Anhörung im Bundestag

Quelle: Tätowiermagazin 6/2012, Seite 100

Diskussion über den Selbstbeteiligungs-Paragraphen: Müssen Krankenkassen die medizinische Versorgung von Komplikationen bei Tattoos und Piercings bezahlen?

VON MARK BENECKE

Klick hier für den Artikel als .pdf

Andy vom D.O.T. und Mark von ProTattoo nahmen am 25. April an einer Experten-Runde aus Juristen, plastischen Chirurgen, Sozlalverbänden und vielen anderen während einer zweistündigen Anhörung im Bundestag teil. Die LINKE möchte - in erster Linie zugunsten der Frauen, die minderwertige Brust-lmplantate auswechseln lassen müssen - gerne den so genannten Selbstbeteiligungs-Paragraphen kippen. Da Ende der 1990er Jahre gesetzlich auch Tattoos und Piercings mit Selbstzahlungen für medizinisch nicht notwendlge Körperveränderungen verwoben wurden, war unsere Meinung gefragt.

Die Stimmen der insgesamt etwa zwanzig Experten reichten während der wirklich interessanten Anhörung von rein Iobbyistischer Ablehnung jeder Kostenübernahme (»finanzieIIe Hilfen finden wir gut zahlen dafür aber natürlich keinen Cent«) bis zu überraschend angenehmen, juristischen Mitteilungen (»das Leben ist bunt, die Menschen sind verschieden, man kann nicht alle möglichen Kosten aus der Solidargemeinschaft ausgliedern«).

Der EAPP konnte niemanden entsenden, so dass wir als Vertretung und dank der unkomplizierten Mitwirkung der Polizei im Bundestag eine fachkundige Berlinerin mit Implants, Piercings und Tattoos auf den kurzfristig freigewordenen Platz brachten. Der Altersdurchschnitt wurde dadurch deutlich gesenkt, die Implant-Quote hingegen klar erhöht.

Andy und ich machten in kurzen Stellungnahmen deutlich, dass kassenpflichtige Nachbehandlungen von Tattoos und Piercings fast nie entstehen bzw. dass sie wenn überhaupt fast immer durch ausdrücklich unerwünschtes Schwimmen, Saunieren, Sonnenbaden oder mangelnde Hygiene bei der Heilung - ergo: durch vermeidbare Dummheit - entstehen, so dass unerklärlich ist, warum Tattoos und Piercings im Selbstbeteiligungs-Paragraphen § 52, Abs. 2 SGB V überhaupt erwähnt werden.

Vermutlich ungewollte Unterstützung unserer Hinweise kam vom Vertreter der Krankenkassen, der einräumte, dass die durch Selbstverschuldung eingeforderten Beträge so gering sind, dass sie kaum erhebbar sind.

Erstaunlich war ein Beitrag des Präsidenten der Vereinigung plastischer Chirurgen, der emotional darauf hinwies, dass plastische Eingriffe zur Angleichung des Körpers an ein gewünschtes Bild längst gesellschaftlich akzeptiert sind. Im Sinne beispielsweise der Dokumentation »Modify« sehe ich hier angenehme, neue Gesprächsmöglichkeiten auf uns zukommen.

Insgesamt war ich sowohl über das breite Stimmungsbild als auch die Ernsthaftigkeit der RednerInnen und ZuhörerInnen erfreut und habe gelernt, dass Verbands-Arbeit unerwartet zielführend ist und Politikerlnnen sehr wohl die Menschen vertreten, von denen sie gewählt wurden.

Nach der Anhörung haben wir Berliner Tätowierer und Piercer bei einer der örtlich so beliebten Fassbrausen (gibt's wirklich!) zusammen gebracht und überlegt, wie wir auch in Zukunft gemeinsam unsere bunten, durchlöcherten und nicht immer völlig gleichen Interessen vertreten können und werden.

Ein dickes, fettes Dankeschön an alle - ausdrücklich auch die PolitikerInnen - die diese spannende und interessante Anhörung angeschoben haben. So geht das!

Tätowierte haben häufiger Sex

Quelle: Express Köln vom 19. April 2009, Seite 11

... und noch mehr verrückte Forschungsergebnisse

Köln - In wie viele Teile brechen Spaghetti? Mit welchem Druck kommt Pinguinkot aus diesen lustigen Tierchen? Kann eine Kokosnuss eine Kochsalzlösung-Infusion ersetzen? Es gibt viele Forschungen und Studien, die vor allem eine Frage aufwerfen: Warum erforscht man so etwas? Doch jede Studie hat ihren Sinn. Hört sich die Fragestellung auch noch so kurios an, die Forscher wollen erstn genommen werden. Der Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke hat die skurrilsten Forschungen und Studien zusammengetragen. Sein Buch "Warum man Spaghetti nicht durch zwei teilen kann" (Lübbe-Verlag) ist jetzt im Handel.

Das tätowierte Menschen mehr Sex haben, wurde bereits im Jahr 2000 in den USA belegt. Doch der Grund, weshalb die Menschen mit Tinte unter der Haut sexueller aktiver sind, liegt nicht an den Tattoos selber. "Viel mehr sind Menschen, die sich tätowieren lassen, neuen Anregungen gegenüber offener. Und das wirkt sich auch aufs Sexualverhalten aus", so Benecke. "Anders gesagt, hat Sex nichts mit Tattoos zu tun und Tattoos nichts mit Sex."

Wenn der Pinguin mal muss...

Pinguine gelten allgemein als lustig anzuschauende, possierliche Tierchen. Wieso ein amerikanischer Forscher auf die Idee kam, die Geschwindigkeit und den Druck der Verrichtung ihres Geschäftes zu erforschen, ist nur schwer nachvollziehbar. Fakt ist nach dieser Studie jedenfalls, dass der Pinguinkot den kleinen Körper mit einem deutlich höheren Druck verlässt als der menschliche. In leicht gebeugter Haltung "schießt" der Frackträger seinen Kot mit einer Geschwindigkeit von 7,2 km/h etwa 40 Zentimeter weit - im Laufe der Wochen sternförmig um das eigene Nest herum. Gut, dass es Unterschiede zu Menschen gibt.

Schleimige Schwimm-Studie

Auf den ersten Blick bedarf es eigentlich keiner großen Studie bei der Beantwortung der Frage: Worin schwimmt man schneller - in Wasser oder in Schleim? Wasser ist da die naheliegende Antwort. Denn Forscher der Uni in Minneapolis wollten es genauer wissen und ließen Probanden im unieigenen Schwimmbecken zuerst in Wasser, dann in Guarkernmehl-Schleim schwimmen. Was dabei herauskam, ist ein verblüffendes Ergebnis: Die erzielten Zeiten waren in etwa gleich.

Reicher ohne Verhütungsmittel

Lapdancerinnen (Tänzerinnen, die sich auf dem Gast räkeln) bekommen mehr Trinkgeld, wenn sie keine hormonellen Verhütungsmittel nehmen. Das fanden Forscher der Uni New Mexico heraus. Am meisten verdienten die Probandinnen in den sechs Tagen um ihren Eisprung herum, weil sie dann (wie andere Frauen auch) in ihrem Körpergeruch hormonell bedingt bestimmte Duftstoffe haben, die besonders betörend auf Männer wirken.

Mozart ist gut für junge Karpfen

Im Jahr 2007 kamen Forscher zweier Athener Unis zu dem Schluss: Neugeborene Karpfen, die in ihren ersten zwölf Lebenswochen fast ununterbrochen mit Musik von Mozart beschallt wurden, nahmen stärker zu und hatten weniger Stresssubstanzen im Blut als ihre Artgenossen ohne musikalische Unterhaltung.

Beneckes irre Freak-Show

Quelle: Express Köln vom 1. Mai 2011

Maden, Fliegen, Käfer: Das ist die Welt des Dr. Mark Benecke

VON SANDRA EBERT und ZIK

Dr. Mark Benecke ließ sich „In Dude we trust“ tätowieren. Daneben der Bremer Stadtschlüssel. Foto: Zik

Doch Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe (er untersuchte sogar schon Hitlers Schädel), der Ausbilder an deutschen Polizeischulen sowie Gastdozent in den USA, Vietnam, Kolumbien und auf den Philippinen ist, hat noch andere irre Passionen:

Benecke ist Donaldist, Vampir-Experte, trat als Kanzlerkandidat für „Die Partei“ an. Das Neuste: Nun ist der 40-Jährige auch noch „Dudist“. „Nach dem Film »The Big Lebowski« mit Jeff Bridges als Dude.“

Zwar heißt „Dude“ übersetzt nur so viel wie „Alter“, steht im Film aber für eine extrem entspannte Lebenshaltung. „Kann ich mich absolut mit identifizieren“, grinst Benecke. Zum Zeichen dafür, dass er gläubiger „Dudist“ ist, ließ er sich gleich eine Yin&Yang-Bowlingkugel mit dem Schriftzug „In Dude we trust“ – analog zum amerikanischen Staatsmotto „In God we trust“ (übersetzt: Wir vertrauen auf Gott“) – auf die Wade tätowieren.

„Ich habe über 30 Tattoos auf dem ganzen Körper“, erklärt Benecke. Eine Windrose auf dem einen Handrücken, den „Autobahnfink“, der früher an Raststätten für Sauberkeit warb, auf dem anderen. Auf seinen Fingern steht „Hold fast“: „Als Erinnerung, dass man das, was wichtig ist, festhält.“

[...]

Insects, Cadavers and Ink

Quelle: Tattoo Master 01/2014, pages 60-62

By Nacho Brown

The article as .pdf

Mark specialises in forensic entomology; the study of insects and arthropod biology and its application to criminal cases and legal matters - gathering information far criminal cases through the examination of insects extracted from dead bodies. It is dear, that while most people would find removing maggots from decaying bodies a little unsavoury, Mark has a deep respect far the creatures he works with.

"I just love invertebrate animals and I very much love to be in the middle of the circle of life. What I do as a forensic entomologist go es straight to my heart and invigorates all of my senses. Other people may connect with their inner self with high dosages of hallucinogenics, to feel fully embedded in earth and nature, for me my work has the same effect“.

Mark's enthusiasm for his work is lost on many people but he has never let the thoughts of others hold him back. In addition, the simple life free of the clutter and clamour for possessions makes sense to him.

"I never cared. I just do my own thing. I worked for awhile in New York and while there I sometimes lived on food that was left outside hotel rooms for the room service to pick up. Still today my friends make fun of me because I never throw away food and even eat food that other people leave. In Manhattan I worked at the Chief Medical Examiner's office as a forensic biologist and I lived in a basement, the cellar of an apartment.

I really did not need much. I do not own a car, or a flat, or anything except my computers, very old books, dissection microscopes and the like. I get along easily and keep everything low maintenance. I find that this has two good side effects: no one can threaten me by taking things away from me and nobody thinks I want his or her job, or power, or money, or what not. So those who want my work, ask for it. Those who do not need it, do not ask. It was like that from the first day onwards. In most countries I have good and stable working relationships in universities, with the police and so on. It's not a struggle, the fact that I live in my lab.“

In recent years forensics and tattooing have begun to cross over with specialists looking at the state of decay of a tattoo to help determine the time of death and using tattoos to help identify bodies. But Mark still feels there is so much more headway to be made.

"More research needs to be carried out in this area. To get an identification process going, sometimes the police enhance tattoos from bodies of the recently deceased, or from the body parts of on es that are decomposed. And sometimes I also I ask around if anybody knows a particular style or motif so we may find out in which region of the world, or in which tattoo parlour, it may have been done.“

Mark's own body is extensively tattooed with a mixture of styles and techniques from rough and ready home done pieces to detailed neo-classical designs. Mark was twenty years old when he got into tattooing and it all started in the city of Cologne, in Germany.

"This is where the cologne perfume comes from and why cologne perfume is called 'cologne’. No kidding! Anyway, back in the eighties, we had one of the first legal German tattoo studios. The window of the shop, the whole area, was rough and basic. You know, just a few pictures of Japanese tattoos etc.

I went in with all the respect a person can have and asked if they could do a lizard on my shoulder. This was not too weird as the owner, a guy by the name of Dieter, did good, bold, old school tattoos. And his wife, Anke, does flowers and tigers etc. Anke said yes and did it and that was how I got started on the path of body modification.

I think tattoos and body modifications are normal for adults. It's your body so do something with it to make your inner image match your outer body image“.

And Mark's body modification goes beyond tattoos ...

„I have magnets in tow fingers and a RFID chip in my arm.“

The magnets make Mark's fingers sensitive to electric currents and magnetic fields giving him, in effect, a sixth sense and an enhanced awareness of his environment. The radio frequency identification chip is a tiny electrical device, not much bigger than a grain of rice, which can be used to store and transfer information such as a person's personal details. Though, in Mark's case, the RFID chip is programmed to one unique id number, so it cannot be reprogrammed.

Mark's passion for tattooing also goes hand in hand with his nomadic journey across the planet. He's worked in America, visited China on numerous occasions and has been across Europe and South America, all the time getting tattooed as he travelled.

„I’ve got tattoos from all around the world. I even became the first male centrefold in the German 'Tätowiermagazin' because my body art is a patch work from across the globe. And like sailors in former times, every tattoo comes from another place.“

Mark is no stranger to being on the other side of the needle either.

"I do fan tattoos once in awhile, usually my 'Vampire Smiley‘. But also little heart anchors and small stuff. Many students want them but also my friends. I only do them black, rough and dirty. I use a go rotary machine as the old coil machine started to kill my ears and nerves“.

