Die Erfindung des Menschen

Quelle: Tätowiermagazin 5/2007, Seite 9

Ausstellung von Stannes Schwarz im "Tatau Obscur" (Berlin)

VON MARK BENECKE

Sowas gibt’s nur in Berlin: Berit lud ihren alten Freund Stannes ein, seine aquarellierten Bilder von echten Präparaten in ihrem hochschicken und riesengroßen Studio “Tatau Obscur” auszustellen.

“Monatelang saß ich in den Archiven des Medizinhistorischen Museums der Charité”, berichtet der Künstler. “Je länger ich die Präparate, eins nach dem anderen, zeichnete, desto mehr sah ich nicht mehr das Ausgestoßene und Besondere in ihnen, sondern die Gemeinsamkeit: Die Kinder scheinen Gefühle widerzuspiegeln.”

Gefühle bei toten Pathologie-Objekten? Je länger sogar das künstlerisch ungeschulte Auge (beispielsweise meins) hinsieht, umso mehr wandeln sich die Zeichnungen Toter tatsächlich zu einem Blick auf lebende Menschen. “Diese zwei Brüder hier”, erklärt Stannes, “sind miteinander verwachsen und innig umarmt, aber ich meine, dass einer hinter seinem Rücken schon die Faust ballt. Der hier sieht im wahrsten Sinne des Wortes verstreut oder zerstreut aus, und dieser hier wirkt wie ein selbstzufriedener Pfennigfuchser. Der hier scheint voller Zorn zu sein und diese beiden dort wollen sich wohl beschützen.”

Die teils über hundert Jahre alten Präparate sind in der öffentlichen Sammlung der Charité meist nicht zu sehen. Dennoch hat Präparatorin Navena Widulin sie in den letzten Jahren kunstvoll hergerichtet und wirkt damit dem gruseligen Touch eines Horrorkabinettes von vornherein entgegen. “Stannes hat mit viel Geduld fast alle Kinder-Präparate unserer Sammlung gezeichnet”, erinnert sie sich. “Jetzt, wo die Bilder hier an der Wand von “Tatau Obscur” hängen, erinnern sie mich an die Tätowier-Vorlagen und -Fotos, die in vielen Studios im Eingangsbereich hängen”, sagt Navena. “Allerdings erkenne ich auf den Bildern immer noch mein jeweiliges Präparat wider und weniger die darüber hinaus weisenden Gefühle.”

Doch diese Gefühle sind wohl vor allem symbolisch zu verstehen -- so wie die Zeichnungen auch in empfundenen, aber nicht den wirklichen Farbtönen der Originale gehalten sind. “Tätowierungen spiegeln ja auch starke Empfindungen wider”, meint Studiobesitzerin Berit. Für mich geht es in der Ausstellung daher auch darum, dass wir Menschen unsere Körper immer perfekter stylen wollen. Dieser Wunsch bewirkt, dass Kinder mit solchen Fehlbildungen gar nicht mehr geboren werden.”

“Die sehr emotionalen Reaktionen”, ergänzt Berit, “die man als Tätowierter noch immer erhält, ähneln außerdem stark den Gefühlen der Betrachter der Zeichnungen von Stannes. Meist ist es eine rein vordergründige Ablehnung, die sich nur an äußeren Formen festmacht. So können Tätowierte genauso wie die hier dargestellten Kinder zu Outcasts werden, ohne dass man sich mit ihnen beschäftigt hat.”

Wer den ungewöhnlichen Kontrast von Deutschlands wohl schickstem Tätowier-Studio und den pathologischen Präparaten auch nach Ende der Ausstellung noch erleben will, kann bei einem Abstecher in die Hauptstadt jederzeit zuerst bei Berit und dann im Medizinhistorischen Museum der Charité vorbei schauen (oder natürlich auch umgekehrt  ;) ). Ein Kontrast, den es wirklich nur in Berlin gibt.

Für mich sind alle Fälle gleich

Quelle: Westfalenpost, Kreis Olpe, 8. März 2025

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„Für mich sind alle Fälle gleich" Dr. Mark Benecke erlangte über Kriminalfälle weltweites Aufsehen. Kurz vor einem Auftritt in Attendorn gibt er uns private Einblicke in sein Leben

Von Daniel Engeland

Attendorn. Dr. Mark Benecke klärt bei seiner Arbeit als Kriminalbiologe knifflige Kriminalfälle auf. Über viele seiner Fälle erlangte der Kölner weltweite Aufmerksamkeit. Am 13. März kommt er nun für einen Vortrag nach Attendorn. Im Gespräch mit unserer Zeitung gibt er Einblicke in sein Privatleben und seinen spannenden Lebensalltag.

