Experteninterview: Felix Altenbach

Datum: 11. März 2008
Uhrzeit: 18.30 bis 19.00 Uhr
Ort: Aula am Aasee, Münster
Beteiligte Personen:

Dr. Mark Benecke Kriminalbiologe, Köln
Daniela Eschkotte Redakteurin Antenne Münster, Münster
Felix Altenbach Schüler der Ludgerusschule Münster-Hiltrup, Klasse 4a
Marcel Sablotny Lehramtsstudent im Forder-Förder-Projekt zur Begabtenförderung im Drehtürmodell (Praktikum ICBF, VVWU Münster, Ludgerusschule)

Experteninterview, durchgeführt im Rahmen des Forder-Förder-Projektes
Wissenschaftliche Begleitung: Prof. Dr. Christian Fischer
Internationales Centrum für Begabungsforschung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Schule: Ludgerusschule Münster-Hiltrup
Schulleiterin: Gabriele Langkamp
Stellvertretender Schulleiter: Martin Nielebock
Klassenlehrerinnen: Claudia Sander-Braunert, Maria Kerkmann, Claudia Thies
Projektleiterin: Monika Kaiser-Haas
Studierende: Marcel Sablotny, Daniel Bublitz, Nadine Wrocklage, Andreas Micke, Antje Depping

Von Felix Altenbach

Frage: Wie viel Prozent der Kriminalfälle können durch solche Untersuchungen endgültig geklärt werden?

Antwort: Endgültig ... , na ja, was endgültig ist, entscheidet der Richter. Ich würd' mal sagen, durch genetische Fingerabdrücke kannst Du viel mehr Fälle als früher sehr schnell lösen.

Und insgesamt?

Durch alle forensischen und kriminalbiologischen Untersuchungen? So viel man weiß, bei Tötungsdelikten, also bei Mord und Totschlag und so werden dadurch angeblich 95 % der Fälle gelöst. Aber wir wissen ja gar nicht, wie viele Fälle wir gar nicht erst entdecken; das heißt, die sogenannte Dunkelziffer. Wir glauben, dass wir 95 % der Fälle lösen, aber in Wirklichkeit sind es viel weniger, weil wir nicht die anderen Fälle haben.

Kann es sein, dass es dann nur 50 % der Fälle sind?

Ja, könnte sein. Aber ich glaub', es sind nicht ganz so viele, weil manchmal entdeckt man ja zufällig ein Verbrechen und dann stellt man fest, dass da nur irgendetwas Bestimmtes übersehen wurde. Aber es kann sein. Ich halt's nicht für sehr wahrscheinlich, aber möglich ist es, ja.

Was ist eine forensische Untersuchung?

Forensische Untersuchung ist alles, was man vor Gericht macht. Es gab früher bei den Griechen ein Scherbengericht. Da haben sich alle Leute auf den Marktplatz gestellt und da wurde dann eine Gerichtsverhandlung gemacht. Auf dem Forum, dem Marktplatz. In foro = vor der Öffentlichkeit. Und dann haben die in die Scherben geritzt, ob sie geglaubt haben, ob derjenige schuldig ist oder nicht. Also Gerichtsverhandlungen sind theoretisch öffentlich, also wenn man nicht arbeiten müsste - die meisten müssen zwar arbeiten - und Zeit hätte, könnte man dahin gehen. Gut.

Jede Untersuchung, die einen Sachbeweis darstellt, ist dann forensisch. Das heißt, wenn ein Arzt zum Beispiel sagt, diese Verletzung kommt von einem Messer, dann ist das forensisch. Oder wenn ein Giftkundler sagt, man kriegt nur ein blaue Zunge von dem und dem Gift. Oder ich als Kriminalbiologe sage zum Beispiel, das Tier da lebt normalerweise nur in einem Mangofeld. Jetzt haben wir die Leiche aber im Wasser gefunden, da wachsen aber keine Mangos. So was. Also alles, was Expertenwissen darstellt.

Es gibt auch andere Fälle, wie ein Techniker. Oder hier, Tätowierer. Mein Tätowierer war mal ein forensischer Tätowierer, weil er vor Gericht sagen musste, wie schlecht das Tattoo von dem Mann ist, der gesagt hat: Mein Tattoo ist so schlecht, ich will jetzt Schmerzensgeld oder so was dafür. Oder Du, Du hast ja Lehrer. Dann könnte man Dich als Experten befragen und sagen: Findest Du, dass Deine Lehrer nett sind oder nicht nett sind, oder, ob die was können oder nicht können. Dann bist du auch ein Experte, nicht forensisch, aber Experte bist Du dann.

Gibt es eigentlich viele Lehrlinge in Ihrem Beruf, also Menschen, die das lernen?

Ja, wir haben ganz viele Studenten. Ja, wir machen auf der ganzen Welt Kurse und dann sind das Studenten. Übrigens, das mit dem "Lehrling" ist auch eine gute Frage. Wir sagen auch, das ist wie ,Lehrlingsein' und später, wenn Du das ein bisschen kannst, ist das wie beim Gesellen im Handwerk. Und wenn Du das richtig lange machst, bist Du ein Meister, wie zum Beispiel ein Bäckermeister oder ein Fliesenlegermeister oder so was. Da muss man es aber länger machen und mehr Erfahrung haben.

Welche Methoden zur Aufklärung eines Verbrechens sind in letzter Zeit neu hinzugekommen?

Also 1985 - was für mich eine kurze Zeit und für Dich 'ne lange Zeit ist - sind die genetischen Fingerabdrücke erfunden worden. Das war eine sehr neue Methode. Und jetzt, in allerneuester Zeit gibt's noch so Spezialmethoden, wo alles viel schneller geht. Das, was sonst ein Mensch machen musste und ganz lange dauerte, machen jetzt Roboter. Das geht schneller, denn da kann man Tag und Nacht die Maschinen laufen lassen, sogenannte Hochdurchsatzgeräte zur DNA-Typisierung.

Und was auch noch besser geworden ist, sind die Gifte. Früher musste man alle Gifte einzeln untersuchen. Zum Beispiel, wenn man eine Gewebeprobe aus einem Muskel oder vom Urin einer Leiche oder von einem lebenden Menschen hatte, dann musstest Du alles einzeln machen. Jetzt können die Maschinen das alles gleichzeitig machen. Das geht dann 1000 oder 5000 mal schneller als vorher.

Warum wird die DNA in Streifen gedruckt und nicht, wie sie wirklich ist?

Weil das nicht geht. Also, das ist eine gute Frage. Ne bessere Frage als von der Frau ...

Die hat ja keine Ahnung.

Ja, genau! Weil die DNA, wenn sie wirklich ist, ist sie ein langer Faden. Also, das ist so ein 2 Meter langer Faden in jeder Zelle. Da kannst Du nicht die Unterschiede sehen. Wenn ich zum Beispiel aus Deinen Zellen die DNA herausziehe und aus meinen Zellen die DNA herausziehe, dann sehen die gleich aus. Man muss das ganz ganz stark vergrößern, um die Unterschiede zu sehen. Und deswegen nimmt man diese Balken und die sind bei Dir, bei einer Frau und bei mir verschieden groß. Deswegen muss man das so machen.

Wie lange werden die Untersuchungsergebnisse aufbewahrt und wo?

Bei DNA? Auch sehr gute Frage! Alles gute Fragen.

Nein überall.

Von den genetischen Fingerabdrücken?

Alle Untersuchungsergebnisse.

Also, es kommt darauf an, die Gerichtsmediziner bewahren das, glaube ich, so 10 bis 20 Jahre auf in so Papierordner. Und die Polizei, da hängt's davon ab, was es für ein Verbrechen war. Zum Beispiel Mord: da bewahren die das so 50 Jahre oder so auf, aber beispielsweise bei Verkehrsunfällen dann nicht so lange. Wir bewahren die auch so mindestens 10 bis 20 Jahre auf. Bei genetischen Fingerabdrücken kommt's darauf an, ob die Person etwas getan hat oder nicht. Wenn die Person nix getan hat, müssen die Daten sofort gelöscht werden.

Mit welchen Mitteln wird die DNA in kleinere Stücke geschnitten?

Also, Du musst heutzutage die DNA gar nicht mehr zerschneiden. Man hat sie früher mit so ganz kleinen Teilen wie Scheren zerschnitten. Aber das war keine Schere aus Metall, sondern ist ein Molekül, so wie eins aus Deiner Haut, Deinem Blut oder Deinen Haaren. Das ist eine biologische Substanz, die ist so klein, dass sie eine ganz ganz kleine Schere ist und dann kann die den Faden, der ja - wie gesagt 2 m lang in jeder Zelle ist zerschneiden, weil sie dann bestimmte Stellen erkennt. Eine Schere, also wenn Du zu Hause eine Schere hast, die kann das dann nicht. Die weiß ja nicht, wo sie schneiden muss. Die schneidet ja nur da, wo Du sie hinhältst.

Aber diese biologischen Moleküle die können das besser, die wissen das. Die schneiden nur da. So, als ob die Schere wissen würde, wo man den Faden durchschneiden möchte. Und das macht man dann so. Das sieht aus wie ein Röhrchen, ein ganz kleines Röhrchen. Und Du hast ein Gefäß, das ist ungefähr so groß wie Deine Fingerkuppe und mit dem kleinen Röhrchen kannst Du es da reintropfen. Und dann erkennt es das und zerschneidet es an den Stellen. Aber heutzutage braucht's man nicht mehr.

Weil heute macht man es so, dass man die Stellen, die man haben will, die schneidet man nicht mehr aus, sondern die kopiert man mit einem anderen Molekül. Also statt des Rausschneidens nimmt das Molekül nur noch diese Stellen und kopiert sie einfach. Das ist wie beim Kopieren. Du hast ein Buch mit 500 Seiten, legst es darauf und dann wird immer nur diese eine Seite kopiert.

Diese Schere kann also ganz viel. Dann müsste es doch möglich sein, die DNA so zu anzuzeigen. wie sie wirklich aussieht?

Ja, das geht auch. Ich verstehe. Du kannst sie, wenn Du willst mit einem ziemlich teuren Gerät sehen. Die DNA besteht ja aus vier einzelnen Teilen und die kann man auch darstellen. Da hast Du recht, das würde gehen. Aber ist ein bisschen teuer, kann man aber machen. Aber der Unterschied ist das Sehen. Wenn ich Dich von da hinten aus sehe, dann kann ich die Deine Brille sehen, aber nicht, welche Farbe sie hat. Gesehen hab ich Dich aber trotzdem. Oder, wenn ich ganz nahe dran gehe, dann kann ich die Farbe Deiner Brille auch nicht sehen, weil ich nur die Farbe Deiner Wimpern sehe. Man muss den richtigen Abstand finden.

