Blutschwitzen

Quelle: Kriminalistik 6/2019, 364—368, der Artikel als .pdf

Sicherung und Auswertung schwieriger Spuren: Blut-Schwitzen

VON MARK BENECKE

Dr. rer. medic. Mark Benecke, Diplom-Biologe, Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Auswertung von biologischen Spuren, Köln

In unserem Sachverständigen-Labor erachten wir alle Fälle als gleich wichtig und interessant. Dazu gehören neben Spuren von Todes-Untersuchungen auch solche von weinende Ikonen, Wunder-Ölen, Menschen mit Insekten-Wahn, Liebespfeilen von Weinberg-Schnecken und ähnliches. Bisher konnten wir durch eine Spuren-Untersuchung (anstelle von Meinen, Glauben und Abgleich mit der Alltags-Erfahrung) immer Unerwartetes und Spannendes erfahren. Die Grund-Annahmen der vom Fall Betroffenen waren zwar oft falsch, die Spuren an sich aber meist sehr wohl vorhanden. 

Ein typisches Beispiel dafür ist aus der Blutspurenkunde die Verbringung echten Blutes durch Fliegen: Unlogisch und gefälscht erscheinende Spritzmuster und -winkel, dennoch reale Spuren. Der folgende, aktuelle Fall lehrte uns, den Rahmen für Spuren-Untersuchungen sogar noch weiter zu spannen. Man stelle sich dabei vor, eine geschädigte Person oder ein Täter oder eine Täterin gäben zur Erklärung eines Blut-Spurenmusters „Blut-Schwitzen nach starker Aufregung" an.

Der Fall

Im Frühjahr 2018 erreichte uns folgende E-mail (Auszug; Rechtschreibung korrigiert): „Ich habe jede Nacht schlimme Angstträume und werde dann klatschnass geschwitzt wach, oft mit einem Angstschrei.

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Letzte Woche bemerkte ich dann, als ich wach wurde und ins Bad ging, im Spiegel zwei größere Blutflecken auf meinen T-Shirt. Ich dachte, ich hätte mich vielleicht gekratzt. Ich zog das T-Shirt aus, aber die Haut war unversehrt, nichts zu sehen oder fühlen. Habe dann meinen Pulli, den ich bis zum ins Bett gehen [getragen hatte], überprüft. Aber keine Spur zu sehen. Hab' dann das Bett untersucht, Decke, Kopfkissen, Laken — aber auch da war absolut nichts zu sehen, auch nicht in meinem Gesicht oder (an der) Nase, nirgends eine Spur. Bitte sehen Sie sich das Bild mal an." 

Auf rasche Nachfrage erhielten wir von Herrn H. drei Fotos, die in der Tat Ähnlichkeiten mit Blut-Spuren auf dem T-Shirt und keine Wunden, Kratzer, Pickel oder ähnliches in den dazu passenden Brust Bereichen aufwiesen (Abb. 1). 

Auffällig ist die „paarige", schmetterlingsflügelartige Anordnung der Spuren. Hier wäre leicht an ein Artefakt durch Falten und Zusammendrücken zu denken. Andererseits ist der Mensch entlang der Längsachse symmetrisch aufgebaut. 

Unser Vorgehen: Blut und DNA

Da Laien Spurenbilder mit — auch ihrem eigenen — Blut meist so legen, dass sie den Haft und Spritz-Eigenschaften echten Blutes nicht entsprechen, lassen sich auch seltsam anmutende Delikte im Ausschluss oder Einschluss-Verfahren und durch Experimente gut bearbeiten. Im Experiment (aber nicht durch Nachdenken) zeigt sich dann beispielsweise, ob die Eigenschaften des Blutes mit den angegebenen Tat-Abläufen oder „Wundern" übereinstimmen oder nicht: "Versuch macht kluch" (Abb. 2). 

Erscheinungen wie das Weinen oder Schwitzen von Blut sind in der medizinischen Literatur gut dokumentiert [1, 11, 13, 14, 18, 22, 24, 30], sie werden aber angesichts ihrer mangelnden Übereinstimmung mit dem „gesunden Menschenverstand" nur selten berichtet (vgl. 5, 8, 15, 16).

Grund dafür sind einerseits mögliche Fälschungen durch Aufmerksamkeit heischende Personen und andererseits religiöse Fehldeutungen realer Ereignisse'. Der jüngste bestätigte Fall von Blutweinen stammt allerdings aus der angesehenen Fachzeitschrift British Medical Journal Case Reports [19]. Da das Blutschwitzen bei Herrn H. wie erwähnt zwischenzeitlich ein weiteres Mal aufgetreten war, dokumentierten wir auch das neue, von ihm bereit gestellte T-Shirt. Hier war die Antragung deutlich schwächer ausgeprägt (Abb. 6).

