Quelle: Kriminalistik, 4/2025, Seiten 232 bis 236
Weitere Gegenstände aus Buchenwald sind aus Menschenhaut
Kriminalbiologe Mark Benecke präsentiert Forschungsergebnisse
Quelle: Evangelischer Presse-Dienst (epd), 18./19. Febr. 2025
Von Matthias Thüsing
Weimar/Baltimore (epd). Der Kriminalbiologe Mark Benecke hat für weitere Alltagsgegenstände aus den Sammlungen des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald nachgewiesen, dass sie aus menschlichen Hautstücken angefertigt wurden. "Darunter befinden sich ein weiterer Lampenschirm und eine Taschenmesser-Hülle, die uns aus Westdeutschland beziehungsweise England zugeschickt worden sind", sagte der Kölner Wissenschaftler dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Weimar. Sowohl die vergleichenden mikroskopischen Untersuchungen mit Menschenhaut als auch Erbgutuntersuchungen lieferten demnach zweifelsfreie Ergebnisse.
Eine Besonderheit der SS in Buchenwald war die Herstellung von makabren "Geschenkartikeln", die sich die SS-Männer gegenseitig überreichten. Menschenhaut wurde aus den Leichen von Häftlingen geschnitten und zu Alltagsgegenständen weiterverarbeitet.
Benecke hatte bereits im vergangenen März erste Ergebnisse seiner Arbeit in Weimar präsentiert. Damals konnte er für einen Lampenschirm aus dem überlieferten Bestand der Gedenkstätte nachweisen, dass Menschenhaut für die Herstellung verwendet wurde. Am Donnerstag wird Benecke seinen Abschlussbericht auf einer Tagung der American Academy of Forensic Sciences in Baltimore/USA öffentlich vorstellen.
Zu den Ergebnissen gehörte auch die Untersuchung eines Schrumpfkopfs aus Buchenwald. "Jetzt steht fest. Es handelt sich um Ziegenhaut und -haar, die entsprechend in Form gebracht wurden", sagte Benecke. Vor allem die Haare hätten zunächst für ein Präparat aus Pferd gesprochen. Erst eine Erbgutuntersuchung habe Klarheit gebracht.
Weiter offen ist laut Benecke die Frage nach der Person, der ein präpariertes Herz mit angeblicher Schussverletzung zuzuordnen ist. Das Organ wurde nach der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald in dessen Pathologischer Abteilung vorgefunden. "In dem Herzen konnten wir nach sehr, sehr vielen Versuchen in mehreren Speziallaboren kein Erbgut finden", sagte der Forscher. Zumindest habe er das Exponat anhand alter Fotos als das echte, "damalige" Herz aus der alten Sammlung eindeutig zuordnen können. "Es ist also "geschichtlich" gesehen durch Fotovergleich auch als menschlich bestimmt", sagte Benecke.
Für Buchenwald sei die Forschung nun abgeschlossen, sagte Benecke. Das sei gut, die Untersuchung sei ihm nahe gegangen. Allerdings gebe es möglicherweise Nachfolgeprojekte an anderen Orten. "Ich habe eine Anfrage aus Syrien erhalten. Die Ukraine ist auch ein möglicher Kandidat. Genozide gibt es leider immer wieder", sagte Benecke.
Weimar/Baltimore (epd). Der Kriminalbiologe Mark Benecke hat für weitere Gebrauchsgegenstände aus den Sammlungen des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald nachgewiesen, dass sie aus menschlichen Hautstücken angefertigt wurden. Darunter befinden sich ein weiterer Lampenschirm und eine Taschenmesser-Hülle. Am Donnerstag stellt der Kölner Wissenschaftler seinen Abschlussbericht erstmals auf der Tagung der American Academy of Forensic Sciences in Baltimore/USA vor.
epd: Nach der Zwischenpräsentation zu Artefakten aus Menschenhaut in Buchenwald haben Sie weitergeforscht. Wie sind Sie weiter vorgegangen? Welche und wie viele Gegenstände, Fragmente haben Sie weiter untersuchen lassen?
Mark Benecke: Wir haben 2024 noch ein weiteres Stückchen eines Lampenschirms und eine Taschenmesser-Hülle aus England erhalten. Kurz vor dem Abschluss des Projekts haben wir außerdem einen weiteren Lampenschirm bekommen. Er wurde direkt nach der Pressekonferenz in der Gedenkstätte Buchenwald in Westdeutschland gefunden und unserem Labor übergeben.