In addition to his forensic work and his tattoo collecting, Mark has also worked with controversial artist and anatomist, Gunther von Hagens.

"I worked for Koerperwelten Body World from 1999-2000. Gunther was there the night before it opened and I was one of the few that night to give everything the final touch. Since then I have become very attached to the exhibit and to his factory in Guben on the Polish border. So much so that I give speeches for the public during Koerperwelten exhibitions in Europe.“

So what does the future hold for a man who has carved out a unique niche in the combined worlds of forensics and tattooing?

"I am like a modern sailor and so I have a lot of sailor tattoos. Hold Fast on my hands, Sailing for Truth on my back, a pirate girl on my leg. I just like to sail and see what happens next. I make no plans.“

"Palpatine, Vader '12"

Quelle: SANNISTYLE BERLIN 12. September 2015, online

Text: Denise Boerner


Es war am Samstag, als ich mit Mark zum Interview verabredet war. Dank meiner eher spontanen Ideen lag ich ja vorher noch unter der Nadel. Also trat ich dem Herrn der Maden frisch gestochen und im rosa Samtfummel gegenüber. Gut, dass er sich an so etwas nicht stört. An seinem Stand habe ich ihn abgeholt, wir haben uns nach draußen verzogen und zustande kam folgendes, mehr als interessantes Interview!

"Meine erste Frage: Was liest du zur Zeit?"

Dein T-Shirt: "Palpatine, Vader 12" (murmelt)...sehr nice.

"Und was liegt auf deinem Nachttisch?"

Comics. Ich habe gerade von Charles Burns die Trilogie zu Ende gelesen. Die, wo vorn das rot-weiß gefleckte Ei drauf ist.

"Du springst auf Tattoo-Conventions rum, du trittst im Fernsehen auf und hast dich auch zur Oberbürgermeisterwahl in Köln gestellt. Kommst du da noch zu deinem normalen Job als Kriminalbiologe?"

Ja.

"Wie machst du das? Wann schläfst du?"

Viel arbeiten. Ich versteh die Frage gar nicht. Gunther von Hagens wird das auch immer gefragt und der hat 9 Ausstellungen gleichzeitig laufen. Es ist eine Frage von effizientem, hartem Arbeiten, mehr ist das gar nicht.

"Du bist viel unterwegs. Berlin, Köln, etc."

Es fahren ja Züge, da kann man ja auch arbeiten. Kannst ja Akten mitnehmen. Und zwischendrin bin ich auch im Labor. Es ist viel, harte Arbeit. Das sind die 3 Worte, die man da kennen muss.Und kein Urlaub!

"Also keine Freizeit?"

Was heißt Freizeit? Ich brauche keine Freizeit. Ich tue das, was ich gerne mache. Ich verstehe den Begriff Freizeit nicht. Wenn ich vor 100 Jahren im Kohlenstollen war, ist es sinnvoll. Aber in dem Umfeld, wo du und ich zum Beispiel sind, weiß ich nicht, was Freizeit soll. Wir haben alle ein gutes Leben. Versteh mich nicht falsch, es gibt auch Leute mit Scheißjobs, aber hier zum Beispiel sehe ich keinen davon.

"Du machst auch Vorträge und bekommst dort auch viele Fragen. Welche Frage kommt dir spontan in den Sinn, wo selbst du überlegen musstest?"

Ich überlege immer. Viele Leute geben die Antworten, die sie vorher eingeübt haben. Das tue ich nicht. In der Forensik überlegst du immer "Was ist der Einzelfall?", deswegen nehme ich jede Frage gleich ernst und überlege immer, warum diese Frage an diesem Tag in diesem Kontext gestellt wurde. Ich nehme mir immer Zeit für meine Antwort.

"Gab es für dich mal eine überraschende Frage?"

Alle Fragen sind überraschend. Alle Fragen sind immer neu und überraschend. Ich überlege gegebenenfalls, was sich in diesem Einzelfall gegenüber gestern verändert hat.

"2014 hast du bei Raab dein Kinderexperimentebuch "Das knallt dem Frosch die Locken weg” vorgestellt. Da hattest du ein Glitzereinhorn dabei, aus dem du deine Handschuhe gezogen hast. Wo ist das?"

Die Handschuhhandtasche meinst du? Die habe ich bei Kindervorstellungen dabei. Wir erzählen den Kindern halt auch Scheiße, damit sie lernen, dass auch Erwachsene Scheiße erzählen. Bei den Vorstellungen sagen wir, dass Handschuhe IMMER aus rosa Ponys kommen. Und je nachdem, wie alt die Kinder sind, kommen unterschiedliche Reaktionen. Die kleinen Kinder sagen sofort "Du lügst” und wenn sie älter werden und denken die "Erwachsene haben Recht”, wollen sie dahin zurückbringen, dass sie merken, dass auch Erwachsene Mist erzählen. Daher erzählen wir auch oft Quatsch.

"Wer ist dein Haus- und Hofstecher für deine Haut?"

Gibt es nicht. Ich mache das überall, wo es passt. Ich habe viele befreundete Tätowierer, die ich zwei Jahrzehnte oder länger kenne, aber ich bin viel unterwegs und lasse mir da dann halt was machen, wenn es passt.

"Ist bei dir überhaupt noch was frei?"

Ja klar, die Seiten zum Beispiel. Ich habe keine Lust mehr, die Rippen tuen mir zu sehr weh.

"Zur Oberbürgermeisterwahl: dein Statement dazu?"

Steht auf meinem Gürtel "Et hätt noch immer joot jegange”. Kölsches Grundgesetz. Fertisch!

"Wie kam es dazu, dass du dich zur Wahl gestellt hast?"

Ich wurde gefragt. Ich bin ja NRW-Vorsitzender von der Partei "Die Partei". Und da haben die Kölner mich gefragt, ob ich das für Köln machen möchte. Ich bin dort aufgewachsen und was gibt es Schöneres, als Oberbürgermeister in Köln zu werden?

"Solltest du tatsächlich Oberbürgermeister werden, wie ist es dann mit deiner Karriere als Kriminalbiologe?"

Viel harte Arbeit! Noch härter, noch vieler, noch arbeiterer!

"Bist du noch an Tatorten?"

Eher nicht mehr. Ich mache seit Ende der 90er Fortbildungen und viel im eigenen Labor. Unsere Techniken sind Spezialtechniken. Einsammeln, Fotos machen und Maßstab dran legen, dann passt das. Wir versuchen, das Ganze so weit wie möglich zu dezentralisieren.

Oft sind wir nachts raus gefahren, die Polizisten mussten auf uns warten und dann wurden zu 99% die Spuren nicht verwertet oder es kam gar nicht zu einer Gerichtsverhandlung. Das ist dann für alle frustrierend.

"Als du noch an Tatorten tätig warst, wie war da der Umgang mit deiner Berühmtheit?"

Gar nicht. Das interessiert an einem Tatort überhaupt nicht. Da ist völlig egal, wer du bist, wo du bist. Da hast du echt andere Probleme.

"Gab es in deiner Karriere negative Reaktionen auf deine Körperkunst?"

Also es hat noch nie einer was gesagt. Ich denke, es ist allen egal, aber ich weiß es nicht, weil noch nie einer was gesagt hat.

“In "Aus der Dunkelkammer des Bösen" berichtest du über deine Untersuchung des angeblichen Schädels von Adolf Hitler und dessen Zähnen. Gibt es noch Projekte, an denen du unbedingt mal eine Untersuchung vornehmen möchtest?"

Wenn du nicht erkennst, dass im Alltag spurenkundliche Abgründe liegen, dann kannst du den Job nicht machen. Wer meint, dass er noch ein großes Projekt untersuchen will, hat meiner Meinung nach einen an der Klatsche. Das sind Abenteuerjäger, aber der kann nicht in unserem Beruf arbeiten. Neunzig Prozent der Zeit sitzen wir im Büro, über den Akten oder über dem Mikroskop. Unser Job ist stinklangweilig. Ich kenne auch keinen Kollegen, der je gesagt hat, dass er noch an einem ganz bestimmten Projekt arbeiten möchte.

Schatztaucher zum Beispiel sind mir sehr sympathisch. Das sind moderne Glücksritter, die haben auch häufig sehr viel Ahnung von den geschichtlichen Zusammenhängen und die sind super. Aber die kannst du nicht ins Labor setzen.

"Im Buch erwähnst du, dass dich die psychologische Seite nicht so interessiert. Ist das immer noch so?"

Es ist gut, wenn man die Grundbegriffe kennt. Ein Beispiel: Wenn ich auf der Tattoo-Convention als Tätowierer bin, ist es gut, wenn ich auch raffe, wie man mit den Kunden spricht. Sonst kann ich megatolle Tattoos machen, aber wenn ich nicht mit den Kunden reden kann, klappt es nicht. So ist es bei mir im Job auch.

Es ist wichtiger, dass ich was von den Spuren verstehe, aber es ist genau so wichtig, dass ich mit den Tätern oder auch den Angehörigen - was wir in letzter Zeit öfter haben - reden kann.
Es ist sehr sehr hilfreich, aber ich würde keinen Spurenkundler dazu zwingen, sich mit der psychologischen Seite zu befassen.

"Du durftest ja den 300-fachen Kindermörder in Kolumbien besuchen..."

Besuchen ist gut…das war schon ätzend. Denn der redet nur mit mir und einem Priester, den ich sehr mag. Der Täter redet sonst mit keinem. Aber sind wir mal ehrlich: wer setzt sich auch mit einem 300-fachen Kindermörder an einen Tisch und redet offen und freundlich mit ihm? Das macht sonst keiner, scheint mir. Weil ich ruhig und neugierig bin, bin ich offenbar der Einzige, der irgendwie einen Draht zu ihm hat.

"Der Täter ist ja eher aus psychologischer Sicht interessant. Er sitzt im Knast, Spuren sind rum."

Naa, das würde ich so nicht sagen. Die Spurenakten existieren ja noch und die wurden nie ausgewertet. Das ist aus beiden Sichtweisen interessant.

Da kannst du zum Beispiel den Mörder fragen, warum er verschiedene Messer benutzt hat oder warum wurden Kondome gefunden, obwohl er keine benutzt hat. Er ist ein Mensch, klar auch ein Monster, das weiß der selber, aber um ihm das zu sagen, muss ich nicht mit ihm reden.

Nur er weiß aber zum Bespiel, warum die Kinder in der einen Ecke des Landes auf Kuchen angesprungen sind und in der anderen Ecke auf Drogen. Er ist leider der Experte dafür. Das kannst du nur ihn fragen.

Ich bin ihm dankbar, dass er mir einiges erzählt hat. Für die Prävention hat er das beste geleistet, was er hätte machen können. Durch ihn wissen wir, wie Kinder angesprochen werden und dann kann man dort präventiv eingreifen.

"Durch deine Berühmtheit kommst du ja an solche Fälle...."

Nee nee, der weiß das nicht. Der hat ja kein Internet. Für ihn bin ich derjenige, der normal mit ihm redet. Mehr ist das nicht.

"Wurdest du mal von einem Täter aufgrund deiner Berühmtheit angefordert?"

Das passiert nicht. In der Welt der schweren Verbrechen interessiert das nicht, ob jemand berühmt ist oder nicht. Es spielt einfach keine Rolle; wie gesagt, die Menschen haben in dieser Welt echt andere Probleme.

"Gibt es noch was, was du loswerden möchtest?"

Nö! Ich antworte auf Fragen, das ist mein Beruf. Allerdings wüsste ich gerne noch, was der Text auf Deinem T-Shirt bedeutet.

Mark bezieht sich auf den Schriftzug "Palpatine Vader '12" (und ja, das doofe Gesicht gabs von mir gratis auf dem Foto ;) ). Das Shirt habe ich damals im Zuge der US-Wahl gekauft. Aus den Medien kennt man ja diese Schilder, auf denen oben der künftige Präsident und unten drunter sein Stellvertreter geschrieben stehen. Meist in den Farben der US-Flagge.

Die Designer meines Shirts haben sich das zum Vorbild genommen und ihre ganz eigenen Favoriten für die Wahl auf den Stoff gedruckt.

Klar, dass ich das T-Shirt auch in den USA 2012 getragen habe. War ein großer Hingucker :)

Lieber Mark, ich danke dir mehr als einmal für dieses offene und lockere Interview. Obwohl es ja nun schon ein paar Tage her ist, bin ich immer noch geflasht und einfach stolz

Trauertattoo : Unsere Haut als Gefühlslandschaft

Quelle: Katrin Hartig, Stefanie Oeft-Geffarth
Trauertattoo - Unsere Haut als Gefühlslandschaft
conVela Eigenverlag, Halle (2016)
92 S. - ISBN 978-3-00-052750-0

MB über Vorbehalte gegenüber Tattoos

Von Kathrin Hartig

Zum Buch "Trauertattoo - Unsere Haut als Gefühlslandschaft".

Auf 92 Seiten haben sich die Journalistin, Katrin Hartig und die Fotografin, Stefanie Oeft-Geffarth mit dem Phänomen der "Trauertattoos" beschäftigt. Neben der Wanderausstellung ist eine Publikation entstanden, die unerwartete Bilder und detaillierte Interviews zeigt. Es ist ein sensibles Format. Nicht zu groß für den Anspruch; nicht zu klein für die Wirkung der Fotos.

