krisen werden nicht nacheinander kommen, sie kumulieren sich zur Polykrise. Künftige Generationen droht ein Leben im permanenten Notstand Das alles macht es sehr wahrscheinlich, dass der Druck für unsere demokratische Grundordnung irgendwann zu hoch sein wird. Gesellschaftssysteme fallen zusammen oder das Leben darin wird faktisch so unfrei, dass es nichts mit dem zu tun hat, wie wir unser Leben jetzt kennen.

Antidemokratische Kräfte können dies ausnutzen und die Demokratie mit Leichtigkeit stürzen Nochmal: Es handelt sich natürlich um eine Gefahrenlage, in der gegenwärtig gehandelt werdenmuss!

- Unsere demokratische Grundordnung ist gefährdet. Im Art. 20 GG heißt es: “Gegen jeden, der es unternimmt, diese (demokratische) Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.”

Die Regierung ist durch ihr Nichthandeln im Begriff unsere demokratische Grundordnung zu beseitigen, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass dies die Folge ihrer Entscheidungen sein wird. Dieser Umstand berechtigt alle Deutschen zum Widerstand. Die Demokratie zu verteidigen und zu bewahren ist die Pflicht aller Bürger*innen. Angesichts dieser Umstände und der immensen Bedrohung für die Menschheit, die sie mit sich bringt,braucht es den Zivilen Ungehorsam stärker denn je.

Ziviler Ungehorsam, der dann legitim ist, wenn eine große moralische Ungerechtigkeit besteht und alle milderen Mittel, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, ausgeschöpft sind. Bei dem Protest, an dem ich teilgenommen habe, wurde der Alltag kurzzeitig unterbrochen, um die Lücken und die Fragilität innerhalb unseres “wohlständigen” Alltags aufzuzeigen. Aufzuzeigen, dass wir eben nicht weiter unbegrenzt auf den Straßen ohne Tempolimit fossile Rohstoffe verheizen können. Aufzuzeigen, dass wir miteinander ins Gespräch kommen müssen und gleichzeitig Druck auf die Regierung aufbauen müssen. Denn in der Regierung sind die Menschen, die sich bewusst für Entscheidungsverantwortung entschieden und einen Eid geschworen haben, unsere Verfassung einzuhalten und Leid von uns allen als Bevölkerung abzuwenden. Es braucht Zivilen Ungehorsam, der Regeln überschreitet um Zukunfts- und Gerechtigkeitsrelevante Mißstände sichtbar zu machen.

Ein Regelbruch ist dabei nicht automatisch mit einem Gesetzesbruch gleichzusetzen. Im Fall der Straßenblockaden z.B. entsteht durch den plötzlichen Stillstand auf der Straße, eine Schwebe, eine Unsicherheit, die Raum für Diskussion, Austausch und schließlich Veränderung schafft. Auch wenn diese Dinge nicht unbedingt direkt und zeitgleich eintreten, schaffen sie doch den Raum zum Austausch und der damit einhergehenden Diskursverschiebung in der Folge. Natürlich weiß ich vor einem Protest nicht, wie wirksam die Protestform letztendlich sein wird - das ist unmöglich. Doch angesichts der Lage, in der wir uns befinden, ist friedlicher ziviler Ungehorsam ein notwendiges und legitimes Mittel, die Zivilbevölkerung sowie unsere politischen Vertreter*innen aufzurütteln, um endlich handlungsfähig zu werden. Unsere Gesellschaft und der Schutz unserer Demokratie braucht den zivilen Ungehorsam sowie den Raum, der es ihnen ermöglicht, den wirksamsten Protest zu finden.

Eine Sanktionierung der aktiven Zivilbevölkerung und somit das Beschränken von potenziell wirksamen Klimagerechtigkeitsprotesten, schadet letztlich der Allgemeinheit am meisten. Im Sinne des Gemeinwohls, ist der friedliche zivile Ungehorsam, angesichts des Regierungsversagens in der Klimapolitik, ein notwendiges und legitimes Mittel. In diesem Fall möchte ich darüber hinaus –behelfsweise – anmerken, dass der Tatbestand der Nötigung nach der Verwerflichkeitsprüfung nicht als rechtswidrig anzusehen ist.

