Gelingt jetzt ein Durchbruch? Rebecca Reusch: Kriminalbiologe äußert sich

Quelle: 22.Okt. 2025 - 15:00 Uhr, t-online

Von Leon Pollok

"Es gibt kein spurenfreies Verbrechen", sagt Benecke. "Menschen verlieren laufend Haut und Haare, aber auch Kleidungsbestandteile und vieles mehr".

Benecke schränkt im Fall von Rebecca Reusch jedoch ein: "Die Frage ist halt nur, ob wir die Spuren finden." Wenn gewischt werde, wenn es regne, wenn eine Wand gestrichen worden sei: Immer dann könnten Spuren verloren gehen. Spuren, die den mutmaßlichen Tod von Rebecca Reusch aufklären könnten. Auch Staatsanwalt Michael Petzold betonte am Dienstag: "Eine der größten Herausforderungen ist der Zeitablauf." Knapp sechseinhalb Jahre nach dem Verschwinden des Mädchens seien Beweismittel nur noch in begrenztem Umfang oder gar nicht mehr vorhanden.

Kriminalbiologe Benecke berichtet von erstaunlichen Entwicklungen 

Aus Sicht von Kriminalbiologe Mark Benecke lohnt es sich für die Ermittler dranzubleiben. Er habe schon die erstaunlichsten Entwicklungen bei Kriminalfällen erlebt. "Meine Kollegin Tina und ich saßen beispielsweise schon, ohne es zu wissen, auf der eingemauerten Leiche der Ehefrau eines Mannes, während wir ihn zum angeblichen Verschwinden seiner Frau befragt haben."

Achtjähriger getötet: Fall Fabian - wieso schlugen Hunde ganz woanders an?

Quelle: t-online/ Matti Hartmann, 18. Okt. 2025 

Auszug aus dem Text: 

»Benecke erklärt: Winzigste Kleidungsbestandteile, Blut, Sperma, Hautschuppen oder Haare können genügen, um den Täter zu verraten. Auch etwa an Pflanzen in der Nähe könne Erbgut anderer Personen festgestellt werden. "Und es gibt auch immer mal wieder Überraschungen, beispielsweise Lacksplitter, Glasstückchen oder Ähnliches, etwa nach einem Verkehrsunfall oder einem absichtlichen Umfahren."

"Grundsätzlich sind Hunde supergut und können viel besser als Menschen Gerüche wahrnehmen", sagt Benecke dazu. Dennoch müsse in Betracht gezogen werden, dass sie sich ganz einfach getäuscht haben.

Der Experte für biologische Spuren verweist auf eine Studie von Forschern der Universität von Tennessee. Diese haben auf ihrer "Body Farm", einem Gelände für wissenschaftliche Studien über Verwesungsprozesse, die Zuverlässigkeit von Leichenspürhunden und ihren Hundeführern getestet.

Die im Februar vorgestellten, aber bisher noch nicht schriftlich veröffentlichten Ergebnisse sind laut Benecke ernüchternd. Demnach hatten die Forscher 105 Dosen mit darin enthaltenem Leichengeruch platziert. Die Hunde und ihre Führer hätten jedoch nur 30 dieser Dosen identifiziert.

Umgekehrt schlugen die Hunde häufig an, auch wenn gar kein menschlicher Leichengeruch vorhanden war: In 217 Fällen hätten die Teams Dosen ohne Leichengeruch herausgepickt. Benecke bezeichnet das als "Riesenproblem". "Die Hunde haben ganz klar geschaut, wie sich ihre Führerinnen und Führer verhalten und haben entsprechend angezeigt", erklärt er.

Oft hätten die Hunde in der Studie zum Beispiel angeschlagen, wenn ihr Mensch an einer Ecke umgekehrt sei: "Sie haben also gedacht, jetzt ändert sich die Richtung, vielleicht möchte mein Führer oder meine Führerin mir etwas sagen." Das Phänomen sei als sogenannter "Kanteneffekt" bekannt.

Bei der Suche am Inselsee komme erschwerend hinzu: Im Uferbereich könnten verwesende Tiere liegen, aber auch eigentümlich verfaulende Pflanzen.« 

Mark Benecke X Blutengel 🦇

Blutengel sind in Köln zu Gast 🧛‍♂️ Bürgermeister der Herzen Mark Benecke nebst First Lady Ines besuchen die Band und erfahren erstaunliches: Chris hat einen Tourpet-Schneider, der Graf heißt eigentlich "Günni" und arbeitete früher als Vorband bei Chris, während Uli schon zu Beginn der Tour von Rumnightlinern müde ist und einen Schlachtruf benötigt.

Verblüffend: Die Blutengel-Tänzerinnen können sich nach Belieben eine Hand (quietschend) absägen und wieder annähen; tatsächlich finden sich Naht-Spuren an derselben. 

Außerdem gibt es interessante Kaffee-Sorten im Backstage, die nicht Lungo oder Ristretto heißen, sondern Uli und Chris ☕️ Nebenbei verraten uns Fans und MARKierte (Dunkelsucht), wie sie es im Publikum und auf der Bühne fanden. 

Ines stellt nebenbei fest, dass sie so gut wie nie (außer auf Festivals) auf Konzerte geht, wir haben nochmal nachgerechnet, es war vermutlich erst ihr fünftes Konzert (!), das sie je besucht hat 🎉

"Abends" (Einlass war um 18 Uhr, weil die Live Music Hall hinterher noch eine Party schmiss) gibt es noch Straßen-Musik in der U-Bahn der KVB sowie sodann einen Snack für Ines, die sich allerdings noch abschminken muss, damit das Kissen nicht leidet. Offen bleibt nur die Frage, ob Mark wie ein Opa aus den 1990ern aussieht. 

Unten auf dieser Seite folgen einige Videos aus über zehn Jahren Blutengel-Interviews von Mark & Chris ⚰️

Kölner Dom-Tattoo (Tätowierung) 💒

Wurde auch Zeit: Endlich habe ich das Logo meiner Lieblingskolumne aus der Wochenend-EXPRESS (Die Woche) auftätowiert. Das Logo sieht alt aus, ist aber von ca. 2021. Der Kölner Dom ist darauf mega am Grinsen, und alleine das (neben dem total irren Design) gefällt mir sehr 😍 Begeistert der eure: Markito mit großem Dank an Ines Azrael fürs Tätowieren


Fragen um toten Fabian: Todesursache, Fundort, See-Fährte – Forensiker nennt vier mögliche Spuren

Quelle: merkur.de, Stand 15. Okt. 2025, 18:29 Uhr

Von Moritz Bletzinger

Nach dem Leichenfund in Güstrow türmen sich die Fragen. Wie starb der vermisste Fabian? Kriminalbiologe Mark Benecke erklärt, wonach die Polizei jetzt suchen könnte.

Güstrow – Weiterhin gibt es viele offene Fragen im Fall Fabian aus Güstrow. Der Achtjährige war tagelang vermisst und schließlich tot in einem Waldstück gefunden worden. Zumindest geht die Polizei davon aus, dass es sich bei der Leiche um Fabian handelt, eine DNA-Analyse soll endgültige Gewissheit bringen.

Mark Benecke hat als Kriminalbiologe an vielen großen Fällen mitgearbeitet – für IPPEN.MEDIA erklärt er, wonach die Polizei in Fällen wie dem von Fabian aus Güstrow suchen könnte.

Foto: Mark Benecke

Aktuell gehen die Ermittler von einem Gewaltverbrechen aus, auch hierzu erhofft man sich von der Obduktion neue Erkenntnisse. Eine Todesursache ist bislang nicht öffentlich bekannt. Wonach die Ermittler jetzt suchen könnten, erklärt der bekannte Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke auf Nachfrage von IPPEN.MEDIA.

Viele Fragen nach Wende im Fall Fabian: Forensiker Benecke erklärt jetzt mögliche Polizei-Schritte.

Die Polizei sollte „alle biologischen Spuren von der Leiche und aus der Umgebung einsammeln, einschließlich der Insekten auf der Leiche“, rät Forensiker Benecke. Insekten am Fundort einer Leiche können Aufschluss über eine ganze Bandbreite an Fragen geben, darunter beispielsweise die Liegezeit, ob die Leiche bewegt wurde. Auch die Todesursache kann mithilfe der sogenannten forensischen Entomologie oft geklärt werden, wenn Insekten etwa in Wunden oder Körperöffnungen zu finden sein sollten oder Gifte aufgenommen haben.

Darüber hinaus nennt Benecke drei weitere Schritte: Handy-Massen-Daten auswerten, Zeuginnen und Zeugen befragen und die rechtsmedizinische Untersuchung der Leiche. All das wird in Güstrow bereits getan, Befragungen begannen schon, als Fabian noch vermisst worden war.

Fabian aus Güstrow tot in Wald entdeckt – welche Spuren für eine Straftat sprechen könnten

Was ist bereits bekannt? Hinweise auf eine Straftat hatten sich offenbar bereits bei der Auffindesituation im Wald gezeigt, seit dem Fund rechnet die Polizei mit Straftat im Fall Fabian. Benecke nennt diverse Spuren, die diesen Rückschluss grundsätzlich zulassen können: „Verletzungen an der Leiche, Blut, Sperma, Haare, unerklärliche Fundorte, Tatwaffen.“

Wieso führte die Fährte ins Nichts? Einerseits ist es möglich, dass sich Fabian am Inselsee aufgehalten hatte oder womöglich sogar dort getötet und anschließend weggebracht wurde – zumindest ein Szenario, das Kriminalist Axel Petermann nicht ausschließt. Andererseits können Hunde, so wertvoll ihre Spurensuche ist, durchaus auch falsch anschlagen.