Neben 13 kurzen Interviews, die eine Art Essenz der langen Gespräche sind, kommen Experten zu Wort. Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke stellen sich ebenfalls den Fragen, die sich Katrin Hartig bei der Auseinandersetzung mit der Beobachtung ergeben haben:

Es gibt noch immer Vorbehalte gegenüber Tattoos. Ewa die Hälfte der Teilnehmer an dem Fotoprojekt hatten vor dem Verlust eine eher ablehnende Haltung. Woher kommt diese Ablehnung? Sind Tattoos noch immer stigmatisiert?

Es gibt auf der Welt zwei Sorten Menschen. Das ist ziemlich deutlich ausgeprägt, gut untersucht und nicht einfach eine Meinung von mir — es hat sich in vielen Experimenten gezeigt. Der eine Teil der Menschen ist eher “liberaler” und aufgeschlossener und andere eher weniger. Das war schon immer so, und an kann es auch leicht bei politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen verfolgen. Das ist wahrscheinlich so ein Yin- und Yang-Ding. Die Ablehnung von Tattoos hängt — wie auch die experimentell messbare Reaktion auf Fotos mit ungewöhnlichem Inhalt — mit der etwas konservativeren Disposition von Menschen ab.

Die Begründung, das liege an der sozioökonomischen Schichtung, ist aufgesetzt und ist in Forschung schon seit über hundert Jahren widerlegt. Der einzige wissenschaftlich haltbare Grund, sich so oder so zu Tattoos zu verhalten, ist die eher konservative oder eher liberale Grundeinstellung der Leute.

Trauer kann auch Werte und Einstellungen auf den Kopf stellen. Die meisten Befragten berichteten, dass sich ihre Einstellungen zum Leben, zu sich selbst, zu dem, was ihnen wichtig ist, verändert haben. Wie siehst du das?

So ähnlich ist das ja auch bei Krebspatienten. Ich frage mich, ob das eine wirkliche Einstellungsänderung in Bezug auf Werte ist oder ob das nicht eher eine Zentrierung ist. Es ist vielleicht eher eine Art der Hinwendung zu den eigenen Bedürfnissen. Wer vorher nicht extrem konservativ war, findet in der Trauer vielleicht auch wieder zu den offeneren, liberalen Quellen seiner oder ihrer Persönlichkeit.

Inwiefern haben Tattoos mit Identitätsfindung zu tun?

Manchmal ja. Das andere Ende des Spektrums, warum man sich ein Tattoo machen lässt, sind Modegründe oder der Wunsch nach Gruppenzugehörigkeit. Das in der Trauer bedeutsame Ende des Spektrums ist aber die tiefer gehende Bedeutung eines Tattoos, also gerade keine Mode, die von der Umgebung bestimmt wird. Die persönliche, einzigartige Bedeutung kristallisiert sich bei Trauernden an diesem einen Tattoo. Inhalt kann das verstorbene Kind sein oder übrigens auch sehr oft der Hund. Dann hat das Tattoo die offensichtliche Bedeutung der Erinnerung. Dazwischen gibt es aber auch Bedeutungen von Tattoos, die sich wandeln können.

Tattoos sind eine Möglichkeit gelungener Trauerarbeit, wenn es zum Träger oder zur Trägerin passt. Für andere kann das aber auch auch die Gestaltung eines Gedenkortes sein oder eines Rituales. Ich würde statt ‘Identitätsfindung’ vielleicht eher den Begriff der Integration benutzen, des Annehmens und Vorantreibens. Nicht im Sinne der Integration der Trauer sondern der Werte, die die verstorbene Person versinnbildlicht hat. Diese kann ich mittels eines Tattoos symbolisch an mich binden. Natürlich geht das auch ohne Tattoo.

Inwiefern spielt der Schmerz beim Stechen eines Tattoo eine Rolle bei diesen Tattoos der Trauer? Ist es im wahrsten Wortsinn ein „Verschmerzten“?

Ich habe ja eher mit den eher „verrückteren“ Leuten zu tun als mit den normalen. Ich hatte bis letzten Monat eine Kolumne — die letzte Seite im Tätowiermagazin — und habe in diesem Zusammenhang überall Leute angesprochen. Bei meinen Fragen zum Schmerz verneinten die Leute das. Bei den Menschen, mit denen ich es zu tun habe, spielt der körperliche Schmerz beim Tätowieren überhaupt keine bewusste Rolle.

Sind Tattoos auch Kommunikationsmittel?

Das kann sein. Unter anderem bei denen, die das Datum dabei stehen haben. Ein Beispiel: Ich habe mal einen der Tätowiermagazin-Artikel über eine Stripperin in einem ganz harten Laden in Dresden gemacht. Sie ist jeden Abend sicher sechs Stunden — oft nackt — unterwegs. Sie hatte den Grabstein ihres Kindes tätowiert, samt Datum. Klar, dass sie damit ihre Geschichte auch nach außen trägt, also “kommuniziert”. Ich habe darauf angesprochen und sie gefragt, ob sie darüber reden will. Wollte sie.

Früher wurden ja auch oft verstorbene Hunde tätowiert. Da stand das Sterbedatum aber nicht dabei. Das war so in den 80er und 90er Jahren. Auffällig war, dass das fast alles Leute waren, die eher schlechte Bindungen zu Menschen hatten, beispiesweise Leute, die als Kinder mal im Heim gewesen waren. Wenn der Hund gestorben ist, haben sie sich dann ihren Hund tätowieren lassen. Oft waren das auch Kampfhunde. Das wirkte dann manchmal auch merkwürdig, wenn man von einer Bulldogge angesehen wurde. Diese Menschen haben aber auch gern darüber geredet.

Aber es war nie, in keinem dieser Fälle, ein aktives Gesprächsuchen. Ich würde von meinem Gefühl her sagen, dass die Kommunikation oder die entstehenden Gespräche eher in Kauf genommen werden.

Ich sehe es wie gesagt eher als Integrationsprozess, das Bild des oder der Toten näher an sich ran bringen. Das Wissen, das Kind oder der Mann sind da draußen irgendwo begraben, aber ich bringe das Bild dieses Menschen nah an mich ran Das ist fast wie eine magische Vorstellung: Dieses Zentrieren und näher an mich binden. In meinen Körper einpflanzen kann ich das Bild ja nicht — ich möchte ja nicht die Asche essen. Aber ich kann es auf meine Haut bringen. Das ist ja auch sehr sinnbildlich: Denn näher als auf meine Haut oder in meine Haut kann ich es gar nicht an mich heran bringen.

Viele Trauernde wählten den Ort für das Tattoo so, dass sie es berühren können. Welche Rolle spielt deiner Meinung nach die Körperstelle, wo tätowiert wird?

Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht, ich finde das aber absolut nachvollziehbar. Die Körperstellenwahl könnte aber auch anders entstehen: Inzwischen kennen sich fast alle Tätowierer gut aus mit den Tücken der Körperstellen. Rücken, Brust, Oberarm, das sind Stellen, die einfacher zu tätowieren sind, weil die Haut gut spannt. TätowiererInnen haben oft mehr Spaß daran, eben diese Flächen zu füllen.

Die Wahl allgemein der Körperstellen hat also oft vielleicht keine tiefschürfenden, sondern eher praktische Gründe. Oft werden Fotos gelungener Porträt-Tattoos ja veröffentlicht und weitergereicht und der oder die Tätowierer/in dann gefragt: “Kannst du sowas auch bei mir machen?” Und so werden auch die Körperstellen quasi weitergereicht.

Gleichzeitig kann ich mir schon vorstellen, dass diese unterbewusste Komponente eine Rolle spielt, die du ansprichst. Weil ich die Wahl besonder der Pulsstelle auch kenne: Wir machen manchmal Quatsch- und Erinnerungstattoos auf Tattoo-Messen. Und da lassen sich die Leute tatsächlich die Tattoos auch öfters am Puls machen, also am inneren unteren Handgelenk. Das ist mir tatsächlich aufgefallen. Vielleicht ist das so eine unterbewusste Entscheidung für allerlei Emotionales — auch ohne Trauer.

Wie hat sich die Wahl der Symbole in den letzten Jahren verändert? Was fällt dir auf?

Es gibt bei den sogenannten Schmuck-Tattoos eine nette Zeitleiste — der Chefredakteur des Tätowiermagazins hatte die vor kurzem ‘mal als kleines Jubiläumsposter ins Heft gebaut. Man kann sagen, dass es so anderthalb- bis zweijährige Motiv-Abwechslungen gibt. Das ist sehr auffällig. Als jemand, der häufig auf Tätowierveranstaltungen ist, kannst du nach einigen Jahren mit relativ hoher Trefferquote sagen, wann bestimmte Tattoos gestochen wurde. Und zwar nur aus dem Symbol heraus gelesen.

Es kam vor ein paar Jahren eine Zeit, als die Symbole nicht mehr so dem klassischen Bereich entlehnt wurden, also beispielsweise den Maori- oder Seemannstattoos, sondern auf einmal kamen deutsche Sachen dazu: Eichhörnchen, Füchse, Eulen. Das war vorher undenkbar. Kein einziger Mensch auf der Welt hat das gehabt. Und dann kam das auf einmal.

Im Bereich der emotionalen Darstellung haben die Leute am Anfang — so in den 70er und 80er Jahren — diese chinesischen Zeichen ausgesucht. Manchmal auch etwas ausgesucht, was inhaltlich gar nicht stimmte. Da wurde manchmal irgendetwas tätowiert, oft etwas mit “Kraft” oder so. Aber es wusste ja eh keiner, was das Zeichen wirklich bedeutete.

Dann kamen die schon genannten Porträts. Die gab es schon sehr früh. Das war so etwas — vereinfacht gesagt — wie die zweite “emotionale” Welle nach den oft kruden Seemannstattoos und chinesischen Zeichen. Und die dritte, moderne Welle war dann, als die Schriften kamen. Schriftzüge waren früher völlig unüblich. Die Schnörkelschriften kamen über mexikanische Gefängnisse, das haben Jungs mangels Tätowierfarben diese Schriftzüge entwickelt — grau und verschnörkelt. Über die USA kam das dann relativ schnell auch nach Deutschland. Jetzt hat man sehr oft — auch im Bereich von Trauer und Erinnerung — solche Schriften.

Das sind so die drei großen Wellen im Bereich der emotionalen Tattoos, die mir einfallen. Und dann gibt es natürlich jede Menge weitere Symbole, ähnlich der Symbole auf den Gräbern. Hier in Köln auf dem Melatenfriedhof haben wir z.B. ein Kindergrab, übrigens mit einem riesigen alten Stein-Sensenmann darüber, wo der kleine Junge lauter Frösche auf dem Grab stehen hat. Das war etwas ganz persönliches. Und wir haben auf den alten Grabsteinen hin und wieder auch Schmetterlinge, gemeint sind Motten, also Nachtfalter, als Symbole der nachts aufsteigenden Seele.

Streng genommen ist die Wahl solcher Symbole eine Mischung zwischen Integration der toten Person mit einem Schuss Magie, Phantasie und Mut. Und es kann ein Kommunikationsangebot sein. Die vier Sachen zusammen sind eine gute, gelungene Sache. Das finde ich immer eindrucksvoll, wenn Menschen das bewusst oder unbewusst so machen.

Viele Interviewte sagen, das Tattoo solle sie erinnern — an ihren Weg, an ihre inneren Versprechen. Auch eine Art Magie?

Ja, das ist noch eine ganz andere Facette, wie so ein Knoten im Taschentuch. Das eine ist die Integration dessen, was die verstorbenen Person bedeutet hat, dass du deren Erinnerung und Eigenschaften jetzt mit dir trägst, dass du das jetzt in dir hast, was körperlich beim toten Anderen nicht mehr da ist.

Und die andere Facette ist dann dieses: Ich muss jetzt mal auf mich achten und daran auch wirklich denken. Durch die Trauma-Einwirkung können Menschen diese Rückbesinnung auf sich selbst haben. Das muss nicht immer mit dem Tod zu tun haben. All diese Prozesse können auch ablaufen, ohne dass jemand gestorben ist. Ein typisch Beispiel sind die schon genannten Menschen mit überstandener Krebserkrankung.

Für konservativere Menschen ist es zudem schon mutig, sich die Haare bunt zu färben. Wenn sie sich dann auch noch ein Erinnerungstattoo machen, ist das ihre Art, über den eigenen Schatten springen. Sie öffnen sich gegenüber der anderen Welt, der Außenwelt, die konservativeren Menschen sonst eher wild und ängstigend erscheinen kann. Es findet mit so einem Tattoo dann eine Art Empowerment statt, also die Haltung: Ich will das jetzt machen, also mache ich es jetzt einfach mal. Selbstbestimmung gewinnen, die eigenen Ressourcen wahrzunehmen und zu nutzen. Das kann ein ursprünglich der Erinnerung gewidmetes Tattoo dann auch für der Träger oder die Trägerin bewirken und sie oder ihn daran erinnern, dass es eben auch um das eigene Leben gehen muss, nicht nur um die Meinung der anderen oder das Gedenken an die tote Person.

Sind Tattoos je eine Frage von bestimmten Altersgruppen gewesen?

Es gab eine seriöse Umfrage eines der großen Meinungsforschungsinstitute, der GfK. Aus dieser Umfrage wissen wir, dass es eine klare Altersschichtung gibt. Die Jüngeren haben — noch — viel mehr Tattoos als die Älteren. Natürlich liegt das daran, weil man früher ja kaum Zugang zu “Tätowierstuben” hatte. Und, was Trauer angeht, kommte man bei den Motiven früher ziemlich wenig mitgestalten. Es gab vor dreißig Jahren noch Tätowierer, die gar nicht zeichnen konnten. Sie malten gut Vorlagen ab und stachen diese.