Herr Benecke, am 13. März halten Sie einen Vortrag in der Attendorner Stadthalle. Gibt es Verbindungspunkte zum Kreis Olpe und der Stadt Attendorn?

Ich bin als Kölner natürlich schon als Kind öfter in Attendorn gewesen — das war damals ein zwingendes Ausflugsziel für alle Familien mit Kindern.

Worauf können sich die Besucher und Besucherinnen in der kommenden Woche bei Ihrem Vortrag freuen?

Ich werde über einige meiner Kriminal-Fälle berichten.

Sie haben selbst mehrere Bücher geschrieben, was lesen Sie eigentlich privat?

Am liebsten lese ich alte Tier-Bücher. Ich habe aber auch eine sehr große Sammlung alter rechtsmedizinischer und kriminalistischer Bücher, dort geht es beispielsweise um Gifte, Mumien sowie „Fälle", die wir heute als harmlosen Alltag ansehen und nur den Kopf schütteln. Dazu gehören Homosexuelle und Sexarbeiterinnen, die von der Polizei mit großem Ernst verfolgt wurden. Dasselbe gilt für „Migration" und „fremde Menschen", die auch früher schon hin und wieder als gefährlich angesehen wurden, obwohl die kriminalistisch erhobenen Zahlen das Gegenteil zeigten. Und ich habe auch eine ziemlich große Ecke in meiner Bibliothek, die sich nur mit Vampir-Leichen und allem drumherum befasst. Außerdem bin ich Buchpate in der Linnean Society of London, der Staatsbibliothek in Berlin und der Nationalbibliothek in Wien, sodass ich auch dort einige Schätzchen lesen darf.

Sie sind ein großer Tattoo-Fan. Wie viele Tattoos haben Sie mittlerweile? Welche Bedeutung haben sie in Ihrem Leben?

Eine Freundin hat neuerdings so um die 150 Tätowierungen auf mir gezählt. Deren Bedeutung kann sich ändern. Es sind jedenfalls immer Erinnerungen an Orte, Menschen und Erlebnisse. Es gibt sogar ein 3D-Foto von mir im Netz. Es stammt aus dem Grassi-Museum für Völkerkunde in Leipzig. Dort kann mich jeder drehen und meine Tattoos und deren Bedeutungen Klick für Klick erkunden.

Viele Menschen sind von „True Crime" fasziniert. Verspüren Sie eine ähnliche Faszination, wenn Sie als Kriminalbiologe einen Fall erleben, der sich zunächst kaum erklären lässt?

Für mich sind alle Fälle gleich. Das geht uns aber allen im Team so. Wir ärgern uns über Lügen und Geschnatter, egal von wem es ausgeht. Wir suchen die messbaren Tatsachen dazu zusammen und dann tritt meist die messbare Wahrheit zutage.

Wie gehen Sie damit um, im Alltag immer wieder mit dem Tod und schaurigen Verbrechen in Kontakt zu kommen?

Et is wie et is. Die Welt besteht nicht nur aus Zuckerguss.

Wie sieht Ihr Alltag in der Kriminalbiologie aus, gibt es überhaupt einen Alltag?

Wir schauen uns jeden Fall mit kindlichen – nicht kindischen – Augen, also unbefangen an. Daher passiert jeden Tag etwas anderes. Mal messen wir Blut-Spuren, mal Insekten, mal wälzen wir Akten, mal hängt eine oder einer von uns in einem Baum, um eine Erhängung nachzustellen, mal sind wir auf Kongressen wie gerade eben bei der größten Tagung der Forensikerinnen und Forensiker in Baltimore.

Vor der Jahrtausendwende gelang Ihnen ein echter Coup: Es gelang Ihnen nach der Untersuchung von Maden die Liegezeit einer ermordeten Frau festzustellen und so den Täter zu finden. Wie kam es dazu?