Benecke erklärt: „Es ist nicht einfach, die Hunde zu lesen. Besonders, wenn es um ungewohnte Suchen nach nicht so trainierten Leichen-Zuständen geht.“ Hunde achten stark auf ihre Führerinnen oder Führer, führt der Experte aus, das hätten Versuche der Bodyfarm in Tennessee gezeigt. „Die Tiere wollen ja keine Leichen finden, sondern den Führerinnen und Führern gefallen, beziehungsweise mit ihnen spielen.“ (Verwendete Quellen: eigene Recherche, Gespräch mit Dr. Mark Benecke) (moe)

Amphi Festival (Orkus) 2005

Ich war bei allen Amphi-Festivals dabei 🦇 Hier das vielleicht erste (?) in Gelsenkirchen. Mit Welle:Erdball, Blutengel & Staubkind ✨

Fotos: Mark Benecke

Wave Gotik Treffen (WGT): Festspiel der Geister / Festival of Spirits and Spectres

WGT-Tagebuch 2024

Sowas können nur Gothics

Amphi-Festival Köln 2023 (Gothic) Tanzbrunnen

Amphi-Festival 2022 (Köln / Cologne, Germany)

WGT-Tagebuch 2023

Erkenntnisgewinn durch Mageninhalt

Quelle: Archiv für Kriminologie, Band 256, Heft 3 und 4, Sept./Okt. 2025, Seiten 109 bis 125

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Von Dipl.-Biol. Kristina Baumjohann und Dr. rer. medic. Dipl.-Biol. Mark Benecke

Zusammenfassung

Mageninhalt kann in Grenzen – zusammen mit rechtsmedizinischen Verfahren – zur Bestimmung des Todeszeitpunktes herangezogen werden. Die zwei hier vorgestellten Fälle wie auch die Literatur zeigen darüber hinaus, dass Mageninhalt zur Überprüfung von Aussagen und weiteren Fragestellungen in Kriminalfällen geeignet sein kann.

Schlüsselwörter: Mageninhalt, Todeszeitbestimmung, Aussagen, Informationsgehalt

Abstract

Stomach contents can — together with other forensic medical methods — be used to narrow down time since death. Two cases presented here as well as the scientific literature show the use of the method to verify statements and further questions related to criminal investigations. This potential source of information should therefore not be neglected.

Keywords: stomach contents, determination of time of death, statements, information content

Einleitung

Rechtsmedizinische Untersuchungen vom Mageninhalt bei Verstorbenen werden seit über hundert Jahren durchgeführt. Corin untersuchte bereits 1898 auch bei Lebenden die Magenverweildauer von Kaffee [1]. Drei Jahre später führte Farrai (1901) Untersuchungen zur postmortalen Verdauung von Eiweiß an Hunden durch [2]. Aufgrund des Weitertransports von Nahrung im Magen nach Eintritt des Todes stuft er diese Methode zur Todeszeitberechnung als ungeeignet ein. Zur postmortalen Verdauung wurden in den letzten Jahrzehnten verschiedene (Tier-)Experimente durchgeführt [3, 4]. Auch Merkel (1922) wies in seiner Arbeit eine mögliche Weiterverdauung nach Todeseintritt nach, hielt sie jedoch aufgrund der geringen Menge für unbedeutend [5]. Madea et al. (1986) bestätigten dies in einem Tierexperiment [6]. Henssge & Madea (2004) wiesen auf die bakterielle Zersetzung der Nahrung nach Eintritt des Todes hin [7].

Sorge (1904) befürwortete das Heranziehen des Mageninhaltes um Informationen zum Todeszeitpunkt zu gewinnen [8]. Nach Holczabek (1961) sollten auch Dünn- und Dickdarminhalte als Informationsgeber für den Zeitpunkt der letzten Mahlzeiten und deren Zusammensetzung verwendet werden [9].

Abbildung 1 Mageninhalt mit überwiegend körnerartigen Bestandteilen

Sofern der Zeitpunkt zwischen letzter Nahrungsaufnahme und Eintritt des Todes wie auch die Speisenzusammensetzung bekannt sind, kann der Mageninhalt – neben weiteren rechtsmedizinischen Methoden – grobe Anhaltspunkte zum Todeszeitpunkt liefern.

Der Mageninhalt kann darüber hinaus jedoch interessante Hinweise zu den Todesumständen liefern. Steht der Todeszeitpunkt nicht genau fest oder kommen mehrere Zeiten in Frage, kann der Mageninhalt diesen näher eingrenzen („früher“, „später“), die Art der Mahlzeit bzw. die Einordnung von Tageszeiten (z.B. Frühstück, Mittagessen), Orte der Nahrungsaufnahme (z.B. bestimmtes Essen eines Restaurants, Besuch bei Freunden usw.), Überprüfung von Aussagen und Einordnungen zur zeitlichen Rekonstruktion sollte nicht vernachlässigt werden [7].

Die Aussagekraft des Mageninhalts ist nicht nur im Zusammenhang mit rechtsmedizinischen Untersuchungen interessant. Auch andere medizinische und wissenschaftliche Bereiche haben hierzu Forschungen getätigt: Püschel (1996), Petring & Blake (1993) wie auch Nygren et al. (1995) untersuchten die Magenentleerung im Zusammenhang mit der Anästhesie vor Operationen („Nüchternheit“) [10-12].

Grover & Camilleri (2013) gingen dem Einfluss von Antidepressiva bei Reizmagen und Reizdarmsyndrom auf die Magentätigkeit nach [13]. So beeinflusst etwa Buspiron die Fähigkeit des Magens sich zu entspannen, was wiederum für die Nahrungsaufnahme (Volumenvergrößerung) notwendig ist, während trizyklische Antidepressiva eine Magenentleerung verzögern. Diese Befunde können auch für rechtsmedizinische Fragestellungen interessant sein.

Im archäologischen Zusammenhang analysierten Dickson et al. (2000) den Dickdarm-Inhalt der Gletscher-Mumie „Ötzi“ mittels Isotopenanalyse, um die damalige Ernährungsweise zu erforschen [14].

Pflanzliche Fragmente können neben archäologischen Hinweisen auch kriminalistische Anhaltspunkte geben: Der Nachweis von Diatomeen (Kieselalgen) im Magen kann auf einen Tod durch Ertrinken hinweisen [15, 16].

Neben Speiseresten sind auch andere Substanzen im Magen aufschlussreich: Lang (2015) fand bei einigen Brandleichen Rußpartikel und Kohlenstoffmonoxid im Magen, die er als Vitalitätszeichen während des Brandgeschehens deutete [17].

Nicht vom Mageninhalt bedingte Einblutungen in der Magenschleimhaut können – neben anderen Befunden – auf einen Kältetod hinweisen [18-22]. Diese Einblutungen werden auch Wischnewski-Flecken [19, 22] genannt (oder Wichniewski [21] oder Wischnewsky-Flecken [18]).

Abbildung 2 Samenartige Körnchen aus dem Magen.

Pope (2012) berichtet von einem während eines Überfalls erschossenen Räuber dessen Mageninhalt zur Identifizierung seines entflohenen Komplizen führte [23]. Im Magen des Verstorbenen fanden sich typische Burger-Reste (Hackfleisch, Käse, Speck) und Pommes frites. Ein Kartoffelstäbchen war unverdaut und ließ darauf schließen, dass die Mahlzeit nicht länger als eine Stunde vor Todeseintritt gegessen wurde. Die Gerichtsmedizinerin konnte die Pommes frites aufgrund ihrer stärkeren Dicke einer bestimmte Fast Food-Kette zuordnen, von der sich eine Filiale in unmittelbarer Nähe zum Tatort befand. Das Überwachungssystem des Geschäfts zeigte den verstorbenen Räuber mit seinem Komplizen, der identifiziert werden konnte.

In einem Fallbericht von Kerscher et al. (2024) wurde ein 70jähriger Mann in einer Sauna ohnmächtig und zog sich Verbrennungen dritten Grades zu [24]. Er verstarb 11 Tage später in einem Brandverletzten-Zentrum. Sein Magen enthielt etwa 200 ml eingedickten Brei mit groben pflanzlichen Bestandteilen, die weder im Zwölffingerdarm noch in den folgenden Darmabschnitten zu finden waren. Der Mageninhalt musste daher die letzte Mahlzeit gewesen sein, die der Mann vor dem Saunagang zu sich genommen hatte. Das vollständige Ausbleiben der Magenentleerung über elf Tage wird hier erstmals beschrieben. Die Autoren zweifeln die Verwendung des Mageninhalts an, um Rückschlüsse auf das Zeitintervall zwischen letzter Nahrungsaufnahme und Tod ziehen zu können.

Von einem ähnlichen Fall berichtet Püschel (1996) [12]: Ein 15jähriger Junge erlitt fünfzigprozentige Verbrennungen der Körperoberfläche und starb nach10-tägiger intensivmedizinischer Behandlung an einer Sepsis. In seinem Magen fanden sich grüne Bohnen, die er vor den Verbrennungen zu sich genommen hatte.

Verletzungen und Erkrankungen des Verdauungstraktes können offenbar die Magenverweildauer von Nahrungsbestandteilen auf unbekannte Zeit verlangsamen oder sogar stoppen. Dies verdeutlicht Püschel (1996) anhand eines weiteren Falls: Ein 52jähriger Alkoholiker starb durch Bolustod nach 14tägiger Behandlung eines ausgedehnten subduralen Hämatoms [12]. Er wurde währenddessen ausschließlich künstlich ernährt. Ein 3x10 cm dicker Nahrungsbrocken aus dem Magen versperrte den Kehlkopfeingang und hatte im Magen über 14 Tage verweilt, ohne weiter transportiert und verdaut worden zu sein.

Auf einen Stillstand der Magenentleerung bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma weist auch Tröger (1987) hin [25]. In der rechtsmedizinischen Praxis sollte in derartigen Fällen darauf geachtet werden, dass es „keine ,,sichere" Zeitgrenze bezüglich einer stattgehabten Magenentleerung gibt.“ (Püschel 1996) [12].

Tablettenreste im Magen-Darminhalt können eine Vergiftung und weitere Informationen zu den Todesumständen (z.B. Suizid) nachweisen [26]. Hierzu müssen Menge und Zusammensetzung der eingenommenen Substanz(en) bekannt sein. Neben der chemischen Analyse der Stoffe kann die Art und Menge bestimmter Hilfs- bzw. Füllstoffe in Tabletten (z.B. Arten von Stärke und Cellulose) mit einem Polarisationsmikroskop untersucht werden. Diese Methode ist auch auf Tablettenreste in Gläsern, in Flüssigkeitsresten, in eingeatmeter Flüssigkeit oder in Erbrochenem anzuwenden.

