Quelle: Täglicher Anzeiger, Holzminden, 21. Oktober 2023, Seite 15
Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke referiert über „Bakterien, Gerüche und Leichen“ in der Stadthalle
VON MELISSA KAATZ
Holzminden. Passend zum Slogan „Holzminden – Stadt der Düfte und Aromen“ referierte Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke am Donnerstagabend in der Holzmindener Stadthalle über Gerüche. Dabei ging es jedoch nicht um liebliche Gerüche, wie Holzmindener sie vom duftenden Stadtrundgang kennen. In diesem Vortrag stand der Geruch des Todes im Vordergrund – aber der riecht laut Benecke gar nicht so unangenehm, wie oftmals angenommen.
Nichts für menschen mit niedriger Ekelschwelle
Der Abend begann mit einer Vorwarnung. „Es sind eventuell Leichen und Blut zu sehen“, klärte Dr. Mark Benecke auf. „Beim Blutspurenvortrag gibt es immer wieder Leute, die umkippen, weil sie kein Blut sehen können. Aber heute gibt es nur verformte Leichen und keine Blutspuren, also sollte es gehen“, zeigte sich der promovierte Kriminalbiologe gleich zu Beginn von seiner verschmitzten Seite.
Benecke widmete sich zunächst den Bakterien und der Fäulnis. Mit seichten Fotos von Erde unter dem Mikroskop und einer Indoor-Kompostkiste sowie grundlegenden Informationen dazu, welche Rolle Bakterien im Kreislauf des Lebens spielen, stieg er in seinen Vortrag ein. Auch für Kriminalbiologen nehmen Bakterien eine wichtige Funktion ein. Sie geben Aufschluss über die Liegezeit einer Leiche.
Dann kam es zum Schockmoment: Das erste Foto des leblosen Körpers einer Frau erschien auf der Präsentationsfläche in der Stadthalle. Dem ein oder anderen Zuschauer wurde dabei klar, dass er doch nicht so hartgesonnen ist, wie angenommen. Vereinzelt mussten Fans den Vortrag abbrechen. Die „Standhaften“ lernten, was die Verfärbungen an unterschiedlichen Stellen der Leiche bedeuten und ob sie auf Bakterien oder beispielsweise Vertrocknungen zurückzuführen sind.
Die Zuhörer folgten den Ausführungen zu Fäulnisblasen, Madenteppichen und Sarggeburten – natürlich immer mit einem entsprechenden Foto aus Beneckes Archiv visualisiert. Begriffe und Bilder, die einige Zuhörer wahrscheinlich noch in ihren Gedanken und Träumen verfolgen werden. Dabei sind es nicht die Bilder verwester Leichen oder der von Maden befallenen Wunden, die bei den Zuhörenden für Angst und Ekel sorgten, sondern die Fotos von verwundeten Füßen. Das verursachte sogar bei Benecke großes Staunen.
Wenn die Gäste seines Programms eines aus dem Vortrag mitnehmen sollen, dann ist das laut Benecke: „Besser messen, nicht denken.“ Anhand des Fotos einer Leiche, die eine auffällige Wunde am Fuß aufwies, verdeutlichte Benecke, wie wichtig das Messen ist. Man solle nicht mit Logik hinterfragen, weshalb ein Mensch einem anderen Menschen eine Wunde am Fuß zufügt, wenn er ihn tötet. „Menschen machen alles. Selbst in Romanen wird nicht das Schrecklichste geschrieben, was Menschen machen. Ich möchte ihnen das jetzt nicht schildern, weil dann können sie nicht mehr schlafen“, sagte Benecke und tat dem Publikum damit einen großen Gefallen.
Dr. Mark Benecke räumt mit Mythen auf
Eines betonte Benecke immer wieder: „Leichen sind nicht giftig.“ Auch mit weiteren Mythen rund um den Tod räumte der Kriminalbiologe auf: „Es gibt unheimlich viele Leichenmärchen, auch bei Fachleuten, weil sie einfach nicht messen.“ So wachsen beispielsweise die Finger- und Fußnägel entgegen dem weit verbreiteten Mythos an Leichen nicht weiter.
Die Zehennägelpflege sei bei vielen Menschen ganz einfach sehr schlecht. „Besonders bei verheirateten heterosexuellen Männern“, wie Benecke schmunzelnd verriet.
Wie Leichen riechen
Was der Serienmordfall um Charles Manson mit Gerüchen zu tun hat und welche Gerüche von Leichen ausgehen, erfuhren die gespannten Zuhörer in der zweiten Hälfte des skurrilen Vortrags. „Da werden Sie eventuell einige Überraschungen erleben“, kündigte Benecke an. Der Geruch einer Leiche unterscheide sich je nach Verwesungsstadium. So erinnere der Geruch einer frischen Leiche an den Duft von Lösungsmitteln. Im letzten Stadium, wenn die Leiche fast skelettiert sei, sei ein Weingeruch wahrnehmbar. „Das findet kaum jemand unangenehm“, stellte Benecke fest.
„Der Tod ist nicht das Ende“
„Sie werden alle sterben und sie werden alle verwesen“, hielt Benecke zum Ende des Vortrags fest. Das sei aber kein Grund zur Panik, denn „der Tod ist nicht das Ende, da kommen noch die Bakterien. Da ist dann richtig was los. Ich hoffe, das tröstet Sie ein bisschen. Das ist nicht nur aus religiöser Sicht, sondern auch biologisch ein ewiger Kreislauf.“