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Wichtig für die DNA-Befunde (siehe unten) war, dass Herr H. grundsätzlich jede Nacht ein neues Shirt trägt, da er regelmäßig (täglich) von Alpträumen verschwitzt erwacht. Herr H. hat allerdings an keinem Krieg teilgenommen oder an sonstige traumatische Erlebnisse wie schwere Verkehrsunfälle oder ähnliches eine Erinnerung. Derartige Alpträume werden zusammen mit anderen Schlafstörungen als Parasomnien bezeichnet und können auch ohne bekannte Posttrauma-Störung auftreten. Ein Blut-Schnelltest mit Hemastix (Bayer) [23] ergab ein für (a) frisches Blut sowie (b) einen ausgeschnittenen und in sterilem, destilliertem Wasser aus einer EinwegAmpulle (AddiPak) aufgeweichten Abschnitt des Hemdes einen positiven Befund. Auf steriles, destilliertes Wasser alleine reagierte der BlutSchnelltest nicht. Damit war gezeigt, dass es sich um Blut handeln kann.

Das auffällig verdünnte und in die Textilien eingezogene Spurenbild sprach ebenfalls gegen eine der häufigeren Fälschungen, bei denen wir bisher unverdünntes Blut oder dunkle Spuren angetroffen haben. Mit Einwilligung des Klienten entwickelten wir daraufhin genetische Fingerabdrücke aus den Blutspuren, dem Rand des ersten T-Shirts sowie der Mundschleimhaut von Herrn H. Der DNA-Befund ergab eine vollständige Übereinstimmung in 16 STR-Systemen sowie den Geschlechts-Merkmalen zwischen den Blut-Proben des T-Shirts sowie dem MundschleimhautAbstrich des Klienten. Nach diesen Befunden konnten und können wir weder ausschließen, dass es sich um echtes Blut des echten T-Shirt-Trägers handelt, noch dass Herr H. im Zuge von Alpträumen Blut schwitzt.

Lebensgeschichte und Besprechung mit dem Klienten

Um einen besseren Zusammenhang zwischen Ereignis, Spuren und Person zu erhalten, trafen sich die Lebensgefährtin des Klienten, er selbst und ich im Mai 2018 zu einer Besprechung, zu der die beiden eigens anreisten. Beide haben kein Interesse an erhöhter Aufmerksamkeit und nie den Kontakt zur Presse oder ähnlichem gesucht. Es folgten vor und nach dem Treffen weitere Detail- Abfragen per E-mail. 

Herr H. berichtete, dass er in einem Programm zur beruflichen Wiedereingliederung in seiner alten Firma sei, nachdem er zwischendurch wegen Depressionen nicht arbeitsfähig war. Er arbeitet seit 1984 — damals war er 25 Jahre alt — in derselben Firma. Bevor er an Depressionen erkrankte, arbeitete er in einem Dreischicht-System für jeweils durchgehend sieben Tage mit dann folgenden freien Tagen, was ihn durch die ständigen Schlafrhythmus-Wechsel stark belastete. Wegen seines Alters (knapp 60 Jahre) sieht er sich nicht mehr in der Lage, den Beruf zu wechseln. Auch diese Erkenntnis stresst ihn sehr; jede Art der beruflichen Umorientierung lehnt er daher ab.

Im Zuge der erwähnten Wiedereingliederung in die Arbeit wechselte Herr H. zunächst in eine reine Frühschicht, wo er sich wegen der kleinen Teamgröße aber erneut stark überfordert fühlte: Die Verantwortung zur Steuerung einer großen Anlage oblag ihm „als erfahrenem Praktiker unter lauter Theoretikern" aus seiner Sicht alleine. Die Steuer-Einheit, eine komplizierte WebAnlage für Textilien, besteht dabei nicht nur aus zahlreichen Schaltern und Reglern, sondern ist auch etwa siebzig Meter lang — in den Worten des Klienten: „Wie an Bord von Raumschiff Enterprise".