Singh et al. (2016) berichten von einem Mord an einer jungen Frau [27]. Während der polizeilichen Untersuchungen machten sowohl ihr Ehemann und dessen Bruder wie auch ihr eigener Bruder widersprüchliche Angaben. Anhand des Mageninhalts – halb verdauter Reis – wurden die Aussagen der Männer überprüft: Die Frau nahm den Reis ca. zwei bis drei Stunden vor Todeseintritt zu sich. Dieser Befund widerlegte die Aussagen des Ehemanns und dessen Bruder.

Abbildung 3 Pflanzenbestandteile aus dem Magen.

In einem anderen Fall konnte der Mageninhalt ebenfalls zur Überprüfung von Aussagen herangezogen werden: Pieri et al. (2018) untersuchten die Proteine im Magen eines 40jährigen Patienten, der offenbar an den Folgen eines Sturzgeschehens gegen 9 Uhr morgens in einer Klinik verstarb [28]. Die Krankenschwestern sagten aus, der Mann habe das Frühstück verweigert. In seinem Magen des Verstorbenen wurden 350 g einer weißlichen, halbflüssigen Masse gefunden. Eine Untersuchung der darin enthaltenen Eiweiße zeigte, dass es sich um verdaute Milch- und Brotproteine handelte, die vom Frühstück desselben Tages stammten. Durch den Widerspruch zwischen den rechtsmedizinischen Befunden und den Aussagen des Personals wurden Ermittlungen zur möglichen Verletzung der Aufsichtspflicht eingeleitet.

Die Zusammensetzung des Mageninhalts kann auch aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften Informationen liefern: Gotsmy et al. (2018) und Jackowski (2023) weisen auf den charakteristischen dreischichtigen Mageninhalt in Fällen von Ertrinken hin [29, 30]. Aufgrund der Aufnahme verschieden großer Mengen an Wasser setzt sich dieses zuoberst ab (sog. „Wydler’s Sign“) und kennzeichnet Ertrinkungstode. Fälle ohne Ertrinken zeigen einen zweischichtigen Mageninhalt.

Gotsmy et al. (2018) weisen in diesem Zusammenhang auf mögliche abweichende Befunde zur Anzahl der Schichten des Mageninhalts zwischen PMCT (postmortalem CT) und der rechtsmedizinischen Untersuchung hin [29]. Vermutlich sind diese auf die Technik zur Entnahme des Mageninhalts im Obduktionssaal wie auch auf Bewegung des Leichnams bei der Obduktion oder vor / nach der PMCT zurückzuführen.

Der Untersuchung des Mageninhalts geht die Identifizierung der Nahrungsbestandteile voraus, die bei stark verdauten Speisen schwierig sein kann. Baur et al. (1982) zeigen wie man anhand von Doppeldiffusionstests und der Anwendung bestimmter Seren zwischen Milch und Käse unterscheiden kann [31]. Pflanzliche Bestandteile sind verschiedenartig aufgebaut und teils schwer zu bestimmen. Die Arbeit von Spann (1978) [32] und das Labor-Handbuch von Bock et al. (1980) [33] sind unserer Erfahrung nach gute Nachschlagewerke zur Erkennung pflanzlicher Zellen.

Verschiedene Faktoren beeinflussen die Entleerungsrate des Magens und den Verdauungszustand von Speisen. Wasser wird schneller entleert als Kohlenhydrate [11] und letztere wiederum schneller als Mischkost [26]. Dabei verlangsamt sich die Entleerung mit steigendem Gehalt an Kohlenhydraten und Triglyceriden [34].

Neben dem Fett- und Energiegehalt sowie dem Volumen bzw. Gewicht einer Mahlzeit [7, 35-37] spielen auch physikalische und chemische Beschaffenheit der Nahrungsmenge (z.B. Temperatur, pH-Wert) eine Rolle [38].

Jatti et al. (2010) nennen drei Kategorien einflußnehmender Faktoren auf die Magenentleerung: psychische, physiologische und anatomische Umstände [38].

Da die Magenentleerung neben überwiegend physiologischen Faktoren auch durch Emotionen gesteuert wird, sind letztere besonders in Kriminalfällen bedeutsam, da die Entleerung durch Wut und Aggression beschleunigt, durch Depression, Angst und Stress verlangsamt oder auch über das parasympathische System bei Schock, Angst oder Kopfverletzungen sogar gestoppt und die Herstellung von Magensäure einstellt werden kann [35, 36, 38-40]. Dann kann unverdaute Nahrung nach sogar 24 Stunden im Magen vorgefunden werden (Jatti et al. 2010) [38].

Weitere einflußnehmende Faktoren und deren Wirkung auf die Magenentleerung sind Tabelle 1 zu entnehmen.

Abbildung 4 pH-Wert-Bestimmung des Mageninhalts

Weitere tabellarisch aufgelistete Faktoren auf die Magenentleerung sind bei Henssge & Madea (2004) [7], Jaffe (1989) [45] und Legge et al. (2016) [36] zu finden.

Zur Dauer der Entleerungsraten des Magens gibt es unterschiedliche Angaben: Nach Patel et al. (2013) ist der Magen grundsätzlich nach 2,5-6 Stunden geleert [46], Grassberger & Schmid (2009) geben 2-4 Stunden mit einer großen Schwankungsbreite an [47], nach Kaul et al. (2017) dauert die Entleerung 4-6 Stunden [48]. Letztere untersuchten die Entleerungsrate(n) in 507 Fällen mit bekanntem Todeszeitpunkt und bekannter letzter Mahlzeit. Zwar erwies sich hier der Verdauungszustand der Speisen als bedeutsam bei der Berechnung des Todeszeitpunkts; dieser sollte jedoch nur im Zusammenhang mit weiteren Faktoren zur Berechnung der postmortalen Liegezeit (postmortales Intervall, PMI) gesehen werden.

Auch für Grassberger & Schmid (2009) ist die alleinige Abschätzung des Todeszeitpunkts anhand des Füllzustands des Magens und der Nahrungszusammensetzung nicht ausreichend genau [47]. Verständlich wird dies durch die oben aufgeführten Faktoren, die die Magenentleerung beeinflussen.

Wir stellen zwei Fälle aus unserer Sachverständigen-Praxis vor, in denen der Mageninhalt Verstorbener sowohl Rückschlüsse auf die zeitliche Einordnung des Todeseintrittes als auch die Überprüfung von Aussagen zuließ.

1. Fall 1

Ein Ehepaar wurde zwei bis drei Tage gefangen gehalten und ermordet. Wir wurden mit der Fragestellung beauftragt, wann der verstorbene Mann die in seinem Magen vorgefundene Mahlzeit zu sich genommen hatte.

1.1 Methoden & Befunde

Der Mageninhalt wurde in einem ca. 8 cm hohem und ca. 5 cm durchmessenden PE-Gefäß in einem Styropor-Kistchen mit Kühlelementen geliefert und bei Anlieferung eingefroren (3-Sterne-Gefrierfach).

Zwei Stunden vor Untersuchungsbeginn wurde der 53 g wiegende Mageninhalt (Feinwaage Kern 440-35N) bei Raumtemperatur aufgetaut und in zuvor mit Brennspiritus ausgewischte Petrischalen überführt.

Unter dem Binokular (Leica Mz 12.5) wurden 20 g des überwiegend tief dunkelgrau gefärbten Mageninhalts näher untersucht und Stücke nach Farbe, Form und Größe geordnet (Abb. 1).

Es konnten sieben Gruppen von relativ einheitlichen, noch gut erkennbaren, Bestandteilen auseinander sortiert werden:

1. Grobe, um einen Zentimeter lange, weiche, ,,gelatinöse", deutliche Schnittkanten aufweisende Stücke.

Abbildung 5 Schlund-Inhalt mit drei Bröckchen.

2. Größere, über einen Zentimeter messende „gelatinöse", meist scharf begrenzte (deutliche Schnittkanten aufweisende) Stücke.

3. Samenartige Körnchen von etwa zwei Millimetern Durchmesser mit glatter oder mit kleinen Eindellungen versehener Oberfläche: Zwei verschiedene Arten von Samen oder Körnern (Abb. 2).

4. Samenartige Körnchen von etwa fünf Millimetern Länge und drei Millimetern Breite, rötlich-braun.

5. Weiche, helle, einfach längsgefurchte, ca. drei bis vier Millimeter Breite und ca. sechs Millimeter lange Bestandteile.

6. Größere, teils lappige, mögliche Hüllen, wohl von Pflanzenbestandteilen.

7. Kleinere, rötlich braune Hüllen wohl von Pflanzenbestandteilen sowie ein einzelner birnenförmiger Bestandteil (Abb. 3).

Zur pH-Messung mit Universalindikator MERCK (pH 0-14) wurde dem verbleibenden Mageninhalt vier ml steriles, destilliertes Wasser aufgetropft. Der angezeigte pH-Wert (zwischen pH 3 und 4: sauer) wies auf eine saure und für den Magen normale Umgebung hin (Abb. 4).

1.2 Einordnung der Befunde

Die glasig-gelatineartigen Strukturen (Gruppe 2) wurden von einem von uns hinzugezogener Botaniker als Feigenbestandteile eingeordnet. Dies stimmte mit der später getroffenen polizeilichen Mitteilung überein, dass eine Packung mit getrockneten Feigen am Fundort angetroffen wurde.

Die vorwiegend drei bis fünf Millimeter lange pflanzlich-körnerartige Strukturen (wie beispielsweise aus einem Körnergericht oder -brot) (Gruppen 3, 4) waren mit dem später mitgeteilten Fund einer Müslipackung am Fundort vereinbar.

Abbildung 6 Bohnenstücke aus dem Magen. Maßstab: cm und mm

Bei den aus Gruppe 5 mitgeteilten Bestandteilen sah der Botaniker eine Ähnlichkeit zu ungeschälten Körnern von Weizen, Roggen, Gerste oder Hafer in Abgrenzung zu Graupen, bei denen es sich um geschälte Getreidekörner handelt.