Was haben die Untersuchungen ergeben?
Leider sind alle diese Gegenstände auch aus Menschenhaut. Das haben vergleichende mikroskopische Untersuchungen mit Menschenhaut sowie Erbgutuntersuchungen zweifelsfrei ergeben.
Wo konnten sie Entwarnung geben?
Es hatte sich im Zwischenbericht ja angedeutet, dass der Schrumpfkopf vermutlich nicht menschlichen Ursprungs sein dürfte. Aber zunächst war die Untersuchung der Haare nicht eindeutig genug. Vieles sprach für ein Pferd. Daher habe ich auch hier noch einmal Erbgut untersucht und untersuchen lassen. Jetzt steht fest: Es handelt sich um Ziegen-Haut und -haar, die entsprechend in Form gebracht wurden. An dieser Stelle hatte übrigens meine Frau Recht: Ihr war früh aufgefallen, dass die Haare, die Ohr-Öffnung und anderes nicht zu einem Menschen passen. Sie muss es wissen. Sie verfügt über eine Ausbildung als staatlich geprüfte Kosmetikerin.
Was konnten Sie nicht klären?
Ein präpariertes Herz mit angeblicher Schussverletzung gehört ebenfalls zu den nach der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald in dessen Pathologischer Abteilung vorgefundenen Präparaten. In dem Herz aus der Sammlung konnten wir nach sehr, sehr vielen Versuchen in mehreren Speziallaboren aber kein Erbgut finden. Aber ich konnte es anhand alter Fotos als das echte, "damalige" Herz aus der alten Sammlung eindeutig zuordnen. Es ist also "geschichtlich" gesehen durch Fotovergleich auch als menschlich bestimmt.
Was hat das Projekt gekostet?
Es hat sehr viel Zeit und Geld gekostet. Ich habe alles selbst bezahlt, da ich für diese Untersuchung einfach kein Geld nehmen wollte. Unglaublich wichtig war dabei der Sammlungsleiter der Gedenkstätte, der die ganzen alten Quellen und Fotos kannte sowie das sehr gründlich arbeitende Labor, das einen Arbeitsschwerpunkt auf verarbeiteter Haut - meist natürlich von Tieren - hat. Es war anstrengend, teuer und zwischendurch dachte ich, wir packen es nicht mehr. Aber nachdem auch die Untersuchung von Hitlers Schädel und Zähnen in Moskau ein Wahnsinnsaufwand war, und da ich die Wahrheit einfach liebe, haben wir es alle gemeinsam geschafft.
Sind die forensischen Untersuchungen damit abgeschlossen?
Ja. Ganz ehrlich: Ich glaube, dem Sammlungsleiter der Stiftung und mir ist das Ganze auch doch näher gegangen, als wir dachten. Es ist gut, dass es jetzt dauerhaft geklärt und der "Deckel zu" ist.
Wird es ein Nachfolgeprojekt geben? In Buchenwald oder anderswo?
Auch hier ein: "Leider ja." Ich habe gerade erst eine Anfrage aus Syrien erhalten. Die Ukraine ist auch ein möglicher Kandidat. Genozide gibt es immer.
Sind die Personen bekannt, aus deren Haut die untersuchten Gegenstände gefertigt wurden? Ließe sich das überhaupt genetisch klären?
Es gäbe eine Möglichkeit: Dazu müssten wir in die riesigen Familien-Stammbaum-Daten schauen. Der Sammlungsleiter und ich haben bisher entschieden, das nicht zu tun. Vermutlich bleibt es auch dabei. Manche Dinge sollten besser ruhen. Nur zu dem durchschossenen Herzen ist mit dem tschechischen politischen Häftling Jiri Horejsi (1920-1942) ein Name überliefert. Aber hier haben wir, wie gesagt, kein verwertbares Erbgut mehr vorgefunden.
Fast zum Ende noch eine Frage zu den Anfängen des Projekts: Wie kamen sie auf das Thema?
Mein Augenmerk auf Spuren aus Konzentrationslagern ist auf einer Sitzung erwacht: Im Jahr 2005 berichtete ein Kollege bei einer Tagung der American Academy of Forensic Sciences (AAFS), dass er Seife erhalten habe, die aus einem Konzentrationslager und aus Menschenfett gekocht sein könnte. Wir überlegten damals, wie sich das nachweisen ließe. Ohne diese Gesprächsrunde wäre ich vielleicht gar nicht auf die Spuren in Buchenwald gekommen.
