Die meisten meiner Zuschauer sind dem Tod schon viel zu nahe gekommen

Quelle: Uckermark Kurier / Nordkurier | 5. und 6. September 2025

„Die meisten meiner Zuschauer sind dem Tod schon viel zu nahe gekommen“

Von Heiko Schulze

Dr. Mark Benecke entführte das Publikum im Großen Saal der Uckermärkischen Bühnen in die Welt der Serienmörder und Kannibalen. Er selbst bekannte im Interview mit dem Uckermark Kurier, sehr gerne in die Uckermark zu kommen.

Kriminalbiologe Mark Benecke versteht es, mit Tod, Verwesung und der spannenden Spurensuche nach Tätern und deren Motive zu faszinieren. Mit uns spricht er über diese Faszination.

Herr Dr. Benecke, Sie waren bereits wiederholt in der Uckermark mit Ihren Vorträgen, unter anderem in Schwedt und Templin, zu erleben. Haben Sie eine persönliche Verbindung zur Uckermark oder ist Ihnen diese Region durch einen der von Ihnen als Kriminalbiologe aufgeklärten Fälle bekannt?

Beides. Ich war in den letzten 25 Jahren wirklich schon oft hier und habe die Veränderungen in der Region mit Neugier verfolgt. Aus meiner Sicht ist es viel schöner und lebendiger geworden. Ich fotografiere auch immer die Häuser, Straßen und Menschen bei Veranstaltungen und stelle die Aufnahmen ins Netz. Es gibt viele freundliche Rückmeldungen, Tipps und vor allem die Lehre, dass Menschen überall halt Menschen sind.

In Schwedt hat mich von Anfang an besonders überrascht, dass vermutlich durch die „fossilen Geldquellen“ mit den Uckermärkischen Bühnen ein tolles Veranstaltungsgebäude besteht, das viele Menschen im Rest Deutschlands gar nicht kennen.

In Schwedt widmeten Sie sich unter der gerafften Überschrift „Serienmord“, so war es angekündigt, „skurrilen, teilweise ekligen bis spannenden Fragen“. Das Interesse an Ihren Vorträgen ist ungebrochen groß. Womit erklären Sie sich diese Faszination an den von Ihnen gesetzten, mitunter morbiden Themen, von denen man doch insgeheim hofft, dass sie nie die eigene Familie und Freunde und deren Lebenswirklichkeit betreffen mögen?

Die meisten meiner Zuschauerinnen und Zuschauer sind dem Tod schon viel zu nahe gekommen. Sei es durch den frühen Tod von Angehörigen oder körperlichen oder sexuellen oder gefühlsmäßigen Missbrauch. Sicher ist das Interesse an Serienmorden auch dadurch gespeist, solche Erfahrungen besser einordnen zu können.

Es gibt bei Harry Potter ja Thestrale, die nur Menschen mit entsprechenden Erfahrungen sehen können. Ich vermute einmal, dass es bei meinem Publikum des Öfteren genauso ist.

Bemerken Sie bei Ihren Vorträgen und den sich dabei ergebenen Gesprächen Unterschiede im Publikum der alten und neuen Bundesländer, beispielsweise was die Aufgeschlossenheit, die altersmäßige Zusammensetzung oder das Geschlecht betrifft?

Nein. Wie schon erwähnt: Menschen sind Menschen. Das gilt auch für andere Länder, also nicht nur Bundesländer.

Ich arbeite ja international und habe beispielsweise im Dschungel in Kolumbien bei den Studierenden super gute Fragen erhalten, die ich anderswo noch nie gehört hatte. Am ehesten gibt es Altersunterschiede, weil natürlich verschiedene Generationen verschiedene Erfahrungen gemacht haben. Diese waren in Ost und West aber gar nicht so unterschiedlich, wie manche es behaupten ...

Sehr schön zu sehen ist das an Grenzzonen, beispielsweise in Thüringen in Richtung Hessen und Niedersachsen oder auch im Osten an Grenzen zu Österreich, der Tschechischen Republik oder Polen. Meine Frau pflegt nur zwischen Nord-, Mittel- und Süddeutschland zu unterscheiden. So kann man es ja auch betrachten.

Vermutlich betreffen meine Vorträge so grundsätzliche menschliche Fragen wie Liebe, Sünde, Tod, Gewalt, Vernunft, Gerechtigkeit, Wahn, Verwesung und Fairness, dass das ehemals geteilte Deutschland hier keinen tiefen Einfluss hatte.