Der Protest der LG ist friedlich und gewaltfrei. Hier mit dem Gewaltbegriff der 2.Reihe Rechtsprechung zu argumentieren, ist äußerst kurz gegriffen. Den Protestierenden über eine mittelbare Täterschaft über den ersten Fahrzeugführer die Anwendung von Gewalt zu unterstellen, ist ein abstrakt konstruierte Gewaltdefinition. Auf diese Weise umgeht mensch eine tiefgreifende Abwägung der Protestursachen und diffamiert notwendige Proteste. Die mit der Sitzblockade bezweckte Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für bestimmte politische Belange lässt den Schutz der Versammlungsfreiheit nicht entfallen. Vielmehr erhält die Blockade gerade erst dadurch den Charakter einer Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. (1) GG - so das BVerfG.

Außerdem stellt das BverfG klar, dass die Versammlungsfreiheit nicht deswegen eingeschränkt werden kann, weil die Versammlung nicht unmittelbar an dem Ort stattfindet, der einen engen räumlichen Bezug zu dem gewöhnlichen Aufenthalts- oder Arbeitsort der Entscheidungsträger hat oder sich unmittelbar gegen diese richtet. Es reicht insofern ein „weiter“ Sachbezug. Wird doch von uns allen als Tatsache angenommen, dass die Klimakrise in der wir uns befinden, eine größte Bedrohung für die Menschheit darstellt und die Regierung zu wenig unternimmt um diese Krise einzudämmen, ist die Beeinträchtigung der Freiheitsrechte der Verkehrsteilnehmenden in größerem Maße sozial verträglich und deshalb hinzunehmen – (...außerdem können die Autos auch verlassen werden).

Es entspricht verfassungsrechtlichen Anforderungen, dass für die Mittel-Zweck Relation wesentliche Umstände und Beziehungen erfasst werden und eine Abwägung der auf dem Spiel stehenden Rechte, Güter und Interessen nach ihrem Gewicht in der sie betreffenden Situation erfolgt. Ich verstehe, dass Gesetze und Justiz einer gewissen Konversivität bedürfen um Stabilität und Sicherheit zu bieten. Andererseits jedoch spiegeln wir so auch gesellschaftliche Verhältnisse wider und zementieren diese. Schauen wir jetzt unsere gesellschaftlichen Verhältnisse an, und was daran, angesichts der Klimakrise, geändert werden muß, ist es dringend notwendig, diese Gesetzgebungen zu entwickeln und anzupassen. Und wenn Sie jetzt noch nicht bereit sind, hier einen deutlichen Schritt zu gehen und mich freizusprechen, dann setzten Sie doch wenigstens ein konstruktives Zeichen.

Nochmal: Laut IPCC Sachstandsbericht könnten wir die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch abmildern, wenn wir jetzt entschlossen handeln. Und wir alle hier im Saal können nicht so tun, als ginge uns das nichts an und als würde sich dieses Problem mit allen Verstrickungen von alleine lösen.

Letztes Wort: Ich nehme an den Protesten der Letzten Generation teil, weil ich an uns Menschen glauben möchte, daran, dass wir es besser können, als wir es hier im globalen Norden gerade tun.

Ich glaube, dass wir gemeinsam Wege finden können, der Klimakrise zu begegnen. Wir uns gemeinsam neuen Herausforderungen stellen und für neue Probleme, Lösungen finden können.

Wir könnten schon jetzt schwere Entscheidungen treffen, die für die Zukunft relevant sind. Deutschland ist die 4. größte Wirtschaftsmacht, unser Verhalten trägt zur Klimaentwicklung bei. Es ist notwendig, unsere Privilegien zu nutzen, um unserer Verantwortung in der Welt und gegenüber kommenden Generationen gerecht zu werden.