Und noch mal zu heute: Welche Reaktionen haben Sie in der grundsätzlich streitfreudigen Wissenschaftscommunity nach Veröffentlichung der Zwischenergebnisse erreicht? Gab es Widerspruch?
Es herrschte zunächst Totenstille. Dann aber kam eine Überraschung: Die American Academy of Forensic Sciences, bei der ich schon seit den 1990er Jahren Mitglied bin, hatte meine Einreichung für die Konferenz gesehen und zum ersten Mal in meinem Leben beschlossen, meine Redezeit zu verlängern. Sonst wird sie eher gekürzt, um mehr Vorträge pro Sitzung einbauen zu können. Ich hatte nicht einmal danach gefragt. Jetzt wird der Vortrag mit über hundert Fotos nicht in einem Sonderteil der Tagung stattfinden, sondern auf der größten Veranstaltung dort, der sogenannten "Last Word Society". Das freut mich sehr, weil mich so besonders viele fachliche Anmerkungen erreichen werden.
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Abgetrennter Oberschenkel: Kriminalbiologe Mark Benecke über den Gruselfund
In einem Park in Prenzlauer Berg wird ein Körperteil gefunden. Das verrät es dem Experten.
Die Suche nach weiteren Hinweisen im Fall eines abgetrennt aufgefundenen Oberschenkels in Berlin geht weiter und immer mehr Details werden bekannt. Bei der Berliner Polizei arbeitet man jedoch bisher im Verborgenen an dem Fall, hält sich mit Einzelheiten bedeckt.
Für den Berliner KURIER erklärt Deutschlands berühmtester Kriminalbiologe Mark Benecke, was sich für Experten alles an dem gefundenen Körperteil ablesen lässt.
In einem Park wird ein abgetrennter Oberschenkel gefunden. Was lässt sich an dem Fund ablesen?
“Anhand von Haut, Muskel, Haaren und dergleichen kannst du erst mal schauen, ob es eher ein Mann oder eher eine Frau sein könnte. Durch Erbgut kannst du das dann ebenfalls prüfen, aber auch schauen, ob die Person bekannt ist”, schreibt Mark Benecke. “Wenn sie beispielsweise schon mal in einer Erbgut-Datenbank eingestellt wurde, kriegst du einen “Treffer” und weißt, wer die Person ist von der der Schenkel stammt. Du kannst auch die Schnittkante anschauen: Kettensäge? Messer? Skalpell? Beil?”
Wie findet man heraus, wie lange der Schenkel schon da lag?
“Das geht nur über die Insekten-Besiedlung, das ist bei kaltem Wetter = wenigen Insekten aber schwierig. Zudem kann der Körperteil auch zwischendurch woanders gelegen haben, wo keine Insekten dran kommen, etwa einer Kühltruhe oder einer dicht verschlossenen Tüte oder Tasche.”
Wie kann man herausfinden, ob der Mensch lebte, als das Bein abgetrennt wurde?
„Durch Blutungen und Entzündungs-Merkmale an der Schnittkante. Wenn du lebst, blutet es im täglich bekannten Sinn‚ wenn jemand tot ist, dann verteilt sich das Blut kaum und anders. Im Gewebe-Dünn-Schnitt siehst du auch, ob zum Beginn den Versuch des Körpers zur Heilung gab, dann lebte die Person noch beim Schnitt. Wenn du keine Entzündungs- oder Heilungs-Merkmale in den Zellen siehst, war die Person schon tot”.
“Täter oder Täterinnen zerteilen Leichen öfter, um sie leichter tragen zu können, das heißt bei uns ‘defensive Leichen-Zerstückelung’, das heißt es hat nichts direkt mit der eigentlichen Tötung zu tun”, so Benecke.
Beim Abtrennen eines Oberschenkels werden große Blutgefäße durchtrennt, wie wahrscheinlich ist es, das bei laienhafter Ausführung zu überleben?
“Super unwahrscheinlich. Besonders die dicke Ader auf der Innenseite des Oberschenkels führt oft schon bei einem Stich hinein zum Verbluten.”
Einen Mordfall kann die Polizei in Berlin demnach auch nicht ausschließen.
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