Welches ist die wichtigste Botschaft, die Sie bei Ihrer verständlichen Vermittlung von wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen Ihrem Publikum vermitteln wollen?

Niemals Fremdworte verwenden. Egal, warum. Die meisten Fremdworte kenne ich ja auch nicht.

Der ständige und vielschichtige Umgang mit Gewalt, Tod, extremen menschlichen Verhalten – hat dieser Ihren Blick auf den Wert des Lebens und die Gesellschaft verändert?

Ich bin froh, dankbar und ebenso verspielt, aber auch demütig, dass die Menschen, die ich kennengelernt habe, und ich jeweils eine Runde auf diesem Planeten geschenkt bekommen haben - wie ein Freispiel am Flipper oder im Computerspiel.

Ob andere Menschen sich dafür einsetzen, dass unsere gesellschaftliche Welt und das, was wir „Umwelt “ nennen, erhalten bleibt, kann ich nur sehr begrenzt beeinflussen. Natürlich entsteht daraus auch manchmal ein Gefühl des Fremdelns, weil viele Menschen - obwohl sie sehen, dass sie Dinge ändern könnten - das einfach nicht tun. Es ist aber wie im schon genannten Computerspiel: Ich kann nur das tun, was in meinem Handlungsspielraum liegt.

Welches sind Ihre aktuellen Forschungen beziehungsweise Buchprojekte, an denen Sie arbeiten?

Wir haben haufenweise Fälle von Menschen, die Angehörige von Verstorbenen sind oder solchen, die im Knast sitzen oder Menschen, die sehr alte Fragen haben. Beispielsweise zu den zu DDR-Zeiten angeblich adoptierten Babys und Kindern.

Zuletzt haben wir bei der größten kriminal-biologisch rechtsmedizinischen Tagung in den Vereinigten Staaten (American Academy of Forensic Sciences in Baltimore/USA) unsere Untersuchung der Lampenschirme, des Schrumpf-Kopfes und des Taschenmesser-Etuis aus dem Konzentrationslager Buchenwald vorgestellt.


Bekannter Kriminalbiologe: Vor diesen Typen sollte man sich in Acht nehmen

Von Heiko Schulze

Serienmörder entsprechen in den meisten Fällen nicht den über sie in Umlauf befindlichen Klischees. Jemand, der ihnen bereits gegenübersaß, erklärt, worauf man achten muss.

„Wir wünschen uns Serienmörder als bucklige, warzige Monster, die eine Schleimspur hinterlassen, an der sie zu erkennen sind.“ Der bekannte Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke, der es am 4. September mit seinem Vortrag „Serienmord“ einmal mehr verstand, sein Publikum im ausverkauften Großen Saal der Uckermärkischen Bühnen in Schwedt in seinen Bann zu ziehen, weiß, dass Serienmörder so gar nicht diesem „Wunschbild“ entsprechen.

Dr. Benecke hat ihre Spuren analysiert, saß ihnen gegenüber, hat ihre Geschichte hören, ihre Gedankengänge erfahren wollen. Auch die jenes Gelegenheitsarbeiters, der in Kolumbien aus „Lust am Leid“ 300 Kinder getötet haben soll. Niemand sonst wollte mit dieser „Bestie“ reden, ihr zuhören. Dr. Benecke tut es, schaut in menschliche Abgründe aus einem bestimmten Grund: Zu verstehen, „damit solche Taten nicht mehr passieren“.

Serienmörder, so die Analyse des Kriminalbiologen, sind „zu 99,9 Prozent angepasst, unauffällig“. Sie tragen eine durchschnittliche Kleidung, Frisur, haben keine Tattoos oder Piercings - dafür auffallend geputzte Schuhe: „Es sind keine ‚Verrückten‛, die in einer Psychiatrie behandelt werden. Sie wissen genau, was sie tun.“

Nur, dass sie extrem unsozial sind und eitle Narzissten, die von sich selbst überzeugt sind, anderen überlegen zu sein. „Es sind Menschen, die mit ihren Taten aufhören könnten, aber es nicht wollen. Sie kennen keine Reue, haben kein Gewissen. Dieses ist in ihren Gehirnen nicht verdrahtet.“

Dabei seien es oft die „Schwiegermutter- oder Messdiener-Typen“, in denen das Böse schlummere. Mark Benecke betont, kein Psychiater zu sein, sondern nur anhand der Spuren wie Blut, Sperma oder Fingerabdrücke an Tatorten oder Opfern seine Schlussfolgerungen zu ziehen: „Was Menschen erzählen, ist mir dabei völlig egal.”

