„Spritz! Klatsch! Glibber! Zeich(n)en der Gewalt — Wunden in Comics“

Dazu brauchten wir natürlich erst einmal die fiktiven Abbilder der Realität – inklusive eigener Ästhetik und Ausdrucksgeschichte. Tillmann Courth ist Fachmann für Comic-Geschichte und präsentierte rund 200 Gästen den Rundumschlag, was Gemetzel betrifft: Den Einstieg macht ein Beispiel aus der Kunstgeschichte. Pieter Bruegel der Ältere legt mit seinem Triumph des Todes schon ein ordentliches Maß an Brutalität vor – ebenso wie mancherlei Darstellung aus der christlichen Kunst.

Comics erreichen ein ähnliches Niveau erst ab den 1940er Jahren: bloody pulps zeigen Kriminalgeschichten, Messer- und Pistolenmorde und Beziehungsdramen mit ungebührlichem Ausgang. So zum Beispiel die hedonistische Ehefrau, die das hart verdiente Geld ihres psychopathischen Mannes für Pralinen ausgibt – bis diesem die Hutschnur platzt und er seine Frau in mundgerechte Häppchen zerstückelt. Haarsträubend anachronistisch!

Tillmann erzählt rund 200 Gästen schaurige Geschichten. Verbrechen lohnt sich nicht! Das war schon in den 40ern so. Ab 1955: Selbstzensur! Jörg (alias Kwimbi) und Jonas verkauften Comics & Kriminologie.

Und so geht es munter durch die 50er Jahre, wir kochen Knochen, spalten Schädel und nutzen Gliedmaßen als Baseballschläger – bis es den Comicverlegern selbst zu bunt wird: Ab 1955 gibt es den „Comics Code“, eine maßregelnde Selbstzensur, um staatlicher Zensur zuvorzukommen. „Das hat die Comic-Szene auf Jahrzehnte hin infantilisiert“, sagt Courth.

Harte Gewalt wandert in den Untergrund, um später als „Magazin“ neu aufgelegt zu werden – diese leicht teureren Hefte fielen nicht in den Bereich der Selbstzensur. Durch die 60er und 70er geleiten uns Robert Crumb und jede Menge Horrorgeschichten. Und heute? Hideshi Hino dient als Paradebeispiel der Manga-Gewalt, während der amerikanische Markt Phänomene wie Kick-Ass oder Crossed hervorbringt. Verglichen mit früher ist es krasser, plakativer – und laut Courth purer, reiner Effekt. Tillmanns souverän-komischer Vortrag lässt sich als ausführlicher Essay auf seiner Webseite nachlesen.

Und in echt?

Auftritt Dr. Doom alias Marky Mark alias Dr. Mark Benecke. Das Spektakuläre sind hier natürlich einerseits die Fotos, die er im Gepäck hat: Echte tote Menschen aus echten Kriminalfällen. Andererseits beeindruckt vielleicht noch mehr die nüchterne, wissenschaftliche Distanz, die er seiner Arbeit entgegenbringt. Anders als zeitgenössische Comics geht es Mark nie um Effekte und Schauwerte – vielmehr räumt er mit Vorurteilen auf. Etwa mit der Fehleinschätzung, dass Serienmörder stets geisteskranke „Monster“ sein müssen.

Ohnehin scheint Benecke so eine Art stark tätowierter Universalgelehrter zu sein. Exkurse über Veganismus und Religion, Ausflüge zu body farms oder Sozialkritik des Mittelalters – bei Benecke geht es nie nur um eine Sache. Alles kreist um das Thema, denn alles hängt irgendwie mit allem zusammen (willkommen in der Netzwerkgesellschaft).

So sehen Comic-Geeks aus. Dr. Doom streckt seinen Zeigefinger auf die Zentralbibliothek. Warum, bleibt unklar. (Foto: https://www.facebook.com/markbenecke) Für Benecke-Events obligatorisch: Gruppenbild. (Foto: https://www.facebook.com/markbenecke)

Der Vollständigkeit halber seien die streng körperlichen, entzauberten Mythen hier zwar erwähnt, aber nicht ausgeführt. (Die Veranstaltung war nicht umsonst ab 18 Jahren.)

Erstens: Erhängte sehen sehr selten so aus, wie Medien es uns glauben machen.

Zweitens: Wird jemandem buchstäblich das Gehirn weggeschossen, gibt es sehr verschiedene (und sehr verstörende) Formen als Ergebnis.

Drittens: Das Zerteilen von Leichen geschieht mal aus Pragmatismus, mal aufgrund anerzogener Kultur (z.B. übertragene und sexualisierte Bauernhof-Erfahrungen von Tierschlachtungen), selten aus Spaß an der Freude.

Viertens, Bonusrunde: Katzen und Hunde verspeisen ihre verstorbenen Frauchen und Herrchen – aber erst, wenn’s sonst nix mehr zu Beißen gibt. Und auch dann nur ausgewählte Körperteile.