Das mache ich schon seit den 1990-er Jahren. Die Länge von Larven verrät deren Alter. So lässt sich die Zeit seit der Leichen-Besiedlung ermitteln. Es gibt auch Fälle, wo vernachlässigte Lebende besiedelt werden. Da können wir dann ausrechnen, wie lange die Pflege schon nicht mehr stattgefunden hat.

Welche Rolle spielen Tiere für Ihre Arbeit?

Wir schauen uns gerne Käfer, Fliegen, Schnecken und Wespen an, um zu verstehen, wie lange eine Leiche besiedelt wurde. Und ob eine scheinbare Messer-Wunde oder Kratzer im Gesicht einer Leiche nicht doch von Tieren stammen. Ich habe auch einen Sondervortrag über Haustiere, die ihre menschli-chen, verstorbenen „Herrchen" oder „Frauchen" gefressen haben.

Sie haben während Ihrer Arbeit einiges gesehen, gibt es einen Fall, bei dem sich auch bei Ihnen noch heute die Nackenhaare aufstellen?

Ich finde es schade, dass Menschen nicht lernen. Die Zusammenarbeit war geschichtlich, auch kriminalgeschichtlich, immer messbar besser für alle Beteiligten als das Töten oder Ausgrenzen.

Welcher Fall hat Sie bislang am meisten fasziniert?

Vielleicht der Nächste?

Sie engagieren sich neben Ihrer Arbeit auch in der Politik. Wie ist es dazu gekommen?

Das ist für mich alles eins. Ich möchte das bewirken, was in meinem Handlungs-Spielraum steht. Manche Dinge lassen sich eher politisch umsetzen als auf der Couch.

Was macht Dr. Mark Benecke eigentlich in seiner Freizeit, wenn er mal nicht Verbrechern auf den Leim geht?

Ich unterscheide nicht zwischen Arbeit und Freizeit. Das, was ich erledige, mache ich gerne. Wenn ich es nicht möchte, lasse ich es. So halten wir es im Labor alle. Von außen sieht es vermutlich so aus, als ob ich immer arbeite. Messen kann ich aber überall.

Tattoo People: Dr. Mark Benecke

Quelle: Tattoo Extreme (China), March 2012, S. 24 bis 29

Dr. Mark Benecke im Kurzportrait

Photo: Annie Bertram

Forensic medical officer is a heavy and unattractive work for most people. It happens all the time that you have to face the incomplete and smelly corpses. Out of our imagination, Mark Benecke is a unique figure in this field, and by achieving a great idea in his work, Dr. Mark becomes a world-renowned forensic entomologist. Mark Benecke was born in 1970, in Bavaria, Germany.

After receiving a Dr. rer. medic. at Cologne University in 1997, he worked in the Chief Medical Examiner's Office in Manhattan, New York from 1997–1999. As of 2008, he works internationally on forensic cases as a freelance expert witness. He also teaches at various police academies and acts as a visiting professor to universities in Germany, England,Vietnam, Colombia, and the Philippines.

With his highly specialized knowledge of bugs, Mark has a lot experiences to help with the murder cases and prove the murder guilty by the examination of insects such as maggots and bluebottles in rotting flesh, and determine the cause and time of the dearth. There are seldom people know about forensic entomology in Taiwan, not even to mention the maggots which everyone hates to touch. Why does Mark want to study it? Mark thinks that he couldn’t be further from the truth without his examination of maggots, and these small and creeping maggots become the detectives for Mark, and show him the unspeakable secret for the dead body.

Photo: Rocksau Pictures

Mark mentioned that when he worked in the Bureau of Criminal Investigation, New York, other colleagues always think he is a weird guy from German. That’s because Mark always spent a lot of time to study maggots even out of work, and sometimes, a large number of maggots will drop out from the dead body, and Mark could still focus on them without feeling any disgusting. Right now, Mark Benecke already becomes the authority on forensic entomology, but Mark still works very hard on any investigation, he realizes the importance of his job, and no matter what kind of insects he needs to study, he will do his best all the time!

Besides those maggots, Mark is also a big tattoo fan since he was young, he got his first tattoo (a lizard) on his shoulder about 20 years ago, and Mark had the lizard surrounded by a super weird tribal tattoo later. The meaning of the tattoo is not the most important thing for him, Mark thinks that tattoo is a very natural thing for him, and it’s also a very good way for him to mark life experiences. Mark is invited to be a visiting professor at international universities, and by the chance of travelling around the world, Mark said that he would like get more tattoo in other cities if he finds good tattooist, how about Taiwan? Possible!


