Arbeitsbereich „Neue Psychoaktive Stoffe, Arznei- und Dopingmittel“

Quelle: Der Kriminalist, 12/2023, Seiten 16 – 19 (← klick für das .pdf)

Interview zu interessanten Entwicklungen im Drogenlabor des Zolls

Dr. Mark Benecke & Dr. Tim Laußmann

„Märchenhaftes“ schwarzes Kokain brachte uns zusammen: In DER KRIMINALIST 9/2022, S. 30–33, berichteten wir – Kriminalbiologe Mark Benecke mit dem Leiter des Arbeitsbereichs neue Psychoaktive Stoffe, Arznei- und Dopingmittel des Zolls in Köln, Tim Laußmann – über den Fund von 100 Kilogram „Pigmento negro“, umgewandeltem Kokain, bei dem Drogenspürhunde und gängige Schnelltests nicht anschlagen. Wir besuchten daraufhin das Labor des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der Generalzolldirektion an einem geheimen Ort.

Unsere Arbeitsweisen ähneln sich und sind kriminalistisch, etwa das Zusammensetzen einzelner Puzzlestücke, also Laborergebnisse, zu einem möglichst hoch aufgelösten Gesamtbild sowie das Zusammenfügen von Informationen aus verschiedenen Untersuchungsbereichen.

Tim Laußmann und seine Mitarbeiter nahmen sich viel Zeit und zeigten uns verschiedene Labore mit beschlagnahmten Stoffen (Ecstasy, Body Packs/Kokain) sowie die teils sehr großen, teils aber auch tragbaren Untersuchungsgeräte.

Benecke: Wer sendet Ihnen Proben zur Untersuchung ins geheime Labor ein und wie schnell können Sie diese aus- und bewerten?

Laußmann: Unser Hauptkunde ist der Zoll. Mehr als 80 Prozent unserer Asservate werden von Zolldienststellen, insbesondere von den Zollfahndungsämtern, angeliefert. In den letzten gut zehn Jahren haben zudem die Sicherstellungen durch die Bediensteten an den Frachtzentren der Flughäfen drastisch zugenommen.

Es hatte sich herausgestellt, dass ein Großteil der hier vermarkteten neuen psychoaktiven Stoffe und Dopingmittel aus Laboren in Fernost stammen und mit einfacher Luftfracht verschickt werden. Hinzu kommen die Sicherstellungen aus Personenkontrollen durch die Kontrolleinheiten des Zolls. Ein kleiner Teil der Proben wird auch direkt von den Staatsanwaltschaften oder von der Polizei vorgelegt. Bekannte Stoffe können wir sehr schnell bewerten.

Haben wir es mit neuen Stoffen zu tun, kann die Analyse einige Wochen dauern.

Wir staunen über die Koffer voller Drogen, die hier im Labor liegen. Andererseits werden seit Jahren sogar tonnenweise davon sichergestellt, im Juli 2023 erst zehn Tonnen Kokain in Hamburg und im August 9,5 Tonnen in Algeciras in Spanien (siehe auch DER KRIMINALIST 12/2021 und 4/2023). Soweit Sie dies abschätzen können: Hat sich die Sicherstellungsmenge erhöht oder ist die Menge in den Lieferungen gestiegen?

Wenn wir von dem Gesamtgewicht der Drogen reden, würde ich abschätzen, dass es eine leichte kontinuierliche Zunahme gibt. Das Gesamtgewicht der im Jahr hier in Köln vorgelegten Asservate schwankt zwischen einer Tonne und drei Tonnen. Bei großen Sicherstellungen werden manchmal auch nur Teilmengen angeliefert.

Was aber defnitiv zugenommen hat, ist die Anzahl unterschiedlicher Drogen. Als ich vor 20 Jahren als Chemiker hier anfing, gab es nur wenige „Analyten“, nämlich: Cannabisprodukte, Heroin, Kokain, Amphetamin und Ecstasy. Da waren psychedelische Pilze oder Khat, eine Droge aus Afrika, noch eine Attraktion. Ab dem Jahr 2008 kam „Spice“ auf den Markt, in dem ein synthetisches Cannabinoid enthalten war.