1.3 Umgebungseinflüsse

Es ist von einigen Pflanzenbestandteilen bekannt, dass sie im Magen nicht zersetzt werden (müssen), sondern den Darm passieren und unverdaut ausgeschieden werden können. Dazu zahlen vor allem Körner und andere, wenig wasserhaltige pflanzliche oder auch wenig zerkaute Bestandteile.

Nach unserer bisherigen Erfahrung mit Mageninhalten erschien es uns ungewöhnlich und interessant, dass die oben angesprochenen weichen, aber dennoch scharf begrenzten, wie mit Schnittkanten versehenen Bestandteile des Mageninhaltes (noch) vorhanden waren. Dies deutet normalerweise darauf hin, dass die Zersetzung der Nahrung nicht lange angedauert hat.

Einflüsse wie hastiges Schlingen (und damit nur wenig Kau- und Einspeichelungstätigkeit) [5] sowie die Frage, ob die Person regelmäßig Mahlzeiten zu sich genommen hat, müssen in dem hier vorliegenden Fall (Entführung mit Mord) berücksichtigt werden.

Laut Literatur führen auch Stress und Angst dazu, dass die Verdauungstätigkeit im Magen verlangsamt wird [38]. Dies scheint hier auch der Fall zu sein: Nach unseren Informationen war die ermordete Person mehrere Stunden lebend in der Gewalt des Täters.

Eine vergleichbare Wirkung hat auch ein länger andauernder Todeskampf. Dies scheint hier jedoch nicht zuzutreffen. Nach unseren Informationen lag im Herzen flüssiges Blut vor, das von den rechtsmedizinischen Kolleginnen als Hinweis auf einen raschen Sterbevorgang gedeutet wurde.

1.4 Zeitpunkt des Todes

In der medizinischen Literatur wird in der Regel davon ausgegangen, dass gegessene Nahrung ungefähr zwei bis sechs Stunden im Magen verbleibt und danach in den Darm abtransportiert ist [46 – 48].

Abbildung 7 Kleineres Bohnenfragment aus dem Magen. Maßstab: mm

In einer Untersuchung von Patel et al. (2013) von 100 Mageninhalte von Leichen zeigte sich, dass die Anwesenheit von noch identifizierbaren Nahrungsbestandteilen auf eine Zeit seit dem Essen von weniger als 2 Stunden hindeutet [46]. Angesichts der erkennbaren Schnittkanten im uns hier vorliegenden Mageninhalt würden wir eine Zeit seit Nahrungsaufnahme von etwa 2 Stunden bis höchstens 6 Stunden annehmen. Die genannten, in diesem Fall wohl einflussnehmenden Faktoren müssen berücksichtigt werden.

2. Fall 2

Ein Mann verstarb im Pflegeheim während des Abendessens. An diesem Tag nahm der Verstorbene folgende Speisen zu sich: Zum Frühstück soll er nur einen Kaffee getrunken und nichts gegessen haben. Mittags gab es Rinderrouladen mit Nudeln, Kaisergemüse und Rhabarberkompott. Angeblich soll er hiervon nur wenig zu sich genommen haben. Zum Abendessen gab es Gelbwurst, Käse, Bohnensalat, Brot (Graubrot oder dunkles Vollkornbrot) und Butter. Laut Betreuerin soll der Verstorbene abends zwei Scheiben Brot mit Wurst gegessen haben. In einem unbeaufsichtigten Moment hatte er sich möglicherweise eine Scheibe Brot mit Butter in den Mund steckt und war daran erstickt.

Wir wurden um eine morphologische Untersuchung der Speisereste aus seinem Rachen und Magen gebeten, um „mit hinreichender Sicherheit [festzustellen], welche Speisen der Verstorbene unmittelbar vor seinem Ableben zu sich genommen hat“.

2.1 Methoden & Befunde

Proben aus Rachen und Magen erhielten wir getrennt voneinander und ungekühlt in zwei Plastikgefäßen mit Deckel, die unmittelbar nach ihrer Ankunft bis zur Untersuchung in einem 3-Sterne-Gefrierfach tiefgefroren wurden.

2.2 Racheninhalt

Der etwa sechs Gramm schwere Racheninhalt (Waage: Philipps HR2385/A) war bräunlich, flüssig (Abb. 5). Drei erkennbar große Bröckchen waren innen weiß und außen von einer schmutzig dunkelgrauen Schicht umhüllt; die Konsistenz ähnelte Frischkäse.

Festere Bestandteile waren nicht erkennbar.

Insgesamt war die Flüssigkeit des Racheninhaltes recht dunkel gefärbt, was evtl. auf dunkle Vollkornbrot hinweisen könnte. Die hellen Bestandteile könnten von Käse stammen.

Abbildung 8 Mögliche fettige Bestandteile im Mageninhalt. Maßstab: cm und mm

2.3 Mageninhalt

Der deutlich hellere Mageninhalt wog ca. 230 g und wies einzelne größere, festere Bestandteile auf, die aufgrund ihrer Farbe und ihrem Aussehen länglichen Bohnen-Abschnitte ähnelten (Abb. 6).

Andere festere Bestandteile waren nicht vorhanden.

Der die Stücke umgebende Mageninhalt war vollständig einheitlich cremig-breiig mit kleinen weißen Einsprengseln (unter einem Millimeter); es fand sich ein einzelnes millimetergroßes eckiges Stück wie von einem grünen Kraut oder Gemüse.

Der Mageninhalt wurde lichtmikroskopisch bei 60facher Vergrößerung untersucht (Binokular: Leica MZ 12.5): Bei den Stückchen handelte es sich vermutlich um ein Stück Bohne, da Dicke und Farbe den anderen Stücken glichen. Insgesamt wurden aus dem Mageninhalt 19 mögliche Bohnenstücke mit Längen zwischen 5 mm und 21 mm gesichert (Abb. 7).

Ein süßlicher Geruch wie von erbrochenem Kakao war wahrzunehmen; dies könnte aber auch auf die Zersetzung von Zuckerbestandteilen (Kohlenhydraten) aus Brot zurückzuführen sein.

Bei achtfacher Vergrößerung der Bohnenstücke waren darauf zahlreiche kleine weiße Bestandteile zu erkennen. Diese weißen Partikel waren mit der Pinzette sehr leicht zerdrückbar; es könnte sich dabei beispielsweise um Käse mit nennenswertem Fettanteil handeln (Abb. 8). Kleine grünlich-rötliche bis bräunliche sehr dünne Plättchen könnten von Kräutern stammen.

Die pH-Wert-Messung der Proben wurde mit pH-Indikator-Stäbchen der Firma MERCK (pH 0-14) durchgeführt. Leitungswasser als Nullprobe zeigt pH 7 an, der Schlundinhalt lag bei pH 3-4, der Mageninhalt lag ebenfalls bei pH 3-4.

Ein Blut-Schnelltest mittels Bayer Hemastix (Charge: 6H18A) zeigte im Magen- und Schlundinhalt eine Blutmenge von mehr als 80 Erythrozyten pro Mikroliter (Abb. 9). Der Test zeigt extrem sensitiv, an so dass schon allerkleinste Spuren von Blut – auch extrem verdünnte Mengen – das Anschlagen des Tests bewirken.

2.4 Einordnung der Befunde

Der saure Schlundinhalt kann entweder auf die Speisen selbst zurückzuführen sein (Essig o.ä.), oder daran, dass die Person Magensäure aufgestossen oder gewürgt hat. Auch mögliche bakterielle Zersetzungsvorgängen während des Transportes könnten auf den pH-Wert eingewirkt haben, da die Proben bei uns nicht tiefgefroren eintrafen.

Die im Magen vorhandene Blutmenge muss nicht zwingend verletzungsbedingt entstanden sein. Es kann auch durch das Sektionsbesteck, Handschuhe oder Lagerungs-Gefäße aus dem Sektionsraum eingebracht worden sein.

Ein Tropfen Mageninhalt mit den bereits beschriebenen weisslichen, kleinen Partikeln sowie trockenkräuterartige Plättchen und Luftblasen (wohl durch Gärungsvorgänge) zeigte bei hundertfacher Vergrößerung mit dem Binokular die zahlreichen weißen Partikel, ähnlich einer Fett-Emulsion.

Abbildung 9 Blut-Schnelltest

Eine feingewebliche (histologische) Untersuchung erschien angesichts des sehr homogenen und gut untersuchbaren Materials nicht zwingend erforderlich, da keine auf den ersten Blick eigentümlichen oder nicht mit dem bisher Beschriebenen in Einklang stehenden Bestandteile im übersendeten Material zu erkennen waren.

Der Mann verstarb offenbar während der Einnahme des beschriebenen Abendessens.

3. Zusammenfassung

Mageninhalt sollte nicht alleinig zur Bestimmung des Todeszeitpunktes herangezogen werden. Unsere vorgestellten Fälle und die wissenschaftlichen Fallberichte zeigen jedoch, dass er zur Überprüfung von Aussagen und anders gelagerter Fragestellungen in einem Kriminalfall geeignet sein kann und sein möglicher Informationsgehalt daher nicht vernachlässigt werden darf.

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Charite Museum: 25 Jahre Kriminalbiologe

Quelle: Sonderdruck als Beilage zum Ausstellungskatalog anlässlich des Vortrages am 13. Dezember 2016, Hörsaalruine im Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité

→ Der Artikel als .pdf

Von Mark Benecke

Liebe ZuhörerInnen,

dass manche Insekten totes Gewebe mögen, ist nicht nur offensichtlich (Biotonne), sondern auch eine alte Tatort-Technik. Im ersten niedergeschriebenen Fall wurden Insekten benutzt, um den seelischen Druck auf einen Befragten nach einem Mord im Reisfeld zu verstärken.

Untersuchungsrichter Sòng Cí befragte dazu im 13. Jahrhundert – am Tag nach dem Mord – die Bewohner eines kleinen Dorfes. Da der Getötete durch einen Stich gestorben war, bat Sòng Cí die Feldarbeiter, ihre Sicheln vor ihre Füße zu legen. Eine der Sicheln wurde von Fliegen umkreist. Die Tiere hatten an der Sichel haftende, winzige Gewebereste wahrgenommen. Dem Besitzer dieser Sichel wurde daraufhin derart mulmig, dass ihn die Schuld wortwörtlich niederdrückte: Er schlug den Kopf auf den Boden und gestand.