Also man könnte die DNA schon sichtbar machen, aber meistens ist das eine sinnlose Information. Etwa so: wenn die Frau da mich fragen würde, welche Farbe hat denn die Brille. Wenn ich hinten stehe, bin ich zu weit weg, wenn ich ganz nahe stehe, kann ich die Brille auch nicht sehen. Sehe ich nur die Wimpern, dann stehe ich zu nahe dran. Haste Recht! Wenn man den Abstand richtig einstellt, dann könnte man die DNA sichtbar machen. Okay!

Facharbeit: Ein Vergleich von Körperflüssigkeiten und -geweben mit entomologischen Untersuchungsmaterialien in der chemisch-toxikologischen Analyse

Facharbeit von Margarethe Ellke (klick für das .pdf)

Gymnasium Luisenstift Radebeul
Klasse: 10/1 
Betreuender Lehrer: Herr Reichel 
Fach: Biologie 
Abgabetermin: 03.03.2025 

Interview mit Dr. Mark Benecke

M. Ellke: Ich habe ein paar allgemeine Fragen und auch ein paar, die spezifisch zu meiner Facharbeit sind. Ein Entomologe wird ja jetzt nicht zu jedem Tatort gerufen, denn es gibt ja auch nur ganz wenige in Deutschland. Wann ist denn so ein spezifischer Fall, wo ein Ento-mologe gerufen wird? 

Dr. Benecke: Ein Entomologe wird gerufen, wenn die Polizei oder die Staatsanwaltschaft das gerade für gut hält. Das kann sein, weil die dich kennen und halt wissen, dass das eine Technik ist, die verfügbar ist. Oder weil sie es grade cool finden und mal sehen wollen, ob es was nützt. Also mehr so als Test. Oder weil gerade z. B. im Landeskriminalamt eine solche Abteilung eingerichtet werden soll und da wollen die sich das mal angucken. Einfach, um zu schauen, wie das funktioniert. Oder weil es in den USA gemacht wird z. B, wenn die eine Seite jemanden hat, der das macht und dann will die andere Seite das selber auch machen, um ein Gegengutachten zu haben. Das gibt es in Deutschland ja nicht. Also, das kann viele Gründe haben. Oder weil die Zusammenarbeit sowieso schon vorher besteht, bspw. weil in der Rechtsmedizin einer dabei war, der die ganze Zeit die Insekten eingesammelt hat, dann kennen die sich schon und dann sagen die, ach, wenn du jetzt eh da bist, dann sammele die schnell ein und vielleicht, wenn wir das Gutachten brauchen, kannst du dann später ein Gut-achten machen. Da gibt es ganz viele Möglichkeiten. 

Man tötet dann manche dieser Insekten ab und manche zieht man weiter auf, um die Art zu erkennen. Kann man die Abgetöteten dann zusammenmixen, wenn man sie auf eine toxische Substanz untersuchen will oder untersucht man jede einzelne Art? 

Das Auszüchten brauchst du eigentlich heute nicht mehr machen. Wenn du ein Naturkundemuseum in der Nähe oder selber die Primer dafür hast, um die PCR zu machen, dann kann man das heutzutagee auch genetisch bestimmen. Also ich mach das noch gerne, mir die erwachsenen Tiere anzugucken, weil ich das noch gut kann. Meine Mitarbeiterin auch. Aber ehrlich gesagt, wenn du das jetzt machen wölltest, könntest du das auch genetisch machen. Die Datenbanken sind mittlerweile auch gut. Früher waren in den Datenbanken auch falsch bestimmte Tiere eingespeist. Heute sind die aber richtig bestimmt, da geht das alles. Ich würde auch nie was zusammenschmeißen, nie. Ich würde grundsätzlich, wenn du was getrennt gesammelt hast, es auch getrennt lassen. Sobald du was zusammenschmeißt, verlierst du Informationen. Wo das gesammelt wurde, oben, unten, an den Füßen, hinten, innen, klebend oder krabbelnd, unten am Baum, wo die Leiche hing, in der Hose, in welcher Schicht von den Klamotten, in der Tasche, z. B. bei Schnecken wichtig, nicht bei Insekten. Also, ich würde immer alles getrennt lassen. 

Ich habe die Frage, ob man vorher vielleicht auch schon an dem Verhalten der Insekten sehen könnte, ob die tote Person sich vielleicht vergiftet hat? 

Gute Frage! Aber nein, so hohe Konzentrationen erreichst du normalerweise nicht. Bei Kokain ist es ja z. B. so, da wachsen die Insekten dann verschieden schnell. Da ändert sich die Wachstumsge-schwindigkeit, was man aber natürlich nicht sieht, wenn man da einfach so draufguckt am Fundort. Also, ich denke nein. Höchstens, wenn jetzt jemand irgendwas drübergekippt hat über die Leiche oder sie in irgendwas reingelegt hat, z. B. in eine Tonne mit irgendwelchen Chemikalien, dann schon. Nehmen wir jetzt z. B. mal Insek-tengift. Das ist jetzt zwar total abwegig.

Aber mal angenommen, du hättest jetzt ein super-krasses Insektengift und die Leiche würde in einem Sack gelagert, der durchlässig ist, Kar-toffelsack oder Baumwolle. Und da wären jetzt Bettwanzen drin, die jetzt zufällig da dran sind und dir nur sagen, der Sack lag jetzt in der Nähe von Insektengift, denn dann gehen die Wanzen so ganz komisch, wie auf Stelzen. Die machen dann ihre Beine so ganz grade und dann gehe die auf so langen Beinen, wie sie halt normalerweise überhaupt nicht gehen. So-was würdest du dann sofort sehen. Und das wäre dann ein Insektengift, also auch ein Wanzengift.

Ich erfinde jetzt mal: in einem Hochhaus würdest du den Sack unten im Müllschluckerbereich finden und da würdest du die Wanzen rumstelzen sehen. Jetzt benutzen die da unten aber kein Insektengift, weil die höchstens ein Rattenproblem haben. Aber aus der Wohnung, aus der der Sack kam, hat jemand so was benutzt. Also in solchen Fällen, könnte man das schon mal sehen. Aber Schwermetalle oder normale Medikamente, die wirken jetzt nicht so stark auf die Insekten, dass du denen das sofort ansiehst. Und wenn sie tot sind, die Insekten, weißt du ja nicht, woran sie gestorben sind. Sie könnten ja auch einfach daran gestorben sein, weil jemand den Plastiksack zugezogen hat und alle erstickt sind.

Ja, verständlich. Wenn man die Insekten auf Drogen untersucht, gibt es ja verschiedene Analysemethoden, denen man die Insekten unterziehen kann. Welche wäre die beste Methode? 

Das kannst du frei entscheiden. Wenn du ein Naturmassenabsorptionsspektro-meter hast, würde ich das nehmen. Was es halt nicht immer gibt, ist HPLC und GC-MS. Also Gaschromatographie mit Massenspektrometrie. Das ist so was ähnliches wie ein Naturmassenabsorptionsspektrometer, aber das ist dann da zusammengefasst. Es hängt eigentlich von der Substanz ab. In der kriminalistischen Chemie benutzt man sehr gerne HPLC. Aber es gibt auch andere Verfahren. Also, wir waren mal in einem Labor, das geheime Labor vom Zoll, die haben da die abgefahrensten Geräte stehen gehabt. Wirklich. Das hängt auch ein bisschen davon ab, in welche Richtung du gehen willst. Gifte in Insekten… da werden die Gifte ja wahrscheinlich auch in ziemlich großer Menge vorliegen. Z. B. Haare fressen ja Insekten nicht, da würden sich jetzt Schwermetalle ablagern. Da würdest du kleine Mengen finden. Aber das, was jetzt tatsächlich in die Insekten übergeht, also was du bei einer ver-faulten Leiche in Insekten findest, müsste schon ziemlich hoch konzentriert sein. Da brauchst du jetzt nicht so was ultrafeines. Die Geräte sind heute alle super, ultrafein, aber da brauchst du nicht so was ganz Spezielles. Ich denke, mit solchen Sachen, wie gerade genannt, kommst du auf jeden Fall klar. 

Also kann man z. B. eine Gaschromatographie mit Massenspektrometrie machen? 

Ja, genau. GC-MS. Das steht in jedem Institut für Rechtsmedizin, wenn die eine giftkundliche Abteilung haben. Aber, wie gesagt, HPLC kann auch ganz gut sein. Es hängt wirklich davon ab, welche Menge das ist und welche Stoffgruppe. 

Hängt dann auch die Probenvorbereitung von dem Material ab? Oder von der Methode, die man dann anwendet? 

Nun, ich bin Biologe. Eine Chemikerin oder ein Chemiker wird das jetzt vielleicht anders beantworten. Aber ich würde sagen, ob das jetzt menschliches Material ist oder Insektenmaterial, das spielt nicht so eine große Rolle, denk ich mal. Du könntest jetzt aber einen Spezialfall haben, z. B. ausgetrocknete Puppen in einem archäologischen Umfeld. Wir hatten ja schon 1600 Jahre alte Käferflügel oder so. Da würdest du sicher ganz genau überlegen, welche Vorbereitungsreaktion du machst. Denn da kann es natürlich sein, dass ganz bestimmte Stoffe dann gar nicht mehr nachgewiesen werden können, andere können aber nachgewiesen werden. Da würde man sich dann zusammensetzen. Nehmen wir an, das wäre jetzt ein Kriminalfall, dann würde sich am besten eine Rechtsmedizinerin/ein Rechtsmedi-ziner, eine Chemikerin/ein Chemiker und eine Biologin/ein Biologe zusammensetzen und man würde anfangen zu überlegen. Ich als Biologe würde überlegen, was frisst das Tier überhaupt. Dann wird der Chemiker/die Chemikerin sagen, naja, wenn sich das im Fettgewebe des Insekts ablagert oder im Insektenflügel, wo überhaupt kein Fettgewebe ist, hat das dann bestimmte chemische Eigenschaften. Und der Rechtsmediziner/die Rechtsmedizinerin wird sagen, vor Gericht werden wir aber nach dem oder dem gefragt. … Das wird man zu dritt besprechen. 