Die Atmosphäre war auch nicht immer sehr feinfühlig. Ih kenne beispielsweise noch eine Menge alte Tätowierer, die ich zwar sehr gern habe, die aber keinen Bock haben, mit KundInnen zu reden — erst recht nicht über deren Gefühle. Diese Zeiten sind vorbei, und so kommt es, dass jüngere und auch Trauernde einfach mehr Zugang zu Tattoos und deswegen auch insgesamt mehr Tattoos haben.

Welche Entwicklungen gibt es derzeit in der Tattooszene?

Es kommt jetzt eine ganz, ganz neue Generation von Tätowierern vor allem aus Osteuropa. Die haben nichts gemein mit irgendwelchen Regeln aus dem Westen, den USA, der Seemansstradition, nix davon. Die können einfach phantastisch tätowieren. Du denkst, dass es dir gleich das Gehirn wegbläst. Vor einem Jahr dachte ich, das Endstadium dessen gesehen zu haben, was technisch, mit Farben, Abstraktionen, Verläufen, Perspektiven und so weiter möglich ist. Und dann kommt so ein polnisches Tattoo-Kid und setzt alles wieder auf Null. Hammer.

Das wird auch für Menschen, die in der Trauer nach neuen Ausdrucks-Möglichkeiten durch Tattoos suchen, neue Wege eröffnen, besonders bei phantastischen und sehr künstlerischen Umsetzungen.

Heute schicken einen TätowiererInnen einen auch mal weg, wenn man nicht einig wird oder sie glauben, dass da etwas seelisch im Argen und Unreinen ist. Irgendwie wird das alles insgesamt freundlicher und richtiger, menschenorientierter.

Tätowierungen in der Trauer finden oft nach einem längeren Prozess der Suchens statt.

Und das ist richtig so. Es gibt ja auch einen Nachteil: Wenn man sich das Tattoo in einer Phase der tiefen Trauer stechen lässt, dann erinnert dich das Tattoo möglicherweise genau an diese Phase, die du aber später möglicherweise längst überwunden ist.

Daher finde ich es gar nicht schlecht, wenn Leute lange genug überlegen, ob sie das auch machen wollen. Weil sie sich auch sonst vielleicht Fehlkonditionieren auf die Emotionen, die sie hatten im Moment des Stechens. Und sich dadurch später mehr an die Trauer als an das Schöne erinnern.

Der Wunsch zu einem Tattoo muss auf jeden Fall aus mir selbst kommen.

Ich erlebe manchmal Menschen, Ehepaare hauptsächlich, die in einem Kreisel stecken bleiben in der Trauer, dass sie miteinander nicht mehr umgehen können. Sie finden keine Möglichkeit mehr, ihre Beziehung zu leben. Jeder für sich trauert, sie kriegen die Trauer aber nicht in ihre Beziehung integriert. Das passiert noch häufiger bei Vergewaltigungen. Manchmal müssen die Leute da sehr gut aufpassen, ob ihre eigenen Bedürfnisse auch noch in die Beziehung passen. Durch die Traumarisierung rückt jeder für sich dann so an sich selber ran. Dann machen sich Paare manchmal die ganze Zeit über Vorwürfe, dass der eine z.B. die Trauerarbeit nicht richtig macht. So wird der andere wieder zurückgezwungen unter dem Motto: Guck mich an wie ich trauere. Da muss man auch bei Tattoos ein bisschen aufpassen.

Wenn ich mir also ein starkes Symbol für mein totes Kind auf meine Brust tätowiere, dann guckt dieses — nehmen wir einfach mal ein Fillypferchen — nicht mich an, sondern, wenn ich dusche oder sonstwie ausgezogen bin, den Partner und steht so im schlechteren Fall immer zwischen uns. Der andere wird ja dadurch immer angeschaut.

Befinden sich jetzt beide in einer anderen Phase der Trauer, dann steht das Tattoo sozusagen zwischen den beiden, und manchmal klebt man dem Partner dadurch so ein klebriges Schuldschildchen auf. Insofern sollte man sich der Verantwortung einfach bewusst sein, was man da in der Beziehung macht und in welcher Form man Tätowierungen in solchen Situationen nach außen trägt.

Ich kann mir aber gut vorstellen, dass man einen Tätowierer einfach in eine Gruppe Trauernder einladen kann, und dann kann man auch die seltsamen Details mal ruhig besprechen. Ich würde aber einen nehmen, der auf keinen Fall die Anwesenden tätowiert, sondern verspricht, genau das nicht zu tun. Er oder sie soll einfach erzählen, was man alles wie und wo tätowieren könnte, wenn einer der Anwesenden wollen würde. Das wäre eine gute Sache, auch für Gruppen.

Was bedeuten Dir deine Tattoos?

Meine Tattoo das sind auf jeden Fall auch Geschichten, weil ich mich bei jedem erinnere, wie und wo und was das war. Ich halte es aber für etwas Fließendes. Es kann seine Bedeutung komplett ändern. So wie Bücher lesen, Musik hören, Tanzen auch seine Bedeutung ändern kann. So sehe ich das bei den Tattoos auch. Ich habe sie in irgendeiner Situation aus einem bestimmten Grund gemacht.

Ich kann natürlich häufig beispielsweise den sozusagen geografischen Grund des Tattoos beschreiben, weil ich es irgendwo auf der Welt gemacht habe, weil es dort eben gerade ging. Weil ich Zeit hatte und dort gerade ein Tätowierer war. Ich habe aber keine Erinnerungstattoos in der Form, wie wir es gerade besprochen haben. Bei mir fließt die Zeit, und mit ihr die Tattoo-Bedeutungen.

Wenn man sich einmal für ein Tattoo entschieden hat, dann folgen oft weitere, zumindest war es so bei vielen der Befragten. Wie erklärt sich das? Haben Tattoo eine Art Sogwirkung?

Die Wirkung, die ein Tattoo im Positiven entfalten kann, ist so kraftvoll wie es für andere Leute eine religiöse Erfahrung oder eine spirituelle oder auch eine Naturerfahrung sein kann. Deshalb ist diese Erfahrung vielleicht gerade für Leute, die Tattoos vorher komplett abgelehnt haben oder sich vorher damit gar nicht beschäftigt haben, eine ganz besondere Erfahrung. So wie ein eingefleischter Stadtmensch auch die Erfahrung machen kann, dass Natur ja doch auf ihn wirken kann.

Vielleicht wollen diese Menschen das Erlebnis dann wiederholen oder ausbauen, weil sie viel über das lernen, was mit ihren eigenen Bedürfnissen, ihren eigenen Wahrnehmungen zusammenhängt. Ich glaube, das ist der Grund, warum sich viele Menschen wieder tätowieren lassen — das Gefühl, davon will ich mehr. Weil sie die Erfahrung im Trauerprozess machen, dass es sie irgendwie heiler oder auch funktionsfähiger macht. Es ist ja auch sehr spannend zu sehen, dass hinter diesem Vorhang viel ist, was man im Alltag nicht so wahr nimmt.

Bei jüngeren Menschen sind Tattoos oft eine Rückeroberung des eigenen Körpers, bei trauernden Erwachsenen ist es vielleicht eher eine Neusortierung der eigenen Seele.

Artists and their Tattoos - Forensic Biologist Dr Mark Benecke

Quelle: Reflections of Darkness, 1. September 2017

By Daniela Vorndran

Dr Mark Benecke is a German forensic biologist. He works internationally on forensic cases as a freelance expert witness. He also teaches at various police academies and acts as a visiting professor to universities in Germany, England, Vietnam, Colombia, and the Philippines. But he is not only famous for his forensic expertise and books, he is also well-known in the Gothic scene for his lectures, for his music and also for his tattoos. How many tattoos Mark has already immortalized on his body, he knows no Ionger exactly - his passion for this art form cannot be overlooked. He is also Chairman of the Pro Tattoo Association. The association was founded in 2011 and serves "information, training and public relations for and by members of the tattoo industry". No wonder he is the perfect candidate for our interview se ries about tattoos. Curious? Let's go!

Reflections of Darkness: When did you get your first tattoo and what was it? Did it take much time until you decided to get it done?

Mark: It is a lizard from a determination book for Mediterranean lizards on my shoulder. The studio was there all my youth, so I did it pretty "naturally". The tattoo artist was old-fashioned, I looked pretty nerdy land (that was not cool then), and he did not like flowers and lizards too much but his wife did the tattoo beautifully. Of course, he sent me away first and took a deposit and the usual stuff ;) We are friends until today.

How many tattoos do you have? Could you please tell us their story?

Maybe one hundred. It's too much to tell all the stories, but they come from all over the world, i.e. Medellin, Manhattan, New Orleans, Gießen, Erfurt, Berlin, Amsterdam, you name it. There will be an app (yes!) out soon where you can dick on some of my tattoos and then a story appears. Reason is that I collected tattoo stories over a long time for the German "Tätowiermagazin" (trans. Tattoo Magazine) and now for the Grassi Ethnographie Museum in Leipzig. To celebrate this, we will do some crazy shit like the app and a nice poster.

Have you already got all the tattoos that you wanted or will you get some new ones in the future?

Sure, wherever something comes up. For the elections, I did a video for a campaign that tries to make more people vote and got an "election cross" tattooed. I also have lotsa tattoos of musicians I come across but since that's not predictable, only time will tell. If possible, I also get souvenir tattoos from eighties, e.g., a peanut from Nola. That only worked coz the shop was open very, very late ;) -- during daytime and in the evenings, I was at a forensic congress.

Have all your tattoos been done by one tattoo artist or by different ones? How do you choose the tattoo artist? In addition, who draws your sketches?

Whatever fits. In Cologne, there was just one tattoo studio when I was younger, so there was no choice (Dieter and his wife Anke are the coolest, though, so all perfect). Also, at the shops of Tattoo Peter and formerly Hanky Panky in the Amsterdam red light district, they just tell you who will do the tattoo, no discussions (they do excellent tattoos, so again, all good). Some tattoo artists are friends, and my wife does tattoos, too, so of course, I tend to have more tattoos of friends and family because my schedule is hellish and we gotta fit it in.

Getting tattooed hurts, how do you cope with the pain during the sessions?

Never thought about it. /t's just a fact. On my neck, I used lidocaine but all else just hurt, except, for unknown reasons, under my armpit which strangely did not hurt too much. Wtf?

Do you regret getting tattooed sometimes?

If I regret it, then I change it. That happened only once because the tattoo artist was a right-wing asshole, so I went to a friend who is very insane, tolerant and cool and let him cover it any style he wanted (it became a snaketopuss something monster). Apart from that, my tattoos are tattoos, i.e. they are made to last.

What is your taboo in terms of tattoos? What kind of tattoo would you never get done and don't like to see on other people?

I have no idea. I depends on the circumstances, time, mood ... the course of the world turning and spinning ...

Some people say that the drive to acquire body art is addictive while others say it fails to meet the true definition of an addiction, simply calling it a passion. Is it really impossible to stop?

Many people stop, so that experiment is done ;) Maybe the misconception comes from the fact that many people do not believe that their body is their body and that they can -- sometimes easily -- change it. Since tattoos are a simple way to discover that, tattoos may seem "addictive" whilst they are just a road towards a body image that the person prefers.

Currently, tattoos are a new trend; many people do not care about the meaning, they just want to have something coloured on the skin, to be in trend. Those people often just go into a tattoo salon and ask which drafts they have. Tattoo artists are not artists any more, they produce consumer goods. Not all of them, of course. How do you feel about this situation?

All tattoo artists that I met when I was younger did exclusively consumer goods. In Hamburg at Reeperbahn (red light), in Cologne's "Elektrische Tätowierungen" and everywhere else, you would have a list and that was it. So just getting something out of a "menu" is very old-fashioned. I do not have any problem with that. If you prefer art, ask the many artist who are also available and do tattoos. But there is no need to look down to the good old people who just offer you something. Not everything has to be art. Many of my artist friends did fantastic "free pieces" (they could do whatever they wanted on the particular piece of skin of mine) but many traditional flash pieces like my "Jail Bait" lady from Amsterdam are also fine, or some names I just wanted to have on my skin, or the beginning of a letter in Sindarin language. Skills are needed for letters (badly needed) but art is not a necessity. So everybody should do what he, she or it likes, prefers, and wants.

I would like to talk about the social aspect of tattoos, too. Previously, many people believed that if you have a tattoo, you will be never be successful and will not find a "good" job. Have this state of mind and people's perceptions changed or are these prejudices still alive?

I do not know enough conservative persons, so I am not sure. My wife is more the "social discusser" - I just will not take bullshit, so in most cases, I do not listen to views not based on objective research. In a very conservative region in Germany, we once had a nonsense problem at a police school where a teacher bullshitted the police kids about tattoos. That was the only time I really wrote an article that showed that all prejudice against tattoos was scientifically disproved one hundred years ago.

Also, we did a study recently to check which type of person prefers tattoos on themselves. It is known since a hundred years that tattoos do not relate to any relevant character traits, and that is also what we found in our study. Not even extraversion scored high.

Which advice would you give to people who are going to get their first tattoo? How to choose a tattoo artist? Colour or black and white? Any practical advice?

If you feel comfortable with your choice and the tattoo artist, go ahead.