Seit dieser Zeit ist die Anzahl an geregelten Stoffen nahezu explodiert. Neue Gesetze wurden geschaffen, wie das Antidopinggesetz (2015) und das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (2016). Somit ist die Arbeit für uns und unsere Beschäftigten deutlich abwechslungsreicher, aber auch herausfordernder geworden.

Wie kommen Sie den ständig neu hergestellten Drogenarten im Labor „hinterher“? Und können Sie einige Beispiele für Stoffe nennen, die besonders häufig chemisch verändert und damit vielleicht für die Untersuchungsgeräte vorläufig unsichtbar werden?

Als Zoll sind wir in der glücklichen Lange, dass wir es oft mit den importierten Reinstoffen zu tun haben, was die Analyse vereinfacht. Einen Stoff, den wir mit unseren Geräten nicht identifzieren können, gibt es nicht. Auf „der Straße“ werden diese dann in Form von Zubereitungen verkauft, zum Beispiel als „Räuchermischung“ früher auch als „Bonsaidünger“ oder „Badesalz“. Diese Straßenware ist oft mit anderen Stoffen verschnitten und gestreckt, sodass relevante neue Stoffe schwerer zu fnden sind. In der Tat stehen auch wir immer wieder neuen Stoffen gegenüber, deren Strukturen wir aufwendig mittels Kernspinresonanzspektroskopie und Flugzeit-Massenspektrometrie aufklären müssen. Insbesondere ist dies nötig, um sicher sagen zu können, ob der Stoff den im Neue psychoaktive-Stoffe-Gesetz ausgeführten Stoffdefnitionen entspricht oder nicht. Der Zoll hat dafür mehrere Millionen Euro in neue Analysegeräte gesteckt.

Was wir anfangs häufg gesehen haben, waren Abkömmlinge, sogenannte Derivate, von Amphetamin. Das hat aber etwas nachgelassen, weil es auch einfach nicht mehr viele Optionen für neue Stoffe gibt, das scheint weitgehend ausgeforscht zu sein. Was aber immer noch gut läuft, sind Cannabinoide, da ist noch Luft nach oben, was neue Strukturen angeht.

Ich beobachte aus geschichtlicher Sicht mit Drogenverboten, dass eine Freigabe von Cannabis den Schwarzmarkt austrocknet. In New York läuft die Freigabe auch erstaunlich ruhig und unaufgeregt ab.

Sie ahnen, dass die Organisierte Kriminalität dennoch ihre Finger im Spiel behält. Warum?

Auch nach dem Cannabisgesetz ist es verboten, Cannabis zu besitzen, anzubauen, mit ihm Handel zu treiben, es zu veräußern, es einzuführen, auszuführen oder durchzuführen, abzugeben oder weiterzugeben, sonst in Verkehr zu bringen oder zu erwerben (§ 2 Abs 1 CanG, Referentenentwurf). Das Gesetz soll zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beitragen, den illegalen Markt für Cannabis eindämmen und den Kinder- und Jugendschutz stärken.

Meiner Meinung nach wird das geplante Cannabisgesetz seine angestrebte Wirkung, nämlich dem illegalen Drogenhandel ein Ende zu setzen, verfehlen. Auch bei „legalen Drogen“, insbesondere bei Tabak, gab und gibt es immer einen Schwarzmarkt. Wer könnte die Leute davon abhalten, weiter preiswert beim vertrauten Dealer zu kaufen?

Letztendlich erfordert es aber hellseherische Fähigkeiten, um die zukünftige Entwicklung abzuschätzen. Es ist in meinen Augen ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Viele Sachkundige, wie ich selbst auch, sehen eher Probleme bei der Erfüllung der Aufgaben. Wer soll die kleinteiligen Vorschriften — Pfanzen im Heimanbau, Cannabisclubs, den THC-Gehalt, die Qualität der Produkte — überwachen? Wie kann ich unterscheiden, ob es sich um illegale Ware oder Cannabis aus dem Heimanbau oder dem Cannabisclub handelt? Dies erscheint auf den ersten Blick unmöglich. Somit handelt es sich nach meiner Auffassung de facto um eine Legalisierung des Besitzes von Cannabis.

Da es zumindest anfangs zahlreiche Unklarheiten geben wird, glaube ich auch nicht, dass es zu den im Gesetzentwurf angekündigten Einsparungen in Höhe von jährlich über einer Milliarde Euro bei der Strafverfolgung und der Justiz kommen wird.