Für den hier vorliegenden Katalog hat mich Kuratorin Navena Widulin gebeten, ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern und übergeordnete Rückschau zu halten, wie es vielleicht auch der felderfahrene chinesische Kollege hätte tun können – hier also aus meiner nun fünfundzwanzig Jahre dauernden Arbeit mit Insekten an Leichen. In dieser rückblickenden Atempause fällt mir zunächst das Gefälle zwischen dem guten Nutzen der Insekten als kriminalbiologische Spuren und ihrer Bewertung bei den KollegInnen von der Polizei ein.

Die meisten PolizistInnen, egal aus welcher ‘Dienstgruppe’ (so heißt das auf Behördendeutsch), schauen sich die Tiere zwar kurz durch ein Vergrößerungsgerät an. Sie lassen sich auch von den Atem raubenden Schillerfarben der Schmeißfliegen – tiefblau-metallic bei Calliphora, grüngelb wie Gold im Abendlicht bei Lucilia – kurz bezirzen.

Danach schlägt oft eine Art angeekelter Pragmatismus durch: „Und was nützt das jetzt?“ Es nützt sehr viel, bedarf aber einer offenen Fragestellung. Wir haben beispielsweise schon einmal eine in einen Teppich gerollte Leiche aus einem See gezogen, bei der wir zwar nicht wie im Kino die Anzahl der Tage seit dem Einrollen der Leiche, dafür aber die Jahrezeit des Versenkens – ohne Jahr – angeben konnten. Auf den ersten Blick wirkt das mager, aber eine Zusammenstellung von Tieren, die erstens Leichen mögen und zweitens in einen Teppich kriechen, ist so selten, dass mein Team und ich damit gerne vor Gericht gehen.

Das machen wir nicht immer. Denn wer wollte vor Gericht schon ernsthaft ein insektenkundliches Gutachten zerlegen?

Die meisten JuristInnen fanden Naturwissenschaften in der Schule doof, und das kauzige Randgebiet der forensischen Entomologie ist abseits der filmisch erfundenen Sexyness eine der drögeren Spezialdisziplinen. Das bedeutet, dass wir öfters keine harte Prüf-Instanz haben, also keinen, der uns in die Zange nimmt. Daher sorge ich auch ohne Gerichtsverhandlung dafür, dass meine Mitarbeiterinnen, aber auch Menschen, die mich weniger mögen, sich beispielsweise meine Insektenbestimmungen nochmal ansehen. Denn ich traue niemandem, auch nicht mir selbst.

Harte Verteidiger, die manche meiner sachverständigen KollegInnen zur Weißglut treiben, mag ich daher durchaus. Mir ist deren naturwissenschaftlich gesehen oft wahnwitzig erscheinende Fragerei egal, denn es ist doch eine sinnvolle Übung, auch aus schrägen Sichtwinkeln befragt zu werden und klare und wahre Antworten darauf zu finden.

Selbst wenn es dann um die Note meiner Doktorarbeit geht anstatt um die Wachstumsrate von Leichenerstbesiedlerinnen (beispielsweise im Jahr 1998 vor dem Landgericht Braunschweig bei einer von der Presse schwer umsummten Verhandlung zur Tötung der Ehefrau eines Priesters), frage ich einfach den Richter oder die Richterin, ob eine Universitätsnote hier sachlich interessant ist.

Manchmal entscheidet das Gericht, dass es wichtig ist, und dann beantworte ich es gerne. Zack! Es ist ja nicht mein Labor oder meine Verhandlung, sondern die Bühne der ‘Parteien’ – und nach deren Regeln sollte ein vernünftiger Sachverständiger spielen wollen. Es geht ja schließlich, neben einem guten Schuss Wahrheit, vor allem um die Auslegung und Anwendung von Gesetzen in einer Art ritualisiertem Schauspiel, das unsere Gesellschaft zum Glück zusammenhält.

Noch einmal zu Gefällen. Besonders auffallend sind sie, wenn zwischen den teils schwitzenden, sich windenden, lügenden, schweigenden, drucksenden oder lachenden Angeklagten Angehörige mit ihren leeren, traumatisierten Gesichtern sitzen, daneben nicht selten weise, manchmal aber auch mit einem dem gestrigen Europapokal-Spiel geschuldeten Augenringen und noch nassen Haaren eintrudelnde RichterInnen, des Weiteren teils mutige, teils verstockt konservative Ankläger und VerteidigerInnen und dann – meine stillen Helfer, die Insekten und biologischen Spuren.

Meine Vorgänger beschrieben das Verhalten von Insekten als ‘ewige Gesetze’, doch sie meinten damit natürlich nicht die Gesetze, die vor Gericht gelten. Wer schon einmal in zwei verschiedenen Kulturen gelebt hat, weiß, wie es sich anfühlt, beide Seiten zu kennen. In unserem Team ist die ‘andere’ Seite dabei allerdings eine, die gar nichts von Menschen weiß.

Man wird gelassener und fragt sich, ob das vorliegende Problem nicht vielleicht ganz anders gestaltet und lösbar wäre als es gerade verhandelt wird. Doch das geht die Insekten nichts an, und sie wissen ja, wie gesagt, auch gar nichts vom hochorganisierten Leben der Menschen. Immerhin verschont die manchmal höllenheiße Glut, die unvorhersagbar auch im abgewetztesten Gerichtssaal über uns fegt und Herzen wie Bierfilz verbrennen kann, meine zwangsläufig stillen Assistenten.

Und das ist auch der Grund, warum ich, neben Blutspuren und Erbsubstanz, vor allem meine Insekten so liebe. Selbst in Momenten, die Menschen ins Wanken und Verzweifeln bringen können, krabbeln die Leicheninsekten über groß, klein, dick, dünn, jung und alt. Die einzigen Einflüsse, die sie bewegen, sind Luft und Regen, Wind und Nahrung, genetisches Programm und ein bisschen Gelerntes.

Ich schätze diese Ruhe, diese weit vor unserem menschlichen Dasein beginnende und weit nach uns endende Linie. Wenn ich Insekten auf Leichen sehe, sehe ich eine Welt, in der Frieden etwas grundsätzlich anderes bedeutet als auf der Erde der Menschen. Dass diese wunderbare, manchmal hilfreiche, meist aber wilde und uralte Welt immer um uns herum ist, das ist eine der Lehren, die ich abgesehen von der Liegezeitbestimmung an Leichen gelernt habe.

Gewebeverhalten unter Säure- / Baseeinfluss und bakteriellem Einfluss mit Schwerpunkt auf Mordfällen

Von Luisa Zerr & Anne Deegen 

St. Franziskus Gymnasium & Realschule

Betreuung durch 

  • Herrn Uli Stock (Chemie), St.-Franziskus-Gymnasium und Realschule Kaiserslautern 

  • Frau Claudia Herzog (Biologie), St.-Franziskus-Gymnasium und Realschule Kaiserslautern 

In Zusammenarbeit mit Stern / Stern Crime und Herr Dr. Mark Benecke 

→ hier gibt es die Facharbeit als .pdf

Wahlen in Nordrhein-Westfalen: Die abtretende Bürgermeisterin der Rheinmetropole sagt selber, die Stadt sei in einem schlechten Zustand. Das wollen einige nicht länger hinnehmen.

Quelle: Tages-Anzeiger (Schweiz), 13. Sept. 2025, Seite 13

Der Tages-Anzeiger aus der Schweiz hat es vielleicht ein bisschen zu hart dargestellt, denn was sind schon elf (!) Jahre in Köln? Es gibt ja schließlich auch den Elfer-Rat und die elf gilt allerseits als kölsche Glücks-Zahl ☺️

»Auch in anderen Bereichen hapert es: Verkehrsstaus, marode Brücken, ein unzureichender Nahverkehr und die steigenden Wohnungsmieten. Die Sanierung des Opernhauses, ursprünglich mit 253 Millionen Euro veranschlagt, kostet inzwischen 1,5 Milliarden und dauert elf Jahre länger als geplant. 

Wer sich länger mit der Kölner Politik beschäftigt, könnte meinen, das alles lasse sich nur mit Humor ertragen. So sieht es auch der bekannteste Kandidat für das höchste Amt der Stadt: der Biologe und Forensik-Experte Mark Benecke. Er tritt für die Satire-Partei DIE PARTEI an und verspottet die Kölner Politik – mit Erfolg. 

Bei seiner letzten Kandidatur vor zehn Jahren erreichte er bereits den dritten Platz. «In Köln verschmelzen Unsinn und Ernst wie sonst nirgendwo in Deutschland», sagt er.  

Benecke forderte zum Beispiel, den gesamten Grüngürtel, eine 120 Hektare grosse Grünfläche, in Kunstrasen zu verwandeln, damit der 1. FC Köln dort trainieren könne. Es war eine satirische Reaktion auf das Anliegen des Fussballvereins, die Spielstätte auf geschütztes Gebiet auszuweiten. 

Auf einer Podiumsdiskussion jubelten ihm alle zu – ohne den Witz zu verstehen. «Die Leute in Köln sind so grössenwahnsinnig, dass sie das für bare Münze nahmen», sagt Benecke. In jeder anderen Stadt wäre seine Kandidatur unpassend. In Köln passt der Politiker ins Bild.« 🏟️

DIY-Fanzine von Philipp Reinecke: Mark Benecke (2025)

Fanzine als .pdf

Guten Tag, Herr Benecke, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Auch wenn Sie den meisten Leuten bekannt sind, würden Sie sich bitte kurz vorstellen?

Ich bin Kriminalbiologe. Mehr dazu (ordentlich sortiert, versprochen) auf http://benecke.com.

Wie kam es dazu, dass Sie sich entschieden haben, Biologie zu studieren?

Die Biolog:innen waren die Nettesten. Ich war auch für Psychologie, Film-, Fernseh- und Theaterwissenschaften und Germanistik eingeschrieben, aber der Vibe war bei den Biolog:innen von Anfang an da, bei den anderen nicht.