來來㉂自德國的法㊩醫昆蟲㈻㊫學權威

法㊩醫的工作在我們的想像㆗㊥中,是㆒㈠㊀一個吃重不不討喜的工 作,因為常常面對的不不是殘缺的大體,就是惡惡臭的腐 屍。但來來㉂自德國Mark Benecke,卻在這個工作㆖㊤上㈲㊒有著 亮亮眼的表現。今年年 42 歲的 Mark,在 1997 年年取得科隆隆大㈻㊫學的㊩醫 ㈻㊫學博士㈻㊫學位,不不但幫助警察屢屢破奇案,更更受過紐紐約市長朱利利安尼 的邀請,成為紐紐約市首席㊩醫檢官的法㊩醫顧問,不不但㈿㊯協助過 FBI 的 探員辦案,也曾接受探險頻道Discovery Channel的採訪,介紹 他最重要的研究領領域:法㊩醫昆蟲㈻㊫學。

與蟲蟲情報㈵㊕特搜隊為伍

法㊩醫昆蟲㈻㊫學這個㈴㊔名詞在台灣幾乎沒㈲㊒有聽過,在全世界的研究㆟人員 更更是寥寥可數數,而 Mark 所研究的更更是大家都都厭惡惡之極的蛆蟲。 為什什麼要研究蛆蟲呢? Mark 說說說,在他的眼㆗㊥中,蛆蟲就是他的情 報㈵㊕特搜隊㆒㈠㊀一樣,可以用來來判斷屍體確切切的死亡時間,這跟蛆蟲本 身的㈵㊕特性㈲㊒有關,Mark 跟我們介紹,雌蠅並不不是到處產卵卵,必須 是溫暖潮濕又㈲㊒有充足的蛋白質供應的㆞地方,而㆟人體就是絕佳的產 卵卵㆞地。雌蠅在幾分鐘內就可以完成產卵卵,小蛆蟲在幾小時或是㆒㈠㊀一 ㆝天內就會孵化完成,而能夠精精準判斷的關鍵更更是因為蛆蟲不不同的 生命週期相當分明,出生、幼蟲、成蛹。屍體的內部化合物也因 腐敗程度度不不同而產生變化,這些判讀讀就可以提供檢方㈲㊒有利利的證 據,即使是高度度腐敗的屍體,也可以透過這些蛆蟲透露露出遇害的 時間,再與嫌疑犯等相關供詞㆒㈠㊀一對照,就能將不不法之徒繩之以 法。 雖然 Mark 現在已經是全球法㊩醫昆蟲㈻㊫學的權威,但是這個常 常與蛆蟲共處的工作內容,實在讓㆟人不不太敢與他靠近,Mark 說說說, ㉂自己在紐紐約刑事調查部裡裡,可是被大家封為頭號怪咖,因為他㆘㊦下 班後會在腐肉㆖㊤上培養蛆蟲,還㈲㊒有同事說說說常看著他對著滿身蛆蟲蠕 動的屍體發呆,㈲㊒有時屍袋㆒㈠㊀一打開,大量量的蛆蟲劈哩趴啦的掉㆒㈠㊀一 ㆞地,可把驗屍房的其他同事嚇得半死。Mark 說說說,雖然工作㆖㊤上每 ㆝天與蛆蟲相處,但其實驗證的工作相當㈲㊒有壓力力,德國的法㊩醫機構 ㈩㊉十分健全而且嚴謹,如果事後發現驗證㈲㊒有問題而導致冤獄的話, 負責驗證的法㊩醫就必須付出每㈰㊐日 1000 歐元的㈹代價,累累積幾來來也 是相當可觀,所以他們對於驗證的工作做得非常小心謹慎。