Kölner Dom-Tattoo (Tätowierung) 💒

Wurde auch Zeit: Endlich habe ich das Logo meiner Lieblingskolumne aus der Wochenend-EXPRESS (Die Woche) auftätowiert. Das Logo sieht alt aus, ist aber von ca. 2021. Der Kölner Dom ist darauf mega am Grinsen, und alleine das (neben dem total irren Design) gefällt mir sehr 😍 Begeistert der eure: Markito mit großem Dank an Ines Azrael fürs Tätowieren


BMXnet Body Modification Conference Berlin 2025

What a delightful, inspiring conference about suspension, piercing, cuttings, hand poking, sewing and most of all about and together with a supernice crowd

Die Erfindung des Menschen

Quelle: Tätowiermagazin 5/2007, Seite 9

Ausstellung von Stannes Schwarz im "Tatau Obscur" (Berlin)

VON MARK BENECKE

Sowas gibt’s nur in Berlin: Berit lud ihren alten Freund Stannes ein, seine aquarellierten Bilder von echten Präparaten in ihrem hochschicken und riesengroßen Studio “Tatau Obscur” auszustellen.

“Monatelang saß ich in den Archiven des Medizinhistorischen Museums der Charité”, berichtet der Künstler. “Je länger ich die Präparate, eins nach dem anderen, zeichnete, desto mehr sah ich nicht mehr das Ausgestoßene und Besondere in ihnen, sondern die Gemeinsamkeit: Die Kinder scheinen Gefühle widerzuspiegeln.”

Gefühle bei toten Pathologie-Objekten? Je länger sogar das künstlerisch ungeschulte Auge (beispielsweise meins) hinsieht, umso mehr wandeln sich die Zeichnungen Toter tatsächlich zu einem Blick auf lebende Menschen. “Diese zwei Brüder hier”, erklärt Stannes, “sind miteinander verwachsen und innig umarmt, aber ich meine, dass einer hinter seinem Rücken schon die Faust ballt. Der hier sieht im wahrsten Sinne des Wortes verstreut oder zerstreut aus, und dieser hier wirkt wie ein selbstzufriedener Pfennigfuchser. Der hier scheint voller Zorn zu sein und diese beiden dort wollen sich wohl beschützen.”

Die teils über hundert Jahre alten Präparate sind in der öffentlichen Sammlung der Charité meist nicht zu sehen. Dennoch hat Präparatorin Navena Widulin sie in den letzten Jahren kunstvoll hergerichtet und wirkt damit dem gruseligen Touch eines Horrorkabinettes von vornherein entgegen. “Stannes hat mit viel Geduld fast alle Kinder-Präparate unserer Sammlung gezeichnet”, erinnert sie sich. “Jetzt, wo die Bilder hier an der Wand von “Tatau Obscur” hängen, erinnern sie mich an die Tätowier-Vorlagen und -Fotos, die in vielen Studios im Eingangsbereich hängen”, sagt Navena. “Allerdings erkenne ich auf den Bildern immer noch mein jeweiliges Präparat wider und weniger die darüber hinaus weisenden Gefühle.”

Doch diese Gefühle sind wohl vor allem symbolisch zu verstehen -- so wie die Zeichnungen auch in empfundenen, aber nicht den wirklichen Farbtönen der Originale gehalten sind. “Tätowierungen spiegeln ja auch starke Empfindungen wider”, meint Studiobesitzerin Berit. Für mich geht es in der Ausstellung daher auch darum, dass wir Menschen unsere Körper immer perfekter stylen wollen. Dieser Wunsch bewirkt, dass Kinder mit solchen Fehlbildungen gar nicht mehr geboren werden.”

“Die sehr emotionalen Reaktionen”, ergänzt Berit, “die man als Tätowierter noch immer erhält, ähneln außerdem stark den Gefühlen der Betrachter der Zeichnungen von Stannes. Meist ist es eine rein vordergründige Ablehnung, die sich nur an äußeren Formen festmacht. So können Tätowierte genauso wie die hier dargestellten Kinder zu Outcasts werden, ohne dass man sich mit ihnen beschäftigt hat.”

Wer den ungewöhnlichen Kontrast von Deutschlands wohl schickstem Tätowier-Studio und den pathologischen Präparaten auch nach Ende der Ausstellung noch erleben will, kann bei einem Abstecher in die Hauptstadt jederzeit zuerst bei Berit und dann im Medizinhistorischen Museum der Charité vorbei schauen (oder natürlich auch umgekehrt  ;) ). Ein Kontrast, den es wirklich nur in Berlin gibt.

Der Herr der Fliegen

Quelle: Kinkats, No. 12, Februar/März 2010, Seiten 72 bis 74

Hier gibt es den Artikel als .pdf

Er wird als "Herr der Fliegen", "Madendoktor", "Mystery Man", "Detektiv der Toten" oder als "Quincy von Köln" bezeichnet viele merkwürdige Titel, von denen einer offiziell ist, Dr. Mark Benecke ist Kriminalbiologe mit dem Schwerpunkt forensischer Entomologie. Er bearbeitet Kriminalfälle, indem er die Maden und Fliegen auf den Leichen studiert, Blutspritzer analysiert und genauer hinschaut als andere. Gleichzeitig ist der Kölner international als Autor von Fachartikeln und Büchern über seine Arbeit bekannt und wird von Sendungen wie "Galileo Mystery", "Autopsie" oder "Medical Detectives" regelmäßig als Fachmann eingeladen. Als tätowierter EBM-Fan und bekennender Donaldist ist er dabei ein Freak seiner Zunft. KinKat und Special-Effects-Profi Claudia von Rotten sprach mit dem Wissenschaftler.


KK: Mark, wie wurdest du zum "Herrn der Fliegen"? Wie sieht dein Werdegang aus?

M.B.: Das war Zufall. lch habe früher mehrere Monate lang auf einer Insel vor der irischen Küste mit Tintenfischen gearbeitet, das war absolut gehirndurchblasend. In die Rechtsmedizin bin ich gestolpert, weil ich genetische Fingerabdrücke lernen wollte ... Biologen wurden dort in der Medizin allerdings in den alten Affenstall, einen Raum im Keller gesteckt - kein Witz -, wo aber zu meinem großen Glück eben auch die Wirbeltiere lebten: Insekten auf Leichen ... So kam eins zum anderen. leh habe sehr viel von den Jungs der Spurensicherung bei der Polizei gelernt, die haben ein extrem gutes Auge für etwas größere Spuren. Das hat mir geholfen, meine fuzzikleinen Spuren im Tatort-Zusammenhang zu sehen.

Mit dem FBI und vergleichbaren Einheiten war es während meinen Ausbildungen dort auch immer lustig, und auf der Body Farm habe ich auch mal gearbeitet. Mittlerweile kriegen wir, mein Team und ich, die irrsten Fälle, so dass ich das Kniffeln gelernt habe. Saskia, die seit zehn Jahren mit mir arbeitet, rafft allerdings besser als ich soziale Zusammenhänge; ich fahr' dafür lieber in den Knast und mache sachliche Sachen.

Du hast Biologie, Zoologie und Psychologie in Köln studiert. Wie gestaltete sich deine Zeit an der Uni?

Es geht so. Die Uni war uralt, es herrschten total lahme Strukturen, keiner der wichtigen Verwaltungsleute hat je mit einem geredet, es war wie eine Karikatur einer deutschen oder Schweizer Behörde.

Der damalige Chef hat uns aber immer - und das bis heute - erlaubt, im Sommerkurs Versuche mit verwesenden Tieren im Hinterhof zu machen und den Kurssaal zu nutzen, um Studenten aus aller Welt zu uns zu holen. Der Nachteil war früher, dass ich alles selbst machen musste: den Klo-Vorraum streichen, riesige Müllberge aus alten Taubenhäusern schaffen, die Tafeln putzen. Aber auch da haben wir das Beste draus gemacht: Mit Saskia habe ich vor zehn Jahren mal zum Sound von Manowar, die sie geil fand, einen total verschimmelten Raum geweißt. Seitdem lassen wir in allen Kursen und auch sonst beim Arbeiten entweder EBM laufen - meine Musik - oder Rock, das ist Saskias Ding.

Für Gunther von Hagens (verantwortlich für die umstrittene Ausstellung "Körperwelten" Anm.d.Red.) hast du auch bereits gearbeitet. Wie war das?

Leider war der Zoologie nach meiner Rückkehr aus der Rechtsmedizin Manhattan in New York, wo ich von 1997 bis 1999 angestellt war, die Kohle komplett ausgegangen. Mein letztes Gehalt betrug 250 Mark pro Monat das wurde ein wenig eng. Weil Gunther gerade in der Stadt war, habe ich bei ihm - eigentlich nur als Mann zum Aufbauen der Technik - angeheuert. Nach dem Aufbau haben die eine Art Casting gemacht, und ich wurde dann der Mensch, der vor der Tür die ellenlangen Schlangen bespaßt hat und morgens die Plastinate wieder aufpolierte, wenn z.B. mal wieder eine Hüfte umgefallen war.

Mittlerweile benutze ich selbst Plastinate für Veranstaltungen. Wenn ich beispielsweise was für Kinder zum Thema Anatomie mache, habe ich Darmstücke und Kopfscheiben dabei. Das ist um ein Vielfaches anschaulicher als jede Zeichnung und jedes Plastikmodell.

Du hast eine enorme Medienpräsenz. Hilft dir das bei deiner Arbeit, oder ist es eher hinderlich?

Es ist oft anstrengend, wenn man in letzter Sekunde einen Dreh aus dem rappelnden Scheißregionalbimmelzug arrangieren soll und todmüde ist, aber durch die Dreharbeiten habe ich mit den geilsten Leuten zu tun gehabt, darunter aktuell Heather Langenkamp aus "Nightmare On Elm Street", deren Autogramm seit heute meinen Arm ziert und die mich sehr beeindruckt hat. Außerdem habe ich etwas Interessantes festgestellt: Die Leute, die echt ganz oben sind, sind alle cool. Arschlöcher und Wichtigtuer habe ich nur in der dritten und vierten Liga festgestellt, die richtigen Stars sind sehr angenehm und interessant, egal, wie sie im TV wirken.

Was hast du noch durch die Arbeit vor der Kamera mitnehmen können?

Ich habe viel über mich und das gelernt, was im Fernsehen gezeigt wird; das ist alles reine Erfindung, auch in den Nachrichten. Das ist mir schnuppe, denn ich hatte noch nie Radio und Fernsehen, aber es ist schon geil, wenn die Zuschauer vielleicht meinen, dass das, was sie da sehen, auch nur im Ansatz relevant oder wahr wäre. Immerhin kann ich SO versuchen, ein bisschen Verstand in die Runde zu werfen. Über mich selbst habe ich gelernt, dass man sich nicht von Neid, Hass und Dummheit anderer Leute ärgern, sondern sein Ding machen sollte und das auch kann, wenn man da einfach nicht hinhört. Das erzähle ich auch immer den Studenten: dass sie sich erst mal überlegen sollen, was ihr Ding überhaupt ist und es dann wirklich ohne weiteres Rumgefuckel durchziehen sollen.

Bisher hat das allerdings nur bei meiner Tochter Jule gewirkt, allerdings hätte die es auch ohne meine Ratschläge gemacht... Das scheint also eher genetisch bedingt zu sein.

Du bist stark tätowiert, auch an Stellen, die man kaum verbergen kann. Hat das in deinem Beruf Auswirkungen darauf, wie andere Menschen dich wahrnehmen?

Obwohl ich in den Medien offenbar recht präsent bin, werde ich nach wie vor bei Veranstaltungen gefragt, ob ich der Techniker oder der Zivildienstleistende bin. Allerdings nie was anderes! Ich sehe also offenbar wie eine Mischung aus Zivi und Bühnentechniker aus. Das finde ich allerdings cool, denn erstens labern mich deswegen kaum Spinner, sondern zu 99 Prozent korrekte und nette Leute an, und zweitens lernen diejenigen, die stark auf das Äußere statt aufs Innere schauen, etwas über ihre Denkstrukturen. Etwas nachteilig ist, dass ich wegen meines Aussehens auf Bahnhöfen hin und wieder verhaftet werde; in Cottbus beispielsweise sogar in Handschellen und mit einem kompletten Bundesgrenzschutz-Team in Vollschutz, die mich - ich lag flach mit dem Gesicht nach unten auf dem Bahnsteig - anschrien, ob ich Deutsch kann sowie in München, wo der echt widerliche, etwa 1,60 Meter große Zivilfahnder mich, nachdem ich ihm nett mitteilte, dass ich ihm nicht sagen möchte, wo ich hinfahre, vor so einer Art Käfig hinter den Schließfächem total auseinander gebaut hat. Er hat allerdings nur einen Kompass, Vampirzähne, Pinzetten, ein Minifernrohr, ein Maßband, Tatort-Aufkleber, meinen iPod, Tintenpatronen für den Füller, Ohrstöpsel sowie ein wenig SM-Ausrüstung gefunden, was ihn in der Gesamtschau irgendwie irritierte.

Auf dem letzten "Weekend Of Horrors" haben wir zwei ein spontanes, etwas gewagtes Fotoshooting hingelegt. Bist du oft für verrückte Aktionen zu haben?

Das sagen mir andere hin und wieder, ja ... Mir selbst fällt das nicht auf. Das Gute ist, dass meine Gattin genauso verrückt ist wie ich, so dass wir im Alltag nicht. merken, dass wir spinnen, falls wir wirklich spinnen sollten. Mein Team spürt es allerdings umso deutlicher, hat aber auch schon vor einigen Jahren aufgehört zu fragen. Neugierig sind sie aber geblieben. Mein kriminalistischer Spürsinn sagt mir, dass sie stets auf der Suche nach spannenden Infos, Ereignissen und Aktionen sind - nur halt beschränkt auf zehn Prozent von dem, was ich im Wahn für machbar halte.