Ich versuche ja in meiner Facharbeit, die Aussagekraft der körpereigenen Stoffe und der Insekten in der toxikologischen Analyse zu vergleichen. Ich habe schon herausgefunden, dass sich natürlich körpereigene Stoffe besser eignen, als die Insekten. Auch weil die ja nicht zum Körper gehören. Aber könnte man da durch Forschung noch mehr erreichen oder eher nicht? 

Nehmen wir mal an, du hättest jetzt ein Labor, wo du genau das vergleichen würdest. Dann wäre natürlich die Frage, reichert sich das in Insekten an oder ist das Gegenteil der Fall? Das haben wir auch schon mal gemacht. Da könntest du verschiedene Organe nehmen, z. B. Lebern, wo du dann bei manchen Stoffen viel drin hast oder Abbauprodukte von der Droge und dann ist die Frage a) verstoffwechselt das Insekt das, b) reichert es sich im Insekt überhaupt an oder nicht, c) rutscht das durch das Insekt durch, sodass a) und b) überhaupt gar keine Rolle mehr spielen. Und das könntest du dann für verschiedene Stoffgruppen erforschen und für verschiedene Insekten. Auf jeden Fall! Das ist schon sinnvoll

Wird eigentlich immer – egal bei welchem Material – wenn man auf eine oder mehrere toxische Substanzen untersucht, eine „general unknown Analysis“ durchgeführt oder kann man schon, wenn man einen spezifischen Verdacht hat, gleich zur GC-MS übergehen? 

Beides stimmt. Weder ja noch nein, sondern das ist so ein Zwischending. Du kannst natürlich, z. B. wenn du jetzt Schnelltests machst, den Schnelltest nur auf Opiat, nur Cannabioide, nur Sperma oder was auch immer machen. Das ist klar, das ist die Natur des Schnelltests. Das sind so Equalizer meistens, die funktionieren so ähnlich wie Coronatests oder Schwangerschaftstests. Dann hast du halt eine Farbanzeige oder eben nicht auf diesem Strich, mit Kontrolle und mit Positivbalken, wenn’s geht. Also negativ, positiv usw. Aber wenn du eine bestimmte Stoffgruppe im Auge hast, kann sich das schon über die von dir bereits angesprochene Probenvorbereitung auswirken. Das macht einen großen Unterschied. Da kann es passieren, dass du gar nicht die anderen Stoffe siehst. Aber wenn du jetzt so eine durchschnittliche HPLC mal machst oder GC-MS, mit der Gewinnungstechnik, die du angewendet hast, um den Stoff da herauszulösen, siehst du mehr. Natürlich kannst du bestimmte Voreinstellungen machen, um z. B. was anzureichern. Wenn du jetzt einen bestimmten Verdacht hast, kannst du natürlich sagen, es ist nicht schlimm, wenn ich ganz viel verliere, ich will ja nur nach der einen Sache gucken. Als Biologe würde ich natürlich gern breit gucken.

Als Biologe würde ich sagen, wenn du genug Probenmaterial hast, lass uns erst einmal ein Zehntel von dem gewonnenen, also von dem, was wir aus der Probe genommen haben, nehmen und in dem Zehntel gucken wir erst einmal, was drin ist. Wenn jetzt aber der Chemiker oder die Chemikerin sagt, nein, dann handelst du dir ein mörderisches Hintergrundrauschen ein, da sehen wir nicht vernünftig was… und dann könnten auch die Kollegen aus der Rechtsmedizin sagen, uns interessiert rechtlich oder gerichtlich oder medizinisch eh nur die oder die Stoffgruppe. Da sind wir halt alle völlig verschieden. Ich würde jedenfalls alles dafür tun, dass man möglichst die Breite sieht, die aber dann verrauschen kann, wenn du Pech hast. Der Chemiker/die Chemikerin wird dagegen sehr viel Wert auf die Probenvor-bereitung legen, weil die sagen, das ist hier so wenig Material, das ist uns zu gefährlich, da verlieren wir vielleicht viel, wenn wir einen Fehler machen. Oder wenn das jetzt von der Staatsanwaltschaft käme, da könnte es sein, dass die sagen, passen Sie auf, für diesen spezi-ellen Einzelfall interessieren uns jetzt meinetwegen nur Opiate. Der Rest ist uns absolut egal. Und selbst wenn Sie was anderes finden würden, wäre es uns immer noch egal. Ein Beispiel wäre Fentanyl. Wenn die den Verdacht haben, dass jemand mit Fentanyl getötet wurde, dann sagt die Staatsanwaltschaft, wenn Sie ganz sicher Betäubungsmittel, ohne dass wir von un-serer eigentlichen Frage nach Fentanyl abweichen, mit nachweisen können, alles klar. Oder wenn die chemisch ähnlich genug sind. Aber wenn auch nur der Hauch einer Chance besteht, dass wir jetzt hier Material verlieren und die ganze Frage nicht mehr prüfen können, die rechtlich für uns für die Anklage wichtig ist, dann lassen Sie es, dann gucken Sie nur nach Fentanyl und der Rest ist uns egal. 

Wird vom Gericht ein Kostenaufwand festgelegt bei der Untersuchung oder ist der frei? 

Das ist nicht so. Wenn Du öffentlich bestellt und vereidigt bist, so wie ich, also ein freier Sachverständiger, da wird auf jeden Fall ein Kostenrahmen festgelegt. Der ergibt sich entweder aus dem Gesetz, weil ich nach gesetzlichen Honorarvorgaben arbeite. Es ist aber so, dass die Kripoleute schon ein bisschen Erfahrung haben, gerade bei Brandbeschleunigern zum Beispiel, da wissen die schon, was das kosten darf und was nicht. Das Gericht kann Aufträge erteilen, aber auch Privatleute. Die werden natürlich irgendeine Kostendeckelung haben. Privatleute haben sowieso nie Geld.

Ich mach das ja jetzt seit 32 Jahren, da hat noch nie Einer Geld gehabt. Dann sagst du halt, wieviel haben Sie denn oder wieviel ist Ihnen das wert, innerhalb der Familie, wie wichtig ist die Information für Sie, ob das jetzt ein Suizid oder ein Unfall oder ein Tötungsdelikt war, ohne dass das rechtlich jetzt verhandelt wird. Und da kann alles passieren. Da kommen Leute, die sagen 10 €. Sowas gibt’s. Und dann sagt man, ja okay, das wird schwierig. Dann können wir nicht nach Gesetz abrechnen, weil dann dürfte ich nur 4 Minuten mit ihm reden. Das ist sinnentleert. Die Staatsanwaltschaft kann sehr nasty werden. Eine Staatsanwaltschaft hat mal gesagt, dieses Jahr haben wir Haushaltsperre. Für Sachen, die wir intern brauchen (also nicht für die Fälle), für Anschaffungen von Literatur usw., haben wir kein Geld und deshalb geben wir auch kein Geld für Sachverständige mehr aus. Einfach aus Trotz. Habe ich selbst persönlich erlebt. Oder es ist limitless. Also wenn jetzt irgendwelche reichen und schönen Leute sterben, dann gibt es natürlich kein Limit, dann ist das egal. Sowohl auf staatsanwaltlich, gerichtlicher Seite. Es kann aber auch passieren, dass die dann sagen, wissen Sie was, dann machen wir noch einen Privatauftrag, falls das erlaubt ist. Das ist immer alles Verhandlungssache, das merkst du schon. Aber sagen wir mal so… in der Praxis gibt es immer strengste Kostenrahmen, besonders bei den ganzen Wohnungsleichen. Also die ganzen Verfaulten aus Wohnungen, die einsam, traurig, psychisch krank oder so waren, da brauchst du jetzt nicht glauben, dass da ernsthaft Geld dafür ausgegeben wird. Das erzählen zwar alle, aber das stimmt überhaupt nicht. Da wird keine Giftkunde gemacht, obwohl das sehr interessant wäre. Aber es gibt praktisch Kostenrahmen und die können sehr, sehr tight sein. 

Wird dann auch auf die Zeitspanne geachtet, in der diese Analyse stattfindet? Wird auch ein zeitlicher Rahmen gesetzt? 

Kann sein, kann nicht sein. Also in New York haben die das so gemacht, weil einfach viel zu viele Fälle reinkamen. Das hätte einen backlog gegeben, also so einen Rückstau. Und der Rückstau wird ja logischerweise immer größer, das ist ja wie so eine Kurve in der Mathematik, die dann immer steiler wird.

Für genetische Fingerabdrücke in dem Fall hatten wir 2 Wochen. Die haben gesagt, nach 2 Wochen gebt ihr die Akte raus. Sonst bricht hier alles zusammen. Die Tox-Leute können jetzt sagen, 2 Wochen geht nicht, weil wir die Probenaufbereitung nicht schaffen. Oder wenn man Roboter hat, da möchte man erstmal viele Proben zusammenfassen, die ähnlich sind. Blutproben, Urinproben, Gewebeproben, wir haben aber nur 1 oder 2 Geräte. Dann dauert es halt 4 Wochen oder 8 Wochen oder ein halbes Jahr oder so. Das ist dann begrenzt. Bei freien Sachverständigen spielt das eine größere Rolle. Von uns gibt es ja so wenige. Ich bin bspw. der Einzige in ganz Deutschland, der überhaupt bestellt und öffentlich vereidigt für mein Fach ist. Es gibt aber auch andere Sachen, z. B. bei Immobiliensachen, was jetzt mit Giften nichts zu tun hat. Da kann es sein, dass der Sachverständige keine Zeit hat. Der sagt dann, ich habe in 1 Jahr wieder Zeit. Und dann sagt das Gericht, nee, dann nicht. Wir können uns das aus rechtlichen, verfahrensrechtlichen Gründen nicht gönnen, können nicht so lange warten. Also, das ist so ähnlich, wie mit den Kosten. Das wird in der Wirklichkeit verhandelt. Du kannst aber auch die Situation haben, dass das Innenministerium sagt oder das Justizministerium, das wird jetzt alles nur noch vom Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt (erfinde ich jetzt mal) gemacht. Die sagen dann, wir haben aber überhaupt kein Personal mehr, wir kriegen gar keinen Nachwuchs mehr, wir haben kein Geld, wir haben gar nichts. Sorry. Wir sind jetzt politisch verpflichtet, den Fall anzunehmen, das dauert dann halt so lange, wie es dauert. Das können auch 2 Jahre sein oder so.

