Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke referiert in Alt Zeschdorf über plötzliche Selbstentzündung von Menschen
Märkische Oderzeitung / moz.de, 25. Sept. 2018, S. 15
Von Ines Weber-Rath
Alt Zeschdorf. So voll war der Saal des Zeschdorfer Kulturhauses selten. Der als „Herr der Maden“ bekannte Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke füllte ihn am Sonnabend Abend erneut. In seiner Ein-Mann-Show widmete er sich der plötzlichen Selbstentzündung von Menschen.
„Ralf, willst du vorher noch was sagen?“, ruft der Mann in Schwarz von seinem Stehpult aus nach hinten. Er meint Ralf Tomczik, den Veranstaltungsmanager der Gemeinde Zeschdorf, den Gastgeber. Ihm verdanken die Fans den erneuten Auftritt von Deutschlands berühmtesten Kriminalbiologen in der ostdeutschen Provinz.
Auch diesmal hat Tomczik Mark Benecke und seine Frau in Briesen vom Zug abgeholt. Einen Führerschein habe er nicht, erklärt Benecke in seiner Show ganz nebenbei und wie selbstverständlich. Den Vorteil führt der Biologe, der im Nebenfach Psychologie studiert hat, immer wieder vor Augen: Fotos, die er während der Zugfahrt oder auf einem Bahnhof geschossen hat.
Mit ihnen erklärt er einen Grundsatz seiner Arbeit: Im Alltäglichen, für andere Langweiligen gebe es das Interessanteste zu entdecken, versichert der Kölner. Dabei gelte: „Sehen ist nicht gleich wahrnehmen.“ Und: „Denke und vermute nie etwas, sondern schau genau hin“, ermahnt Benecke sein Publikum.
Das ist altersmäßig so gemischt wie sonst selten zu Veranstaltungen. Die Freunde des kriminalistischen Grusels sind zwischen Anfang 20 und um die 80 Jahre alt. „Die Karten waren binnen zwei Stunden ausverkauft“, sagt Ralf Tomczik. Vorm ersten Auftritt in Alt Zeschdorf hatte er Benecke und seiner Frau auf einer kleinen Rundfahrt einen Eindruck von der Region verschafft. Er sei „an vielen Windrädern vorbeigekommen“, ist dem Kölner diesmal aufgefallen. Er weiß auch, dass viele hierzulande Probleme mit Wölfen haben und warnt schon mal vor: Wenn die Pause zu Ende ist, heult sein elektronischer Wolf.
Doch als „Herr der Maden“ tritt Mark Benecke an diesem Abend faktisch nicht auf — mal abgesehen von den Fauchschaben, die er als Anschauungsobjekte für die Pause mitgebracht hat. Denn das vor die Themenwahl zwischen Alien-Autopsie, Insekten auf Leichen, genetischen Fingerabdrücken und plötzliche Selbstentzündung von Menschen gestellte Alt Zeschdorfer Publikum entscheidet sich mehrheitlich für letzteres.
Vor allem den älteren Damen im Saal dürfte etwas mulmig zumute geworden sein, als der Rechtsmediziner gleich zu Beginn resümierte: Von dem Phänomen, das seit Jahrhunderten bekannt, bislang aber kaum erforscht ist, sind vor allem sie betroffen. „Übrig bleiben in allen Fällen nur die nackten Unterschenkel und Füße“, erklärt der Schnellredner Nr. 1, ohne die Stimme zu heben.
Benecke beginnt seine Recherche in der Geschichte: Schon in Büchern von Charles Dickens findet sich eine Illustration zur plötzlichen Selbstentzündung. Es folgen Fotos zu Fällen aus der Neuzeit. Sie zeigen bis zu den Knien verkohlte Frauenleichen. Experten sprechen von „Brandamputation“, erklärt Benecke, der seine Ausbildung auch an der FBI-Akademie erhalten hat.
Das Publikum, das an seinen Lippen hängt, bekommt Einblick in sein Vorgehen zur Lösung eines Falls. Über die Leinwand flimmern Bilder von Brandleichen auf seinem Seziertisch und von einem Tatort an der Nordsee. Dort hat eine ältere Dame eine plötzliche Selbstentzündung überlebt. Benecke und seine Mitstreiter suchen Spuren, befragen Zeugen. Hier war an den Strand gespültes Phosphor der Auslöser. Doch in den meisten Fällen, so das Fazit kurz vor 23 Uhr, waren die Opfer nur allein, mit Alkohol und Schlafmitteln „zugedröhnt“ und haben geraucht. Ihr Unterhaut-Fett war der Brandbeschleuniger.
Schlange stehen beim „Herrn der Maden“: Den Autogramm- und Foto-Wünschen der Fans kam Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke (l.) vor seinem Vortrag und in der Pause im Saal des Alt Zeschdorfer Kulturhauses gern nach. Foto: Ines Weber-Rath
KRUSCHEL ERKLÄRT ́S: KRIMINALBIOLOGIE
Als Kriminalbiologie bezeichnet man die Wissenschaft, die sich mit den körperlichen, ins- besondere den genetischen Merkmalen eines Straftäters beschäftigt. Kriminalbiologen untersuchen unscheinbarste Hinterlassenschaften am Ort eines Verbrechens – Haare, Blut-
spritzer oder Speicheltropfen, um Verbrechen aufzuklären. Sie können Täter durch eine DNA-Typisierung, besser bekannt als „genetischer Fingerabdruck“, eindeutig identifizieren. Mit der Methode können aber auch Verwandtschaftsverhältnisse festgestellt werden.
(Mit vielem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.)