Beim Herrn der Maden ist der Gruselfaktor inklusive

Quelle: Stuttgarter Zeitung, Nr. 15, Lokales, 20. Januar 2025, Seite 17

Von Michael Käfer

Der Kriminalbiologe Mark Benecke füllt den Hölderinsaal mit 1423 Menschen, die sich für „Insekten auf Leichen“ interessieren.

Um eins vorweg zu nehmen: Dass Mark Benecke den Titel seines Vortrags nicht mit Leben gefüllt hätte, das hat dem Kriminalbiologen am Freitagabend keiner seiner 1423 Zuschauer vorgeworfen. Sie alle waren - viele zum wiederholten Mal - in den Hölderlinsaal der Schwabenlandhalle geströmt, um sich zum Thema „Insekten auf Leichen" gruselnd unterhalten zu lassen. Im Schnellsprech, fast ohne Versprecher und mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks, doziert der wohl bekannteste forensische Entomologe Deutschlands über das Vorgehen beim Auffinden von Leichen. Zu Beginn prangt das scheinbar unscheinbare Foto einer Küche auf der Leinwand. Leicht zu übersehen: rotbraune Spritzer an der Wand, auf die der gebürtige Rosenheimer mit Wohnsitz in Köln pflichtschuldigst hinweist. Blut oder doch nur Tomatensoße? Das ist hier die Frage. Ein Zimmer weiter liegt noch die Bettwäsche im Design des Fußball-Bundesligisten Bayern München neben den beiden Fernsehern, die Mark Benecke dem jüngeren Teil des Publikums halb scherzhaft als Kathodenstrahler vorstellt. Übergangslos geht es ins Wohnzimmer weiter. Dort sitzt ein toter Mann mit freiem Oberkörper in einem dunklen Sessel. Dem Zustand der Leiche zufolge hatte er es sich ganz offensichtlich nicht erst zur Tagesschau am Vorabend dort bequem gemacht. Teile des toten Körpers sind bereits in Auflösung begriffen, andere Stellen wiederum sind von weißen Maden bedeckt. „So sehen Sie auch einmal aus", sagt der 54-Jährige in das dezente Aufstöhnen seiner Zuhörer hinein. Der von Stelle zu Stelle abweichende Erhaltungszustand der Leiche erklärt sich durch das unterschiedliche Mikroklima: Manche Körperteile lagen etwas mehr im Luftzug und trockneten deshalb aus. Die Insektenlarven wiederum machen sich nur über feuchte Stellen her. Ein Befall mitten auf der Brust könnte also auf eine Verletzung hindeuten.

Woran der Mann letztlich gestorben ist bleibt allerdings unbekannt. Obwohl Mark Benecke ständig mit Leichen zu tun hat, erfährt er oftmals nicht die Todesursache. Sie festzustellen ist schließlich Aufgabe der Rechtsmediziner: „Ich bin Biologe und kein Arzt." Benecke konzentriert sich auf das Messen und Experimentieren. Die Interpretation der Ergebnisse überlässt er Polizei und Gericht. Wie strukturiert der umfangreich tätowierte Insektenkundler zu Werke geht, zeigt sich schon vor der gut dreistündigen Veranstaltung im Umgang mit den Fans, deren Schlange einmal quer durch den Saal reicht. Möglichst vielen will er ein Selfie oder ein Autogramm ermöglichen, aber eine Viertelstunde vor Beginn der Gruselshow wird abgebrochen. Ein zweiter Versuch ist erst wieder in der exakt dreißigminütigen Pause möglich, deren Ende von einem Wolfsgeheul eingeläutet wird. Nach dessen Abklingen dürfen die Besucher abstimmen, ob sie einen Kurzfilm über verwesende Ferkel sehen wollen. Erstaunlicherweise entscheidet sich die Mehrheit für das Werk, das dem Horrorfilm-Regisseur Jörg Buttgereit zu eklig war, weshalb er sich auf die Rolle des künstlerischen Leiters beschränkte. Sieben Tage lang zersetzten sich die Ferkel mit Hilfe von Maden bis auf die Knochen – beobachtet von Beneckes fast ausschließlich weiblicher und offenbar olfaktorisch abgestumpfter Studentenschar. Eine andere Art des Horrors gab es zum Schluss, als Benecke auf die medizinischen Verwendungsweisen von Maden hinwies. Bei zwei noch lebenden Frauen beispielsweise, denen die Schädeldecke entfernt worden war, beseitigten die Tiere Fäulnisspuren im Gehirn. Unbehandelte Krebserkrankungen hatten dazu geführt. Ohne die reinigenden Maden wären die Frauen – ebenso wie ein Mann mit madenüberzogenem Unterschenkel – längst gestorben. Für Andreas Mihatsch, den Chef des Tourveranstalters Expedition Erde ist Mark Benecke ein Phänomen, der mit wissenschaftlicher Präzision spannende Themen präsentiert: „Wir hätten 300 bis 400 Karten mehr verkaufen können."