Also es ist alles möglich. Es wurde auch mal überlegt, z. B. in Köln, dass man verstärkt externe Labore einbindet. Die hätten das dann teilweise mit einer Garantie gemacht, auch wenn sie Tag und Nacht arbeiten müssten, wie im Krankenhauslabor. Das ist dann halt so, es ist deren Problem, dass es dann innerhalb von – ich erfinde jetzt mal – 48 Stunden fertig ist mit dem Schnellgutachten, was aber schon verbindlich ist. Und dann das Endgutachten in einem Monat. Aber die Staatsanwaltschaft oder die Privatleute wissen aufgrund der Verbindlichkeit dann schon, dass das Vorab- oder Kurzgutachten gilt. Das wäre z. B. kein Problem. Da kann man auf das Hauptgutachten ruhig einen Monat warten. Oder zwei. Das wurde dann aber nie gemacht. In England haben sie es mal versucht mit einem „Forensic Science Service“. Da haben sie es komplett ausgelagert. Der ist aber auch eingegangen, weil diese Reibung zwischen dem, was politisch gefordert und erwünscht ist – für die Privatleute interessiert sich ja meistens keiner - und dem, was machbar ist, zu groß war. Dann hat man gesagt, dann machen das wieder unsere staatlichen Organisationen und dann dauert es halt so lange, wie es dauert. Obwohl der Forensic Science Service eigentlich - so ich nenn es mal - halbstaatlich war. Die hätten dann mit normalen DIN/ISO-Vorgaben arbeiten können. Die hätten sagen können, gucken Sie mal, wir wollen mit den ISO 9002 arbeiten, wir wollen alles dokumentieren, wir wollen alles ordentlich machen, jeder soll zu jedem Zeitpunkt wis-sen, wo, wer, wann was gesagt hat, wo die Probe ist, wer sie angefasst hat usw. Das System müssen wir dann aber auch bedienen und das kostet Zeit. Das hätten die schon problemlos sagen können. Aber dann sagt man, das wird uns alles zu viel und zu teuer, lassen Sie uns das lieber so machen, ohne chain of custody. Dann weiß man zwar nicht genau, wo, wann, was das ist. Wir glauben das dann einfach. Ja, wenn das im Tresor von der Polizei liegt oder im Tresor vom Institut für kriminalbiologische Untersuchungen auf der 7. Etage, dann glau-ben wir das einfach. Also das ist total von Raum und Zeit, Politik und Geld abhängig. 

Ist in den letzten Jahren die Fallquote gestiegen, bei denen Entomologen gerufen wurden? 

Nein. Das ist wirklich etwas ganz Spezielles. Manche gehen hin, manche Unis, um das sexy für die Bachelors zu machen. Und kleinere Unis, die gehen hin und sagen, wir haben aber auch Forensik mit Insekten auf Leichen. Und dann sagen die Studierenden, ja okay, da gehen wir hin. Z. B. in Huddersfield, das ist mitten in England, da habe ich das lange gemacht. Stell dir so eine ländliche… nein, das ist der falsche Begriff … abgelegene industrielle Region vor, wo aber jetzt keiner freiwillig hingehen würde zum Studieren. Da hatten die aber eine ganz gute chemische Abteilung wegen der industriellen Anbindung, um möglichst viele Chemiker und Chemikerinnen auszubilden. Und da bin ich dann immer mit meiner Mitarbeiterin hingefahren, einmal im Jahr oder so, und habe da so einen Kurs ge-macht. Das war hauptsächlich, um die Uni sexy zu machen für die Bachelorstudiengänge, nicht mal für Master. Da gehen viele mit Bachelor ab, die machen gar keinen Master. Das wäre so das eine Ende und das andere Ende wäre, dass die Uni hingeht und sagt, das wollen wir wegen der Forschung nach vorne bringen, weil wir hier die Verbundprojekte brauchen, wo viele mitmachen, also Biologie, Chemie, Medizin. Dann ist das natürlich ein Traum, das beste Projekt, was du machen kannst. Das muss die Uni aber wollen, denn du kriegst halt kein Geld dafür. Wenn du das bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder Forschungs-trägern, die dir Geld geben – sogenannte Drittmittel – beantragst, kriegen die einen Lachkrampf. Soll das jetzt ein Witz sein, wen interessiert das? Wir wollen was über schwarze Löcher hören oder über Krebsmedikamente, was wollen Sie denn mit Ihren Giften in Insekten von Leichen? Können Sie doch nebenher machen, das kostet doch nichts. Das habe ich schon erlebt, ist jetzt nicht erfunden. Und deswegen hängt es von der Einrichtung ab. Wenn du Glück hast, geht auch mal ein Innenministerium oder Justizministerium hin und sagt, ja, das finanzieren wir schon, beim Landeskriminalamt oder Bundeskriminalamt. Und dann ist aber das Endergebnis meistens, dass gesagt wird, ist das nicht ein Biologe oder eine Biologin? Da sollen die doch Erbgut machen, wenn wir jetzt schon eine Stelle haben. Oder wenn es eine Chemikerin oder ein Chemiker ist, heißt es, ist das nicht eine Chemikerin oder ein Chemiker? Können die nicht in die Abteilung für KO-Tropfen und date rape gehen? Da brauchen wir unbedingt Leute in der Abteilung. Und jetzt ist da gerade die Stelle bezahlt. Nee, das wird auf keinen Fall mehr! 

Macht dich das traurig? 

Es ist, wie es ist! 

Hättest du es gern, dass sich mehr Leute für die forensische Entomologie interessieren würden? 

Nein, das ist mir egal. Jeder soll machen, was er will und jede soll machen, was sie will. Das irgendwie zu wünschen oder zu hoffen oder traurig zu sein, das bringt nichts. Die Menschen machen, was sie wollen. Wirklich. Von der Firma, die Zoom betreibt, oder die den Rechner hergestellt hat, haben wir beide wahrscheinlich so gut wie null Ahnung. Und die machen halt ihr Ding, ohne die könnten wir jetzt nicht reden. Weiß der Teufel, was gut und schlecht und besser und schlechter für irgendwas ist. I don’t care! 

Ich wollte noch mal spezifischer auf die Gifte in Insekten eingehen bzw. auf die Analyse der Drogen, mit denen ich mich befasse. Bei den Extraktionsverfahren aus den Proben werden ja verschiedene Lösungsmittel verwendet. Weißt du, welche da verwendet werden oder wie spezifisch die verwendet werden? 

Das kann super spezifisch sein. Das kann ich dir aber im Moment nicht sagen, weil ich nicht weiß, auf welchem Stand die forensischen Toxikologinnen und Toxikologen jetzt gerade sind. Seit etwa 10 Jahren bin ich eher auf der Ergebnisseite. Wenn wir jetzt eine Konferenz haben, dann reden wir jetzt beispielsweise bei date rape, also KO-Tropfen, welche Stoffe das waren. Aber die Toxikologen sagen dann vielleicht noch, welche grundsätzliche Art der Analyse sie verwendet haben, aber diese Einzelheiten verraten sie nur auf den rein toxikologischen Meetings, weil das im Allgemeinen keinen interessiert. Da kann ich dir das leider nicht sagen. Das kriegst du aber sehr leicht raus, wenn dich das wirklich interessiert und du dich da reinfuchsen willst. Wobei… bei den Insekten weiß ich jetzt auch nicht, ob du da so leicht jemanden findest, der dir das ausführlich sagen kann. Wenn du die Extrak-tionsverfahren in so einem forensischen Labor sehen willst, ist das für eine Facharbeit viel zu weit. Aber wenn du das aus privaten Gründen mal wissen willst, kann ich dich gern an ein Labor/ eine Toxikologie vermitteln. Da kannst du mit denen mal reden. Auf Anhieb finde ich hier schon 2 Videos für Flüssigextraktion. Die schicke ich dir schon mal. Flüssigextraktion ist ja bei uns am bedeutsamsten. Man kann sagen, kristallografische Verfahren werden gar nicht angewandt, das ist zu aufwändig. Wenn du z. B. mit den Leuten im LKA, im toxikologischen Labor, sprichst, die werden extrem stark auf Feststoffuntersuchung gehen. Gegebenenfalls machen die auch Flüssigextraktionsverfahren, aber das hat dann mit forensischer Entomotoxikologie eigentlich gar nichts mehr zu tun. Deswegen könntest du dich vielleicht leichter durch die Extraktionsmethoden in der forensischen Toxikologie durcharbeiten für so eine Facharbeit. Aber kannst ja mal Bescheid sagen, wenn es dir nicht reicht. 

Danke! Wenn man eine Leiche findet und den Entomologen dazu holt, dann nimmt man ja nicht nur die Insekten vom Körper, sondern auch aus der Umgebung. Gibt es da Dinge, wonach man genau sucht und in welchem Umkreis ungefähr? 

Die Wahrheit ist ja, dass das leider sehr oft aus den genannten Gründen der Zeit- und Geldersparnis von der Rechtsmedizin gemacht wird. Da werden die Tiere dann durch die Rechtsmedizin von der Leiche geholt, was biologisch betrachtet nur so mittelcool ist. Und wenn du das am Fundort machst, dann suchst du einfach rum, suchst alles ab, so gut das geht. Und dann guckst du in allen Ritzen, auch unterm Teppich. Im Wald guckst du unter Ästen, Röhren, in der obersten Erdschicht. So gut es halt geht. Das Ziel wäre, alles zu durch-suchen. Im Freien kriechen die Maden, wenn sie sich verpuppen wollen, superweit. Auf dem Dach der Rechtsmedizin in Kolumbien haben wir tote Schweine rausgelegt, da waren die Maden 15 Meter weit gekrochen, obwohl da gleißende Sonne war und es ziemlich warm war, was die eigentlich überhaupt nicht mögen. Die haben sich dann unter Rohren, die keiner mehr brauchte, verkrochen. Wenn es regnet, können die z. B. auch hochkriechen. Also wenn du auf dem Bauernhof so ein Törchen hast, können die auch tatsächlich das Tor hochkriechen und sind dann auf der anderen Seite. Das musst du sehr biologisch angehen. Wie feucht ist es hier? Wie trocken ist es hier? Liegen hier viele Tannennadeln? Können die darüber kriechen oder nicht? Wie hart ist die Erde? Ist sie lehmig, da gehen sie nicht rein, packen sie nicht, außer es ist superfeucht. Das ist eine rein biologische Frage. 

Und werden dann alle Insekten mitgenommen, die man finden kann? 