Er halte dieses nicht nur als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger so, sondern in vielen Bereichen des Lebens. Ihm gehe es darum, „eine Messung und keine Meinung“ zu haben. „Zeige mir die wissenschaftliche Studie dazu“ - entgegnet er auch jenen Kommentatoren in sozialen Netzwerken, die Fakten bezweifeln, ohne sie faktisch entkräften zu können. Sei es zu Pandemien wie Corona oder Klimaveränderungen.

In Deutschland, so die Fakten, würde es im Jahr circa 220 Morde geben, dagegen sind es zum Beispiel in Mexiko 32.000 jährlich. Was in Deutschland geschehe und nicht nur ihn sehr beschäftige, seien circa 10.000 Selbsttötungen im Jahr. Dabei zeige eine aktuelle Studie aus Amerika, dass jene, die quasi in letzter Minute gerettet werden konnten, nach erfolgreicher Therapie froh und dankbar sind, ihr einmaliges Leben behalten zu haben.

Bei depressiven Menschen gebe es gute Möglichkeiten, diese zu heilen und in den Griff zu bekommen. „Bei Narzissten mit antisozialer Persönlichkeitsstörung gibt es - Stand Herbst 2025 - keine Therapie“.

Auch eine Strafe funktioniere bei diesen nicht, mehr Härte - wie bei neuen Taten immer wieder lautstark gefordert - bewirke das Gegenteil. Täter fühlten sich beispielsweise durch mediale oder sonstige Aufmerksamkeit eher geschmeichelt.

Dabei werde natürlich nicht jeder antisoziale Narzisst mit sauber geputzten Schuhen gleich zum Serienkiller. Mitunter aber zum Vorgesetzten: „In solchen Fällen hilft es oft nur zu kündigen, um an und unter ihnen nicht zu leiden. Ändern werden sich solche Typen nicht.“ Eigene moralische Maßstäbe gelten für diese nicht und könnten Narzissten auch so gut wie gar nicht vermittelt werden.

Dr. Benecke nahm in seinem fast dreistündigen Vortrag das Publikum anhand historischer und aktueller Fälle zudem in die „Welt“ der Kannibalen mit. Wenn es bei den zu Illustrationszwecken gezeigten Bildern zu heftig wurde, riet er dazu, seinem Vortrag für ein paar Minuten ruhig mit geschlossenen Augen zu lauschen.

Er selbst zeigte sich begeistert von dem aufgeschlossenen, interessierten Publikum in der Uckermark und versprach bald wiederzukommen. Als Schlussbild gab es ein glitzerndes Einhorn zu sehen, das dieses später als „Einschlafhilfe“ in seine Träume mitnehmen sollte, so der Wunsch des 55-jährigen Kriminalbiologen an das applaudierende Publikum. Wie groß das Interesse an seinen Erfahrungen und Erkenntnissen ist, zeigte sich einmal mehr an den Bücherstapeln, die viele Besucher auf dem Nachhauseweg mit sich trugen. Versehen mit einem besonderen „Madenstempel“.

Fledermäuse: Von Tier zu Vampir: Fledermäuse im Film

Quellen: Tagesspiegel, RadioMK, FLZ, 29. August 2025

Von Alina Schmidt (dpa)

Von Dracula bis Batman - Fledermäuse genießen in der Filmwelt einen zwielichtigen Ruf. Häufig saugen sie Blut und sind Begleiter des Todes. Warum sind sie so verpönt?

Große Ohren, spitze Zähne: Viele sehen in Fledermäusen Blutsauger und Überträger von Krankheitserregern. In Filmen symbolisieren sie daher oft Unheil und das Böse, wie etwa in „Die letzte Fahrt der Demeter“ von 2023, wo Dracula mit Fledermausflügeln auf einem Schiff mitten im Meer wütet. Unvergessen bleibt auch der 1922 erschienene Vampir-Klassiker „Nosferatu“, der vergangenes Jahr eine Neuauflage bekam. Die Zähne des aus den Karpaten stammenden Vampirs ähneln auch hier denen der Fledermaus. Aber sind die Tiere wirklich so furchtbar?