Wetter und Temperatur spielen eine große Rolle

Quelle: t-online.de, 26. Juni 2024

Von Simone Bischof

Kriminalbiologe zum Fall Arian

In Niedersachsen wurde eine Kinderleiche gefunden. Möglicherweise ist es der vermisste Arian. Wie die Ermittler das herausfinden, erklärt der Kriminalbiologe Mark Benecke.

Am Montagnachmittag entdeckte ein Landwirt auf einer Wiese im Landkreis Stade eine Kinderleiche. Die Ermittler schließen einen Zusammenhang zu dem seit mehr als zwei Monaten vermissten sechsjährigen Arian aus Bremervörde nicht aus. Der Leichnam wurde zur Obduktion in die Gerichtsmedizin gebracht, Ergebnisse der Untersuchung sollen noch in dieser Woche bekannt gegeben werden.

Der Forensik-Experte Dr. Mark Benecke hat die Polizei schon in vielen Fällen unterstützt. Im Gespräch mit t-online erklärt er, wie die Ermittler, die mit der Aufklärung des Falls befasst sind, im Weiteren vorgehen.

t-online: Herr Benecke, Arian ist vor etwas mehr als zwei Monaten verschwunden. Vorausgesetzt, bei der gefundenen Kinderleiche handelt es sich um den Sechsjährigen: In welchem Zustand ist die Leiche nach so langer Zeit?

Mark Benecke: Das hängt von mehreren Faktoren ab. Wetter und Temperatur spielen eine große Rolle. Wenn es warm und feucht ist, zersetzen sich Leichen im Freien schnell. Weiterhin spielt eine Rolle, wie die Leiche gelagert ist – beispielsweise in einer Kiste oder in der Erde. Außerdem, ob es Tierfraß gibt. Etwa durch Ameisen, Maden oder Wildschweine.

Welche Wetterbedingungen spielen beim Zustand einer Leiche eine Rolle? Zum Zeitpunkt von Arians Verschwinden war es noch kalt. Inzwischen gab es Unwetter mit viel Regen, außerdem Hitze.

Solange es kalt ist, wachsen die Bakterien und Insekten langsam. Wenn es wärmer wird, wachsen sie schneller und lösen die Leichen dann auch schneller auf.

Wie erschwert der Zustand einer Leiche ihre Identifizierung?

Das spielt seit der Erfindung beziehungsweise Entdeckung genetischer Fingerabdrücke in Vermissten-Fällen keine Rolle mehr. In den Knochen und Zähnen ist immer genug Erbgut, um zu bestimmen, ob die Leiche die vermisste Person ist oder nicht.

Gibt es einen leichteren Weg?

Wenn es um den "ersten Blick" geht: Meist über die Bekleidung.

Wie wird eine Leiche untersucht und wonach wird gesucht?

Gesucht wird nach Verletzungen, die an Knochen sichtbar sind, beispielsweise "Scharten", also Ritzer, die von einem Messer stammen könnten. Außerdem nach Giften, die im sogenannten "Weichgewebe" sind, aber auch in harten Körper-Teilen. Und nach Spuren von Brand, Ersticken, Knochenbrüchen und natürlich allem, was von einem Täter oder einer Täterin stammen könnte: Haut-Zellen, Haare, Kleidungs-Fasern, Blut, Sperma oder Speichel.

Nach welchen "typischen" Merkmalen wird zuerst gesucht, um die Todesursache festzustellen?