Sie arbeiten schon viele Jahre in der Kriminalbiologie. Wie kam es zu der Entscheidung, diesen Weg einzuschlagen?

Zufall. Ich wollte genetische Fingerabdrücke lernen, die 1984/1985 von Alec Jeffreys erfunden oder entdeckt oder beides wurden. Das ging damals nur im Institut für Rechtsmedizin.

Zudem sind Sie Experte auf dem Gebiet der forensischen Entomologie. Für alle Nicht-Fachkundigen: Was bedeutet dieser Begriff, und was genau machen Sie auf diesem Gebiet?

Wir prüfen, ob Insekten an einer Leiche oder an einem Tatort oder sonstwo etwas über die Tat verraten können: Leichen- Liegezeit, Transport einer Leiche, Jahreszeit des Vergrabens und so weiter.

Um noch ein wenig bei den Insekten zu bleiben: Können Sie ein kurzes Beispiel nennen, wie ein Insekt zur Aufklärung von Todesfällen beiträgt?

Das Alter der Tiere an einer Leiche kann verraten, seit wann eine Leiche in der betreffenden Umgebung liegt. Das kann die Polizei mit Beobachtungen von Zeug:innen abgleichen, die beispielsweise ein Auto zu dieser Zeit gesehen haben.

Gehen wir noch einmal zurück in Ihrer Laufbahn. Was ich persönlich spannend finde, ist Ihre Arbeit in den USA, da sich einige Abläufe dort doch stark unterscheiden. Wie kam es dazu, dass Sie in den USA gearbeitet haben?

Meine Chefin aus Köln hat im Institut für Rechtsmedizin in Manhattan die Abteilung für Erbgut-Untersuchungen übernommen. Es gab kaum Menschen, die das ganze beherrschten und für einen absoluten Hungerlohn (ich habe mein gesamtes Einkommen der Vermieterin überwiesen und nebenbei Geld für Essen und dergleichen verdient) dort arbeiten wollten. War sehr spannend und lehrreich.

In den USA waren Sie unter anderem in Manhattan tätig. Was war dort Ihre Aufgabe?

Genetische Fingerabdrücke von Tatort-Spuren. Außerdem hat mein Kollege James (von den Amerikaner:innen “Jim” genannt) mit mir Insekten auf Leichen untersucht.

Gibt es einen Fall oder eine Begebenheit aus Ihrer Tätigkeit in Manhattan, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Die Leichen streng gläubiger Menschen mussten vor Sonnenuntergang untersucht und begraben werden. Das war etwas abenteuerlich.

Kommen wir zu einem anderen Zweig Ihrer Tätigkeit: Sie waren in den Serien „Medical Detectives“ und „Autopsie“ zu sehen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Mein Labor ist in der Nähe von RTL. Ich vermute, dass das für den Sender bequem war.

Ich bin ein wenig neugierig: Wie genau lief die Arbeit für die genannten Serien ab? Wie viel Vorbereitung war nötig, um sich in die Fälle einzuarbeiten?

Ich bereite mich nie vor, das ist mir sonst zu langweilig. Die Journalist:innen berichten den Fall, stellen ihre Fragen und ich sagen dann etwas dazu. Danach wird das ganze stark gekürzt in die Sendung geschnitten. Mehr weiss ich nicht, da ich die Sendungen noch nie gesehen habe.

Neben Ihren Tätigkeiten im TV findet man Sie auch in der Literatur. Was war Ihr Anlass, Bücher zu schreiben?

Das war früher normal, es gab ja noch keine sozialen Medien. Ich wollte eigentlich nur biologisch erklären, warum der Tod “eingeführt” wurde. Das Buch ist bis heute – also fast dreißig Jahre später – immer noch neu erhältlich. Manches, was heute vergessen ist, habe ich auch zum Geld verdienen geschrieben (ich hatte absolut keinen Cent übrig und brauchte Geld für Miete, Essen und so weiter), beispielsweise das sehr aufwändige Lexikon der Forscher und Erfinder und eine ebenso aufwändige Beschreibung von Wirkstoffen in Pflanzen.

Zwischendurch fällt mir noch etwas aus Ihrer Vergangenheit ein. Hier im Abschmierblatt geht es hauptsächlich um das Thema Punkrock, und auch da haben Sie eine Vergangenheit. Sie waren Teil der Band „Die Blonden Burschen“. Wie haben Sie den Weg zur Musik gefunden?

Mein Freund und Mitschüler Klaus hat mich gefragt, ob ich nicht mit ihm zusammen singen wollte. Er kannte Ton-Studios, die uns gratis oder für fast kein Geld dort haben aufnehmen lassen und so kamen wir schnell zu vernünftigen Aufnahmen und “Arrangements” in dem Sinne, dass wir alle (Bass und Drums gab’s manchmal auch) sehr gut aufeinander eingespielt waren und daher auch laute Kneipen, Schauspielhaus-Keller, die Kölner “Talentprobe” und dergleichen gut bespielen konnten, weil wir uns auf der Bühne durch reines Anschauen verstanden haben. 

Ein anderes spannendes Thema sind sogenannte „Body Farms“. Können Sie einen Überblick darüber geben, was sich hinter diesem Begriff verbirgt?

Auf den mittlerweile dreizehn Geländen auf der Erde liegen Leichen, die dort verwesen und dabei untersucht werden. 

Was genau sind bzw. waren Ihre Tätigkeiten auf den Body Farms?

Besucher, Trainer für’s FBI, vor ein paar Wochen beim Kongress der American Academy of Forensic Sciences “informierter Beobachter” von dort vorgestellten, aber noch nicht veröffentlichen Versuchen und deren Ergebnissen. 

Auch hier kommen Insekten ins Spiel. Wie wichtig sind sie für den Zersetzungsprozess des menschlichen Körpers?

Es geht auch ohne Insekten durch die Selbst-Auflösung des Körpers und Bakterien

Bleiben wir beim Thema Zersetzung. Mich würde Ihre Meinung zu einem speziellen Thema interessieren: Ich glaube, dass Sie sich einmal zu Bestattungen geäußert haben. Wie stehen Sie persönlich zu den herkömmlichen Erdbestattungen, bei denen der Körper im Ganzen bestattet wird? Ist dieser Prozess wichtig für die Natur?

Er ist jedenfalls tausendmal besser als die Verbrennung, bei der nicht nur Kraftstoffen en masse verbraucht werden, sondern auch die Nährstoffe, die Tiere und Pflanzen und Bakterien und Schleimpilze benötigen, sehr lange aus dem Kreislauf des Lebens genommen werden. 

Wir kommen so langsam zum Ende, und deshalb stelle ich gern ein paar einfache Fragen zum Ausklang. Sie waren vor Kurzem im Haus von Edgar Allan Poe. Wie war diese Erfahrung, und was verbinden Sie mit Poe?

Es ist winzig, stickig und unglaublich, unter welchen Bedingungen die Menschen damals gearbeitet und gelebt haben. Da da ganze noch kein Museums-Zirkus ist, ist es richtig interessant, das winzige Haus zu erkunden. Poe hatte eine sehr interessantes Arbeits-Pult zum Zusammenfalten, sowas hatte ich noch nie gesehen. Mein Bezug zu Poe ist, dass ich oft nach ihm gefragt werde (googelt es mal) und er als erster den Beruf, der heute “Detektiv” heißt, beschrieben – genauer gesagt erfunden – hat. 

Die letzte Frage dreht sich noch einmal um Musik. Was bedeutet Musik für Sie?

Ein schöner Anlass, um gleichgesinnte Menschen zu treffen oder beim Arbeiten auf Trab zu bleiben. Und ich mache regelmäßig “Platten” und prima Videos mit Bianca Stücker, darunter ein Leonard-Tribute. Das neue Video, wie immer sehr finster, kommt zum Wave-Gotik-Treffen in Leipzig zu Pfingsten raus. Schaut euch die prima Videos an, sie sind echt abgefahren und manchmal in einer einzigen oder zwei Einstellungen gedreht, ohne jeden Nachbearbeitungs- oder K.I.-Trick. 

Wir sind am Ende angekommen. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Zum Abschluss können Sie den Leuten da draußen gern noch etwas mit auf den Weg geben. 

Macht euer Ding. 

Früh erkennen, was förderlich ist

Quelle: autismus verstehen, 2/2025

Autismus-Studie für Kita-Kids

Interview: Marie-Louise Abele

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Foto: © Klaus D. Wolf

White Unicorn e.V. in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB) und der Arbeiterwohlfahrt (AWO) werten Belastung durch Reize wie Lärm und Unruhe in Lebensumfeldern von autistischen Kindern im Kita-Alter aus. Stephanie Fuhrmann ist Projektmanagerin bei White Unicorn e.V. und hat mit Dr. Mark Benecke bereits das schAUT Projekt zur Erforschung von Barrieren an Schulen für autistische und andere Schülerinnen und Schüler begleitet (www.schaut-verbund.de). Wir berichteten in unserer Ausgabe 2/2024 über die Ergebnisse. Jetzt richten sie ihren Blick auf die Barrierensituation der jüngeren Altersstufe. Das neue Projekt wird von der Aktion Mensch gefördert. Die Umfrage läuft noch bis Ende Oktober 2025. Stephanie Fuhrmann gibt Einblick in den Ablauf und das Ziel des Projektes.

Im vergangenen Jahr haben Sie das Projekt schAUT mit der Umfrage an Schulen abgeschlossen. Was gab nun den Anstoß, die Umfrage auch für den Kita-Bereich zu starten?