刺青是用來來記錄錄生命當㆘㊦下的方式

除了了法㊩醫的工作,Mark也很喜歡刺刺青,他說說說㉂自己第㆒㈠㊀一個刺刺青是肩膀㆖㊤上的蜥蜴, 那是在 20 多年年前德國第㆒㈠㊀一家官方認證的刺刺青店所刺刺的,之後更更沿著蜥蜴的圖 延展了了許多很㈵㊕特別的圖騰,對Mark來來說說說,他覺得刺刺青是㆒㈠㊀一種很㉂自然的行行為, 每個成年年㆟人都都可以做的事情,㈲㊒有時候他也會對於不不刺刺青的㆟人感到奇怪。刺刺青 的圖紋對他來來說說說並不不是非常重要,而是他用來來記錄錄生命的方式,他知道當初 ㉂自己為什什麼刺刺這個圖,但時間㆒㈠㊀一過去,刺刺什什麼似乎不不再是重點!長年年受邀擔 任國際間各大㈻㊫學的客座教授,Mark 常常㈲㊒有機會到其他城市,如果再來來愈到不不 錯的刺刺青師,Mark也會想要再刺刺青,就如同他所說說說的,這是再㉂自然不不過的 事了了。

法醫學小常識

利利用昆蟲來來㈿㊯協助刑事案件的調查在國外是㆒㈠㊀一門專門的㈻㊫學問,叫做法㊩醫昆蟲㈻㊫學。其實在㆗㊥中國春秋戰國時㈹代,孫子就記載過㆒㈠㊀一個與昆蟲㈲㊒有關的案件,㈲㊒有㆒㈠㊀一個㆟人被殺殺害後遺屍在稻田裡裡,前來來查案的公差看見見㈲㊒有㆒㈠㊀一個嫌 疑犯手㆗㊥中的鐮刀㆒㈠㊀一直㈲㊒有蚊蠅飛繞盤旋,心㆗㊥中起疑,後來來捉拿嫌疑犯後察看鐮刀,果然看出刀㆖㊤上還㈲㊒有㆒㈠㊀一些血跡,這也是因為蚊蠅喜歡接近血腥的關係。蛆蟲除了了會在屍體的㉂自然孔穴㆗㊥中產卵卵,也會在屍體的傷口㆖㊤上 繁殖,是抓出真凶的重要線索索。

"Ärzte haben sehr viel anderes zu tun"

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) S. 24 (mit großem Dank an die Redaktion), GUT ZU WISSEN, Do., 22. Aug. 2019, S. 24

Sollen nur noch Mediziner Tattoos per Laser entfernen dürfen? Nein, sagt Pro-Tattoo-Chef Mark Benecke

VON MELANIE HEIKE SCHMIDT
OSNABRÜCK. Jeder vierte Deutsche ist tätowiert, doch nicht alle lieben ihren Körperschmuck. Schätzungen zufolge lassen sich rund 1,2 Millionen Menschen im Jahr ein Tattoo per Laser entfernen. Derzeit bieten auch Kosmetiker oder Tätowierer solche Entfernungen an, doch ab Ende 2020 soll das allein Fachärzten vorbehalten sein.

Das stößt auf Kritik, etwa bei Mark Benecke. Der Kriminalbiologe — auch genannt „Dr. Made" — ist Deutschlands einziger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverstän-diger für biologische Spuren. Wer ihn bei seinen zahlrei-chen Vorträgen oder in TV-Dokumentationen sieht, entdeckt schnell: Benecke hat ebenfalls eine Leidenschaft für Tattoos. Wie viele der Kölner inzwischen hat, weiß er selbst nicht genau. Wichtiger ist ihm, in seiner Funktion als Vorsitzender des 2011 gegründeten Vereins Pro Tattoo über das Tätowieren „neutral und kritisch zu berichten".

Was Benecke über die ab 2020 greifende Neuregelung zum Entfernen von ungeliebten Tattoos denkt, erklärt er hier im Interview.

Herr Benecke, wer ungeliebte Tattoos loswerden will, wird damit schon bald ein Fall für den Arzt. Eine neue Regelung sieht vor, dass die Tattoo-Entfernung per Laser ab Ende 2020 nur noch von Medizinern übernommen werden darf. Was halten Sie davon?

Mark Benecke: Die Neuregelung ist sinnlos. Erstens kenne ich kaum Ärztinnen und Ärzte, die sich dafür interessieren, wie Tattoo-Entfernungsgeräte funktionieren. Zweitens haben sie meist sehr viel anderes zu tun. Besonders die hier kundigen Hautärzte sind schon jetzt Monate im Voraus wegen Allergien, Hautkrebs, Geschlechtskrankheiten und vielem anderem ausgelastet. Die meisten von ihnen haben bestimmt keine Lust, stattdessen Tattoos zu entfernen.