Zugleich nahm die Arbeitsgeschwindigkeit, der Wechsel der Einstellungen für die vom Gerät verwobenen TextilBahnen sowie damit auch die Zahl der nötigen Endkontrollen laufend zu. Dies war insofern in Teufelskreis, als die Antidepressiva bzw. Angst lösenden Medikamente (siehe unten) zu Ermüdung und damit in diesem Fall zu noch mehr Anspannung (Angst vor Fehlern) führten. Durch den angesichts der häufigeren Maschinen-Einstellungs-Wechsel und der dabei erfolgenden Entnahme von Textilbahnen gehäuften Kontakt mit dem Endprodukt hat Herr H. Verfärbungen der Haut, möglicherweise auch Allergien entwickelt.

Im Jahr 2013 begann Herr H. mit der Einnahme von Citalopram gegen Depressionen und Angst, ab Ende 2017 nahm er Venlafaxin, ab Januar 2018 Mirtazapin, ab April 2018 Opipramol ein. Eine psychologische (psychotherapeutische) Behandlung seiner Angst fand nicht statt, wohl aber eine medikamentöse Blutdrucksenkung. Dies ist interessant, da Blutschwitzen gehäuft unter starkem Stress oder großer Angst auftritt — die Redewendung „vor Angst Blut und Wasser schwitzen" ist in Deutschland allgemein geläufig. Eine nur medikamentöse Behandlung von Ängsten ohne Psychotherapie und ggf. Untersuchung im Magnetresonanz-Gerät reicht aber oft nicht an die Wurzel des Problems. So kam es, dass Herr H. wenig später ein weiteres Mal Blut schwitzend erwachte (Abb. 6).

Seine Lebensgefährtin und Herr H. führen eine Fern-Beziehung. Der Klient selbst lebt in einer Wohnung im Haus seiner Schwester. Sie kann die starken nächtlichen Schreie (Alpträume) bestätigen, da diese im gesamten Haus wahrnehmbar sind. Die Partnerin von Herrn H. ist sich unsicher, ob die von uns angebotene Untersuchung des Blutes notwendig sei. Begründung: Alle Ärzte hätten sich bisher „neutral" verhalten, da das Blut-Schwitzen insgesamt ja keinen Krankheitswert habe und auch nur zweimal aufgetreten sei. Während der gesamten Kommunikation war Herr H. orientiert und konnte Längen-Angaben und Zeiträume richtig schätzen. Er war und ist ruhig, unaufdringlich, sehr zurückhaltend (nach ärztlicher Mitteilung ängstlich-vermeidend) und ergriff im Gespräch keine Initiative. Er ist konzentriert und antwortet rasch auf Nachfragen, auch per E-mail. 

Zu Ende des Jahres ließ sich Herr H. letztlich doch in eine andere Abteilung seiner Firma versetzen: „Da fühle ich mich wohl", teilte er uns im Dezember 2018 mit. Die häufigen, nächtlichen Alpträume bestehen weiter, der Stress hat sich aber so weit abgebaut, dass er die Medikamente abgesetzt hat. Blut-Schwitzen ist nicht mehr aufgetreten. 

Bewertung

Es gibt viele Ursachen für Blut-Schwitzen. Bei Kälbern in Deutschland war beispielsweise seit 2007 einige Jahre lang die Bovine Neonatale Panzytopenie (BNP) aufgetreten, die in machen Tier-Beständen über zehn Prozent der Tiere betraf. Die erkrankten Tiere bluteten dabei ohne erkennbare Ursache und ohne Haut-Verletzungen, auch durch die Haut hindurch. 2011 stellte sich heraus, dass verunreinigte Impfstoffe, die aus Rinderzell-Linien hergestellt worden waren, das auf sichtbarer Ebene wundfreie Hautbluten verursachten [3].

Beim Menschen wurde Blut-Schwitzen ohne Verletzungszeichen unter anderem bei Malaria, Epilepsie und Skorbut beobachtet'. Doch auch ohne ,eigentliche' Erkrankung kann starke Aufregung mit Blutdruck-Steigerung zu Blut-Schwitzen führen. Dies zeigt die Durchsicht von bisher etwa achtzig Fällen aus der Fach-Literatur der letzten hundert Jahre [1,11,14,18—30], aber auch folgende Details dreier Fälle: Im ersten Fall führten sowohl Alprazolam, ein Benzodiazepin, also Beruhigungs-Mittel gegen Angst und Panikstörungen, als auch Atem-Übungen zum Ende der Blutaustritte [25]. Im zweiten Fall half Propranol [26], ein Betablocker, der unter anderem gegen Bluthochdruck wirkt. Im dritten Fall wurde Lorazepam — erneut ein Beruhigungs-Mittel gegen Angst und Panikstörungen aus der Gruppe der Benzodiazepine — erfolgreich verabreicht [22]. In diesen Fällen ist zu erkennen, dass eine geistige Beruhigung, Angst und Stressminderung und Blutdrucksenkung dem Blutschwitzen entgegenwirkt. Bei den betroffenen Kindern verschwindet die Erscheinung auch „von selbst".