Die Kolleginnen und Kollegen aus der Rechtsmedizin schauen unter anderem danach, ob es bestimmte Flecken auf Organen gibt, sofern diese noch erhalten sind, ob es Brüche beispielsweise am Kehlkopf gibt oder ob der Schädel gebrochen oder durchlöchert ist. Blut-Unterlaufungen können interessant sein oder Löcher in der Haut, eigentlich alle "Veränderungen" gegenüber dem Grundzustand.

Dr. Made lässt jetzt Schweine verwesen

Quelle: BILD, 6. Februar 2024

Von Nicole Biewald

Hier gibt es den Artikel als .pdf

Der bekannteste Kriminalbiologe der Welt macht jetzt versaute Experimente!

Dr. Mark Benecke (53) aus Köln ist Spezialist für Entomologie (Insektenkunde), bekannt als Dr. Made – und hat jetzt mit einer zehnköpfigen Studentengruppe fünf Baby-Schweine verwesen lassen.

Was soll der Schweine-Kram?

Foto: Mark Benecke

„Wir haben beobachtet, in welchem Stadium welche Leichen-Bewohner kommen, wie sie sich vermehren und was mit dem Schweine-Körper dadurch passiert“, sagt Dr. Benecke zu BILD. Das Ergebnis ist ein 18-minütiger Lehrfilm, der bald online geht.

Die Mini-Schweine bekamen die Wissenschaftler geliefert. „Die sind eines natürlichen Todes gestorben, wir haben sie eingefroren erhalten“, sagt der 53-Jährige. Unter sommerlichen Bedingungen – 27 Grad, 50 Prozent Luftfeuchtigkeit und indirekter Sonneneinstrahlung – hat die Gruppe abgewartet, was passiert.

Und das ging ganz schön schnell...

„Die Haut der Tiere hat sich schon nach wenigen Stunden durch die Bakterien grün verfärbt“, sagt Dr. Benecke. Er erklärt: „Wärme und Feuchtigkeit lassen die Haut schnell verwesen. Die Knochen sind schon nach wenigen Tagen zu sehen.“

Schwangere Fliegen legen ihre Ei-Pakete auf der Leiche ab, die Maden schlüpfen aus den Eiern, Fliegen machen sich breit Der Kriminalbiologe: „Verwesungszustände sind für die Ermittlungsarbeit der Polizei interessant. Daraus ist ersichtlich, wie lange die Leiche beispielsweise im Freien gelegen hat.“ Sie geben auch Aufschluss darüber, wie lang ein Kind oder eine ältere Person vernachlässigt wurde.

Für diese Experimente werden Schweine verwendet, weil die dem Menschen am Ähnlichsten sind. „Schweine sind fast gleich gebaut wie der Mensch. Nur Hände und Füße unterscheiden sich“, so der Experte.

Auch die Polizei nutzt Schweine oder nur deren Köpfe (je nach Gewicht), um beispielsweise herauszufinden, wo und wann eine Leiche ins Wasser geworfen wurde. Dr. Benecke: „Anhand der Strömung kann das nachvollzogen werden.“

Das Fazit des Verwesungs-Experiments? Dr. Benecke: „Die ersten Eier und Maden lassen sich bevorzugt in Augenwinkeln, Nasenlöchern und Ohren nieder. Die Vermehrung geht schnell. Später kommen so genannte sekundäre Leichenbewohner dazu. Das sind Käfer, die sich nicht von der Leiche, sondern von den auf ihr lebenden Maden ernähren.“

Nach etwa einer Woche war die Schweinehaut übrigens samt Muskeln und Fett weg. Es waren größtenteils nur noch die Knochen der Tiere zu sehen. Der Kriminalbiologe: „Die werden von den „Maden-Teppichen“ hin und her geschoben, aber nicht wirklich zersetzt.“

Insect Traces and the Mummies of Palermo – a Status Report

In an interdisciplinary investigation of the mummies of the Capuchin Monastery in Palermo we made entomological findings with regards to the comparatively poor state of preservation of the deceased, to provide enlightenment about the process of natural mummification, as little is known about how the bodies were handled after death until they were laid out in the basement.

Read More

Jugend Forscht: Fäulnis und Verwesung vom menschlichen Finger am Schweineschwanzmodell

Das Ziel unseres Versuches war es, den Insektenbefall an abgetrennten Gliedmaßen, speziell dem menschlichen Finger, nach verschiedenartiger Behandlung zu beobachten. Als realistisches Modell für den menschlichen Finger verwendeten wir Schweineschwänze.

Read More