Fledermäuse sind nachtaktive Tiere, man sieht sie meist nur kurz und ihr Lebenszyklus erscheint recht geheimnisvoll“, sagt Marcus Stiglegger, der als Professor für Filmwissenschaften in Mainz lehrt. Ihr Leben am Rande der Nacht lasse sich in Filmen symbolisch aufladen. Die ledernen Flügel und spitzen Zähne der eigentlich sehr kleinen Tiere muteten unheimlich an.

Die symbolische Überhöhung der Fledermäuse in Filmen stimme nicht mit der Wirklichkeit überein, erklärt der Filmwissenschaftler. „Je weniger über die reale Spezies bekannt ist, umso effektiver kann man mit dem Symbol arbeiten.“

Von damals bis(s) heute

Besonders häufig tauchen Fledermäuse in Filmen mit Vampiren auf. Der bekannteste ist sicher Dracula aus dem gleichnamigen Roman des Iren Bram Stoker von 1897. Berichte und Abhandlungen über die Sagengestalten erscheinen aber schon ab etwa der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Dem Forensiker Mark Benecke zufolge gibt es damals Funde von unzersetzten Leichen, bei denen etwa Penis-Versteifungen bemerkt werden — in Wahrheit bewirkt durch Fäulnis-Bakterien.

Warum sind es aber ausgerechnet Fledermäuse, die mit den untoten Sagengestalten in Verbindung gebracht werden? Benecke erklärt, dass der Vorstellung nach die Seelen Toter flatterten. Vampire aber lungerten zwischen den Welten und scheuten das Licht der Sonne, „immer hin und her und kreisend, am ehesten so wie Fledermäuse“, so der Präsident der „Transsylvanian Society of Dracula“ - eine Gesellschaft, die sich mit der Geschichte der Vampire beschäftigt.

Ein Blick in die Wirklichkeit

Genauso wie es in der Wirklichkeit keine Vampire gibt, geht auch von Fledermäusen keine Gefahr für die Menschen in Europa aus, wie es vom Naturschutzbund (Nabu) heißt. Demnach übertragen sie kaum Erreger oder Parasiten. Lediglich Tollwut können einzelne Tiere durch einen Biss weitergeben - von sich aus sind sie allerdings niemals aggressiv oder angriffslustig. 

Auch das Gerücht, Fledermäuse würden Blut trinken, ist dem Nabu zufolge nicht wahr - zumindest nicht in Europa. Nur drei in Mittelamerika lebende Arten von weltweit insgesamt rund 1.300 ernähren sich demnach vom Blut von Säugetieren und Vögeln, jedoch ohne diese zu töten.

In Wahrheit sind es die Fledermäuse, die gefährdet sind: Von den 25 in Deutschland heimischen Arten sind zehn gefährdet oder stark gefährdet. Die internationale Fledermausnacht will am 30. August etwa mit Events darauf aufmerksam machen.

Gruseln tut gut

Dass manche sich dennoch vor den weitgehend ungefährlichen Tierchen in Filmen gruseln, begründet Kommunikationswissenschaftler Daniel Possler von der Medienhochschule Hannover damit, dass diese intuitiv als real wahrgenommen würden. Man empfinde zunächst Angst und erinnere sich erst im zweiten Schritt daran, dass der Film nur Fiktion sei. Hinzu komme neben der Handlung die Kombination aus einer Vielzahl von Stilmitteln, wie etwa Musik oder Kameraperspektiven, die ebenfalls Emotionen auslösen können.

Angst sei ein anschauliches Beispiel für solch intuitive Reaktionen, so Possler. „Studien zeigen, dass die meisten Menschen unwillkürlich mit Angst auf Reize wie Dunkelheit, das Geräusch von Schreien, auf Darstellungen von verzerrten, wütenden Gesichtern oder auch auf bestimmte Tiere wie Schlangen oder Spinnen reagieren.“ Filmemacher machten es sich zunutze, um so absichtlich bestimmte Gefühle zu erzeugen.

„Viele Menschen fühlen sich durch die Angst und Beklemmung, die Horror- und Thriller-Filme auslösen, unterhalten. Sie mögen die emotionale Aufregung“, sagt Possler. Wenn man es schaffe, mit den negativen Emotionen gut umzugehen, „können positive Emotionen wie Stolz oder Kompetenz entstehen“.

© dpa-infocom, dpa:250829-930-969744/1

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Würde mein Haustier mich nach meinen Tod fressen? Ja

Quelle: Stern, Wissen, 16. Februar 2025

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Von Nicole Simon

Wer allein zu Hause stirbt, muss damit rechnen, von seinem Haustier angefressen zu werden. Katzen etwa verspeisen gern die Lippen. Doch auch ganz andere Tiere beißen zu.