Während der Auswertung der schAUT-Umfrage haben wir verstanden, dass Kinder bereits in sehr jungen Jahren lernen können, die eigenen Fähigkeiten zu entdecken und zu entfalten und sich so zu eigenständigen Persönlichkeiten zu entwickeln. Dazu braucht es ein Umfeld, in dem sie auf ihre Art die Fähigkeit entwickeln können, in allen Lebenslagen kreativ und handlungsfähig zu bleiben. Wer ständig mit dem Umgang der äußeren Einflüsse beschäftigt ist, sich stetig anpassen muss, hat Probleme, zur Ruhe zu kommen, schläft schlecht und kann sich nicht auf Lösungen bei Schwierigkeiten und das Lernen konzentrieren. Das ist oft schon der Grund für einen schlechten Start in der Grundschule und zieht sich nicht selten durch die gesamte Schullaufbahn hindurch. Besser wird es für alle, wenn Barrieren erkannt und abgebaut werden und das Kind dann noch auf ein verständnisvolles und offenes System trifft. Verhalten wie z. B. Stimming erfüllt viele Zwecke und ist sehr wichtig. Autistische Kinder suchen gezielt Reize, damit ihr Gehirn angeregt wird – zum Lernen, Verarbeiten und Erleben. Das kann ganz einfache Dinge umfassen, wie mit einem Stift wackeln, sich die Haare um den Finger wickeln, mit dem Stuhl schaukeln oder immer wieder dasselbe Wort sagen. Auch Aktivitäten wie Reiten oder Kampfsport können Formen von Stimming sein. Jeder Autist hat seine eigene Art, sich zu stimulieren. Diese Reize helfen, sich wohlzufühlen und überhaupt lernen zu können. In stressigen Situationen wirken sie zudem beruhigend. Ebenso wichtig sind feste Rituale oder die Akzeptanz, wenn ein Kind allein spielen möchte – natürlich mit der passenden Begleitung. Das alles ist Förderung. Das ist Teilhabe.

An wen richtet sich die Umfrage?

Jeder darf mitmachen! Wir suchen Eltern, Familienangehörige, Mitarbeitende in Kita-Einrichtungen und Fachkräfte, welche die Kinder tagtäglich beobachten, aber auch erwachsene Nicht-Autisten, denn wir möchten in dieser Studie alles abbilden, was es neurologisch gibt. Außerdem möchte das Projekt gezielt Bewusstsein für mögliche Stresssituationen für alle Kinder im Kita-Alter schaffen. Unsere Fragen beziehen sich auf aktuelle Ereignisse, die das Kind gerade erlebt, oder Ereignisse, an die man sich selbst erinnert. Welche Hindernisse und sensorische Belastungen gibt oder gab es in der eigenen Kindheit im Alter zwischen 1–6 Jahren? Wie sehr stören sie oder haben sie eigene Handlungsabläufe gestört? Und wie geht man damit um oder wie ist man damit umgegangen?

Wie läuft sie ab?

Bis Ende Oktober 2025 läuft die Online-Befragung, mit der wir die selbst erlebten Hindernisse und Lösungen auf Teilhabe aus allen Lebensbereichen im Kita-Alter erfassen. Danach folgt eine längere Auswertungszeit.

Was ist das Ziel des Projektes?

Wir möchten, dass Kinder auch im Kita-Alter gesund und ausgeglichen aufwachsen können. Durch den Erhebungsbogen und die Pilotstudie mit Praxistest wird als Ergebnis ein ganzes Paket für die Entwicklung und Förderung des Zusammenlebens von Kindern im Alter zwischen 1–6 Jahren erstellt, bei dem auch autistische Kinder nicht ausgegrenzt werden. Dazu werden ein alltagstaugliches Wimmelbild-Kartenspiel, Entwicklungsraster, Workshop für Fachkräfte, Eltern und Interessierte sowie eine als Buch gedruckte Handreichung mit digitaler Fortbildungsveranstaltung entwickelt.

Was braucht es Ihrer Meinung nach, damit Kindertageseinrichtungen ein stressfreier Ort für alle sein können?

Meiner Meinung nach braucht es vor allem Menschlichkeit. Das beinhaltet das Verständnis für Vielfalt und Diversität in unserer Gesellschaft – ohne Ausnahme. Wenn früh verstanden wird, dass autistische Kinder immer autistisch bleiben, lässt es sich viel einfacher damit umgehen. Denn da ist nichts krank oder muss geheilt werden. Vielmehr ist es wichtig, den Kindern bereits früh die Möglichkeit zu geben, innere Stärke zu entwickeln – sei es durch Angebot von verschiedenen Schutzräumen, sei es ihnen zu erlauben, selbst zu erkennen, wann für sie die Belastungen überhandnehmen. So lernen sie früh, wie sie damit umgehen können, wenn Schwierigkeiten auft reten, z. B. durch Stimming, Kopfh örer, Technologien oder Ruhe und Entspannung. Wir möchten zur Förderung ein Kartensystem gestalten, das bei allen Kindern die Entwicklung der Fähigkeit, Bedürfnisse zu kommunizieren, unterstützen kann.

Die Möglichkeit, schon in jungen Jahren, Autonomie und Teilhabe zu leben, schafft die Basis für ein selbstbestimmtes Leben. Die dafür notwendigen Bedingungen müssen in den folgenden Lebensabschnitten angepasst und weiterentwickelt werden.

Zum Phänomen „True Crime“: Marktrelevanz, Konsumentenpsychologie und ethische Aspekte

Bachelorarbeit im Studiengang Wirtschaftspsychologie bei Prof. Dr. Thomas Jendrosch, FH Westküste Wirtschaft und Technik

Agatha Christie: als Krimiautorin mörderisch gut und praxisnah

Quelle: WDR Zeitzeichen, 15. Sept. 2025 (WDR 5)

In diesem Zeitzeichen erzählt Steffi Tenhaven, wie realitätsnah Agatha Christies Romane Kriminaltechnik und Rechtsmedizin beschreiben, warum Fingerabdrücke in der Forensik eine so wichtige Rolle spielen, wie gut sich Agatha Christie mit Giften auskannte und warum ein Kleinkind den Christie-Krimis sein Leben verdankt.

Sie schätzt es, ihre Opfer auf möglichst saubere und gepflegte Weise zu erledigen. Deshalb zieht Agatha Christie den Giftmord allen übrigen Meuchel-Methoden vor. Während des Ersten Weltkrieges hat sie sich als junge Apotheker-Assistentin ein beachtliches Wissen über Arsen, Strychnin und Blausäure angeeignet. So handelt bereits ihr erster Krimi, der zu dieser Zeit entsteht, von einem Giftmörder, dem der belgische Privatdetektiv Hercule Poirot das Handwerk legen muss. Neben dem arroganten Meisterschnüffler Poirot erobert vor allem die schrullige Hobby-Detektivin Miss Marple die Herzen der Krimi-Fans.

Geboren wird die Erfolgsautorin am 15. September 1890 im mondänen englischen Seebad Torquay. Agatha geht nicht zur Schule, wird stattdessen von der Mutter unterrichtet. Geschadet hat das ihrer Karriere nicht: Agatha Christie, eine Meisterin der Ablenkungsmanöver und falschen Fährten, avanciert zur erfolgreichsten Krimiautorin der Welt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:

— Mark Benecke (Kriminalbiologe und Autor)

— Laura Thompson: Agatha Christie - Das faszinierende Leben der großen Kriminalschriftstellerin (2012)

— Carla Valentine: Mord ist eine Wissenschaft. Was schon Agatha Christie über Rechtsmedizin wusste (2022)

Tag der Schiene: Selfkantbahn

Dom-Führung mit dem Dombau-Meister

Zeigt das farbige Richter-Fenster im Kölner Dom Märtyrer:innen und ist es wirklich gespiegelt? Wem gehört der Dom? Warum ertönt ein Schwalbennest im Kirchen-Schiff? Hat sich die Türmchen im Krieg gedreht? Wie viele Züge passen auf die Eisenbahn-Brücke?🚂 Warum ist da eine nackte Frau im Mosaik des Chores am Schrein der Heiligen Könige? Was hat Ochsen-Blut damit zu tun? Dombaumeister Peter Füssenich hat Nerven aus Stahl und nimmt Mark & Ines mit auf eine Tour, bei der auch noch Jahrhunderte alte, schweinische Einkratzungen, Eulen und eine Fußbodenheizung zu sehen sind 💒

Serial Killer Exhibit Berlin

Official Text: 

»Manson, Bundy, Dahmer and more are waiting for you! Debunk the mysteries behind the most twisted minds of the century with an exploration of serial killers’ lives from a scientific, historical and educational perspective. See the never-before-displayed collection of hundreds of original artifacts, including documents and drawings of the most famous killers made by themselves. 

Step inside detailed recreations of the most famous crime scenes, and learn all about the FBI methodology to identify and analyze psychological profiles of these individuals.

Date: From September 6, 2025

Opening hours: Closed on Monday and Tuesday

From Wednesday to Friday, open from 10 AM to 6:30 PM, last entry at 5 PM.

On Saturday and Sunday, open from 10 AM to 7:30 PM, last entry at 6 PM.

Duration: 90 minutes

Location: Neukölln Speicher, Ziegrastraße 1, 12057 Berlin, Germany

Age requirement: Recommended 14+. Children under 14 are admitted only when accompanied by an adult. Please consider content suitability for a younger audience.«

Mark's foreword in the exhibition catalog

NABU-Vogel-Halloween-Podcast 🦉

Heute haben wir den neuen Halloween-Vogel-Podcast für euch aufgenommen 🔭 Ist superschön geworden, lasst euch überraschen 🦜 Dankend und herzlich euer: Marky Mark nebst den beiden super-freundlichen Vogel-Päpsten Martin Rümmler vom NABU & Fabian Karwinkel, von der Uni Münster & der Naturschutzjugend NAJU & Sunbird Images 

Die meisten meiner Zuschauer sind dem Tod schon viel zu nahe gekommen

Quelle: Uckermark Kurier / Nordkurier | 5. und 6. September 2025

„Die meisten meiner Zuschauer sind dem Tod schon viel zu nahe gekommen“

Von Heiko Schulze

Dr. Mark Benecke entführte das Publikum im Großen Saal der Uckermärkischen Bühnen in die Welt der Serienmörder und Kannibalen. Er selbst bekannte im Interview mit dem Uckermark Kurier, sehr gerne in die Uckermark zu kommen.

Kriminalbiologe Mark Benecke versteht es, mit Tod, Verwesung und der spannenden Spurensuche nach Tätern und deren Motive zu faszinieren. Mit uns spricht er über diese Faszination.