Was möchtest du in deinem Leben unbedingt noch tun oder erreichen?

Grundsätzlich bin ich echt happy. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, wäre es, dass die Menschen sich einfach viel weniger aufregen, also nicht dauernd von einer Wand gegen die anderen springen ich kann die Aufwallungen schlecht interpretieren. Viel cooler ist es doch, seinen Kram so gut es geht zu machen und ansonsten Liebe und Frieden herrschen zu lassen.


Interview mit Dirk-Boris Rödel

Quelle: Tätowiermagazin 2011

Fragen von Mark Benecke

Dirk-Boris Rödel ist Japanologe, Chefredakteur ältesten deutschen Tattoo-Zeitschrift und von Herzen Schwabe. Seine Hobbies sind historische antike maritime Blankwaffen sowie das Dudelsack-Spiel, das er auf Wettkampf-Niveau beherrscht. Mark Benecke besuchte den Mann, der das Genre des hochwertigen Tattoo-Journalismus für Deutschland erfunden hat.

Mark Benecke: Du hast das Genre der mittlerweile allgegenwärtigen Tätowier-Zeitschriften völlig neu erfunden. Wie kamst Du dazu?

Dirk-Boris Rödel: Wie die Jungfrau zum Kinde. Um 1995 habe ich in Japan während eines Auslands-Semesters japanische Tätowierer gesucht und interviewt. Als ich zurück kam, schossen in Deutschland gerade Tattoohefte wie Pilze aus dem Boden und verschwanden sofort wieder. In einem der ersten Hefte des „Tätowiermagazins“ war ein Bericht über japanische Tätowierkunst drin, und der war Schrott. Ich habe denen also geschrieben, dass ich mich wissenschaftlich damit befasst und gutes Bildmaterial habe. Die hat mich gleich am nächsten Tag angerufen und gemeint, ich soll mal loslegen. Mein erster Artikel war ein Dreiteiler über japanische Tätowierkunst -- die Geschichte, traditionelle und moderne Tätowierer, also die japanische Tattoo-Szene aus verschiedene Winkeln beleuchtet.

Als ich mit meiner japanologischen Magisterarbeit schon beinahe fertig war, hat das TM von zweimonatiger Erscheinungsweise auf monatliche Ausgaben gewechselt. Dementsprechend war dann eine Redakteurstelle frei und zu besetzen. Da bin ich dann mehr oder weniger automatisch reingerutscht.

So ein Jobangebot, ohne dass man sich jemals für irgendwas beworben hat, mit bezahltem Urlaub und Sozialabgaben und was da noch alles dabei ist...da hab ich gedacht, also das wäre schon ein bisschen dumm, das abzulehnen. Knapp zwei Jahre später bin ich nachgerutscht als Chefredakteur.

Man sieht, dass Du sehr bodenständig bist, ein waschechter Schwabe. Gleichzeitig machst Du ein Szene-Magazin, und im selben Verlag erscheinen Biker-Magazine, für Rocker und Schrauber, also teils für Menschen, die in meist friedlichen, zu kleinen Teilen aber auch zurecht gefürchteten Motoradclubs organisiert sind. Wie passt das alles zusammen?

Der ganze Verlag ist ein Sammelsurium von Quereinsteigern. Der Chefredakteur der „Bikers News“ hat Philosophie und Theologie, meine Vorgängerin beim Tätowiermagazin Gartenbau studiert. Das hat jetzt auch nicht notwendigerweise was mit Tätowierungen zu tun hat.

Trotzdem: Ihr müsst und wollt eine Schnittschnelle zur Szene und zu Szene-Veranstaltungen sein.

Ich mach's so, dass das Heft meinem eigenen Anspruch gerecht wird. Ich bin mir bewusst, dass wir nicht die Financial Times oder das Wall Street Journal machen, und dass man da bei manchen Themen nicht alles bis zu Adam und Eva zurückverfolgen muss. Einzige Ausnahme ist Travelling Mick, einer unseren freien Mitarbeiter, der teilweise, wenn er über ethnologische Themen geschrieben hat, einfach noch mal ein paar Literaturtipps drangehängt hat. Aber dann muss ich schon ein bisschen aufpassen, dass es nicht zu verkopft und anspruchsvoll wird. Ich übersetze auch Fremdwörter ins Deutsche.

Grundsätzlich kann man Tattoos und die Tattoos-Szene und was Tätowierungen bedeuten durchaus anspruchsvoll darstellen. Umso mehr wenn's von anderen Medien eben gerade nicht anspruchsvoll dargestellt wird, sondern immer reduziert wird auf "Was sind denn die neuesten Trends?" und "Haben Männer mehr Tattoos als Frauen oder andere?" Den meisten Medien fällt ja nichts anders dazu ein.

Die verschiedenen Ansprüche der LeserInnen bedient ihr mit zwei Spin-Offs des Tätowiermagazins, der „Tattoo Erotica“ und der normaleren „Tattoo Style“, von denen Du allsamt Chefredakteur bis.

Als erstes hat sich die Tattoo Style abgespalten, die ein Motivheft ist, das zu neunzig Prozent einfach aus Tattoo-Fotos besteht. Wir hatten die ganzen schönen Bilder, und es gibt genügend Leser, die nicht so gern lesen, sondern sich lieber Bildchen angucken.

Für die „Tattoo Erotica“ kam der Impuls von der „Bikers News“. Die hatten immer so eine Beilage "Bikes & Babes" wo halt spärlich oder auch gar nicht bekleidete junge Damen sich auf Motorrädern geräkelt haben. Wenn man das in der „Bikers News“ macht, war dann die Idee, warum sollte man nicht was ähnliches fürs TM machen?

Ich war von der Idee am Anfang nicht so überzeugt, weil das Tätowieren ja eh immer so ein bisschen ein, im Schwäbischen würde man sagen, Gschmäckle, hat, was relativ schnell in die Knast-Ecke und ein bisschen in die Schmuddel-Ecke geht. Da dachte ich, jetzt noch ein Erotikheft, um das noch womöglich zu unterfüttern, das ist vielleicht keine gute Idee.

Andererseits war meine Überlegung: Gut, Tätowieren ist ja nun mal etwas, das auf der Haut stattfindet und mit Körpergefühl, Körperbewusstsein zu tun hat und auch einem gewissen Stolz auf sich selbst und das Bild auf der Haut, das Tattoo. Natürlich haben wir mitgekriegt, dass es 'ne Menge junger Frauen gibt, die nicht nur kein Problem damit haben, sich so darzustellen, sondern die das auch sehr offensiv wollten.

Im Tätowiermagazin wollten wir das nicht haben, weil da die Information im Vordergrund stehen sollte, und man uns nicht nachsagt: „Aha, da dringt der Schmuddel ein und letztendlich kommen sie doch nicht ohne Titten aus.“

Meine Auflage war also, dass es nicht in die Porno- und Schmuddel-Ecke gehen darf. Es muss klar sein, das ist authentisch, das sind keine professionellen Models -- ein paar modeln innerhalb der Subkultur, aber das will ich nicht vergleichen jetzt mit den Aktmodels, die man im Penthouse, im Playboy findet. Das sind authentische junge Frauen, die man auch auf Tattoo-Conventions trifft.

Wenn man das schön fotografiert darstellen kann in einer Art und Weise, dass ich die Hefte auf dem Tisch liegen lassen kann, wenn Besuch kommt, dann hab ich da kein Problem damit.

Erneut ein sehr schwäbischer Gedanke. Sind die Hefte wegen dieser Aufspaltung und einer eben doch gewissen Erdung so erfolgreich?

Wenn wir das Heft eher so ein bisschen boulevardmäßiger aufgemacht hätten, hätten wir vielleicht sogar höhere Verkaufszahlen. Ich habe den Eindruck, dass wir den Leuten manchmal schon ein bisschen zu anstrengend sind. Es ist aber ausgeschlossen, dass wir das ändern. Das werden wir nicht machen.

Die Leser können sich bei uns darauf verlassen, dass sie eben nicht zum hundertfünfzigsten Mal dieselbe Brigitte-Diät vorgesetzt bekommen oder dieselben Bauch-Weg-Übungen und Sex-Tipps wie bei irgendwelchen Fitness-Magazinen.

Fernsehserien wie "Miami Ink" haben uns auch einen enormen Schub gegeben. Andererseits war "Miami Ink" nur ein beschleunigender Faktor in einer Entwicklung zu einem stark vermehrten Interesse an Tätowierungen, die über die Jahre und Jahrzehnte schon kontinuierlich läuft und lief.

Du bist im Heft oft persönlich präsent und dabei geradezu pädagogisch: Du stellst trashige Tattoos genauso bloss wie Du auf innovative Sachen hinweist. ODer Du stößt ausführliche Diskussionen um Tätowierer an, die deutlich politisch rechte Position haben, aber trotzdem sehr sehr gute Tätowierer sind.

Das stimmt. Passenderweise haben wir gerade diesen ACAB-Fall. Da hat sich ein Leser erkundigt, ob es denn legal wäre, auf die Hand „ACAB“ für „All Cops Are Bastards“ zu tätowieren. Ich habe im Heft jetzt nicht geschrieben "wie blöd geht's eigentlich", aber...

...man müsse sich nicht wundern, wenn der Polizist, der das Tattoo sieht, das uncool findet.

Genau. Dieser Leser -- und damit war auch zu rechnen -- hat sich davon auf den Schlips getreten gefühlt und jetzt nochmal geschrieben. Es ging es mir aber gar nicht um eine Diskussion darum, ob Polizisten gut oder schlecht sind oder ob ein Polizist jemanden anzeigen darf, der „All Cops Are Bastards“ auf seiner Hand stehen hat. Der Punkt war: Wenn du Dir das stechen lässt und Dich nachher drüber beklagst, bist du blöd. Das ist genauso blöd, als wenn du dir SS-Runen stechen lässt und dich dann beklagst, wenn du nicht in die Synagoge rein darfst. Das ist absehbar.

Der ACAB-Leserbriefschreiber hat sich als nächstes darüber beklagt, was denn meine persönliche Stellungnahme im Heft verloren hätte, die könnte ich mir doch bitte schenken. Aber das ist eben mein Punkt: Hat sie eben doch. Ich rede nicht über den Sinn oder Unsinn des Berufsbildes des Polizisten und auch nicht über juristische Belange, sondern ich spreche über Tätowierungen und über den Sinn von Tätowierungen. Denn Tätowierungen haben einen Sinn. Das ist mein Punkt und über den darf ich sehr wohl sprechen.

Eine Zeit lang waren ja Charles-Manson-Portraits angesagt. Das ist einfach saudumm.

Charles Manson gilt als jemand, der den Schwachen, Unterdrückten, Kaputten, psychisch Kranken, Traurigen, von der Gesellschaft Enttäuschten sagt, dass sie liebenswerte Menschen sind. Viele in der Szene denken, wenn sie sich sein Bild wie das von Bhagwan oder Jesus Christus auftätowieren, dass er ihnen dann beisteht.

Da unterstellst du den Leuten aber viel. Vor etwa sieben Jahren, da war das voll im Schwange. Wenn ich da jemand gefragt hätte, was das soll, der hätte außer "Öh, ich find‘s cool" nicht viel rausgebracht.

Das ist genau die Grenze, auf der du dich im TM immer bewegst: Zwischen teilweise gewalttätigen Hirnis, die nicht wissen, was Freiheit ist, und der Tatsache, dass jeder gerade bei Tätowierungen selbst überlegen und Entscheidungen treffen muss. Oder Du stellst hyperindividualistische Tätowierer vor, manche mit Grafikdesign-Studium, die alle Seh-Grenzen sprengen.

Ich weiß gar nicht, wie viel von dem, was ich den Leuten mitgeben will, ankommt. Ich mach's eben so, wie ich es mach, und freu mich dann, wenn wirklich angekommen ist, was ich meine.

Es kommt ja auch noch die Verjüngung der Leser dazu. Zuletzt hat Sonja, die neue Redakteurin, eine junge Modedesignerin aus irgend so einer TV-Designer-Casting-Show besucht, die recht tätowiert war, sowie einen tätowierten Schauspieler, der bei irgendeiner Doku-Soap, "Unter uns" oder sowas, mitgespielt hat. Da bin ich nicht so nah dran, und es ist dann ganz schön, wenn man sich da ergänzt.

Der zweite Redakteur, Jan, hat Sido und Azad und einen der Söhne Mannheims interviewt, die auch alle tätowiert sind. Das ist ganz prima, wenn wir unterschiedliche Interesse haben. Wir versuchen, möglichst in die Breite zu gehen und alles abzudecken, was das Thema Tattoo hergibt. Inzwischen gibt es ja sogar schon Immobilienagenturen für Tätowierte. Das haben wir dann auch im Heft.

Ihr bringt allerdings auch sehr oft eine uralte Kategorie, die Anklänge an die Kolonialzeit hat: Ferne, wilde Länder. Als Szene-Publikation für tätowierte Menschen, die oft als Randgruppe stilisiert werden, berichtet ihr über die Fremde -- da, wo man krank wird und nichts klappt, wo die Leute nackt sind und bemalt und Pflöcke und Federn durch Nasen, Ohren, Mund gesteckt haben. Noch nicht einmal „National Geographic“ macht solche Geschichten noch, und Ihr springt sogar auf die reine Beobachtung und Beschreibung zurück.