Obwohl ich in Bogotá im Drogenlabor einiges gesehen habe, haben die Kollegen dort nie das schwarze Kokain (DER KRIMINALIST 9/2022) erwähnt. Wie sind Ihre Erfahrungen mit internationer Zusammenarbeit und dem Datenaustausch auch mit den osteuropäischen Ländern in Bezug auf neu „zurechtgebastelte“ Drogen?

Innerhalb der EU stehen wir in regem Austausch. Mit EU-Mitteln und Geldern der einzelnen Mitgliedstaaten wurden und werden neue Stoffe analysiert. Zu nennen ist in Deutschland zum Beispiel das Projekt „ADEBAR“, das die Erhebung und Bereitstellung von analytischen und pharmakologischen Daten sowie die Entwicklung von Verfahrensvorschriften und die Bereitstellung von Referenzmaterialien für neu auf dem Drogenmarkt auftretende Stoffe zum Ziel hat. Auch unsere eigenen analytischen Daten stellen wir zur Verfügung. Insofern funktioniert die internationale Zusammenarbeit hervorragend. Bezüglich des schwarzen Kokains: Wir haben unsere Entdeckung international publiziert, sodass jeder, der interessiert ist, sich informieren kann. Ich weiß, dass unser Artikel hierzu durchaus auch von Südamerika aus heruntergeladen wird.

Welche Drogen sind für Sie zwar kniffelig zu bearbeiten, aber chemisch interessant — und warum?

Jeder neue Stoff ist eine Herausforderung. Für Naturwissenschaftler ist dies, wie Sie schon eingangs sagten, wie ein kompliziertes Puzzle, das aus einzelnen analytischen Informationen zusammengesetzt werden muss. Meine Erfahrung: Passt ein analytisches Puzzleteil nicht zur vermuteten Struktur, muss man noch mal ganz von vorne beginnen. In jüngster Zeit war für mich überraschend, dass in synthetische Cannabinoide Silizium eingebaut wird anstatt Kohlenstoff. Dies führt dazu, dass diese Stoffe nicht mehr durch das NpSG erfasst werden.

Wie sich diese siliziumorganischen Stoffe im Körper verhalten, ist nicht bekannt. Wir vermuten, dass die strukturelle Änderung keine wesentliche Änderung der Wirkung zur Folge haben wird. Allerdings sind solche Verbindungen exotisch und teuer in der Herstellung. Ein Hinweis darauf, dass die Gewinnspannen beim Handel mit synthetischen Drogen enorm sein müssen.

Wie häufig sind — den Verunreinigungen im Labor nach eingeschätzt — die „Ein-Flaschen-Methode“-Labors im Vergleich zu den zunehmend erkannten Großlabors, von denen in DER KRIMINALIST 6/2021 schon berichtet wurde?

Synthetische Drogen, wenn man mal von den Klassikern wie Amphetamin absieht, werden selten in „Kellerlaboren“ oder mit „Eintopfreaktionen“ hergestellt. Sie haben oft eine hervorragende Qualität, die darauf hindeutet, das echte Profs am Werk sind, die über Labore im Technikumsmaßstab verfügen.

Unser Eindruck ist, dass es sich um Labore handelt, die auch legale Ware produzieren, oder dass die Stoffe, die auf den Markt kommen, aus der legalen Herstellung abgezweigt wurden. Die Labore befnden sich aber nicht in Europa.

Bei uns gibt es aber professionell organisierte Labore für die Herstellung von MDMA, dem Wirkstoff in Ecstasy-Tabletten, Methamphetamin und Amphetamin. Insbesondere beim Amphetamin beobachten wir häufger, dass die Qualität mangelhaft ist.

Nach nunmehr 20 Jahren im Drogenlabor: Was hat sich am unerwartetsten geändert? Das Franchisesystem der mexikanischen Organisierten Kriminalität? Die schnelle chemische Abwandlung der Stoffe?

Mich hat tatsächlich die Flut neuer psychoaktiver Stoffe nach dem Jahr 2008 überrascht. Der Höhepunkt war so um das Jahr 2012, wo wir fast wöchentlich neue Stoffe vorgelegt bekamen. Damals waren die Grenzen unserer Möglichkeiten deutlich überschritten und wir mussten uns methodisch und technologisch anpassen.