Wenn’s geht schon. Also alles getrennt. Wenn Du im Tatortkoffer nur 20 Gläschen hast, dann kannst du eben nur von 20 Orten nehmen. Dann kannst du sagen, die Leiche sieht mir superseltsam aus … die liegt in einer Tonne oder in einer Tasche, scheint aber ausgepackt zu sein oder Tiere haben den Sack aufgerissen und haben an der Leiche gefressen… Dann würdest du vielleicht sagen: ok, der Analbereich sieht total ausgefressen aus, was normalerweise nicht passiert, da sollten wir mal rausfinden, ob das das von einem Tier stammt oder ein Sexualdelikt war. Ist das durch Sonne oder Trockenheit entstanden? Dann würde ich dort schon mal 3 Proben nehmen. Dann würde ich auf jeden Fall Mund, Ohren, Nase, Haare und meinetwegen unter den Achseln, Schultern, … oh, jetzt habe ich schon 12 Gläschen verbraucht, jetzt habe ich noch 8 Gläschen übrig… Was ist es mir wert, das getrennt einzusammeln oder lieber alles einzusammeln. Das ist dann eine Einzelfallentscheidung. Aber wenn es geht, sammelst du natürlich alles ein. Aber du musst dann halt auch wissen, was du getan hast. Z. B. in New York hatten wir das anfangs, da sind die Polizisten und Polizistinnen teilweise etwas überenthusiastisch geworden. Da gab es eine Krimiserie, die hieß CSI – Crime Scene Investigation. Und dann haben die uns wirklich komplette Woh-nungseinrichtungen gebracht ins Labor. Und der Laborspace war vielleicht 1,20 m, wenn‘s hochkommt. Und da saßen wir so und ich sage, ich glaube es wäre besser, ihr sagt vorher, was ihr braucht. Blutspuren. Ach, dann lass uns doch erst einmal nach Blutspuren gucken, dann könnt ihr den Rest nämlich wieder mitnehmen. Da brauchen wir vielleicht nur diese Seite vom Telefonbuch und diesen Hammer. Und einen Schuh. Und so ist das bei Insekten genauso. Also das habe ich schon zweimal selber erlebt. Da haben die wirklich alles auf den Lastwagen geschaufelt und kamen mit einer Lastwagenladung Erde an. Das ist gut gedacht, aber leider gab‘s keine Garage und keine Halle, nichts. Hätte ich gerne, würde ich dann auch gerne machen, aber geht nicht. Plus, es kann auch alles durcheinander sein. Wenn du sehr, sehr viel einsammelst, wie gerade angedeutet, kannst du auch mehr Chaos erzeugen. Heute findest du ja kaum noch Insekten. Aber sagen wir mal, vor 10 oder 20 Jahren … wenn du da in einen Wald reingegangen wärst, kannst dir nicht vorstellen, wie viele Tiere da in und um einer Leiche waren. Das ist wie ein Disneymärchen. Da war alles voll, alles! Und da ist es besser gewesen, gezielt an den Orten was einzusammeln. Oder auch gar nicht einsammeln. Bei vielen Käfern reicht es, wenn du die fotografierst. Die brauchst du gar nicht umbringen. Also Ufertotengräber oder so ein wespenartig gestreifter Totenkäfer oder Kurzflügelkäfer oder Mistkäfer, die Bälle rollen, die brauchst du nicht, die fotografierst du. Die tragen eh jetzt keine so starke, supergenaue Leichenliegezeitinformation. 

Wenn man eine skelettierte Leiche findet, kann man dann auch darauf schließen, wie viele Generationen von Fliegen darauf schon gelebt haben? 

Ja, nur Biologinnen und Biologen können das. Klar! Also die Leiche verwest und abhängig davon gehen ja andere Tiere dran, andere Leicheninsekten sozusagen. Oder die nisten da nur oder suchen Schutz vor Regen, es müssen ja keine Leicheninsekten sein. Und das ändert sich, das wäre sozusagen der Stundenzeiger, bildlich gesprochen. Und dann hast du noch so einen Minutenzeiger, das wäre die eigentliche Leichenliegezeit. Die Gene-rationen sind eigentlich nicht so kritisch. Am Anfang kommen, oder sind bis vor 5 oder 10 Jahren gekommen, die schwangeren erwachsenen Schmeißfliegen. Die haben dann eigentlich, wenn es feucht war, schon vieles zerfressen. Und wenn es trocken war, sind sie nicht gekommen, weil sie nicht viel fressen konnten. Oder sind gekommen, konnten sich aber nicht groß auf der Leiche ausbreiten. Dann sind halt Tiere gekommen, die was Trockenes fressen. Also wenn du keine berufliche Erfahrung vor Ort hast, kannst du das nicht so gut abschätzen. Außer bei früher Leichenbesiedlung, die aber für die Polizei meistens am wichtigsten ist. Deshalb ist das nicht so schlimm. Wenn du einen Madenteppich hast, also ganz viele Larven, dann nimmst du halt die ältesten Tiere, wenn die nicht schon weggekrochen sind zum Verpuppen. Aber in einer Wohnung siehst du das ja, ob unter der Teppichleiste schon super viele Fliegen sind. So gesehen, würde ich die Frage eher dahingehend beant-worten, dass es in der Praxis meistens egal ist. Denn die späteren Generationen oder Stadien der Insekten werden gar nicht mehr herangezogen, sondern die Polizei fragt, war das Diens-tagnacht oder Dienstagabend, als die Leiche besiedelt wurde. Und da spielen die verschiedenen Generationen noch keine Rolle, weil du dann eh noch nah an der Leichenbesiedelung bist. 

Und rein theoretisch … wenn man eine skelettierte Leiche findet, welche Verfahren werden dann allgemein angestrebt, die man einerseits zur Identifikation benutzen könnte oder zur Beantwortung der Frage, wie die Leiche gestorben ist? 

Wenn du nur ein Skelett hast, kannst du nur die Knochen untersuchen. Du kannst Gifte, die in Knochen oder Knochenmark sind, angucken. Haare liegen manchmal auch noch rum, wenn du ein Skelett hast. Hautstücke auch. Da guckst du halt nach den Giften. Dann guckst du nach kleinen Ritzern an den Knochen, Knochenscharten, Löchern, Brüche, ob die vor oder nach dem Tod entstanden sind. Du kannst ruhig auch mit Insekten gucken. Es ist ja noch Fett in den Knochen drin, Haut- und Haarreste. Da können ja Speckkäfer oder Museums- oder Pelzkäfer rangehen. Das ist auch kein Zufall. Also wenn die da sind, dann weißt du, dass die Leiche aus biologischer Sicht noch recht frisch ist. Also nicht archäologisch, 10 oder 100 oder 1000 Jahre da liegt. Sondern dass das gerade noch etwas aktiv in Zersetzung Befindliches ist. 

Sucht man auch nach Puppenhüllen? 

Ja, das kannst du machen. Aber du musst halt schon erst mal einordnen, wie lange die Leiche da liegt. Die Puppenhülle allein verrät dir nicht so viel. Wenn du ein Skelett hast und du hast da lauter Puppenhüllen, dann weißt du ja nur, da waren mal Schmeißfliegen und die Tiere sind schon umgewandelt zu erwachsenen Fliegen, sind geschlüpft und weggeflogen. Das Alter von denen kannst du ja so nicht bestimmen. Interessanter ist es, wenn du eine Mischung hast. Wenn du noch Weichgewebe dran hast und da sind noch Maden dran und du hast schon leere Puppenhüllen, die eindeutig zu Leiche gehören, also nicht von anderen Dingen stammen, Müll oder so, der an der Autobahnraststätte rumliegt, oder in einer vermüllten Wohnung, die sowieso schon vermüllt war. Dann können die Puppenhüllen auch noch mal interessant sein. Mitnehmen würde ich sie auf jeden Fall oder fotografieren. Aber welche Aussagekraft das hat, hängt vom Einzelfall ab. 

Und wie gravierend sind Temperaturunterschiede bezüglich der Entwicklung von Larven? 

Das ist allesentscheidend. Ohne Temperatur brauchst du gar nichts machen. Wenn du die Temperatur nicht kennst oder grob kennst, brauchst du gar nicht anfangen zu arbeiten. Das wäre völlig sinnentleert, weil sich Bakterien und Insekten immer abhängig von der Temperatur entwickeln. 

Vielen Dank! Das wären erst einmal alle meine Fragen gewesen. 

Ja, sehr gerne! 

Experteninterview Zukunftsarbeit

Experteninterview Zukunftsarbeit

von Anfissa Sophia Kaschte (Steinmühle Schule & Internat, Marburg-Cappel), per E-Mail:

Lieber Dr. Mark Benecke,

Mein Name ist Anfissa Kaschte. Ich wurde durch meinen Vater, Alexander Kaschte, aufmerksam auf Sie gemacht.

Ich interessiere mich sehr für True Crime, also habe ich mich entschieden, meine „Zukunftsarbeit”, eine Ersatzarbeit für den Deutschunterricht, in diesem Themenbereich anzusiedeln. In der Zukunftsarbeit, auch „Forscherarbeit” genannt, befasst man sich mit einem ausgewählten Thema und der Zukunft dieses Themas.

Um jedoch eine gute Benotung zu bekommen, muss man ein Interview mit einem Experten führen. Da ich mich schon viel mit Gerichtsurteilen, Strafen und öffentlichen kontroversen Fälle befasst habe, möchte ich mehr über „das Innere”, die Spuren und die Untersuchungen erfahren.

Nur zu gerne würde ich dieses Experteninterview mit Ihnen führen, denn Sie sind eben ein echter Expert, wenn es um diese Themen geht. Ich habe acht Fragen an Sie und ich wäre sehr erfreut, wenn Sie mir meine Fragen beantworten könnten.

1. Wie hat sich Ihre Arbeit im Laufe der letzten 20 Jahren verändert und hat sich Ihre Arbeit durch die Erfindung des Internets oder bes]mmter Geräte vereinfacht?

Ich arbeite noch stark „mit der Hand", also mit einfachen Vergrösserungsgeräten.

Manchmal machen wir Hightech:

Grundsätzlich hat mich natürlich die Einführung genetischer Fingerabdrücke geprägt.

2. Durch was könnte sich Ihre Tä]gkeit in der Zukunft vereinfachen?

Wenn noch mehr Energie und Geld in Vorsorge gesteckt wird. Dann gibt es weniger Verbrechen:

Jugendkriminalität

Dazu zählt auch die faire und gute Behandlung von psychischen Erkrankungen und der Minderung von Armut.

Beides hat sich schon stark gebessert; entsprechend sinken die Zahlen von Schwerverbrechen:

Mordopfer in Deutschland

3. Wo sehen Sie sich in der Zukunft? (Werden Sie weiterhin an Leichen arbeiten? Wird Ihnen der Job irgendwann „genug”? Sehen Sie sich in der Zukunft auch in anderen Bereichen? Haben Sie schon etwas geplant? usw.)