Ich bin immer noch völlig platt und überrascht, wenn Travelling Mick wieder von irgendeinem Fleck, aus irgendeinem Land der Erde berichtet, das ich kaum buchstabieren kann, und dann dort achtzigjährige Omas findet, die sich die Gesichter total schwarz tätowieren, was ich noch nie vorher gesehen habe. Und das, obwohl ich mich relativ intensiv mit dem Thema befasse. Oder dass er eben mal nach Afrika fliegt, wo Leni Riefenstahl noch die Nuba besucht hat und guckt, was da inzwischen abgeht -- ob die jetzt schon völlig verwestlich sind, ob es noch Leute gibt, die sich die Narbentattoos noch ritzen.

Das alles kennt man irgendwie noch aus Kinderzeiten, wenn man sich mal nackte Mädels angucken wollte, dann hat man mal in National Geographic geblättert und hat dann die barbusigen Mädchen gesehen. Aber ich bin überzeugt, dass Travelling Mick schon Völker ausgegraben hat, bei denen die Redaktion von „National Geographic“ sicher auch gesagt hätte "Mein lieber Schwan, hätten wir auch gerne gehabt".

In aller Bescheidenheit: Dabei knallt halt die Authentizität vom Tätowiermagazins voll durch. Als Travelling Mick beispielsweise über Tattoos auf den Philippinen berichtet hat, da hatte er nichts weiter als ein Schwarz-Weiß-Foto aus den 40er Jahren. Er wusste nur, dass es irgendeinen Stamm auf den Philippinen gibt und die sind ja auch nicht gerade klein. Er wusste nicht, ob im Norden, Süden, Westen oder Osten -- er ist einfach nach Manila und hat sich durchgefragt.

Er hatte keine Ahnung, ob er die Leute überhaupt findet, ob es die überhaupt noch gibt, ob die sich noch tätowieren.

Mich selber müsstest du schlagen, ich würde das nicht machen, weil ich einfach nicht gerne reise. Travelling Mick ist da wahrscheinlich einer der unterschätztesten Journalisten überhaupt. Das ist wirklich Tim-und-Struppi-Journalismus...

...in Reinform.

Im Prinzip ist Travelling Mick unser Tim, könnte man sagen, der da wirklich aufs Geradewohl in die Welt geht und sich anguckt, was es Skurriles gibt. Und das trotz und in der ganzen Internetwelt. Er ist analog unterwegs, geht direkt zu den Leuten hin und gräbt Sachen aus, die man in der virtuellen, digitalen Welt einfach nicht findet.

Das ist ganz unverzichtbar, wirklich faszinierend und scheint unerschöpflich zu sein. Du denkst, irgendwann musst du ja mal alle Stämme und Völker durchhaben. Aber dann sitzt da wieder irgend so ein Clan von fünfzig Leuten, die noch irgendwas abgedrehtes machen, und er gräbt sie aus.

Leider trifft Mick oft auf Kulturen, wo nur noch die ganz Alten tätowiert sind, wahrscheinlich die letzte Generation, die überhaupt noch solche Tätowierungen haben. Aber wenn er ihnen dann Fotos da lässt oder beim nächsten Mal TM-Hefte mitbringt und sagt "Guckt mal, da wart ihr im Heft, die Welt interessiert sich für das, was ihr macht, und die Welt findet das gut, und ja, Eure Zentralregierung will euch das verbieten und will Euch hier irgendwie verwestlichen und anpassen, aber es gibt auch Leute in Deutschland, im Westen, in Amerika, in Europa, Leute, die sich tätowieren lassen, es gibt ganze Hefte dafür“ -- das musst du dir vorstellen!

Die haben ja überhaupt noch nie eine Zeitschrift in der Hand gehabt und dann sehen sie ein Heft nur für Tätowierte, nur für Leute, die das machen, was sie auch machen, wofür sie aber unterdrückt oder lächerlich gemacht oder von der jeweiligen Hauptkultur an den Rand gedrückt werden.

Und die sehen dann, dass das an anderen Ecken der Welt wirklich was ist, was geschätzt wird und wo Künstler gefeiert werden, dass sie dann dazu gehören. Und das gibt denen natürlich auch entsprechendes Selbstbewusstsein.

Am deutlichsten sieht man es ja bei den Maori auf Neuseeland, wo das Tätowieren ja schon beinahe einen sehr patriotischen Black-Power-Anstrich hat. Also wo es bei der neuseeländischen Black-Power-Bewegung beinahe schon zum guten Ton gehört, dass man sich das Gesicht tätowieren lässt, also aus Patriotismus oder Nationalstolz. Oder dass man die alten Traditionen wieder verstärkt praktiziert im Sinne von sich bewusst machen, wo man herkommt und sich unterscheiden zur westlichen Kultur. Auch die Streetshops, die es in Malaysia gibt, bieten wieder die traditionellen Motive an.

Oder Leute aus ehemaligen niederländischen Kolonien reisen jetzt in die Niederlande und blättern da in den Universitätsbibliotheken: Was haben denn da vor 100, 150 Jahren die Missionare zu Papier gebracht, wie haben denn unsere Tattoo-Motive früher ausgesehen? Das ist eigentlich ganz schön, wenn das wieder zurückwirkt.

Da sind wir wieder bei der hundertsten identischen Diät im immer gleichen Heft. So etwas hat keinerlei Rückwirkung, da lernt keiner was von, das ist in dem Moment, wo es gedruckt wird, schon Müll. Ihr aber wirkt aber zurück und fördert das Alte, aber auch sehr stark das Neue in der Tattoo-Szene. Welche Grenzen sind da noch nicht so richtig angekratzt?

Ich denke ich oft, dass da meine Phantasie doch anscheinend etwas begrenzt ist, weil ich mir das nicht überhaupt vorstellen kann, mit was die Leute ankommen -- als zum Beispiel aus der „Boucherie Moderne“ aus Brüssel plötzlich diese Pixel-Tattoos kamen...also, verpixelte Portraits oder Tattoos, die man mit 3-D-Brille angucken kann....auf die Idee wäre ich nie gekommen.

Gerade eben hat uns eine junge Mediendesignerin ein Buch angeboten, was man als Tätowierung aus der deutschen Kultur heraus umsetzen kann. Der Tätowierer entwickelt sich aus der Kultur heraus, wie in Borneo. Tattoos sind immer mit der Kultur und in der Tradition verwurzelt. Da gehört in Deutschland der Hund mir rein, der Schäferhund, das ist grafisch noch relativ normal, dann der Wolpertinger, wo man sich im Buch seinen eigenen Wolpertinger zusammenstellen kann. Dann geht es um Ordnung -- da hat sie dann einen Tattoo-Vorschlag, wo man eine ganze Reihe von Buntstiften ganz akkurat montiert oder ein Karl Lagerfeld-Portrait in der Art eines Schnittmusters oder einen König Ludwig, wahlweise als Portrait oder einfach mal den Grundriss von Schloss Neuschwanstein über den ganzen Arm montiert.

Inzwischen ist die Entwicklung der Tätowierungen so rasant -- es gibt eigentlich keine Grenzen mehr.

Der Anfang war relativ steinig. Als wir die modernen Sachen der Franzosen und Belgier abgedruckt haben, ist eine Welle des Protestes über sie hereingebrochen: „Was soll das denn sein? Das kann ja meine siebenjährige Tochter! Das sind keine Tätowierungen!“.

Du hattest ja vorhin gefragt, wie ich als Schwabe in dieser Szene lebe. Da hätte ich eigentlich sagen können: Im Prinzip passt das eigentlich ganz gut, weil wenn ich es mir so überlege, ist doch ein großer Teil der Tattoo-Szene eigentlich extrem spießig -- so spießig, wie ich nicht werden kann.

Man ist wie man ist, das ist meine Haltung. Man lässt sich auch nicht tätowieren, um anders zu sein -- das wäre Blödsinn. Man lässt sich tätowieren, weil man sich tätowieren lassen will. Sobald es eine andere Begründung hat, ist es eigentlich schon blöd.

Tätowieren ist eh nur das Medium. Ob es Kunst ist oder nicht, ist eine blöde Frage. Das ist ja wie wenn man fragen würde, ist Ölmalerei Kunst oder nicht. Ich kann irgendwas klecksen und ich kann mir Caravaggio anschauen. So wie dort die Ölfarbe und den Pinsel gibt es hier die Tattoo-Maschine und die Farbe. Sie sind nur Medien. Du kann alles draus machen.

Tattoo People: Dr. Mark Benecke

Quelle: Tattoo Extreme (China), March 2012, S. 24 bis 29

Dr. Mark Benecke im Kurzportrait

Photo: Annie Bertram

Forensic medical officer is a heavy and unattractive work for most people. It happens all the time that you have to face the incomplete and smelly corpses. Out of our imagination, Mark Benecke is a unique figure in this field, and by achieving a great idea in his work, Dr. Mark becomes a world-renowned forensic entomologist. Mark Benecke was born in 1970, in Bavaria, Germany.

After receiving a Dr. rer. medic. at Cologne University in 1997, he worked in the Chief Medical Examiner's Office in Manhattan, New York from 1997–1999. As of 2008, he works internationally on forensic cases as a freelance expert witness. He also teaches at various police academies and acts as a visiting professor to universities in Germany, England,Vietnam, Colombia, and the Philippines.

With his highly specialized knowledge of bugs, Mark has a lot experiences to help with the murder cases and prove the murder guilty by the examination of insects such as maggots and bluebottles in rotting flesh, and determine the cause and time of the dearth. There are seldom people know about forensic entomology in Taiwan, not even to mention the maggots which everyone hates to touch. Why does Mark want to study it? Mark thinks that he couldn’t be further from the truth without his examination of maggots, and these small and creeping maggots become the detectives for Mark, and show him the unspeakable secret for the dead body.

Photo: Rocksau Pictures

Mark mentioned that when he worked in the Bureau of Criminal Investigation, New York, other colleagues always think he is a weird guy from German. That’s because Mark always spent a lot of time to study maggots even out of work, and sometimes, a large number of maggots will drop out from the dead body, and Mark could still focus on them without feeling any disgusting. Right now, Mark Benecke already becomes the authority on forensic entomology, but Mark still works very hard on any investigation, he realizes the importance of his job, and no matter what kind of insects he needs to study, he will do his best all the time!

Besides those maggots, Mark is also a big tattoo fan since he was young, he got his first tattoo (a lizard) on his shoulder about 20 years ago, and Mark had the lizard surrounded by a super weird tribal tattoo later. The meaning of the tattoo is not the most important thing for him, Mark thinks that tattoo is a very natural thing for him, and it’s also a very good way for him to mark life experiences. Mark is invited to be a visiting professor at international universities, and by the chance of travelling around the world, Mark said that he would like get more tattoo in other cities if he finds good tattooist, how about Taiwan? Possible!


來來㉂自德國的法㊩醫昆蟲㈻㊫學權威

法㊩醫的工作在我們的想像㆗㊥中,是㆒㈠㊀一個吃重不不討喜的工 作,因為常常面對的不不是殘缺的大體,就是惡惡臭的腐 屍。但來來㉂自德國Mark Benecke,卻在這個工作㆖㊤上㈲㊒有著 亮亮眼的表現。今年年 42 歲的 Mark,在 1997 年年取得科隆隆大㈻㊫學的㊩醫 ㈻㊫學博士㈻㊫學位,不不但幫助警察屢屢破奇案,更更受過紐紐約市長朱利利安尼 的邀請,成為紐紐約市首席㊩醫檢官的法㊩醫顧問,不不但㈿㊯協助過 FBI 的 探員辦案,也曾接受探險頻道Discovery Channel的採訪,介紹 他最重要的研究領領域:法㊩醫昆蟲㈻㊫學。

與蟲蟲情報㈵㊕特搜隊為伍

法㊩醫昆蟲㈻㊫學這個㈴㊔名詞在台灣幾乎沒㈲㊒有聽過,在全世界的研究㆟人員 更更是寥寥可數數,而 Mark 所研究的更更是大家都都厭惡惡之極的蛆蟲。 為什什麼要研究蛆蟲呢? Mark 說說說,在他的眼㆗㊥中,蛆蟲就是他的情 報㈵㊕特搜隊㆒㈠㊀一樣,可以用來來判斷屍體確切切的死亡時間,這跟蛆蟲本 身的㈵㊕特性㈲㊒有關,Mark 跟我們介紹,雌蠅並不不是到處產卵卵,必須 是溫暖潮濕又㈲㊒有充足的蛋白質供應的㆞地方,而㆟人體就是絕佳的產 卵卵㆞地。雌蠅在幾分鐘內就可以完成產卵卵,小蛆蟲在幾小時或是㆒㈠㊀一 ㆝天內就會孵化完成,而能夠精精準判斷的關鍵更更是因為蛆蟲不不同的 生命週期相當分明,出生、幼蟲、成蛹。屍體的內部化合物也因 腐敗程度度不不同而產生變化,這些判讀讀就可以提供檢方㈲㊒有利利的證 據,即使是高度度腐敗的屍體,也可以透過這些蛆蟲透露露出遇害的 時間,再與嫌疑犯等相關供詞㆒㈠㊀一對照,就能將不不法之徒繩之以 法。 雖然 Mark 現在已經是全球法㊩醫昆蟲㈻㊫學的權威,但是這個常 常與蛆蟲共處的工作內容,實在讓㆟人不不太敢與他靠近,Mark 說說說, ㉂自己在紐紐約刑事調查部裡裡,可是被大家封為頭號怪咖,因為他㆘㊦下 班後會在腐肉㆖㊤上培養蛆蟲,還㈲㊒有同事說說說常看著他對著滿身蛆蟲蠕 動的屍體發呆,㈲㊒有時屍袋㆒㈠㊀一打開,大量量的蛆蟲劈哩趴啦的掉㆒㈠㊀一 ㆞地,可把驗屍房的其他同事嚇得半死。Mark 說說說,雖然工作㆖㊤上每 ㆝天與蛆蟲相處,但其實驗證的工作相當㈲㊒有壓力力,德國的法㊩醫機構 ㈩㊉十分健全而且嚴謹,如果事後發現驗證㈲㊒有問題而導致冤獄的話, 負責驗證的法㊩醫就必須付出每㈰㊐日 1000 歐元的㈹代價,累累積幾來來也 是相當可觀,所以他們對於驗證的工作做得非常小心謹慎。

