Facharbeit
Name: Saskia Richter
(Tutorenkurs: Frau Sombke)
Betreuerin: Frau Michler
Vorgelegt am: 23. März 2018
Geschwister Scholl Gymnasium Löbau
Teaser
I. Die Selbstverdauung des Körpers
1. Der Zeitplan der Verwesung
„Eins. Zwei. Acht. Die Ziffern des Zerfalls. In diesem Verhältnis verwesen alle Organismen, ob groß oder klein. An der Luft, im Wasser, unter der Erde.“ – Simon Beckett, Verwesung (Seite 7)
Gesetzt den Fall, dass drei unterschiedliche Leichen unter gleichen klimatischen Bedingungen verwesen: Eine der drei liegt an der freien Luft, ist also aeroben Bedingungen ausgesetzt, eine schwimmt in einem See oder ähnlichem Gewässer und die Dritte wurde in der Erde vergraben. Die benötigte Zeit für die chemische Zersetzung ist beim freiliegenden Leichnam am kürzesten. Die Wasserleiche hingegen benötigt den doppelten Zeitraum für dasselbe Maß an Verwesung. Ist ein Organismus jedoch vergraben im Erdboden, benötigt er für die Zersetzung acht Mal so lange wie an der Luft. Dieses Phänomen wird in der Forensik als Casper'sche Regel aufgeführt. Es gilt zwar in einigen medizinischen Kreisen mittlerweile als überholt, ist aber als Leitregel noch immer anwendbar.
Die voneinander abweichenden Zeitpläne werden beispielsweise durch Temperaturunterschiede, sich vom Fleisch der verwesenden Leiche ernährende Insekten sowie die Verwesung beschleunigende Mikroorganismen beeinflusst. Somit können Leichen in bestimmten Bodenarten wochen-, monate- oder sogar jahrelang konserviert werden.
Doch wodurch werden die menschlichen Körper nach dem Tod, an der Luft, im Wasser oder unter der Erde in ihrer Selbstverdauung behindert und begünstigt? Ich möchte dies vor allem hinsichtlich der beschleunigenden Faktoren Wetter, Aas fressende Tiere und Kleinstlebewesen betrachten.
An der Luft:
An der Luft sind Leichen jeglichen Einflüssen durch das Wetter, Tiere und Mikroorganismen ausgesetzt. Die Zersetzung wird daher dort am stärksten beschleunigt. Besonders Sonneneinstrahlung und die damit verbundene Wärmeeinwirkung auf den Körper, aber auch Regen haben Auswirkung auf die Erscheinung einer menschlichen Leiche. Die Wärme der Sonne lässt sie, vor allem in den warmen Monaten, austrocknen und die Haut wie Leder erscheinen. Das kommt daher, dass dem verwesenden Organismus durch Verdunstung Wasser entzogen wird. Dabei trocknen die Zellen aus und ziehen sich zusammen, was zum lederähnlichen Aussehen der Körperoberfläche führt. Regen hingegen bewirkt, dass der Körper aufgedunsen ist.
Doch nicht nur die Einflüsse von oben können die chemische Zersetzung beschleunigen. Ein großer Teil der Mikroorganismen, welche maßgeblich an der Verwesung beteiligt sind, stammen aus dem Boden. Dabei sind die Art des Bodens sowie die klimatischen Bedingungen relativ unbedeutend. Diese Mikroorganismen sind meist Bakterien und bestimmte Einzeller, aber auch Pilze und Fadenwürmer geben Auskunft über die Verwesungsstadien von Säugetier-Kadavern jeglicher Art. Unterstützten sie den Organismus teilweise bisher noch, so gehen sie nach dem Tod dazu über, die organischen Substanzen zu verdauen. Die Mikroorganismen dringen von außen in das Fleisch des Körpers ein und besonders die Bakterien bauen beispielsweise Proteine und die Aminosäuren, aus denen diese aufgebaut sind, ab.
Es ernähren sich jedoch nicht nur Kleinstlebewesen vom Leichnam, sondern auch andere Säugetiere sowie Insekten. Letztere bieten außerdem die Möglichkeit einer ersten Einschätzung des Todeszeitpunktes, genau genommen Schmeißfliegen und deren Larven, welche in offenen Wunden und Körperöffnungen nisten. Allerdings fressen beispielsweise Waldtiere auch den toten Körper oder Teile davon und beschleunigen somit die Zersetzung.
Der Zugang von Tieren und Mikroorganismen wird durch die offene Lage begünstigt, was den kurzen Zeitraum, in dem der Verwesungsprozess stattfindet, erklärt.