Dennoch werden die Ärzte ja mit diesen Anfragen zu tun haben, ebenso Tattoo-Studios, die bislang auch das Entfernen von Tattoos im Programm halten. Was glauben Sie, geschieht ab dem kommenden Jahr?

Entweder wird das durch Tricks gelöst, also die Praxis-Hilfe beim Arzt macht es unter Anleitung, obwohl das Delegationsverbot dies verbietet, oder durch Nicht-Hinschauen bei Tätowierern und Tätowiererinnen und Kosmetikern und Kosmetikerinnen.

Wir fragen uns bei Pro Tattoo auch, wie die vorgeschriebenen Sachkunde für Ärztinnen und Ärzte geprüft werden soll. Viele ärztliche Kollegen und Kolleginnen ersticken in Arbeit. Im Medizinstudium beschäftigen sie sich nicht mit Tattoo-Entfernung. Das Thema ist für Studierende in etwa so sexy wie eingewachsene Zehennägel.

Aber es gibt doch sicher Gründe, die für eine solche Änderung sprechen.

Mir fallen keine ein. Es gibt noch nicht einmal sichere Studien, die zeigen, dass die bisherigen Anbieter Tattoos schlechter entfernen als Ärztinnen und Ärzte es künftig alleine machen sollen. Das wird ein Riesen-Heulen und -Zähneklappern geben.

Warum das? Erstens werden die meisten Menschen nur schwer eine Ärztin oder einen Arzt für eine Tattoo-Entfernung finden. Zweitens werden sich ärztlichen Kolleginnen und Kollegen ungewöhnliche Gesprächsformen angewöhnen müssen.

Wie meinen Sie das?

Nach der Tattoo-Entfernung kann es bei schlampigen Menschen beim Baden, am Strand, durch Reibung an Kleidung und schlotzige Hände beispielsweise zu Entzündungen kommen.

Kosmetiker und Tätowierer kennen diese endlosen, immer gleichen Gespräche seit ihrem ersten Tag im Beruf. Ein Zettel mit Informationen wird kaum beachtet, viel besser sind ruhige, vernünftige Gespräche. Welche Ärztin und welcher Arzt hat dafür Zeit? Und vor allem: Wer möchte für diese Kundinnen und Kunden ärztlich haften?

Wie wird künftig wohl hierzulande die Tattoo-Entfernung ablaufen?

Vor allem könnte die Tattoo-Entfernung aus den genannten Gründen in Deutschland vielleicht sauteuer werden, in Polen, der Tschechischen Republik und Frankreich vielleicht aber nicht. Ich wette, dass das Ganze ins Hinterzimmer abrutscht, weil die Kundinnen und Kunden nicht ewig warten und dafür weit reisen wollen. Eine Tattoo-Entfernung dauert viele Stunden in mehreren Sitzungen.

Noch bescheuerter ist übrigens, dass ab Ende 2020 Kosmetikerinnen und Kosmetiker auch wegen dauerhafter Haarentfernung, elektronischer Muskel-Anregung und dergleichen eingeschränkt werden sollen. Warum zur Hölle?

Dass es Kenntnisse und Fähigkeiten braucht, um Tattoos sicher und fachgerecht zu entfernen, liegt aber doch auf der Hand. Wie könnte man dies sonst sicherstellen?

Was ist mit den ganzen Kosmetikerinnen und Kosmetikern, Piercerinnen und Piercern, Tätowiererinnen und Tätowierern, die nicht studiert haben, ihren Job aber nachweislich eins a machen? Wieso können sie nicht eine — von mir aus auch strenge — Zusatz-Einweisung mit Zertifikat und allem Drum und Dran erhalten und dann mit dem weitermachen, was sie bisher gut und für die Kundinnen und Kunden angenehm schon lange gemacht haben? Interessante Info am Rande: Auch die Deutsche Gesellschaft für EU-Konformität ist gegen die Neufassung der Regelungen.

Ich habe übrigens noch eine Idee: Menschen könnten sich vorher überlegen, was sie tätowiert haben wollen, in Ruhe einen Profi-Laden aussuchen und brauchen dann auch keine Entfernung. Ein Tattoo ist fürs Leben.

(Mit vielem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.)