刺青是用來來記錄錄生命當㆘㊦下的方式

除了了法㊩醫的工作,Mark也很喜歡刺刺青,他說說說㉂自己第㆒㈠㊀一個刺刺青是肩膀㆖㊤上的蜥蜴, 那是在 20 多年年前德國第㆒㈠㊀一家官方認證的刺刺青店所刺刺的,之後更更沿著蜥蜴的圖 延展了了許多很㈵㊕特別的圖騰,對Mark來來說說說,他覺得刺刺青是㆒㈠㊀一種很㉂自然的行行為, 每個成年年㆟人都都可以做的事情,㈲㊒有時候他也會對於不不刺刺青的㆟人感到奇怪。刺刺青 的圖紋對他來來說說說並不不是非常重要,而是他用來來記錄錄生命的方式,他知道當初 ㉂自己為什什麼刺刺這個圖,但時間㆒㈠㊀一過去,刺刺什什麼似乎不不再是重點!長年年受邀擔 任國際間各大㈻㊫學的客座教授,Mark 常常㈲㊒有機會到其他城市,如果再來來愈到不不 錯的刺刺青師,Mark也會想要再刺刺青,就如同他所說說說的,這是再㉂自然不不過的 事了了。

法醫學小常識

利利用昆蟲來來㈿㊯協助刑事案件的調查在國外是㆒㈠㊀一門專門的㈻㊫學問,叫做法㊩醫昆蟲㈻㊫學。其實在㆗㊥中國春秋戰國時㈹代,孫子就記載過㆒㈠㊀一個與昆蟲㈲㊒有關的案件,㈲㊒有㆒㈠㊀一個㆟人被殺殺害後遺屍在稻田裡裡,前來來查案的公差看見見㈲㊒有㆒㈠㊀一個嫌 疑犯手㆗㊥中的鐮刀㆒㈠㊀一直㈲㊒有蚊蠅飛繞盤旋,心㆗㊥中起疑,後來來捉拿嫌疑犯後察看鐮刀,果然看出刀㆖㊤上還㈲㊒有㆒㈠㊀一些血跡,這也是因為蚊蠅喜歡接近血腥的關係。蛆蟲除了了會在屍體的㉂自然孔穴㆗㊥中產卵卵,也會在屍體的傷口㆖㊤上 繁殖,是抓出真凶的重要線索索。

"Ärzte haben sehr viel anderes zu tun"

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) S. 24 (mit großem Dank an die Redaktion), GUT ZU WISSEN, Do., 22. Aug. 2019, S. 24

Sollen nur noch Mediziner Tattoos per Laser entfernen dürfen? Nein, sagt Pro-Tattoo-Chef Mark Benecke

VON MELANIE HEIKE SCHMIDT
OSNABRÜCK. Jeder vierte Deutsche ist tätowiert, doch nicht alle lieben ihren Körperschmuck. Schätzungen zufolge lassen sich rund 1,2 Millionen Menschen im Jahr ein Tattoo per Laser entfernen. Derzeit bieten auch Kosmetiker oder Tätowierer solche Entfernungen an, doch ab Ende 2020 soll das allein Fachärzten vorbehalten sein.

Das stößt auf Kritik, etwa bei Mark Benecke. Der Kriminalbiologe — auch genannt „Dr. Made" — ist Deutschlands einziger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverstän-diger für biologische Spuren. Wer ihn bei seinen zahlrei-chen Vorträgen oder in TV-Dokumentationen sieht, entdeckt schnell: Benecke hat ebenfalls eine Leidenschaft für Tattoos. Wie viele der Kölner inzwischen hat, weiß er selbst nicht genau. Wichtiger ist ihm, in seiner Funktion als Vorsitzender des 2011 gegründeten Vereins Pro Tattoo über das Tätowieren „neutral und kritisch zu berichten".

Was Benecke über die ab 2020 greifende Neuregelung zum Entfernen von ungeliebten Tattoos denkt, erklärt er hier im Interview.

Herr Benecke, wer ungeliebte Tattoos loswerden will, wird damit schon bald ein Fall für den Arzt. Eine neue Regelung sieht vor, dass die Tattoo-Entfernung per Laser ab Ende 2020 nur noch von Medizinern übernommen werden darf. Was halten Sie davon?

Mark Benecke: Die Neuregelung ist sinnlos. Erstens kenne ich kaum Ärztinnen und Ärzte, die sich dafür interessieren, wie Tattoo-Entfernungsgeräte funktionieren. Zweitens haben sie meist sehr viel anderes zu tun. Besonders die hier kundigen Hautärzte sind schon jetzt Monate im Voraus wegen Allergien, Hautkrebs, Geschlechtskrankheiten und vielem anderem ausgelastet. Die meisten von ihnen haben bestimmt keine Lust, stattdessen Tattoos zu entfernen.

Dennoch werden die Ärzte ja mit diesen Anfragen zu tun haben, ebenso Tattoo-Studios, die bislang auch das Entfernen von Tattoos im Programm halten. Was glauben Sie, geschieht ab dem kommenden Jahr?

Entweder wird das durch Tricks gelöst, also die Praxis-Hilfe beim Arzt macht es unter Anleitung, obwohl das Delegationsverbot dies verbietet, oder durch Nicht-Hinschauen bei Tätowierern und Tätowiererinnen und Kosmetikern und Kosmetikerinnen.

Wir fragen uns bei Pro Tattoo auch, wie die vorgeschriebenen Sachkunde für Ärztinnen und Ärzte geprüft werden soll. Viele ärztliche Kollegen und Kolleginnen ersticken in Arbeit. Im Medizinstudium beschäftigen sie sich nicht mit Tattoo-Entfernung. Das Thema ist für Studierende in etwa so sexy wie eingewachsene Zehennägel.

Aber es gibt doch sicher Gründe, die für eine solche Änderung sprechen.

Mir fallen keine ein. Es gibt noch nicht einmal sichere Studien, die zeigen, dass die bisherigen Anbieter Tattoos schlechter entfernen als Ärztinnen und Ärzte es künftig alleine machen sollen. Das wird ein Riesen-Heulen und -Zähneklappern geben.

Warum das? Erstens werden die meisten Menschen nur schwer eine Ärztin oder einen Arzt für eine Tattoo-Entfernung finden. Zweitens werden sich ärztlichen Kolleginnen und Kollegen ungewöhnliche Gesprächsformen angewöhnen müssen.

Wie meinen Sie das?

Nach der Tattoo-Entfernung kann es bei schlampigen Menschen beim Baden, am Strand, durch Reibung an Kleidung und schlotzige Hände beispielsweise zu Entzündungen kommen.

Kosmetiker und Tätowierer kennen diese endlosen, immer gleichen Gespräche seit ihrem ersten Tag im Beruf. Ein Zettel mit Informationen wird kaum beachtet, viel besser sind ruhige, vernünftige Gespräche. Welche Ärztin und welcher Arzt hat dafür Zeit? Und vor allem: Wer möchte für diese Kundinnen und Kunden ärztlich haften?

Wie wird künftig wohl hierzulande die Tattoo-Entfernung ablaufen?

Vor allem könnte die Tattoo-Entfernung aus den genannten Gründen in Deutschland vielleicht sauteuer werden, in Polen, der Tschechischen Republik und Frankreich vielleicht aber nicht. Ich wette, dass das Ganze ins Hinterzimmer abrutscht, weil die Kundinnen und Kunden nicht ewig warten und dafür weit reisen wollen. Eine Tattoo-Entfernung dauert viele Stunden in mehreren Sitzungen.

Noch bescheuerter ist übrigens, dass ab Ende 2020 Kosmetikerinnen und Kosmetiker auch wegen dauerhafter Haarentfernung, elektronischer Muskel-Anregung und dergleichen eingeschränkt werden sollen. Warum zur Hölle?

Dass es Kenntnisse und Fähigkeiten braucht, um Tattoos sicher und fachgerecht zu entfernen, liegt aber doch auf der Hand. Wie könnte man dies sonst sicherstellen?

Was ist mit den ganzen Kosmetikerinnen und Kosmetikern, Piercerinnen und Piercern, Tätowiererinnen und Tätowierern, die nicht studiert haben, ihren Job aber nachweislich eins a machen? Wieso können sie nicht eine — von mir aus auch strenge — Zusatz-Einweisung mit Zertifikat und allem Drum und Dran erhalten und dann mit dem weitermachen, was sie bisher gut und für die Kundinnen und Kunden angenehm schon lange gemacht haben? Interessante Info am Rande: Auch die Deutsche Gesellschaft für EU-Konformität ist gegen die Neufassung der Regelungen.

Ich habe übrigens noch eine Idee: Menschen könnten sich vorher überlegen, was sie tätowiert haben wollen, in Ruhe einen Profi-Laden aussuchen und brauchen dann auch keine Entfernung. Ein Tattoo ist fürs Leben.

(Mit vielem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.)


Wie finde ich das richtige Tattowier-Studio?

ZDF-Interview


Fachbuch “Tätowierungen”

Vorwort


“Das Verbot ist beknackt.”

Tätowier-Farben

Wie finde ich das richtige Tätowier-Studio?

Mark Benecke antwortet dem ZDF (Juni 2024) auf Tattoo-Fragen

Star-Gäst:innen unter anderem: Elektrische Tätowierungen 1 & 2 (Dieter, Anke, Mäthes & Tom, Köln), Made in Heaven (Angi, Elise, Kathi & Gang, Osnabrück), Henk Schiffmacher (Amsterdam), Herbert Hoffmann (Hamburg / Schweiz), Älteste Tätowierstube Deutschlands (Günter Götz & Team, Hamburg) 

Was sollten/können Verbraucher:innen bei ihrer Suche nach einem Tattoostudio beachten?

→ Die bisherigen Werke der Künstler:innen anschauen. Sind massenhaft auf Insta, Tiktok und machmal auch vor Ort als Fotos zu finden. Passt der Stil? Springt der Funke gestalterisch über?

→ Fühle ich mich im Studio wohl? Sieht es angenehm aus, ist die Stimmung gut?

→ Tätowierungen anschauen, die schon etwas älter sind, auf der Haut echter Menschen.

Ihrer Erfahrung/Expertise nach: Welche Kriterien muss ein gutes/zuverlässiges Studio mindestens erfüllen?

Ehrliche Antworten auf Fragen erhalten. 

Nicht das Gefühl haben, dass jemand "pushy" ist und mir etwas einreden möchte. 

Mich selbst fragen, was ich will und dann mit der Tätowiererin / dem Tätowierer prüfen, ob es überhaupt geht. 

Grundsätzlich: Eine vertrauensvolle, angenehme Stimmung und genaue Absprachen. 

 Gibt es eine Art Checkliste für Verbraucher:innen?

 Nein, jedes Tattoo ist anders, und jede "Team-Bildung" zwischen Künstler:in und Kund:in ist anders und soll es auch sein — von "Souvenir an einen tollen Urlaub, gestochen in einer Stunde von jemandem, der es schön und sauber kann" über "da hatte ich eine wilde Zeit in meinem Leben" bis hin zu "darüber habe ich zwanzig Jahre nachgedacht und genau so soll das Riesen-Teil ueber meinen ganzen Körper sein".

Führen Sie eine List mit zu empfehlenden Studios?

Nein, auf keinen Fall. Es gibt Qualitäts-Siegel, aber auch ein Studio, das diese nicht hat, kann supergut sein. Umgekehrt können auch gute Tätowierer:innen einen schlechten Tag haben. Es ist wie in einer Beziehung: Das ganze ist ein Prozess und alle müssen sich vertrauen und wohl fühlen.  

Am wichtigsten ist ständige Information für alle, vor allem die Tätowierer:innen. Dazu haben wir bei ProTattoo, BMXnet und dem Bundesverband Tattoo (BV Tattoo) viele Kongresse, Besprechungen und Zoom-Konferenzen, auch zusammen mit dem Bundesinsitut für Risiko-Bewertung (BfR) (deren Logo ich tätowiert trage, kein Scherz), vielen Forschungs-Gesellschaften und natürlich den ehrlichen, offenen Beiträgen der Tätowierer:innen. 

Das klappt wirklich gut, ich bin sehr froh, dass wir alle so offen miteinander über den Stand der Forschung, die täglichen Erfahrungen und neue Regelungen reden.


BMXnet

Essen | 2022


Fachbuch “Tätowierungen”

Vorwort


Das Verbot ist beknackt

Welt am Sonntag | 2021


Wissenschaft & Crime

Podcast | 2024


“Ärzte haben sehr viel anderes zu tun”

Tattoo-Entfernung per Laser