Lecker, oder? Wer Lust auf mehr Benecke hat, findet seine Tourdaten online.

Das war alles sehr schock- und lehrreich. Vielen Dank an Tillmann, Mark, das Verkaufsduo von Kwimbi und natürlich unsere nervenstarken Gäste! (Und danke, dass wir die Fotos von Marks Facebook-Seite hier zweitverwerten dürfen.)

geeks@cologne legt nun eine Sommerpause ein. Genießt die warmen Tage und die Sonne! Unsere nächste Veranstaltung ist ein neuer Science Slam und ist für den 18. Oktober 2018 geplant!

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BENECKE & COURTH: SPRITZ! KLATSCH! GLIBBER! ZEICH(N)EN DER GEWALT – WUNDEN IN COMICS (23. APRIL 2018)

28. Februar 2018 · von geekscologne

Wir lieben Comics. Und darum wird es auch höchste Eisenbahn, dass wir mal wieder was mit Comics machen! Das letzte Mal ist ja schon was her.

Lassen wir es krachen – oder: splattern!

Vor zwei Jahren überließ Donaldist Mark Benecke uns seine Barks-Gesamtausgabe. Danach schwebte die Idee im Raum, ein kleines Event zu wuppen, das Marks Profession als Kriminalbiologe irgendwie mit Comics zusammenbringt.

Zum Glück geht es in Comics und Graphic Novels oft heiß her: Superhelden gegen Bösewichte, Verbrechen gegen Rechtschaffenheit. Das kann blutig werden – und damit ist kein Disney-Niveau gemeint, also vergesst die erwähnten Barks-Comics gleich wieder!

Aber wie werden Blut, Wunden, Verletzungen und andere forensische Erscheinungsformen von Gewalt eigentlich dargestellt? Und wie realistisch ist das alles? Für einen ästhetischen Rundumschlag konnten wir Comic-Kenner Tillmann Courth gewinnen. Er zeigt euch jede Menge bunter Bilder mit viel Rot-Anteil. Seid gewarnt: Das ist nichts für schwache Gemüter!

Mark Benecke überprüft danach, ob das alles hieb- und stichfest ist. Spritzt das Blut überhaupt naturgesetzkonform? Sieht der Knochenbruch forensisch korrekt aus? Ist die Wunde ordentlich? Werden Schädel wirklich so gespalten? Auch hier ist davon auszugehen, dass wir herbes Bildmaterial sehen – diesmal aber nicht gezeichnet, sondern in natura.

Ihr seht: Starker Tobak. Darum ist das Event auch ab 18 Jahren. Tickets gibt es nur im Vorverkauf bei KölnTicket – Einlass ist ab 18:30 Uhr bis 19:00 Uhr, danach erst wieder in der Pause!

Außerdem: Büchertisch zwischen Comics und Kriminologie powered by Kwimbi.

Timetable

18:30 Uhr: Einlass

19:00 Uhr: Begrüßung

19:10 Uhr: Tillmann Courth

20:00 Uhr bis 20:15 Uhr: Pause

20:15 Uhr bis ca. 22:00 Uhr: Mark Benecke

Who?

Dipl.-Biol. Dr. rer. medic., M.Sc., Ph.D. Mark Benecke ist seit über 20 Jahren international auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forensik aktiv und hat sich insbesondere der Entomologie verschrieben. Nach seiner Promotion an der Uni Köln im Institut für Rechtsmedizin absolvierte er diverse fachspezifische Ausbildungen auf der ganzen Welt, so zum Beispiel beim FBI. Als Deutschlands einziger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für biologische Spuren untersuchte er unter anderem Adolf Hitlers Schädel. Nebenbei veröffentlicht er zahlreiche wissenschaftliche Artikel, diverse Sachbücher sowie Kinderbücher und Experimentierkästen.

Tillmann Courth ist Comic-Experte, studierte Geisteswissenschaften und war anschließend froh, einige Jahre als freischaffender Kulturjournalist arbeiten zu können. 1997 trieb es ihn auf die Bühne, wo er 13 Jahre lang als Conférencier und Kabarettist wirkte. Seit 2011 widmet sich Courth der Aufarbeitung des für ihn spannendsten Kapitels der Comicgeschichte: die frühen 1950er-Jahre. Mittlerweile betreibt er einen Kulturblog, die Webseite Fifties Horror und ist Redakteur beim Fachmagazin Comixene.

// Veranstaltungsort: Erdgeschoss der Zentralbibliothek Stadtbibliothek Köln

// Datum: 23. April 2018 (Montag)

// Uhrzeit: 19 – ca. 22.00 Uhr (Einlass in den Bereich ab 18:30 Uhr)

Einlass ab 18 Jahren!

Keine Abendkasse!

Einlass ab 18:30 bis 19:00 Uhr, danach erst wieder in der Pause!

// Anmeldung: über KölnTicket

// Hashtag: #geekscgn

// Buchverkauf: Kwimbi


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