Quelle: Freies Wort Ilm-Kreis (E-Paper), Ausgabe vom 13. Mai 2017, Seite 11
VON DOREEN HUTH
Wenn Dr. Mark Benecke zu Besuch kommt, zücken Einsatzkräfte ihr Fortbildungsheftchen. Die voll gepackten Lehrstunden in Kriminalbiologie sind lehrreich, witzig und dürfen angerechnet werden.
Wer sich als Kriminalbiologe auf Spurensuche begibt, braucht nur drei Handwerkzeuge: Eine Kamera, Tatortaufkleber und eine Taschenlampe. Umfassender ist die Denkarbeit für Spurenkundler. Einen Einblick in dieses Universum gab der bekannteste Spurenkundler Deutschlands, Dr. Mark Benecke, am Donnerstag in der Stadthalle Arnstadt.
Bekannt ist Mark Benecke nicht nur in seiner Branche, in der alternativen Szene, sondern auch als Kandidat der Partei "DIE PARTEI" zur am Sonntag stattfindenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Viel wichtiger - wichtiger noch als das eigentliche Thema "Spurensuche" - war ihm aber das Artensterben in Deutschland. Jede dritte Tierart in Deutschland ist eine bedrohte.
Zurück zum Thema machte Mark Benecke sein Publikum erst einmal warm mit seinem Beruf. Was macht so ein Spurenkundler eigentlich? Viele kennen die berühmten Kollegen aus dem Fernsehen, wenn sie akribisch Orte des Verbrechens absuchen und mit entscheidenden Hinweisen für Gerechtigkeit sorgen.
Spurensuche aber beginnt im Kopf. Das zeigte der Kölner anhand von Fotos seiner Reise nach Arnstadt. Dreckige Bahnhofswände zeigen in der Vergrößerung, was sonst nicht gesehen wird. Dazu führte Mark Benecke aus, dass Logik und Menschenverstand die falsche Herangehensweise in der Spurenanalyse sind, weil sie einem Verbrechen eben nicht entsprechen.
Wo Spuren fehlen, wird der Kriminalbiologe hellhörig. Gewöhnlicher Dreck wird durch Nähe und "kindlicher Neugier" zum Faszinosum. Flechten auf Steinen, Zunftzeichen, Schmierereien, Statuen, Essen: Alles nahm der Kölner unter die Lupe. Er zeigte, wie das vorgefertigte Denken Spuren falsch einordnen lässt, Zusammenhänge erzeugt, die ins eigene Weltbild, nicht aber immer zu den Spuren passen. Er verdeutlichte, wie er als Spurensucher alles mit allem abgleiche, Deutungen vermeide und "am besten gar nicht mehr denkt". Spuren sind Spuren und nicht mehr.
Was er in seinem Stadtrundgang für das Publikum vorbereitete, machte er in einem seiner Fälle konkret. Eine Tochter soll ihre Mutter mit 50 Messerstichen in einem geschlossenen Raum ermordet haben. Hass und Gier seien die Motive gewesen. Noch immer sitzt die Frau im Gefängnis und sagt, sie sei unschuldig. Ihr Verlobter und Bekannte aus dem Dorf der Familie wollen den Fall Jahre später wieder aufnehmen lassen und setzen Mark Benecke und sein Team auf eine erneute Spurensuche an. Schritt für Schritt erklärt er die Vorgehensweise, beantwortet zwischenfragen, um auch niemanden mit Strinrunzeln zurückzulassen.
Am Ende sind die Spuren eindeutig: Der Raum war nie geschlossen, das Mordmotiv der Tochter ist mehr als dürftig, die Beweislage eine komplett neue. Im Publikum ist die Anspannung einer gemutmaßten Ungerechtigkeit spürbar. Da sitzt eine Frau zu Unrecht im Gefängnis. Das Verfahren muss wieder aufgenommen und Gerechtigkeit hergestellt werden. "Es gibt nur die Wahrheit, nicht das Gute und das Gerechte", sagt der Kriminalbiologe. Dass der Fall eben nicht wieder aufgenommen wurde, liegt an den Kosten eines solchen Verfahrens.
Vielleicht sind es solche Erlebnisse, die Mark Benecke in die Politik führen. Quasi der Ausgleich zur puren Wahrheit, ohne Konsequenz. Mit seiner Herangehensweise an die Spurensuche gibt er jedenfalls einen erfrischend sympathischen Politiker ab, der nicht ins Establishment passt.
Mit herzlichem Dank an Doreen Huth und die Redaktionsgesellschaft von Frankenpost, Neue Presse, Freies Wort, Südthüringer Zeitung und FW Meininger Tageblatt für die Erlaubnis zur Verwendung.