Die Polizisten erwartete ein grausiges Bild, als sie die Wohnung eines 53-jährigen Mannes betraten. Die Leiche des Verstorbenen lag auf dem Rücken, Teile des Gesichts, seines Halses, seiner Brust und seines rechten Oberarms fehlten. Ein Fragment von Lungengewebe fand sich neben seinem linken Bein, während der Boden der Küche im Erdgeschoss mit Abfällen übersät war. So beschrieben vier Forschende den Fund vor Jahren in einer amerikanischen Fachzeitschrift. Und noch etwas erwähnten sie: “Ein deutscher Schäferhund, der dem Verstorben gehört hatte, befand sich am Tatort.”

Warum gerade dieses Detail so wichtig ist, ergibt sich aus dem Namen der Veröffentlichung: “Postmortale Verletzungen durch Haustiere.” Vier Fälle von Leichenfraß durch Hunde und Katzen beschreiben die Forschenden darin. Der 53-jährige Mann, der an Diabetes und Herzproblemen litt und eines natürlichen Todes starb, war einer von ihnen.

Geht man in den Datenbanken der Wissenschaft auf die Suche, findet man Dutzende dieser Berichte. Auch wenn kein Besitzer gern darüber nachdenkt, aber sollte man allein in seiner Wohnung sterben, kann der Körper für die geliebten Fellpfoten buchstäblich zu einem gefundenen Fressen werden.

“Ich habe schon einige Leichen gesehen, die von Haustieren angefressen wurden”, erzählt der Kriminalbiologe Mark Benecke. “Früher kam das häufiger vor, als es keine Pflegeversicherung gab und die Menschen auch aufgrund von psychischen Störungen, Alkoholismus oder Drogenmissbrauch noch ganz anders sozial vereinsamt sind.”

Einsamkeit und Isolation sind wahrscheinlich die wichtigsten Stichworte bei diesen Funden. Die wenigsten Haustiere machen sich direkt nachdem das Herz ihrer Besitzerin und Besitzer nicht mehr schlägt, über deren Leichnam her. In der Regel werden Verstorbene gefunden, bevor die pelzigen Gefährten zu fressen beginnen. Hunde machen zudem oft durch Bellen und Winseln auf sich aufmerksam, wenn sie sich zurückgelassen fühlen.

Was aber, wenn sich niemand Sorgen um den älteren Nachbarn macht? Wenn das Bellen nebenan zwar stört, aber niemanden alarmiert? Dann kann es tatsächlich zu Szenen wie der oben beschriebenen kommen. “Aasfresserei von Wirbeltieren an menschlichen Überresten ist ein häufiges Phänomen bei der forensischen Untersuchung von Fällen weltweit”, schreibt die Humanbiologin Sandra Lösch von der Universität Bern in der Fachzeitschrift “Forensic Science”. Genaue Zahlen fehlen allerdings, da sie nicht systematisch erfasst werden. Auch weiß man noch nicht, wie genau es dazu kommt.

Einige Forschende gehen davon aus, dass Hunde und Katzen mit Lecken im Gesicht versuchen, den Menschen zu wecken. Möglicherweise geht das Lecken irgendwann in Beißen über. Mark Benecke vermutet, dass Hunger und Durst die größte Motivation sind, den Leichnam zu fressen.

Auch spielen die Rasse und das Sozialverhalten der Tiere eine Rolle.

Faszination Tod: 1400 Fans bei Mark Benecke

Quelle: Plauener Zeitung, 6. Januar 2025, Seite 11

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Kriminalbiologe Mark Benecke sorgte mit seinem Vortrag „Bakterien, Gerüche und Leichen“ am Samstag für eine ausverkaufte Plauener Festhalle. Besucher erfuhren etwas über die Chemie des Todes - und hatten dabei oft keinerlei Berührungsängste.

Von Thomas Voigt

Grün-bläulich schimmernde Leichenhaut, Insektenlarven, die an der wabernden Wundfront Zersetzungsprozesse in Gang setzen und Gerüche, die durch Bakterien verursacht werden. All das gehört zum Kosmos von Mark Benecke. Der bekannte Kriminalbiologe, der die Toten akribisch nach dem Ausschlussverfahren analysiert, sorgte am Samstag mit seinem Programm „Bakterien, Gerüche und Leichen“ für eine ausverkaufte Festhalle. Gespannt verfolgten 1400 Besucher dem nicht alltäglichen Vortrag des Spezialisten. Bevor der 55-Jährige auf Fäulniserscheinungen, verwesende Körper und Zusammenhänge in der Natur einging, gab er dem Publikum die Gelegenheit für Autogramme und Fotos.