Unter der Erde:
Das Gegenteil dazu bildet die chemische Zersetzung menschlicher Leichen im Erdboden. Acht Mal so lange wie an der Luft benötigt diese nach der Casper'schen Regel dort. Wie kommt es jedoch zu solch immensen Schwankungen in der Dauer des letzten körperlichen Prozesses? Der offensichtliche Unterschied ist die Unmöglichkeit von Auswirkungen der Wetterverhältnisse und Aasfresser auf den Leichnam. Ist der Körper, wie normalerweise üblich, tief genug unter der Erdoberfläche, ist es auch Tieren mit starkem Spürsinn äußerst selten möglich, den Leichnam zu lokalisieren und durch Graben an ihn heranzukommen. Da auch Sonneneinstrahlung und die damit verbundene Wärme den dunklen, feuchten Erdboden nicht durchdringen können und der Regen ihn höchstens zusätzlich befeuchtet oder die obere Schicht abträgt, sind somit zwei der drei bedeutendsten Verwesungsfaktoren grundsätzlich als eliminiert anzusehen.
Den einzig verbliebenen Einfluss, welcher seinen Ursprung im Boden hat und daher keine Schwierigkeiten, in ebendiesen vorzudringen, stellen die Mikroorganismen dar. Sie besitzen eine enorme Bedeutung für die Zersetzung, auch unabhängig von den anderen beiden Faktoren. Allerdings bildet sich um Körper, die unter der Erde vergraben sind, eine Art Vakuum, welches folglich keinen Sauerstoff enthält. Das O2 benötigen Bakterien jedoch für den Verwesungsprozess, da ohne es kein mikrobielles Wachstum möglich ist.
Somit ist jeder Leichnam unter der Erde lediglich von seinen individuellen Zersetzungsprozessen abhängig. Dies führt auch beispielsweise zu den unterschiedlichen Ansichten über die Dauer von, nicht durch Exhumierungen zu störender, Totenruhe auf Friedhöfen.
Im Wasser:
Im Wasser ist die Prozessbeschleunigung durch die äußeren Einflüsse nur in abgeschwächter Form gegeben, weswegen die doppelte Zeitspanne im Vergleich zur Verwesung unter freiem Himmel benötigt wird.
Durch die Lage der menschlichen Leiche in Flüssigkeit ist eine vollständige Austrocknung durch die Sonne und warme Temperaturen nicht möglich. Auch die Auswirkungen durch Niederschlag in Form von Regen erübrigen sich aufgrund dessen.
Auch Aas fressende Tiere haben keinen oder nur sehr begrenzten Zugang zum Körper und können diesen daher nicht in beschleunigter Form abbauen. Die in millionenfacher Anzahl im Erdboden vorkommenden Mikroorganismen sind in Gewässern ebenfalls nicht vorhanden. Zwar existieren durchaus auch in dieser Umgebung Bakterien und diverse andere Kleinstlebewesen, welche den Organismus nach dem Tod üblicherweise zersetzen, sie arbeiten jedoch dahingehend bedeutend weniger effizient als jene an der Luft.
Menschliche Leichen, deren chemische Zersetzung im Wasser stattfindet, weisen zusätzlich noch andere Besonderheiten auf, die ich an dieser Stelle näher betrachten möchte.
Wasserleichen - eine besondere Art der chemischen Zersetzung:
Wasserleichen zu finden und zu bergen stellt eine besondere Schwierigkeit dar. Gelingt es jedoch, kann man aus den Verwesungsbesonderheiten interessante Schlüsse zur Zersetzung ziehen. Bedingt durch die Lage auf dem Bauch, in der die Leiche im Wasser treibt, bilden sich an der Vorderseite die sogenannten Totenflecke. Diese entstehen aufgrund von Blutablagerungen und verteilen sich wegen der besonderen Treiblage lediglich auf die vorderen Körperpartien. Das Treiben des Körpers kann vor allem in fließenden oder von den Gezeiten betroffenen Gewässern auch zu postmortalen Verletzungen führen. Diese sind jedoch bei genaueren Untersuchungen von zum Tod führenden Verletzungen zu unterscheiden.
Es sind allerdings nicht nur Abnutzungsspuren von Treibverletzungen und dem natürlichen Tierfraß am menschlichen Kadaver zu erkennen. Durch die Auflösung des weichen Gelenkgewebes, welches Hände und Füße mit dem Rest des Körpers verbindet, lösen sich diese ab, insofern sie nicht durch Kleidung gehalten werden. Die Extremitäten sind ebenfalls besonders betroffen von der Bildung der Waschhaut. So wird die gequollene Leistenhaut bezeichnet, welche sich an Hände und Füßen bildet und sich besonders von den Fingern, einschließlich Fingernägel, ähnlich einem Handschuh abstreifen lässt. Unter anderem an jener kann man die Liegezeit der Leiche im Wasser abschätzen. Es gibt jedoch auch genauere, auf biochemischen Reaktionen basierende Erkenntnisse zum Zustand eines toten Körpers.