In Amsterdam gibt es rein psychotrope — also nicht nur THC-haltige — Stoffe aufs Milligramm Wirkstoff gemessen an jeder Ecke zu kaufen, beispielsweise in Gummibärchen. Ihre Meinung dazu?

Also, in Süßwaren haben Drogen nichts zu suchen. Wenn diese in Kinderhände geraten, kann man durchaus mit fatalen Ereignissen rechnen. Ich hoffe sehr, dass sich dieser Trend nicht fortsetzt. Wir sehen Gummibärchen mit dem klassischen Delta-9-THC, aber auch mit dem verwandten Stoff Delta-8-THC, den man leicht aus Cannabidiol herstellen kann. Wenn auch synthetische Stoffe in Süßwaren verarbeitet werden, haben wir ein ernstes Problem. Zudem stimmen die Mengenangaben auf den Verkaufsverpackungen in der Regel nicht. Hier kann ich nur sagen: Finger weg!

Worauf kann die Polizei bei Einsätzen vor Ort angesichts der vielen Farben, Formen und Darreichungsformen der Drogen sinnvoll achten?

Auch der Zoll stellt immer wieder illegale Labore sicher. Hierzu führen wir Schulungen durch. Unsere Beschäftigten verfügen über ein mobiles Raman- und Infrarotspektrometer, das vor Ort Stoffe sicher identifzieren kann, in vielen Fällen auch ohne Berührung durch Verpackungen hindurch. Dies gibt uns Sicherheit. Zudem ist es wichtig, ohne Ausnahme die persönliche Schutzausrüstung zu tragen, d. h. Kittel oder Einmalanzug, chemikaliendichte Einweghandschuhe, Schutzbrille, Staubmaske.

Die größte Gefahr geht vom Einatmen giftiger Stoffe in Form von Stäuben oder Gasen aus. Wir haben schon sehr gefährliche Stoffe sichergestellt, wie zum Beispiel das Opioid Carfentanil, das bereits in Mengen von weniger als 50 Mikrogramm einen Menschen töten kann. Zum Vergleich: Das ist ungefähr die Menge, die einem Zehntel eines herkömmlichen Haushaltszuckerkristalls entspricht.

Solche Mengen sind schnell durch unachtsame Berührung oder durch Einatmen von feinen Stäuben im Körper und daher eine tödliche Gefahr.

In den Vereinigten Staaten sterben immer mehr Menschen an „Oxis“ (Oxycodon) und Fentanyl — im Jahr 2022 über 200.000 Menschen. Eine für die deutschsprachigen Gebiete unvorstellbar hohe Zahl, die selbst hartgesottene Kollegen auf Kongressen in den Vereinigten Staaten den Tränen nahe bringt.

Wie sieht die Entwicklung bezüglich dieser beiden sehr „harten“ Stoffe hierzulande aus?

Die USA haben sich durch die freizügige Verschreibung des Oxycodon-haltigen Schmerzmittels Oxycontin selbst eine Opiod-Krise geschaffen. Es ist seit Langem bekannt, dass Opioide wie auch Morphin und Heroin rasch in eine körperliche Abhängigkeit führen, die nur schwer zu durchbrechen ist.

Schmerzpatienten, die kein Oxycontin mehr verschrieben bekamen, suchten Alternativen auf dem Schwarzmarkt. Billige und ebenso tödliche synthetische Opioide wie Fentanyl führten zu einer Eskalation.

Zwar gibt es auch in Deutschland das Phänomen, dass zum Beispiel Fentanyl-Pfaster, auch aus medizinischen Abfällen, extrahiert werden. Da die legale Abgabe von Opioiden in Deutschland aber streng kontrolliert wird, hat dieses Problem glücklicherweise bei Weitem nicht den Umfang wie in den USA. Es führt aber vor Augen, dass ein zu laxer Umgang insbesondere mit Opioiden ernste Konsequenzen für eine Volkswirtschaft haben kann, denn neben den dramatischen persönlichen Schicksalen kommen Kosten für die Therapie der Suchtkranken hinzu, vormals leistungsfähige Menschen, die nun für wichtige gesellschaftliche Aufgaben nicht mehr zur Verfügung stehen.


Forensic DNA samples collection and handling

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Snuff

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