…Zeit, dass wir uns gemeinsam für eine gerechtere Welt mit einem liebevollen und fürsorglichen Miteinander einsetzen. Wir haben die Intelligenz, das technische Know- how und die Soft Skills

dafür. Wir können alle den Mut dafür aufbringen. Den Mut zu mehr Demokratie - und zwar jetzt, um sie für die Zukunft zu schützen. Mut zur Veränderung, sich auf neue Wege zu begeben. Die konventionellen Pfade zu verlassen, mindestens da, wo es nötig und gegeben ist.

Wir haben noch eine echte Chance, wenn wir aufhören zu zaudern. Und uns für den erst mal unbequemen Weg entscheiden. Klar kostet das Überwindung, doch gibt es auch immer Menschen, die

unterstützen. Wir tragen alle Verantwortung durch die Entscheidungen, die wir treffen. Zuletzt eine Frage, an Sie alle hier im Raum, auf die Sie für sich eine ehrliche Antwort finden können: Glauben sie daran, dass es unserer Regierung gelingt, in den nächsten 2 Jahren eine Wende einzuleiten, hin zu einerstarken Nachhaltigkeit, zu einer globalen Gerechtigkeit, auf einen Weg, der auch für die kommenden Generationen einen lebenswerten Planeten erhält?

Haben Sie dieses Vertrauen?



Letzte Generation

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Der kölsche Walk of Fame: Sterne und Sternchen

Quelle: EXPRESS Köln, 4./5. Oktober 2024

Braucht Köln einen „Walk of Fame“ nach dem Vorbild in Hollywood für seine Legenden? Diesen Vorschlag hatte „EXPRESS – Die Woche“ vor zwei Ausgaben zur Diskussion gestellt. Denn: Immer wieder gibt es Konflikte bei der Widmung oder Umwidmung von öffentlichen Plätzen, Straßen oder anderen Orten in der Domstadt. Davon abgesehen, dass Straßen und Plätze nicht unbegrenzt zu Verfügung stehen. Unser Vorschlag hat einiges an Reaktionen hervorgebracht...

Das sagen kölsche Promis zum „Walk of Fame“

Mark Benecke: »Der tollste kölsche Stern ist natürlich der vor dem Kölner Dom. Den habe ich schon, Richtung Hauptbahnhof, wo ich dauernd rumgurke. Da der Platz dort aber begrenzt ist, muss ein echter Walk of Fame her. So eine Gasse der Freude passt wunderbar zu Köln und den Kölschen: Wir sind bedingungslos feierlustiggrößenwahnsinnig und voller Sterne und Sternchen. Kurz gesagt: Muss sein. Und schöner als in Berlin wird er sowieso.«

Mark Benecke ist der Jäger der übersehenen Wahrheiten

Quelle: Neu-Ulmer Zeitung | Augsburger Allgemeine, Samstag, 28. September 2024, Nr. 225, Lokales, Seite 31

Mark Benecke ist der Jäger der übersehenen Wahrheiten

Von Florian Arnold

Im ausverkauften Roxy unterhielt der Kriminalbiologie mit Fällen zwischen bizarr und unglaublich. Das Publikum lernt, dass man mit üppigen Busen erstickt werden. Wenn es in Kriminalfällen kompliziert wird, wenn ein Cold Case Fragen aufgibt, wenn es auch mal richtig schräg wird - dann tritt Dr. Mark Benecke auf den Plan. In der Region ist er seit langem ein Garant für ausverkaufte Hallen, so auch bei seinem jüngsten Auftritt im Roxy: da waren die Karten schon vor Wochen ausverkauft. Was macht den Kriminalbiologen so populär? Ist es der morbide Spaß an seiner Arbeit mit Leichen, ist es die unverblümte Art des äußerst medienaffinen und schlagfertigen Spezialisten für Biologie, Zoologie und Insektenkunde? Oder ist es seine zugängliche Art, die komplexen Verflechtungen von Biologie und Kriminalistik verständlich zu servieren?

