Total geiles Lebenswunder

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Dienstag, 22. Dezember 2020 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Ines Benecke

Mark Benecke arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forensik. Politisch engagiert er sich seit zehn Jahren als „Landesvater der Herzen“ im Landesverband NRW der Partei Die PARTEI. Als Vermittler wissenschaftlicher Erkenntnisse und Studien ist er außerdem jeden Samstag zu Gast in der Sendung Die Profis bei radioeins. 

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie beantworten er und seine Frau Ines zusammen mit einem kleinen Team auf ihrer Website virusonline.de Fragen rund um das Virus. Etliche dieser Fragen gaben den Anstoß zu Erklär-Videos auf YouTube, in denen der Kriminalbiologe den Dingen auf den Grund geht – „ohne Gelaber, Blabla oder Fremdworte“.

Passend zum Thema ist im vergangenen Herbst das Buch „Viren für Anfänger“ erschienen – und bald darauf ein thematisch völlig anderes, „illustrirtes Thierbuch“ mit großartigen Bildern der Illustratorin Kat Menschik.

Nora Koldehoff sprach mit Mark Benecke virenfrei per Telefon über beide Neuerscheinungen.

Das Virenbuch ist auf Basis der Seite „virusonline.de“ erschienen und wirkt wie eine Art „FAQ“-Zusammenstellung dessen, was auf der Website behandelt wird. Warum noch einmal als Buch?

Wir hauen unser Material grundsätzlich auf allen Kanälen raus. Manche Leute haben den YouTube-Kanal abonniert, andere gucken auf die Website, und wieder andere erreicht eben das, was wir bei Facebook oder Instagram veröffentlichen. Das Buch war eigentlich nur ein weiterer Kanal, und der Kölner Verlag wollte auch gern, dass ich ein Buch zu dem Thema mache. Da habe ich allerdings zuerst gesagt: Keine Chance. Wenn ich das jetzt als normales wissenschaftliches Buch recherchieren will, endet es im totalen Chaos, weil ich gerade mehr Arbeit habe als vorher schon. Was aber ging, war, wie Du schon sagst, so ein FAQ-Format; das war logistisch machbar. Der Verlag erreicht zusätzlich zu den klassischen Büchern ja immer auch nochmal mehr Leute über Hörbücher und eBooks und dergleichen. So haben wir einfach den Blumenstrauß nochmal doppelt so groß binden können.

Wobei das Buch ja naturgemäß den momentanen Status abbildet, während sich die Website immer weiterentwickelt.

Das hatte ich auf dem Schirm, weil ich das auch schon von meiner Wissenschafts-Sendung her kenne. Da bin ich es gewohnt aufzupassen, dass die Ergebnisse nicht zu sehr zeitverhaftet sind. Die Fragen, die sich um Impfung oder um die Vermehrung von Keimen drehen, sind dann entsprechend allgemeingültig formuliert. Schon, damit wir nicht noch die Auflagen korrigieren müssen. Das Buch hat ja ziemlich schnell sechs Auflagen gehabt.

Wie viele Fragen erreichen Euch im Durchschnitt?

Am Anfang waren es wirklich Tausende, die auch insbesondere über die sozialen Netzwerke reinkamen, über Mail auch täglich Dutzende. Das ist aber inzwischen sehr stark zusammengeschmolzen, weil die Leute auch gemerkt haben, dass viele Infos bereits da sind und sie sich besonders auf Facebook auch gegenseitig schon geantwortet haben. Wenn zum Beispiel Fragen kommen, die schon in einem der Videos beantwortet worden sind, dann machen die Leute sich auch untereinander darauf aufmerksam, wo die Antwort zu finden ist.

Das ist natürlich ideal. Ich könnte mir vorstellen, dass häufig die gleichen Fragen gestellt werden.

Ja klar, die ganze Zeit. Es gibt aber auch Leute, die sehr kleinteilige Fragen haben, weil sie bestimmte Vorerkrankungen haben, teilweise auch mehrere Erkrankungen gleichzeitig. Da antworten wir allerdings auch nur allgemein, was die Krankheit macht oder die Impfung. Die ganz persönliche Situation muss jede und jeder mit Ärztin und Arzt besprechen.

Wie groß ist das Team, mit dem Du die Fragen beantwortest?

Die Fragen, die auf Facebook und Instagram reinkommen, beantwortet hauptsächlich Ines – schon weil sie die Kommentare in den sozialen Netzwerken lesen kann, ohne verrückt zu werden. Da gibt es natürlich auch viele Beleidigungen und Hasskommentare, Schmähungen und alles Mögliche. Da habe ich keinen Bock zu. Aber Ines greift das überhaupt nicht an, ihr ist das völlig egal. Sie bleibt ruhig und sachlich und hat sogar richtig Spaß daran. Das, was über die statische Seite läuft, machen meine Mitarbeiterinnen Tina und Satanka, wenn ich ihnen etwas dazu sende. Und ich mache sehr viel per Email, Interviews und solche Sachen. Dazu kommen aber auch noch unzählige Helferlein. Da sind zum Beispiel die „MARKierten“, also die, die mein Autogramm oder ein Bildchen von mir tätowiert haben. Das sind inzwischen Hunderte, die sind natürlich auch alle dabei. Sie gucken auch auf die Seiten und helfen mit.

Die Beleidigungen und Schmähungen: Kommen die von Einzelpersonen oder organisierten Gruppen, wie den sogenannten Querdenkern?