Ich mach meinen Job gerne und es wird auch in Zukunft genug zu tun geben. Daher mache ich vermutlich weiter, es ist ja sehr interessant (für mich zumindest).

Ich mache mir aber keine Gedanken über die Zukunft, da die Erde gerade stirbt und fraglich ist, ob es für Menschen überhaupt noch länger weiter geht wie gewohnt, das ist recht fraglich.

Umweltvorträge

4. Wodurch unterscheiden sich Gewalttaten in verschiedenen Ländern?

Im Kern gar nicht.

In Ländern mit viel Machismo schauen Menschen bei Sexualdelikten und Gewalt gegen Frauen natürlich leichter weg.

Wo Menschen arm sind, haben sie oft auch keine Ansprechpartner:innen, so dass sich Gewalt und Wut dort leichter aufstauen können.

Es kann auch aus anderen Gründen zu sozusagen "gefühlloser" Gewalt kommen, etwas Kolumbien und Mexiko:

Drogen-Kriege (es geht um Geld)

→ komplette Armut (es geht ums Essen)

In Mexiko ist es im Moment besonders schlimm.

5. Sind Ihnen Tiere in Ihrem Job wichtig und hat Ihre Arbeit Ihre Einstellung zu Tieren verändert?

Sie sind sehr wichtig → Publikationen

Meine Einstellung hat sich nicht geändert, siehe neues Video dazu hier (am Anfang geht’s allerdings mehr um Bücher)

6. Was ist Ihre Meinung zur Todesstrafe?

Kann ich nicht beurteilen; ich arbeite öfters in Ländern, in denen die Todesstrafe von vielen Menschen für korrekt gehalten wird.

Ich war allerdings mal bei einer Sitzung der hbps://www.aafs.org/, weil ich früher als Biologe in der Rechts Medizin New York gearbeitet habe und das (fast ganze) Jahr ohne Todesstrafen in den USA erlebt, vor ganz ungefähr zehn Jahren.

Arbeitsplatz

Executions overview

Ich war echt erstaunt, dass die Zuschauer:innen von Todesstrafen, die oft unbedingt dabei sein wollen, wenn der verhasste Mensch stirbt, hinterher nicht so glücklich sind und teils schwer traumatisiert sind.

Scheint also doch nicht so toll zu sein, selbst, wenn Menschen dafür sind (in den USA sind etwas mehr als die Hälfte der Menschen für die Todesstrafe, aber sie wird in vielen Bundesstaaten nicht umgesetzt, siehe Infos oben im Link).

7. Gab es einen Fall, bei dem Sie eine Spur gesehen haben, die Sie noch nie zuvor gesehen haben?

8. Werden Ihre Untersuchungen in der Zukunft helfen, Morde zu verhindern?

Jeden Tag. Wir schauen alles mit Kinderaugen an und staunen. Jeder Fall ist neu und wir betrachten im

Labor alles unbefangen. Beispiel:

Insekten unter der Haut

Buchenwald-Lampenschirme aus Menschenhaut

8. Werden Ihre Untersuchungen in der Zukunft helfen Morde zu verhindern?

Die Gesprächen mit Mörder:innen und der Abgleich mit Spuren: Ja. daraus können wir ableiten, wie Vorbeugung klappen könnte.

Beispiel hier → La Bestia

Sehr herzlich und sag Bescheid, wenn noch was ist.

Danke, dass Sie sich für mich Zeit genommen haben und meine Fragen beantwortet haben :)!

Es hat mir großen Spaß gemacht, das Interview „zu führen” (wenn man das so sagen kann)!

Mittelalterliche Bleisärge, -tafeln und -reliquienkästen mit Inschriften

Bachelorarbeit

Samantha Josephine Reichert
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Philosophische Fakultät I – Seminar für Prähistorische Archäologie und Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit

Die vollständige Arbeit als .pdf

Abb.15: Vorderseite des bei der Liebfrauenkirche in Halberstadt gefundenen Beschwörungstäfelchens (Rückseite ohne Inschrift). Kein Maßstab angegeben (Muhl/Gutjahr 2013, 34, Abb. 18)

1 Einleitung Die Forschung der letzten zwei Jahrzehnte fokussierte sich größtenteils auf ganzheitliche überordnete Zusammenhänge der Grabstätten christlicher Würdenträger und des Adels. Hierbei konnten bei einigen Ausgrabungen außergewöhnliche Grab- und Reliquienauthentiken gemacht werden, die in ganz Europa vor allem bei den genannten Personengruppen auftraten. Es handelt sich dabei um Gegenstände aus Blei, die außerdem eine Inschrift besaßen, welche an den Funden angebracht oder eingeritzt worden sind. Die Kombination aus Blei zusammen mit einer Inschrift, die meist den Namen des Verstorbenen enthielt, scheint in ganz Europa verbreitet gewesen zu sein und soll in dieser Arbeit untersucht werden. Direkt in Verbindung zum Grabkontext konnten Särge und Tafeln, sowie mobile Gegenstände ausgemacht werden, die diesen Kriterien entsprechen. Des Weiteren kam es aufgrund christlicher Vorstellungen zur weiteren Verwendung dieser Funde, bei dem die Überreste heiliggesprochener Christen, die als Reliquien in bleiernen Behältern aufbewahrt wurden, oder diese zumindest geringfügig mit Blei umschlossen worden sind. Hierbei handelt es sich nicht mehr um den allgemeinen Grabkontext, sondern um Reliquienauthentiken. Diese sollten mit aufgenommen werden, weil es einerseits den expandierten Gedanken hinter dieser Praxis außerhalb des Grabes aufzuzeigen vermag und arbeitshypothetisch all in dieser Arbeit behandelten Gegenstände ein und demselben Denkmuster des christlichen Kollektivs in Europa eingeschlossen werden sollten. Mit Beginn der Recherche wurden einige Forschungsfragen deutlich, die bisher in der Fachliteratur nicht beantwortet wurden: Zunächst stellt sich die Frage, warum gerade Blei für Särge verwendet worden ist. Angesichts der bloßen Stabilität und Funktionalität als Material eines Sarges scheint die Auswahl eher schlecht gewesen zu sein.

Wurde dieses Material als Alternative für einen anderen Stoff genutzt oder war Blei bewusst verwendet worden? Des Weiteren muss die Frage gestellt werden, warum es Inschriften auf diesen Objekten gab, wenn diese kein Betrachter lesen konnte, da sie sich Verborgenen, im verschlossenen Grab, im Sarg, im Epitaph etc. befunden haben. Diesen Umstand der versteckten Inschriften gibt es auch bei den Reliquienkästen, die bisweilen im Kircheninneren an den Altären aufbewahrt werden. Hier sind die Inschriften teilweise am Boden der Kästen angebracht, sodass diese nicht sofort gelesen werden können.

→ Hier gibt es die komplette Arbeit

→ Weitere Facharbeiten

Experteninterview Zukunftsarbeit

Anfissa Sophia Kaschte

Steinmühle Schule & Internat, Marburg-Cappel 

Anfissa Sophia Kaschte (Anfrage und Fragen):

Lieber Dr. Mark Benecke,

Mein Name ist Anfissa Kaschte. Ich wurde durch meinen Vater, Alexander Kaschte, aufmerksam auf Sie gemacht. Ich interessiere mich sehr für True Crime, also habe ich mich entschieden, meine „Zukunftsarbeit”, eine Ersatzarbeit für den Deutschunterricht, in diesem Themenbereich anzusiedeln. In der Zukunftsarbeit, auch „Forscherarbeit” genannt, befasst man sich mit einem ausgewählten Thema und der Zukunft dieses Themas.

Um jedoch eine gute Benotung zu bekommen, muss man ein Interview mit einem Experten führen. Da ich mich schon viel mit Gerichtsurteilen, Strafen und öffentlichen kontroversen Fälle befasst habe, möchte ich mehr über „das Innere”, die Spuren und die Untersuchungen erfahren.

Nur zu gerne würde ich dieses Experteninterview mit Ihnen führen, denn Sie sind eben ein echter Expert, wenn es um diese Themen geht. Ich habe acht Fragen an Sie und ich wäre sehr erfreut, wenn Sie mir meine Fragen beantworten könnten. Dies sind die Fragen:

1. Wie hat sich Ihre Arbeit im Laufe der letzten 20 Jahren verändert und hat sich Ihre Arbeit durch die Erfindung des Internets oder bestimmter Geräte vereinfacht?

2. Durch was könnte sich Ihre Tätigkeit in der Zukunft vereinfachen?

3. Wo sehen Sie sich in der Zukunft? (Werden Sie weiterhin an Leichen arbeiten? Wird Ihnen der Job irgendwann „genug”? Sehen Sie sich in der Zukunft auch in anderen Bereichen? Haben Sie schon etwas geplant? usw.)

4. Wodurch unterscheiden sich Gewalttaten in verschiedenen Ländern?

5. Sind Ihnen Tiere in Ihrem Job wichtig und hat Ihre Arbeit Ihre Einstellung zu Tieren verändert?

6. Was ist Ihre Meinung zur Todesstrafe?

7. Gab es einen Fall, bei dem Sie eine Spur gesehen haben, die Sie noch nie zuvor gesehen haben?

8. Werden Ihre Untersuchungen in der Zukunft helfen, Morde zu verhindern?

Dr. Mark Benecke (Antworten):

Dear Anfissa

1. Wie hat sich Ihre Arbeit im Laufe der letzten 20 Jahren verändert und hat sich Ihre Arbeit durch die Erfindung des Internets oder bestimmter Geräte vereinfacht?

Ich arbeite noch stark „mit der Hand", also mit einfachen Vergrösserungsgeräten:

→ Mumien von Palermo

Manchmal machen wir Hightech:

→ Augmented Gehirn-Scan mit 3D-Brille

→ Berührungslose 3D-Scan-Technologie und -Datenbrille

Grundsätzlich hat mich natürlich die Einführung genetischer Fingerabdrücke geprägt:

Veröffentlichungen “DNA”

2. Durch was könnte sich Ihre Tätigkeit in der Zukunft vereinfachen?

Wenn noch mehr Energie und Geld in Vorsorge gesteckt wird. Dann gibt es weniger Verbrechen:

Jugendkriminalität

Dazu zählt auch die faire und gute Behandlung von psychischen Erkrankungen und der Minderung von Armut. Beides hat sich schon stark gebessert; entsprechend sinken die Zahlen von Schwerverbrechen:

Mordopfer in Deutschland seit 1987

3. Wo sehen Sie sich in der Zukunft? (Werden Sie weiterhin an Leichen arbeiten? Wird Ihnen der Job irgendwann „genug”? Sehen Sie sich in der Zukunft auch in anderen Bereichen? Haben Sie schon etwas geplant? usw.)