Wie finde ich das richtige Tattowier-Studio?

ZDF-Interview


Fachbuch “Tätowierungen”

Vorwort


“Das Verbot ist beknackt.”

Tätowier-Farben

BMXnet Body Modification Conference, Berlin 2024

18th bmxnet Body Modification Conference in Berlin (August 1-4, 2024)

Speakers (most likely):

Alessandro Ceccato, Alex Pereiro, Andre Berg, Andrea Venhaus, Ansger Fritze, Bethrah Szumski, Beto Rea, Brian Skellie, Bruno BMA Valsecchi, Cale Belford, Caro Ley, Chandler Barnes

Charlyne Chiappone, CoCo Katsura, Corey Torok, Cristiano Aielli, Ðana Ribarević, Daniel Hetz, Daniel Lemon, Danila Tarcinale, Dorsch, Dr Matt Lodder, Dr. Ines Schreiver, Dr. Mark Benecke, Eden Thomson, Enrico Podjaski, Eugenia Monti, Fiona Hughes, Flo, Francesco Capodicasa, Gábor Zagyvai, Haillim Herrera, Isabell Defiebre, J’son D’souza, Jana Reuter, Jane Absinth, Johannes Holfeld, Kenneth Crespo, Kevin Jump, Kim Hutchinson, Kim Partheymüller, Lemmi, Lola Slider, Loreia, Lumina Obscura, Luna Duran, Lynn Loheide, Manfred Kohrs, Marcus Meyer, Marcus Strohner, Martin Siedler, Marzena Warneke, Masahiro Kahata, Matt Kirk, Michael Kolar, Nahuel Burgos, Necro Black, Nicholas The Geezer, Nora, Pam von Falkenstein, Patrick McCarthy, Paul King, Paul Lüpke, Paulina Peszka Paoli, Rob Hill, Roberto Avilés, Rubén Triguero, Ryan Ouellette, Ryoichi Keroppy Maeda, Sana Sakura, Shawn Porter, shiva 108, Steve Haworth, Stuart Hofman, Svenja Herrmann, Taku Oshima, Tanja Podjaski, Torben Teichmann, Travelin’ Mick, Urban Slamal, Victoria Lickfeldt, Xhules as well as performances, e.g., by Louis Fleischauer

Star-Gast: Rolf Buchholz

Including two birthdays 🎂



BMXnet Konferenz

2021 | Berlin


BMXnet Konferenz

2022 | Essen


BMXnet Konferenz

2019 | Essen

Wissenschaft & Crime mit Dr. Mark Benecke

Unser Gast in Folge 44 ist in vielerlei Hinsicht speziell und ein bemerkenswerter Vertreter unserer Spezies. Zuerst einmal ist er der erste Gast, dem sein Alter komplett egal ist, da denkt er nicht drüber nach. Obwohl er sehr auf Messungen steht. Und Zeit kann man ziemlich gut messen. Wir tauchen ein in die vielen Betätigungsfelder von Deutschlands bekanntestem Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke. Denn er ist nicht nur bekannt als „Dr. Made“ für das Spezialgebiet der Tiere auf Leichen, sondern hat noch viele andere Interessen und Einsatzgebiete. Hört euch das an!

Live im Podcast 'NOT TOO OLD - Für Männer, die noch was vorhaben'

Folge 44: Wissenschaft & Crime: Der Kriminalbiologe über das Älterwerden, Forensik, Comics, Klima und Tattoos.


War Hitler eine Frau?

Podcast | 2024


Wie finde ich das richtige Tätowier-Studio?

ZDF | 2024


Insekten auf Leichen

Podcast “Beats & Bones”


Weck mich am Arsch

Mit Langschläfer Mark


Lenins Leiche: Mit Mark im Moskauer Mausoleum

Podcast “Die Geschichtsmacher”

Mark Benecke: Prohibition of Tattoo Pigments (Verbot von Tätowier-Farben / Pigmenten): Speech at BfR's 2nd International Berlin Conference on Tattoo Safety

Vortrag bei: "Herausforderungen für den öffentlichen Gesundheitsschutz im 21. Jahrhundert: 2. Internationale Konferenz zur Sicherheit von Tätowiermitteln / Challenges in Public Health Protection in the 21st Century: 2nd International Conference on Tattoo Safety”

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