Etwas von all dem dürfte zum Erfolgsrezept von Benecke beitragen, dessen Vortragsabend „Kriminalfälle am Rande des Möglichen" über zweieinhalb Stunden hinweg spielend unterhält, informiert - und ab und zu auch die Übelkeitsgrenze schwacher Naturen fordert. Denn natürlich werden immer wieder Fotos aus der Ermittlungsarbeit gezeigt. Gleich der erste Fall des Abends zeigt eine nackte weibliche Leiche mit (vermeintlichen) Würgemalen. Und schnoddrig, wie es seine Art ist, kündigt Benecke an: „Da kommen jetzt noch mehr solche Fotos, das ist nichts für Zartbesaitete". Wer jetzt erst merkt, dass ihm das zu viel wird, darf gehen. Das ist ein bisschen wie im Schulunterricht: Es wird unterbrochen und mit sanfter Pädagogenstimme dazu aufgefordert, den Raum zu verlassen, wenn man es nicht aushält.

Dabei gab es schon ganz zu Beginn, wie immer bei Benecke, das vorgelesene „FAQ". Da wird nicht nur um das Unterlassen von Mitfilmen - und fotografieren gebeten, sondern auch deutlich zu lesen steht: „Achtung, es sind eventuell Leichen zu sehen, wer das nicht möchte, bitte besser wieder gehen." Davon machen nur ganz wenige Gebrauch. Wer zu Benecke kommt, weiß, wie der Abend läuft. Und das ist ein rasanter, mit krassen Abbildungen und staunenswerter Informationsfülle gespickter Abend, irgendwo zwischen klassischem Vortrag und Dokutainment.

Politik, Religion etc., das ist alles nicht meine Baustelle", erklärt Benecke, „aber alles, was man messen kann, das ist meines: wenn etwas kritisch wird, dann sage ich: zeig mir die Zahlen. Dann haben wir Klarheit und es gibt kein Geschnatter und Wortgeklingel."

Kern eines jeden Benecke-Abends sind reale Fälle, die zum Teil überaus skurrile Fragen aufwerfen. Besagte weibliche Leiche mit den Würgemalen - Benecke erzählt flott und kurzweilig, wie sein Mentor Professor Prokop diesen Fall aus den 1960ern aufklärte: die Würgemale waren Abdrücke eines Astes, auf dem die Verstorbene im Straßengraben lag. Erwürgt wurde also niemand - akribische kriminalbiologische Ermittlung bewies, dass die Frau tatsächlich an einer akuten Herzmuskelentzündung starb.

Zwischendurch fallen Sätze wie „Die Leiche ist sehr frisch" oder „Früher war das so, nicht erschrecken!". Wie gesagt: für Zartbesaitete ist das nichts. Für die Zuhörer mit robusten Nerven ist es aber hoch spannend zu hören, wie Benecke immer wieder beweist, dass das Offensichtliche eben nicht das Wahrscheinlichste ist. Typisch menschlich sei es eben, wenn man einen Schuss hört und sich umdreht, jene Person zu verdächtigen, die mit einem Revolver in der Hand da steht. „Aber wir Kriminalbiologen messen, suchen Beweise, und am Ende finden wir die Wahrheit". Und die ist in der Kriminalistik oft etwas ganz anderes als das, was man anfänglich glaubt. Es sei schon erstaunlich, wie oft „Verurteilten auf Basis falscher Daten und Annahmen der Prozess gemacht wurde". Das komme auch heute noch vor, so Benecke. Wie das hätte ich auch gewusst. Aber wichtig winzige Details für das Auffinden der Wahrheit sind, belegte Benecke an diesem Abend dutzendfach mit Bild- und Faktenmaterial. Dass es da auch um den Fall „Mord durch Busen" geht, gehört in die Abteilung „absurd und bizarr", aus der Benecke gerne schöpft. Zuletzt steht fest: Man kann mit üppigen Busen erstickt werden.