Der dem Blut-Schwitzen (und manchmal auch Blut-Weinen) zugrunde liegende Vorgang ist vermutlich das vorn sympathischen Anteil des Nerven-Systems bedingte Zusammenziehen der Adern bei Stress. Löst sich die Angst, in unserem Fall durch Erwachen aus dem Alptraum, so weiten sich die Adern wieder, platzen teils, und Blut gelangt in die Schweißdrüsen oder die Ansatzstellen der Haare. Von dort gelangt es dann scheinbar „durch die Haut" nach außen. Hin und wieder kommt es zu Verfärbungen des Blutes (braun, violett usw.) beziehungsweise der Spur kommen [Referenzen in 29]. Das begrenzte Bluten aus unverletzten Bart und Kopfhaar-Bereichen ist dokumentiert (Abb. 3) und wirkt aus spurenkundlicher Sicht — sicher auch vor Gericht — besonders unglaubwürdig, da es an Kontaktspuren (Anschmierungen), verdeckte Selbstverletzungen, Aufmerksamheitsheischen und ähnliches erinnert.

Grundsätzlich können die unverletzt blutenden Haut-Bereiche aber überall am Körper liegen; selten schmerzen sie, meist sind sie abgesehen vom Blut nicht im Gewebe auffallend verfärbt und daher nach dem Abwischen unauffällig (Abb. 4). Bei einer vergleichsweise eher stärkeren Blutschweiß-Blutung aus dem Ohr wurden beispielsweise Trommelfell und Gehörgang bei ärztlicher Fach-Untersuchung unverletzt gefunden [28]. Eine genetische Ursache des Blut-Schwitzens gilt nach den bisherigen Befunden als unwahrscheinlich. Wegen der Seltenheit der Fälle, dem Unwillen der Klienten, die Blutungen zu berichten sowie der oft mangelnden Detail-Untersuchung durch behandelnde Ärzte könnten sich aber noch andere Befunde ergeben.

Merke:

1 — Das Blut ist beim Blutschwitzen oft durch Schweiß verdünnt und die darunter liegende Haut nie verletzt.

2 — Form und Lage der BlutSpuren wirken mangels Verletzung sowie dem Bezug zu Klassen-Arbeiten, Alpträumen etc. kriminalistisch zunächst völlig unglaubwürdig und wie eine Ausrede oder märchenhaft.

3 — Nur die sofortige Spurensicherung und untersuchung erlaubt eine Abgrenzung von echtem Blut-Schwitzen, bewusster Täuschung, Selbstverletzung, falschen Beschuldigungen gegen Dritte (Sexualdelikte, häusliche Gewalt), religiösen Wundern usw.

4 — Beachte, dass auch echtes Blutschwitzen und weinen religiös überformt und die Spuren dabei auch verändert werden können [9]. In diesen Fällen ist beides wahr: Echtes Blut-Schwitzen und märchenhafte Überformung.

5 — Fälschungen und Betrug sind immer möglich, hier hilft die kriminalistisch bekannte kritische Einzelbetrachtung.

In Kriminalfällen — man denke an die Fragen der Spurenlegung von Blut nach Wundbeibringung, häuslicher Gewalt und Sexualdelikten —, bei der Aufnahme von Anzeigen oder bei der staatsanwaltlichen Bewertung werden Fälle von Blutschwitzen stets fragwürdig erscheinen. Selbst eine Nachfrage bei Ärzten kann dabei schnell in die Irre führen, da die bisherigen Fallberichte eher in kleineren Zeitschriften erschienen, die nicht nur weniger bekannt sind, sondern deren Güte sich erst nach Prüfung erschließt. Selbst Ärzte verhalten sich daher — und wohl auch wegen dem oft fehlenden „Krankheitswert" — neutral und abwartend.