Sowohl als auch. Es gibt Einzelpersonen, die sich hervortun wollen, und auch welche, die in Gruppen aktiv sind. Aber ich habe mit denen eher Mitleid, das kann ich nicht ernst nehmen. Denn oft kommt auch ein völlig inhaltsloses: „Denk doch mal selber nach“. Oder: „Was hast Du denn damit zu tun?“ Letzteres hat dann Ines schon vor Monaten ganz sachlich beantwortet und geschrieben: „Also, Mark hat über PCR-Tests promoviert. Wenn Ihr Fragen dazu habt, könnt Ihr sie gern stellen.“ Da sind dann gerade diejenigen, die aus esoterischen Zusammenhängen kommen, richtig wütend geworden. Dabei stelle ich ja nur Studien vor, die jeder prüfen kann. Ich rede auch nicht über meine Meinung, sondern übersetze nur die wissenschaftlichen Studien.

Wenn ich dann aber mal eine Studie vorstelle, die eher aus einer Verschwörungstheorie-Ecke kommt, dann herrscht völlige Verwirrung darüber, ob ich nun in deren Augen gut oder böse bin. Ich stelle es ja aber nur vor, ich bewerte das nicht. Ich stelle Studien aus guten und auch aus nicht so guten Zeitschriften vor und erkläre die Zahlen darin.

Deine Haupt-Mission ist das Übersetzen?

Genau, keine Fremdworte – und zwar gar keine, noch nicht mal „Molekül“ oder „Portemonnaie“, sondern Bestandteil und Geldbörse. Wenn Du das durchziehst, ist es eigentlich kein Problem.

Gibt es auch Fragen, die Euch doch mal zu doof gewesen sind?

Manchmal erkenne ich nicht unbedingt die Notwendigkeit einer Frage. Ines hat mir zum Beispiel eine Woche lang in den Ohren gelegen, dass ich mal den PCR-Test erklären soll. Da habe ich erst abgewunken: Das kannste in der Wikipedia durchlesen; es gibt auch Seiten für Kinder, die das erklären. Ich dachte nicht, dass das nötig wäre. Es hörte aber nicht auf. Dann habe ich gesagt: Also gut, und wir haben im Labor ein Video dazu gemacht. Das war gut, denn das wurde nun auch in diesen Verschwörungs-Netzwerken geteilt.

Dann kam als nächstes die Verwechslung des PCR-Tests mit dem Schnelltest. Das wurde vermischt. Darum haben wir dann letzte Woche ein Video gemacht zum Schnelltest. Dann ging es aber im Netz immer noch durcheinander, da war ein Punkt erreicht, an dem wir gesagt haben: Jetzt reicht’s, Ihr müsst Euch jetzt schon die sieben oder zehn Minuten nehmen und das Video angucken. Wenn die Leute etwas zusammenrühren möchten, das nicht zusammengehört, nur um auf ein Ergebnis zu kommen, das ihnen gefällt, dann hat das eben mit Wissenschaft nichts zu tun. Aber thematisch haben wir keine Grenze gesetzt.

Den Begriff „Querdenker“ benutze ich übrigens nicht, denn das hat weder was mit Denken noch mit quer zu tun.

Beinah gleichzeitig ist dann das „Thierbuch“ entstanden, in dem Du unter anderem von beschämten Hunden erzählst, von Pfeilstörchen, betrunkenen Elchen, Silberfischchen, Oktopoden und den in Köln nahezu allgegenwärtigen Alexandersittichen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Kat Menschik?

Kat hört meine Samstagmorgen-Sendung immer und hat mich irgendwann mal gefragt, ob wir was zusammen machen. Das Projekt war so gut wie unbezahlt, daher hatte es bei mir auch erstmal niedrigste Wichtigkeit. Darum habe ich gesagt: Das kann ich gerne mal machen, wenn ich Bock hab‘. Ich hatte aber sehr viel Bock. Und ich durfte machen, was ich wollte. Also buchstäblich, so etwas habe ich nie in meinem Leben erlebt. Der Verlag hat wirklich gesagt: Mach, was du willst. Da habe ich gesagt: Ok, das macht Spaß – und da ich ja eh mal ein Tierbuch machen wollte, hat das super gepasst.

Und das Buch ist wirklich wunderschön geworden.

Ja, eine Sensation, wirklich. Die tolle Ausstattung hat mich völlig überrascht.

Die Auswahl der vorgestellten Tiere wirkt auch sehr subjektiv.

Stimmt, es war alles ungeplant. Ich habe über das erste Tier geschrieben und dachte dann: Was machste jetzt. Dann habe ich das zweite geschrieben. Das war noch nicht mal eine echte Auswahl, sondern ich habe eher das geschrieben, was mir gerade eingefallen ist: Was ich spannend fand und im Kopf hatte.

Hast Du ein Lieblingstier?

Ich mag viele Tiere und bin ja auch Pate der Markusmücke im Naturkundemuseum in Berlin. Und zu den Tintenfischen habe ich, wie man im Buch lesen kann, eine etwas persönlichere Verbindung. Aber ein Lieblingstier gibt es nicht. Vor ein paar Tagen habe ich einiges über den Gartenschläfer gemacht, der ziemlich unbekannt ist, aber total cool und aussieht wie Zorro. Im Moment, kann man auch bei YouTube sehen, da züchten Ines und ich gerade Urzeitkrebse. Da kippst Du die Eier in Salzwasser, und die haben das komplette genetische Programm – nicht zum Schlüpfen und Leben, sondern auch, um sich fortzupflanzen – und bei Bedarf auch wieder zu vertrocknen. Kleiner als ein Mohnkörnchen sind die anfangs. Dieses Lebenswunder finde ich einfach total geil, nicht nur bei Tieren, auch bei Pflanzen. Und sogar bei Viren. Die leben ja nicht richtig. Aber es ist schön, dass reine Information sich auch fortpflanzen kann, ohne dass ein Tier oder eine Pflanze dahintersteckt.


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