Auf die Einhaltung von Regeln legte der Gast großen Wert. Als alle wieder auf ihren Plätzen saßen, erklärte der bekannte Forensiker dem Publikum minutenlang, wie es sich während seiner Ausführungen verhalten sollte. Benecke betonte, dass er es nicht unfreundlich meint aber auf bestimmte Dinge, die im Saal passieren, zuweilen empfindlich reagiert. Oberste Priorität: Tuscheln verboten. Bei Störungen oder wenn jemand - aus welchen Gründen auch immer - den Saal verlassen wolle, kündigte er eine kurze Pause an. Einige Male ist es dann auch passiert. Immer verbunden mit der Frage: „Möchte noch jemand rausgehen?“ Bis auf wenige Ausnahmen hielten sich die Gäste jedoch diszipliniert an die Spielregeln. Seine Fangemeinde wusste ohnehin, was auf sie zukommt.

Noch vor der Pause blendete Benecke eine im Bett liegende Frauenleiche ein, bei der die Selbstauflösung des Körpers begonnen hatte. Bei Benecke steht stets die Messung und nicht die flüchtige Interpretation im Vordergrund. Es geht um biologische Befunde, die etwas über die Todesumstände aussagen. Anhand der Farben und Faltenmuster auf der Haut leitete der Meister seines Fachs am verfallenden Körper viele Dinge ab. Er sprach über die Chemie des Todes und Kreisläufe des Lebens.

Letztere hätten die Menschen aus seiner Sicht völlig aus den Augen verloren. „Mir geht es auf den Wecker, dass niemand mehr weiß, wie die Natur funktioniert." Die Zuhörer erfuhren etwas über Mikroklimakanten, die durch Bakterien und Insekten entstehen. Gefräßige Fliegenlarven und Käfer-Kot hinterlassen bizarre Spuren an den menschlichen Überresten. Benecke, der zuweilen auch Humor versprühte, ging auf die Gerüche des Todes ein und verglich sie gar mit einer Parfümerie. Laut dem vom FBI ausgebildeten und international arbeitenden Kriminalbiologen, gibt es rund 100 Stoffe, die während der Verwesungsphasen verschiedene Fäulnisgerüche auslösen. Der Referent verglich sie mit verfaultem Kohl, Fleischkraftbrühe, ranzigem Milchfett und frisch gemähtem Gras. Die Palette reiche bis hin zu weinartigen Nuancen.

An diesem Abend lernten die Anwesenden so einiges über Verstorbene. Beispielsweise warum ihre Fingernägel und Haare noch wachsen und warum sie nach dem Tod nicht zunehmen, obwohl sie dicker aussehen. Die Vortragsgäste wurden mit Fäulnisblasen, Fettlachen und vertrockneten Leichenmuskeln konfrontiert.

Von den gezeigten Fotos und den Bildern im Kopf ließ sich Franziska Puchta aus Hof nicht schocken. „Ich bin Krankenschwester", verriet sie. „Ich hab ich oft mit Leichen zu tun und esse danach ganz normal mein Pausenbrot.“ Wie viele andere in der Halle ließ sich die junge Frau ein Buch von Benecke signieren. Auch die kleinen Tatort-Kärtchen – falls man mal zufällig eine Leiche findet – wanderten als Mitbringsel von der Veranstaltung in die Taschen der Festhallenbesucher. Tanja Schmidt aus Mülsen ließ sich bereits vor Veranstaltungsbeginn von der Ehefrau des biologischen Ermittlers eine Fledermaus aufs Handgelenk tätowieren. „Ich gehöre jetzt zu den MARKierten“, sagte sie mit einem Augenzwinkern. Im Februar 2024 hatte siesich für die Aktion im Internet beworben. Mit der Erkenntnis „Nach dem Tod ist noch richtig was los", trat sie den Nachhauseweg an. (tv)

Auf falscher Fährte: Leichenerscheinungen und Fehlinterpretationen

Fehlinterpretationen und damit nicht beachtete Einflussfaktoren können kriminalistische Ermittlungen auf die falsche Fährte führen und Sachbeweise unberücksichtigt lassen.

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