Schwere nervliche Traumata der Klientinnen und Klienten (Krieg, Sexualdelikte, Gewalt in der Familie) müssen nicht vorliegen; in der Regel wurden Prüfungs-Stress und ähnliches, in unserem Fall als überstark wahrgenommener Druck im Beruf berichtet. Ein Zusammenhang zu Persönlichkeitsstörungen und psychischen Erkrankungen ist nicht gesichert; interessant wäre aber die Frage, inwiefern sich die Neigung zu Stressanfälligkeit und Persönlichkeitsmerkmale beim BlutSchwitzen gegenseitig beeinflussen. In einem Fall hatte ein junges Mädchen beispielsweise die Entführung ihrer Schwester miterlebt und danach die Stresszeichen entwickelt, die zum Blut-Schwitzen führten [26].

Wegen der Seltenheit der Erscheinung, aber auch der „Unwahrscheinlichkeit" des Ereignisses aus spurenkundlicher Sicht (Kontaktspuren?) empfiehlt es sich, immer und eben auch in solchen Fällen sowohl die exakte Form und Lage der Spuren unmittelbar nach Mitteilung am Körper und an der Kleidung fotografisch zu dokumentieren und zusätzlich zwingend Proben mit Abriebstäbchen, und — wo immer möglich — der vollständigen Bekleidung zu nehmen. Dies gilt, noch einmal, umso mehr, als die Spuren oft wie typische Kontaktspuren „angewischt" oder im Sinne einer vorgetäuschten Selbstverletzung angeschminkt wirken können (Abb. 3—5) und durchaus auch regelmäßig bei Kindern und Jugendlichen anzutreffen sind.

In mindestens zwei Fällen wurden bisher Hautproben der Klienten ausgestanzt und mikroskopisch untersucht, diese zeigten aber im Dünnschnitt entweder keine Auffälligkeiten [13] oder „nur" geringe Blut-Einlagerungen ins Bindegewebe [29]. 

Achtung: Hier ist von ärztlicher Seite leicht ein falsch negativer Befund mit folgend kriminalistisch falscher Bewertung — nämlich einer angenommenen und nunmehr „bewiesenen" Fälschung — zu erwarten, falls die Gewebeprobe nicht sofort entnommen wird. Auch beim möglichen Blut-Schwitzen bietet nur die sofortige Sicherung von Spuren ein stabiles Fundament für eine tatsachengeleitete Fallbearbeitung. Die Wahrheit ist nicht davon abhängig, dass die spurenkundlich, experimentell und kriminalistisch ermittelte Lösung ungewöhnlich wirken kann.

Abb. 1: Auf unsere Bitte nach Auftreten der Spur durch Herrn H. gefertigte Fotografien und T-Shirt im Labor.

Abb. 2 a, b: Blut-Stigmata und Blut-Tränenbäche bei Therese Neumann (1898—1962, rechts). Spurenkundlich nach Nachstellung (links) fragliches Blut-Schwitzen oder dramatisierte Spurenlegung; vermutlich keine (reine) Hämhidrose [9]. Zeichnung: Ines Benecke

Abb. 3: „Gefälscht (geschminkt) wirkende Spuren in echtem Fall von Blutschwitzen [23].

Abb. 4: Scheinbare Gewalt gegen den Mund oder Blutungen aus inneren Organen bei einem jungen Mädchen (vor der Pubertät). Es liegt aber auch im Gewebe-Dünnschnitt der Haut keine Verletzung vor; es handelt sich um echtes Blutschwitzen. Heilung ohne Behandlung [11].

Abb. 5: Zehn Jahre altes Mädchen. Echtes Blutschwitzen kombiniert mit dezenter, echter Blutträne. Blutungen aus Bauchnabel, Ohren, Stirn, Hals, Beinen usw.. Keine Persönlichkeitsstörung, aber nervliches Trauma (sie hatte die Entführung der Schwester beobachtet und litt unter stressbedingten Kopfschmerzen). Unter Verabreichung von Propranolol [24], einem Blutdrucksenker, Besserung der Erscheinungen.

Abb. 6: Dezente Blutspur beim erneuten Auftreten. Durch die Vermischung mit Schweiß und je nach Grad der Ausprägung (und wohl auch Aufregung) ändert sich die Blutmenge und Verdünnung.

Abb. 7: Leicht und schnell durchführbar: Schnelltest auf Blut mit Positiv- (frisches Blut) und Negativ-Kontrolle (Wasser). So lässt sich bereits die Aufbringung von Farbe oder ähnlichem ausschließen. In unserem Fall (Foto) positiver Vortest.

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[30] 30 Zhang, F K., Zheng, Y L., Liu, J. H., et al. (2004) Clinical and laboratory study of a case of hematidrosis. Chinese Journal of Hematology, Band 25, S. 147-150 


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