Was passiert, wenn einem Menschen der Hals durchgeschnitten wird
Autor: Mark Benecke
“Gray’s Anatomy of the Human Body” (1918)
Quelle: Programmheft: „Komische Oper Berlin: Iphigenie auf Tauris“, Mai 2007
Menschen schneiden sich zwar nicht oft „die Kehle durch“, tiefe  Halsschnitte gibt es aber dennoch oft. Der weltweit bekannteste Fall der  jüngeren forensischen Praxis war der von Nick Berg, dem 2004 vor  laufender Kamera mit einem offenbar nicht ganz neuen Messer erst in den  Hals hinein („Verletzung mit scharfkantigem Werkzeug“) und dann der Kopf  ganz abgeschnitten wurde. Ein weiterer Fall trug sich um dieselbe Zeit  in der Nähe von Aachen zu, als ein Täter vermutete, dass eine Verwandte  fremd gehe und ihr daher gleichsam im Auftrag des gehörten Gatten den  Kopf abschnitt. Der reagierte allerdings verblüfft, weil er der auch  inhaltlich richtigen Überzeugung war, dass seine Gattin treu gewesen  sei. 
 
Auch aus noch nichtigeren Motiven kommt es zu schweren  Halsschnitten, beispielsweise bei einem Handtaschenraub mitten im  Städtchen Alsdorf (erneut im Jahr 2004) oder in seltenen Extremfällen  bei Suizidenten, die sich mit meist unbeherzten Schnitten tatsächlich  erst die Kehle und dann erst die vorderen zwei großen Hals-Adern  durchschneiden (siehe Abbildung). Regelmäßig, wenn auch selten, kommt es  zu absichtlichen Hals-Schnitten durch Hineinfallenlassen in Ketten- und  Kreis-Sägen, besonders bei Holzarbeitern und Schreinern. Noch seltener,  aber ebenso regelmäßig sterben Menschen unter selbstgebastelten  Guillotinen. Oft ist das eigentliche Fallbeil aber falsch gelagert und  nicht richtig ausbalanciert, so dass die Konstruktion oft zu bizarren  Todesumständen führt (Steckenbleiben in Halswirbel mit folgendem  „multiplem“ Suizid, etwa Sturz aus großer Höhe, um die Selbsttötung zu  vollenden).
 
Wird der Kopf vollständig abgetrennt, kommt es innerhalb von  Sekunden zum Bewusstseinsverlust, wohl schon alleine durch den massiven  Blut-Austritt und die dabei folgende Sauerstoff-Unterversorgung des  Gehirns. Es gibt aber mehrere glaubhafte Berichte darüber, dass „der  Kopf“ nach tiefen Schnitten oder raschen Abtrennungen noch einige  Sekunden lang „auf Ansprache“ reagierte. Jedoch liefen diese Reaktionen  vielleicht nicht mehr bewusst statt. Im Video von Nick Bergs Köpfung  finden die älteren Berichte jedenfalls ihre Bestätigung, da auch Berg in  den ersten Sekunden beim Durchtrennen des Halses noch deutlich  erkennbar die Augen wie in Pein zusammenkneift und den Mund verzieht.
 
Der rheinische Serientäter Peter Kürten wünschte sich sogar  ausdrücklich, guillotiniert zu werden, da er einem Blutfetisch erlegen war und hoffte, sein eigenes Blut noch kurz „rauschen“ hören zu können. 
 
Tiefe, beherzte Halsschnitte sind technisch gesehen dasselbe wie  Schächtungen. Von den betreffenden Metzgern wird angegeben, dass das  Verfahren schmerzlos sei: „Durch den Schnitt werden die beiden  Hauptschlagadern durchtrennt -- das Gehirn bleibt ohne Blutzufuhr, jede  Schmerzempfindung ist ausgeschaltet. Die Mitleid erregenden  konvulsivischen Zuckungen sind mechanische Reflexe des gefühllosen  Tieres.” Dabei muss aber -- vom Autor selbst beobachtet -- bedacht  werden, dass zumindest von Laien hin und wieder auch zuerst die  Luftröhre von hinten durchschnitten wird, bevor die Adern durchtrennt  werden. Das bewirkt ein rein mechanisches Ausbleiben von Schreien, ist  aber kein Beleg für Schmerzfreiheit. 
 
Ob Säugetiere und Menschen bei tiefen schnellen Halsschnitten  nicht doch Schmerz empfinden, wäre durch  Computertumorografie/Magnetresonanz durchaus zu ergründen, angesichts  des dabei entstehenden Blutbades an den Geräten wurde das Experiment  bislang aber noch nicht durchgeführt. Eine mit dem offenbar eben doch  vermuteten Schmerz zusammenhängende, eigentümliche rechtliche Lösung  wurde in Österreich gefunden, wo Tiere sofort nach dem  Schächtungs-Halsschnitt “betäubt” -- das heißt erschossen oder mit  tödlichem Stromstoß versetzt -- werden müssen. 
 
Anders als in Horrorfilmen fast immer zu sehen, spritzt das Blut  bei tiefen Halsschnitten mit gut geschärften Geräten wenig, sondern  fließt in großem Schwall heraus. Drehen Täter die Schnittseite des  Halses dabei nach unten, dann fließt das Blut vor allem auf den Boden,  gelangt aber kaum an Wände und Bekleidung. Anders verhält es sich bei  kleineren Verletzungen der zwei unter stärkerem Druck stehenden  Hals-Arterien. Dabei kommt es zu umfangreichen Sprühmustern mit großen  Mengen teils winziger Tropfen. Die nicht vollständigen Durchtrennungen  der Adern zeichnen die letzten Sekunden oder Minuten der Opferbewegungen  meist gut nach, da die verschiedenen Aufenthaltshöhen und -richtungen  sich in den Blutverteilungsmustern gut abbilden.
   
Anzutreffen sind bei Verletzungen des Halses mit scharfen  Gegenständen auch Bluteintritte über die Luftröhre in die Lunge, was  eine Art Ertrinken erzeugen kann. Das Blut wird bei noch vorhandenen  Reflexen aber meist ausgehustet.
 
Schnitte in die „Halsgefäße“  -- das heißt in die dort  verlaufenden vier großen Adern -- sind unmittelbar lebensgefährlich und  führen bei verspäteter ärztlicher Hilfe rasch zum Tod. Der Grund ist  dabei -- unabhängig vom oben gesagten -- der rasche Blutaustritt  (Verbluten des Körpers) und die Unterversorgung des Gehirns mit  Sauerstoff. 
 
Ist die ärztliche Versorgung gegeben, gelingt aber sogar die Verpflanzung von Köpfen. Das haben erfolgreiche Operationen durch das Team von Robert White in den Jahren 1970 und 2001 gezeigt. Die seinerzeit transplantierten Affenköpfe konnten riechen, schmecken, hören und sehen. Sie versuchten allerdings auch, die Pfleger zu beißen.