Ich mach meinen Job gerne und es wird auch in Zukunft genug zu tun geben. Daher mache ich vermutlich weiter, es ist ja sehr interessant (für mich zumindest). Ich mache mir aber keine Gedanken über die Zukunft, da die Erde gerade stirbt und fraglich ist, ob es für Menschen überhaupt noch länger weiter geht wie gewohnt, das ist recht fraglich.

Umweltvorträge

4. Wodurch unterscheiden sich Gewalttaten in verschiedenen Ländern?

Im Kern gar nicht. In Ländern mit viel Machismo schauen Menschen bei Sexualdelikten und Gewalt gegen Frauen natürlich leichter weg.

Wo Menschen arm sind, haben sie oft auch keine Ansprechpartner;innen, so dass sich Gewalt und Wut dort leichter aufstauen können. Es kann auch aus anderen Gründen zu sozusagen "gefühlloser" Gewalt kommen, etwas Kolumbien und Mexiko:

In Mexiko ist es im Moment besonders schlimm: → Anzahl der Morde in Mexiko nach Geschlecht

5. Sind Ihnen Tiere in Ihrem Job wichtig und hat Ihre Arbeit Ihre Einstellung zu Tieren verändert?

Sie sind sehr wichtig → Veröffentlichungen "Forensische Entomologie"

Meine Einstellung hat sich nicht geändert, siehe neues Video dazu hier (am Anfang geht’s allerdings mehr um Bücher) → Thiere in Köln | Vortrag

6. Was ist Ihre Meinung zu der Todesstrafe?

Kann ich nicht beurteilen; ich arbeite öfters in Ländern, in denen die Todesstrafe von vielen Menschen für korrekt gehalten wird.

Ich war allerdings mal bei einer Sitzung der https://www.aafs.org/, weil ich früher als Biologe in der Rechtsmedizin New York gearbeitet habe und das (fast ganze) Jahr ohne Todesstrafen in den USA erlebt, vor ganz ungefähr zehn Jahren.

Arbeitsplatz New York

Exekutionen nach Staat und Jahr

Ich war echt erstaunt, dass die Zuschauer:innen von Todesstrafen, die oft unbedingt dabei sein wollen, wenn der verhasste Mensch stirbt, hinterher nicht so glücklich sind und teils schwer traumatisiert sind.

Scheint also doch nicht so toll zu sein, selbst, wenn Menschen dafür sind (in den USA sind etwas mehr als die Hälfte der Menschen für die Todesstrafe, aber sie wird in vielen Bundesstaaten nicht umgesetzt, siehe Infos oben im Link).

7. Gab es einen Fall, bei dem Sie eine Spur gesehen haben, die Sie noch nie zuvor gesehen hatten?

Jeden Tag. Wir schauen alles mit Kinderaugen an und staunen. Jeder Fall ist neu und wir betrachten im Labor alles unbefangen. Beispiel:

Insekten unter der Haut

Buchenwald-Lampenschirm aus Menschenhaut

8. Werden Ihre Untersuchungen in der Zukunft helfen Morde zu verhindern?

Die Gesprächen mit Mörder:innen und der Abgleich mit Spuren: Ja. daraus können wir ableiten, wie Vorbeugung klappen könnte.

Beispiel hier → Mark Benecke erinnert sich an "La Bestia"

Sehr herzlich und sag bescheid, wenn noch was ist.

Anfissa Sophia Kaschte (Bedankung):

Danke, dass Sie sich für mich Zeit genommen haben und meine Fragen beantwortet haben :)!

Es hat mir großen Spaß gemacht, das Interview „zu führen” (wenn man das so sagen kann)!

Insektenminiaturen fragmentarisch entlarven. Ein Werkvergleich zweier mittelalterlicher Handschriften des frühen 14. Jahrhunderts.

Humboldt-Universität zu Berlin
Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät
Institut für Kunst- und Bildgeschichte
Modul: Mittelalter Seminar: „Medizin, Tanz und Epik.
Bebilderte Handschriften im 14. Jahrhundert und die neuen Herausforderungen an den spätmittelalterlichen Künstler“

Die gesamte Arbeit als .pdf

Von Franziska Schlicke | Kunst- und Bildgeschichte

Einleitung

Insektendarstellungen in der Buchmalerei des Mittelalters verweisen auf ein bislang eher minder erforschtes Feld, dabei sind sie bei Weitem nicht minder beachtenswert. So erfüllen entomologische Miniaturen und Illustrationen womöglich nicht nur eine dekorative Rolle in der Produktion von Handschriften, sondern implizieren gleichsam eine naturbetrachtende und die Biologie-erfragende Auseinandersetzung anhand bildnerischer Wiedergabe, die es sich durchaus lohnt, genauer zu betrachten. Die buchmalerische Entomologie-Geschichte spricht eine inzwischen hochaktuelle Thematik an, die besonders innerhalb der Kunsthistorik zunehmend aufkeimte und wegbereitend bis heute einen äußerst signifikanten Einzug in die modernen Wissenschaften bedeutet. Erst über die künstlerisch umgesetzte Entomologie in illuminierten Büchern des Mittelalters konnte eine wissenschaftliche Kunstform etabliert und bis zur Gegenwart weiterentwickelt werden.

Diese Arbeit widmet sich einem Miniaturvergleich, vermittels exemplarischer Gegenüberstellung zweier ausgewählter Handschriften aus dem frühen 14. Jahrhundert, die reich mit Insektenminiaturen- und Illustrationen bebildert wurden. Ziel dieser Arbeit ist die formale, figürlich, und stilistische Untersuchung unterschiedlicher künstlerischer Miniatur-Insektendarstellungen. Zusammen mit dem einzigartigen, prächtig illuminierten Cocharelli Codex und der berühmten Handschrift Der naturen Bloeme soll anhand einer Bildbeschreibung ausgewählter entomologischer Miniaturen und Illustrationen eine vermutete Unterscheidung forciert und dargelegt werden. Im Fokus liegen darin die Naturbeobachtungen der Insekten, insbesondere der illuminierten Darstellungen von Schmetterlingen und Raupen und einer einhergehenden Bedeutsamkeit der Naturlehre im Spätmittelalter…

Vampirism in Metal Music

Cindy MÜLLER

Université Grenoble Alpes – Ecole Doctorale LLSH

ABSTRACT

Here you can find the complete work as .pdf

This research deals with the figure of the vampire, and more precisely Dracula, who has come back into the spotlight since the 1990s as a character in many fictitious productions. Music, and more particularly Gothic and metal music, is no exception and participates in the resurrection of Dracula; yet, it has often been overlooked mainly due to the biased vision on metal music. Using a detailed analysis of Dracula by Bram Stoker, as the original source of inspiration, a comparison is made with different metal bands and lyrics in order to study the legacy of vampirism and Dracula. Moreover, special attention is drawn to the analysis of aesthetics used by metal music artists, from the singing to the clothing and staging during photoshoots and concerts, in order to determine whether Dracula has been revamped in modern metal music. Based on these various elements, this paper highlights the undeniable imprint of Dracula on metal music, especially when it comes to aesthetics and lyrics.

However, it also points to some variations in the way it tackles vampirism, as “vampires” in metal music have adapted to their audiences and have used the voice and language. This article thus finds that Dracula’s legacy is not completely frozen in music, contrary to vampire literature, and allows the image of the vampire to take on new forms, which are most of the time more accomplished.


Le vampirisme dans la musique métal: Dracula ressuscité ?

RESUME

Vous trouverez ici le travail complet en .pdf

Cet article porte sur la figure du vampire, et plus particulièrement Dracula, qui depuis les années 90 est revenu sur le devant de la scène dans des nombreuses œuvres de fiction. La musique, notamment les genres gothique et métal, ne fait pas exception et participe activement à la résurrection de Dracula ; et pourtant, ces styles musicaux sont souvent décriés, à cause de la vision très partiale dont ils sont victimes. En se basant sur une analyse détaillée du roman de Bram Stoker en tant que source primaire d’inspiration, l’étude comparative de différents groupes de métal et de leurs textes met en exergue l’empreinte du vampirisme et de Dracula sur cette scène musicale. Par ailleurs, l’analyse minutieuse de l’esthétique choisie par certains artistes du genre, qu’il s’agisse de la mise en voix, des choix vestimentaires ou de la mise en scène lors de séances de photographies ou de concerts, participera à affirmer la résurrection de Dracula. A la lumière de ces éléments, cet article souligne par conséquent l’empreinte indéniable de Dracula sur la scène métal moderne.

Néanmoins, certaines variations apparaissent dans l’approche du vampirisme, en particulier dans l’adaptation de ces « vampires musicaux » à leur public respectif et dans l’utilisation de la voix et de la langue. En cela, ils invitent le public à dépasser une certaine vision stéréotypée de Dracula et du vampirisme qui perdure dans de nombreuses adaptations modernes. Cet article s’attache à prouver que l’héritage de Dracula n’est pas complètement figé en ce qui concerne le domaine musical et, contrairement à maints récits littéraires, permet au vampire d’acquérir de nouvelles formes, souvent plus abouties.

Weibliches Verbrechen – Morden Frauen anders als Männer?

Facharbeit im Seminarfach, 2. Kurshalbjahr der Qualifikationsphase, Schuljahr 2023/2024, Clemens-August-Gymnasium, Cloppenburg

Von Alexandra Rolfes

Diese Facharbeit beschäftigt sich mit zwei unterschiedlichen Formen des Mordes: Dem Mord, der von Frauen verübt wird und dem Mord, der von Männern verübt wird. Dabei geht es besonders um die Charakterisierung des weiblichen Mordes, verglichen mit dem männlichen Mord. Dazu werden die Merkmale der Morde, Opfer, Tatwaffe und Motiv, herausgearbeitet. Ebenso werden vermittelte Stereotypen, biologische Geschlechter-unterschiede und gesellschaftliches Verhalten hinzugezogen. Ziel ist es dabei, festzustellen, inwiefern die Tatsachen den Stereotypen entsprechen und wie groß der Unterschied zwischen Mörderin und Mörder tatsächlich ist. Da der Fokus in dieser Facharbeit auf dem weiblichen und dem männlichen Geschlecht liegt, wird nur gegendert, wenn auch alle Geschlechter angesprochen werden.