Mit Vortragsabenden wie “Plötzliche Selbstentzündung”, “Vampire und Vampirzeichen” oder “Die Leiche aus der Biotonne” hat er reichlich Erzählmaterial aus über 30 Berufsjahren am Start. Jenseits von morbidem Grusel und Schockfotos ist Beneckes Vortrag aber stets hoch spannend. Ohne die Spannung für jene kaputtzumachen, die so einen Abend noch nicht mitgemacht haben, sei gesagt: Das Unmögliche liegt oft näher als gedacht und, so Benecke, „am Ende sagt man manchmal, so ist es natürlich nicht. Gewusst haben wir es, weil wir genau arbeiten, exakt messen, die Spuren ohne Annahmen zum Sprechen bringen". Das geht manchmal nur, indem man „lauter unangenehme Fragen" stelle - und zwar den ermittelnden Kollegen. Häufigste Todesursache in der Kriminalstatistik ist laut Benecke übrigens auch heute: Strangulation, durch eigene oder fremde Hand. Typisch für Täter sei der Satz „Ich weiß nicht, wovon sie sprechen".

Benecke ist ein Medienphänomen. Er macht Musik, er ist eine Merchandising-Maschine (die gerne Geld für wohltätige und Umweltorganisationen einsammelt), er hält weltweit Vorträge und ist Ausbilder an deutschen Polizeischulen.

Im Roxy steht am Ende die Erkenntnis: Gerechtigkeit stellen in einem Todes- oder Mordfall am Ende nicht unbedingt die Ermittler her - sondern Menschen wie Mark Benecke, die stur und unbeirrt nach der Wahrheit forschen.

Deutsche Bahn bremst Mark Benecke aus 🚂

Quelle: BILD, 4. Juli 2024

Köln – Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe befindet sich in einer verfahrenen Situation: Dr. Mark Benecke (53) zieht die Veranstaltungs-Notbremse, weil die Deutsche Bahn (DB) so bummelt!

Der als „Dr. Made“ bekannt gewordene Forensiker aus Köln (NRW) hat nie einen Führerschein gemacht, reist fast ausschließlich per Zug. Jetzt teilte Benecke mit, dass er die Zahl seiner Veranstaltungen, Vorträge und Trainings künftig verringern muss: „Trotz eingeplanter, langer Extra-Zeiten für Umstiege ist es ist nicht mehr möglich, zuverlässig mit der Bahn zu fahren.“

Deutsche Bahn: Jeder zweite Fernzug verspätet

Gut lachen am Bahnhof von Kidderminster: Forensiker Benecke mit Schaffnern der örtlichen Eisenbahn

Foto: Mark Benecke

Nicht nur der Kriminalbiologe ärgert sich über verspätete Züge: Pendler, Touristen und EM-Besucher sind genervt, weil jeder zweite Fernzug (ICE, IC) im letzten Monat zu spät am Ziel ankam. Konkret waren nur 52,5 Prozent der Fernzüge pünktlich.

Ein peinlicher Negativrekord! Zum Vergleich: Bis 2022 lag der Konzern bei rund 75 Prozent Pünktlichkeit.

Promi-Kriminalbiologe beklagt Zug-Ausfälle

Trotz Verspätungsärger: Mark Benecke und seine Frau Ines – hier am Bahnhof in Kidderminster bei Birmingham – lieben die Bahn und Züge trotzdem

Foto: Mark Benecke

Diese Verspätungen mussten Benecke und seine Frau Ines durch längere Anreisezeiten ausgleichen. Der Forensiker zu BILD: „Wir planen mittlerweile mit einem Tag nur für die Anreise plus neunzig Minuten für jeden Umstieg. Nun fallen aber zunehmend Züge aus, Zug-Teile fehlen – heute der halbe Zug – und wegen Überfüllung darf niemand mehr in den Zug rein.“

Benecke ist Pünktlichkeit wichtig. Wer zu spät zu seinen Vorträgen kommt, darf erst zur Pause rein. Wegen der Bummel-Bahnen kann er selbst jetzt nicht mehr garantieren, dass seine Vorträge pünktlich beginnen. Benecke: „Ines und ich fahren Hunderte Male pro Jahr Bahn. Geschätzt habe ich meine Veranstaltungen wegen der deutlichen Verspätungen schon um zehn Prozent runtergefahren, jetzt werde ich nochmals um bis zu 20 Prozent reduzieren.“

Glück für Benecke: Gerade umgeht er den Ärger mit der Deutschen Bahn. Er ist auf Schienen in England unterwegs ...