Diplomarbeit: "Forensik: Der Nutzen der Naturwissenschaft in der Kriminologie"

Eingereicht an der Ferrarischule Innsbruck, Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe / Kreativferrari; Betreuer/in: Mag. Nora Raffler; Eingereicht von: Leonie Innerbichler & Merit-Marie Hofer

Innsbruck, März 2024;

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21.1.2 Interview Dr. Mark Benecke

Thema 1: Forensik im Allgemeinen

Ist jeder Fall gleich spannend?

Für mein Team und mich schon. Andernfalls ist der Beruf ungeeignet, denn wir wissen ja vorher nicht, was aus den Spuren zu lesen ist. 

Wann ist die Forensik in Österreich relevant geworden? 

In Bezug auf Rechtsmedizin: Ist ein altes Fach. Deutschsprache Gebieten folgten früher anderen Ländergrenzen, daher nur soviel: Bei der Grün- dung der Gesellschaft für gerichtliche Medizin vor Hundertzwanzig Jahren waren Kollegen und Kolleginnen aus Innsbruck (Ipsen) und Graz (Kratter) entscheidend, zusammen mit Strassmann (Berlin), Puppe (damaliges Königsberg) und Ungar (Bonn) — diese fünf haben die Regeln der Fachgesellschaft erstellt. Bis heute sehen sich deutschschweizerische, österreichische und deutsche Rechtsmediziner und Gerichtsmedizinerin- nen als eine Gemeinschaft und tagen oft zusammen. Otto Prokop, Chef der Charité-Rechtsmedizin in Ost-Berlin während der DDR-Zeit, stammte aus St. Pölten (er sage zwar immer "Wien", aber gut). Sein bester Freund stammte aus Köln. An der Uni Innsbruck wurde 1869 "nach dem Vorbild der Wiener Fakul- tät eine Lehrkanzel für "Staatsarzneykunde" eingerichtet, die damals ne- ben der Gerichtlichen Medizin auch die Hygiene umfasste." In Wien war zuvor schon unter Maria Theresia "Staatsarzneikunde" ein Thema, Vor- lesungen zu gerichtlicher Medizin gab es dort ab 1795. Zusammen mit Graz waren diese drei bis 1967 die einzigen universitären rechtsmedizinischen Institute in Österreich; in Linz gab es zunächst nur ein privates Labor. 1967 wurde dann offiziell die Uni-Rechtsmedizin in Salzburg eingerichtet. In Bezug auf Kriminal-Biologie: Karl Landsteiner ist in der Nähe von Wien geboren und in Wien studiert. Sein Aufsatz "Ueber Agglutinationserscheinungen normalen menschlichen Blutes" ist 1901 in der Wiener klinischen Wochenschrift erschienen, und 1940 haben sein Team und er den Rhesus-Faktor ("Blutkörperchen Eigenschaften") oder die Rhesus- Faktoren beschrieben, die in jedem Blutspende-Ausweis stehen. 

Welchen Stellenwert hat die Forensik im Rechtswesen ?

Ohne Messungen und Tatsachen können die Juristen und Juristinnen nur denken, glauben, meinen und schlussfolgern. Der Stellenwert von forensischen Messun- gen ist meiner Beobachtung nach grundlegend. Andernfalls weißt du nicht, was passiert ist, außer, es wurde von einer guten Kamera aufgezeichnet. 

Arbeitet man in ihrem Berufsalltag häufig in einem Team? 

Im Grunde immer, weil beispielsweise die Schuss-Spuren, bei denen auch Blut angetroffen wird, einerseits auf Schmauch, aber auch auf Erbgut untersucht werden. Das machen immer verschiedene Menschen. Die Polizei oder die Angehörigen haben auch eigene Ideen, so dass ich es stets als "Team" ansehen würde. 

Allerdings können in den Naturwissenschaften auch kauzige Menschen, die in Ruhe allein arbeiten wollen, im Labor ihren Platz finden. Sie arbeiten letztlich aber wie geschildert auch "im Team". Eine Besonderheit bei uns ist, dass wir auch vor Ge- richt auftreten, das ist ja auch eine Art unfreiwilliges Team aus Anklage, Verteidigung, Jury oder Schöffen, Nebenklage, Angehörigen, Zuhörer und Zuhörerinnen, Presse und so weiter. 

Du kannst da nicht immer sagen "mir egal, ich will meine Ruhe, geht Sie nichts an, lesen Sie doch mein Gutachten", sondern musst vor Ort klar und verständlich erklären können, was du warum, wann, wie gemacht hast.

Stehen vermehrt Mordfälle oder die Aufdeckung von Diebstählen im Vordergrund?

Mit Diebstählen haben wir nichts zu tun, sie werden offen gesagt in den mir bekannten Großstädten auch polizeilich kaum untersucht, weil so viele andere Kriminalität anliegt: "Zahlt ja die Versicherung." 

Wie beschreiben Sie den Geruch einer Leiche?

Bei Gas-Blähung: Oft Hexanal (frisch gemähtes Gras) mit Butanol (Rotwein) und Dimethylsulfat (Kohl) und Indol (würgend, fäkal). Am Anfang blumig-Lösungsmittel-artig. 

Wie gehen Sie mit dem Thema Tod seit dem Beginn Ihrer Karriere um?

“Et is wie et is.” Biologisch ist interessant, warum der Tod erfunden wurde: Um durch Sex eine Vielfalt von erblichen Möglichkeiten zu schaffen. Es gibt viele Lebewesen, die nicht sterben; auch Menschen müssten nicht sterben, das ist extra einprogrammiert worden, um Vielfalt zu erschaffen." 

Kommen Sie oft mit Drogen in Kontakt?

Durchaus.

Thema 2: Entomologie

Warum denken Sie, dass die Entomologie nicht unbedingt eine große Rolle im Rechtswesen spielt?

Habe ich mir noch nie Gedanken drüber gemacht, ich kenne dazu keine Messungen. Vielleicht, weil sich fast niemand mehr für die Welt des Lebens interessiert? Wir leben ja auf einem biologisch sterbenden Planeten, und es scheint kaum Ge- genmaßnahmen zu geben. Könnte also in diesem Zusammenhang zu sehen sein. Es gibt auch nicht viele Experten und Expertinnen für Insekten auf Leichen, da das eine brotlose Arbeit ist. Meine Studierenden lehnen es seit dreißig Jahren ab, ins Fach zu gehen, nachdem sie sehen, wie wir im Team leben und arbeiten. Ich habe beispielsweise eine Achtzig-Stunden-Woche und nie Urlaub.

Was sind die typischsten Insekten, denen Sie begegnet sind?

An Leichen? Grün und Blau schillernde Schmeißfliegen.

Thema 3: DNA

Haben Sie es schon einmal erlebt, dass die DNA-Analyse an ihre Grenzen gestoßen ist?

Immer, wenn zu wenig Ausgangsmaterial da ist, ja.

Würden Sie die verpflichtende Registrierung der DNA eines jeden Menschen sinnvoll finden?

Sinnvoll schon, aber ob es gesellschaftlich angenehm wäre, ist eine andere Frage. 

Welche Spuren werden am häufigsten am Tatort gefunden/untersucht?

Blut, Haare, Sperma, Fasern, Fingerlinien von der Haut, Handy-Daten, Kamera- Daten.


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