Opfer von Frauen und Männern

Frauen ermorden entsprechend ihres Stereotypen auffällig häufig ihre Ehemänner, wie eine schwedische Studie zeigt.19 Elfriede Blauensteiner tötete zum Beispiel ihren Ehemann und zwei Lebensgefährten durch ein blutzuckersenkendes Mittel namens Euglucon und das Antidepressivum Anafranil. Diese Art von Mord bekommt oft besondere Aufmerksamkeit, aufgrund der Kombination von Liebesbeziehung und Mord. Meist gibt es bei solch einem Mord kaum Beweise, wodurch zusätzlich ein aufwendiger Indizienprozess zustande kommt. Für diese Morde gibt es sogar einige Begriffe, wie „Intimizid“ oder „Gattenmord“, welche beschreiben, dass ein Mensch seinen Intimpartner tötet. 

Neben dem Ehemann gehören zu den typischen Mordopfern von Frauen auch die Familie, beziehungsweise auffällig häufig auch ihre Kinder. Dafür gibt es ebenfalls einen gesonderten Begriff und zwar den „Kindsmord“, der die Tötung der eigenen Kinder beschreibt. Ein berühmtes deutsches Beispiel dafür ist die Mörderin Monika Weimar, welche ihre beiden Töchter tötete. Es wird im Falle der Frauen, im Gegensatz zu den Männern, als schockierender angesehen, wenn sie ihre Kinder töten, selbst wenn die Begebenheiten gleich sind. „Bis 1998 werden Kindsmörderinnen juristisch anders behandelt als andere Mörder.“ Das Band zwischen Mutter und Kind wird als unzerbrechlich angesehen, weshalb es für viele Menschen besonders schockierend ist, wenn man einen Menschen tötet, mit dem man eine so starke Bindung hat. Wenn ein Kind getötet wird, gibt es außerdem weniger Unterschiede zwischen den Merkmalen der Morde männlicher und weiblicher Täter, als bei einem Mord an erwachsenen Opfern, fand eine schwedische Studie heraus. 

Während es zwar viele Frauen gibt, die im Rahmen des Bekanntenkreises töten, gibt es seltener auch Mörderinnen, die fremde Opfer bevorzugen. Ein Beispiel dafür ist Aileen Wuornos, eine bekannte Serienmörderin aus den USA. Sie erschoss sieben Männer, mit welchen sie weder eine Beziehung noch eine Freundschaft hatte. 

Eine weitere sehr bekannte Art des Mordes ist der sogenannte „Femizid“. Jährlich werden über 100 Frauen im Zuge eines Femizids ermordet, weil sie weiblich sind. „Der Begriff Femizid umfasst auch sogenannte Ehrenmorde oder das Morden von Frauen und Mädchen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Weiblicher Kindsmord oder die Abtreibung weiblicher Föten zählen genauso dazu wie der Mord an indigenen Frauen wegen ihres Geschlechts sowie getötete Frauen, denen der Vorwurf der Hexerei gemacht wurde. Auch Frauen, die an den Folgen einer Genitalverstümmelung sterben, oder Morde, die in Zusammenhang mit organisiertem Verbrechen wie Menschen- und Drogenhandel geschehen, sind hier inkludiert.“ 

Männer töten am häufigsten Frauen. Wenn man das mit der hohen Zahl an gefassten Mördern kombiniert, so lässt sich schließen, dass Frauen deutlich öfter Opfer als Täter sind. Männer hingegen scheinen viel häufiger Täter zu sein und laut gefasster Fälle seltener Opfer, wobei die Dunkelziffer ungewiss bleibt. Es gibt jedoch auch Mordopfer jenseits der Stereotypen. Wenn es, wie im ersten Absatz des Kapitels beschrieben, die Norm ist, dass Frauen ihnen bekannte Männer töten und Männer, wie oben beschrieben, ihnen bekannte Frauen töten, so wird eine Beziehung zwischen den Geschlechtern deutlich. Es wird primär das jeweils andere Geschlecht getötet, auch wenn in der Geschichte Ausnahmen zu finden sind. Juana Barraza beispielsweise ermordete ebenfalls Menschen, die genau wie sie weiblich waren. Sie tötete über 40 ältere Frauen, indem sie sich als ihre Pflegerin ausgab. Diese Frauen gehörten ebenfalls weder zu ihrer Familie, noch zu ihren engen Freunden. 

Tatwaffen von Frauen und Männern

Gift ist deutlich häufiger die Tatwaffe von Frauen, als von Männern. Allerdings ist diese Tatwaffe früher häufiger verwendet worden als heute, wie eine Studie zeigt. Somit ist eine Veränderung im Laufe der Zeit zu erkennen. Mittlerweile lässt sich eher feststellen, dass Frauen bevorzugt mit einem Messer morden und meistens dann, wenn das Opfer geschwächt ist. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist Caroline H. aus der Schweiz, die zwei Frauen in Zürich erstochen hat. Dabei gibt es auch Männer, die ihre Opfer erst schwächen und dann töten, wie im Falle von Jeffrey Dahmer, der seinen Opfern Rauschmittel gab, bevor er sie tötete. Frauen morden zwar auch gewalttätig, mit einer Axt oder ähnlichem, jedoch deutlich seltener als Männer. Eine 32 Jahre alte Studentin hatte zum Beispiel ihren Freund mittels einer Kreissäge ermordet.

Gesamte Arbeit: Siehe .pdf

Mathematik in der Forensik

Inwiefern unterstützt Mathematik die Blutspurenmusteranalyse an einem Tatort?

Facharbeit am Burg-Gymnasium Bad Bentheim im Seminarfach Mathematische Wanderwege

Vorgelegt von: Sarah Sophie Thiemann

Fachlehrerin: Frau Lietz

Tag der Abgabe: 15.03.2023

Die ganze Arbeit gibt es hier als .pdf

5.2 Das Interview

Bei dem Interview, welches ich mit Dr. Benecke am 27.02.2023 geführt habe, entstanden folgende Aussagen.

Dr. Benecke bestätigte mir, dass der Auftreffwinkel mit der Breite und der Länge eines Bluttropfen berechnet werden kann. Dabei wird meiner Nachforschung ergänzt, wie man diesen abmisst, dabei nimmt man einen Faden und hält diesen an die Blutspur, wodurch man den Auftreffwinkel einfach mit einem Winkelmesser ablesen kann. (vgl. BENECKE, 2023, siehe Anhang 1: Z. 38 – 54)

Zu meiner Frage, ob man die Körpergröße eines Täters anhand des Auftreffwinkels berechnen könne, antwortet mir Dr. Benecke, dass dies höchstens möglich sei, wenn der Täter sich selbst an der Hand verletzt habe. Ansonsten könne man hauptsächlich die Höhe der Blutungsquelle bestimmen. (vgl. BENECKE, 2023, siehe Anhang 1: Z. 58 – 82)

Dr. Benecke erwähnte des Weiteren, dass sich eine Ungenauigkeit bei Blutspurenanalyse ergeben hätte. Seine Frau, Frau Fischer erläuterte daraufhin das Problem, welches daraus besteht, dass bei relativ senkrechten Bluttropfen, der Winkel nicht genau berechnet werden kann, da man Winkel von 80 bis 90 Grad kaum unterscheiden kann. Meistens kommt man dann auf einem Winkel von 90 Grad. Ebenfalls bei 70 bis 80 Grad, bei diesem Bereich wird der Winkel in 5 Grad Schritten angegeben. Jedoch betont Frau Fischer die große Genauigkeit, die bis zu einem Auftreffwinkel von 70 Grad möglich sei. Die Ursache für das Problem sei außerdem die Sinuskurve, welche am Bogen stark abflacht, wodurch die Werte dort schwer zu unterscheiden seien. (vgl. Abb. 9, Anhang) (vgl. BENECKE, 2023, siehe Anhang 1: Z.110 – 131)

Dr. Benecke erläuterte weiter, dass es möglich sei Blutspuren noch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung zu untersuchen, hierbei müsste man jedoch einige Faktoren beachten. Der Ort sollte wettergeschützt liegen. Die Oberfläche spielt eine Rolle dabei, wie sich die Ränder des Bluttropfen abzeichnen können. (vgl. BENECKE, 2023, siehe Anhang 1: Z. 140 – 149) Ebenfalls sei ein Faktor, wo die Blutspur ist, ist sie an einem Ort, wo viel gelaufen wird, ist es schwerer, als wenn die Blutspur an einem Ort ist, wo eher seltener einer lang läuft, zum Beispiel eine Abstellkammer. Des Weiteren würden laut Dr. Benecke die Täter und Täterinnen oft Blut übersehen, vor allem Blut, welches von Objekten abgeworfen wird und an die Decke spritzt. (vgl. BENECKE, 2023, siehe Anhang 1: Z. 149 –162)

Dr. Benecke vertritt außerdem die Meinung, dass das Zuordnen von Blutspuren in drei Kategorien nicht dazu beiträgt, sinnvolle Informationen zu erhalten. Er bleibe bei seinen Gerichtsgutachten bei einer Beschreibung vom Gesehenen und von seinen Messergebnissen, zusätzlich bemängelt er, dass sich irgendwann eine Gewohnheit einspielen würde, wenn man von bestimmten Blutspuren spreche, als Beispiel nennt er die beschleunigten Blutspuren, wo man nach einiger Zeit direkt an eine Schusswaffe denken würde. (vgl. BENECKE, 2023, siehe Anhang 1: Z. 179 – 214) Auch führt er als Beispiel eine Auslöschung an. Eine Blutspur wird von einer anderen Blutspur überdeckt, wo man lange alles systematisch aufschreiben könne, ohne vernünftig über die Herkunft dieser zu schreiben. (vgl. BENECKE, 2023, siehe Anhang 1: Z. 216 – 226)

Am Ende des Interviews erzählt Frau Fischer, wie Sie und Dr. Benecke zur Entwicklung einer Blutspurenmesssoftware, bloodonline.de, gekommen sind. Als Hauptgrund nennt Sie die Vereinfachung der Berechnung des Auftreffwinkel für Studenten und die Polizei. Sie betont, dass man jedoch trotzdem wissen müsse in welche Richtung der Auftreffwinkel geht und wie man die Fäden anlegt, um die Blutungsquelle zu bestimmen. (vgl. BENECKE, 2023, siehe Anhang 1: Z. 240 – 251)