Herr Dr. Benecke, Sie waren bereits wiederholt in der Uckermark mit Ihren Vorträgen, unter anderem in Schwedt und Templin, zu erleben. Haben Sie eine persönliche Verbindung zur Uckermark oder ist Ihnen diese Region durch einen der von Ihnen als Kriminalbiologe aufgeklärten Fälle bekannt?

Beides. Ich war in den letzten 25 Jahren wirklich schon oft hier und habe die Veränderungen in der Region mit Neugier verfolgt. Aus meiner Sicht ist es viel schöner und lebendiger geworden. Ich fotografiere auch immer die Häuser, Straßen und Menschen bei Veranstaltungen und stelle die Aufnahmen ins Netz. Es gibt viele freundliche Rückmeldungen, Tipps und vor allem die Lehre, dass Menschen überall halt Menschen sind.

In Schwedt hat mich von Anfang an besonders überrascht, dass vermutlich durch die „fossilen Geldquellen“ mit den Uckermärkischen Bühnen ein tolles Veranstaltungsgebäude besteht, das viele Menschen im Rest Deutschlands gar nicht kennen.

In Schwedt widmeten Sie sich unter der gerafften Überschrift „Serienmord“, so war es angekündigt, „skurrilen, teilweise ekligen bis spannenden Fragen“. Das Interesse an Ihren Vorträgen ist ungebrochen groß. Womit erklären Sie sich diese Faszination an den von Ihnen gesetzten, mitunter morbiden Themen, von denen man doch insgeheim hofft, dass sie nie die eigene Familie und Freunde und deren Lebenswirklichkeit betreffen mögen?

Die meisten meiner Zuschauerinnen und Zuschauer sind dem Tod schon viel zu nahe gekommen. Sei es durch den frühen Tod von Angehörigen oder körperlichen oder sexuellen oder gefühlsmäßigen Missbrauch. Sicher ist das Interesse an Serienmorden auch dadurch gespeist, solche Erfahrungen besser einordnen zu können.

Es gibt bei Harry Potter ja Thestrale, die nur Menschen mit entsprechenden Erfahrungen sehen können. Ich vermute einmal, dass es bei meinem Publikum des Öfteren genauso ist.

Bemerken Sie bei Ihren Vorträgen und den sich dabei ergebenen Gesprächen Unterschiede im Publikum der alten und neuen Bundesländer, beispielsweise was die Aufgeschlossenheit, die altersmäßige Zusammensetzung oder das Geschlecht betrifft?

Nein. Wie schon erwähnt: Menschen sind Menschen. Das gilt auch für andere Länder, also nicht nur Bundesländer.

Ich arbeite ja international und habe beispielsweise im Dschungel in Kolumbien bei den Studierenden super gute Fragen erhalten, die ich anderswo noch nie gehört hatte. Am ehesten gibt es Altersunterschiede, weil natürlich verschiedene Generationen verschiedene Erfahrungen gemacht haben. Diese waren in Ost und West aber gar nicht so unterschiedlich, wie manche es behaupten ...

Sehr schön zu sehen ist das an Grenzzonen, beispielsweise in Thüringen in Richtung Hessen und Niedersachsen oder auch im Osten an Grenzen zu Österreich, der Tschechischen Republik oder Polen. Meine Frau pflegt nur zwischen Nord-, Mittel- und Süddeutschland zu unterscheiden. So kann man es ja auch betrachten.

Vermutlich betreffen meine Vorträge so grundsätzliche menschliche Fragen wie Liebe, Sünde, Tod, Gewalt, Vernunft, Gerechtigkeit, Wahn, Verwesung und Fairness, dass das ehemals geteilte Deutschland hier keinen tiefen Einfluss hatte.

Welches ist die wichtigste Botschaft, die Sie bei Ihrer verständlichen Vermittlung von wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen Ihrem Publikum vermitteln wollen?

Niemals Fremdworte verwenden. Egal, warum. Die meisten Fremdworte kenne ich ja auch nicht.

Der ständige und vielschichtige Umgang mit Gewalt, Tod, extremen menschlichen Verhalten – hat dieser Ihren Blick auf den Wert des Lebens und die Gesellschaft verändert?

Ich bin froh, dankbar und ebenso verspielt, aber auch demütig, dass die Menschen, die ich kennengelernt habe, und ich jeweils eine Runde auf diesem Planeten geschenkt bekommen haben - wie ein Freispiel am Flipper oder im Computerspiel.

Ob andere Menschen sich dafür einsetzen, dass unsere gesellschaftliche Welt und das, was wir „Umwelt “ nennen, erhalten bleibt, kann ich nur sehr begrenzt beeinflussen. Natürlich entsteht daraus auch manchmal ein Gefühl des Fremdelns, weil viele Menschen - obwohl sie sehen, dass sie Dinge ändern könnten - das einfach nicht tun. Es ist aber wie im schon genannten Computerspiel: Ich kann nur das tun, was in meinem Handlungsspielraum liegt.

Welches sind Ihre aktuellen Forschungen beziehungsweise Buchprojekte, an denen Sie arbeiten?

Wir haben haufenweise Fälle von Menschen, die Angehörige von Verstorbenen sind oder solchen, die im Knast sitzen oder Menschen, die sehr alte Fragen haben. Beispielsweise zu den zu DDR-Zeiten angeblich adoptierten Babys und Kindern.

Zuletzt haben wir bei der größten kriminal-biologisch rechtsmedizinischen Tagung in den Vereinigten Staaten (American Academy of Forensic Sciences in Baltimore/USA) unsere Untersuchung der Lampenschirme, des Schrumpf-Kopfes und des Taschenmesser-Etuis aus dem Konzentrationslager Buchenwald vorgestellt.


Bekannter Kriminalbiologe: Vor diesen Typen sollte man sich in Acht nehmen

Von Heiko Schulze

Serienmörder entsprechen in den meisten Fällen nicht den über sie in Umlauf befindlichen Klischees. Jemand, der ihnen bereits gegenübersaß, erklärt, worauf man achten muss.

„Wir wünschen uns Serienmörder als bucklige, warzige Monster, die eine Schleimspur hinterlassen, an der sie zu erkennen sind.“ Der bekannte Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke, der es am 4. September mit seinem Vortrag „Serienmord“ einmal mehr verstand, sein Publikum im ausverkauften Großen Saal der Uckermärkischen Bühnen in Schwedt in seinen Bann zu ziehen, weiß, dass Serienmörder so gar nicht diesem „Wunschbild“ entsprechen.

Dr. Benecke hat ihre Spuren analysiert, saß ihnen gegenüber, hat ihre Geschichte hören, ihre Gedankengänge erfahren wollen. Auch die jenes Gelegenheitsarbeiters, der in Kolumbien aus „Lust am Leid“ 300 Kinder getötet haben soll. Niemand sonst wollte mit dieser „Bestie“ reden, ihr zuhören. Dr. Benecke tut es, schaut in menschliche Abgründe aus einem bestimmten Grund: Zu verstehen, „damit solche Taten nicht mehr passieren“.

Serienmörder, so die Analyse des Kriminalbiologen, sind „zu 99,9 Prozent angepasst, unauffällig“. Sie tragen eine durchschnittliche Kleidung, Frisur, haben keine Tattoos oder Piercings - dafür auffallend geputzte Schuhe: „Es sind keine ‚Verrückten‛, die in einer Psychiatrie behandelt werden. Sie wissen genau, was sie tun.“

Nur, dass sie extrem unsozial sind und eitle Narzissten, die von sich selbst überzeugt sind, anderen überlegen zu sein. „Es sind Menschen, die mit ihren Taten aufhören könnten, aber es nicht wollen. Sie kennen keine Reue, haben kein Gewissen. Dieses ist in ihren Gehirnen nicht verdrahtet.“

Dabei seien es oft die „Schwiegermutter- oder Messdiener-Typen“, in denen das Böse schlummere. Mark Benecke betont, kein Psychiater zu sein, sondern nur anhand der Spuren wie Blut, Sperma oder Fingerabdrücke an Tatorten oder Opfern seine Schlussfolgerungen zu ziehen: „Was Menschen erzählen, ist mir dabei völlig egal.”

Er halte dieses nicht nur als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger so, sondern in vielen Bereichen des Lebens. Ihm gehe es darum, „eine Messung und keine Meinung“ zu haben. „Zeige mir die wissenschaftliche Studie dazu“ - entgegnet er auch jenen Kommentatoren in sozialen Netzwerken, die Fakten bezweifeln, ohne sie faktisch entkräften zu können. Sei es zu Pandemien wie Corona oder Klimaveränderungen.

In Deutschland, so die Fakten, würde es im Jahr circa 220 Morde geben, dagegen sind es zum Beispiel in Mexiko 32.000 jährlich. Was in Deutschland geschehe und nicht nur ihn sehr beschäftige, seien circa 10.000 Selbsttötungen im Jahr. Dabei zeige eine aktuelle Studie aus Amerika, dass jene, die quasi in letzter Minute gerettet werden konnten, nach erfolgreicher Therapie froh und dankbar sind, ihr einmaliges Leben behalten zu haben.

Bei depressiven Menschen gebe es gute Möglichkeiten, diese zu heilen und in den Griff zu bekommen. „Bei Narzissten mit antisozialer Persönlichkeitsstörung gibt es - Stand Herbst 2025 - keine Therapie“.

Auch eine Strafe funktioniere bei diesen nicht, mehr Härte - wie bei neuen Taten immer wieder lautstark gefordert - bewirke das Gegenteil. Täter fühlten sich beispielsweise durch mediale oder sonstige Aufmerksamkeit eher geschmeichelt.

Dabei werde natürlich nicht jeder antisoziale Narzisst mit sauber geputzten Schuhen gleich zum Serienkiller. Mitunter aber zum Vorgesetzten: „In solchen Fällen hilft es oft nur zu kündigen, um an und unter ihnen nicht zu leiden. Ändern werden sich solche Typen nicht.“ Eigene moralische Maßstäbe gelten für diese nicht und könnten Narzissten auch so gut wie gar nicht vermittelt werden.

Dr. Benecke nahm in seinem fast dreistündigen Vortrag das Publikum anhand historischer und aktueller Fälle zudem in die „Welt“ der Kannibalen mit. Wenn es bei den zu Illustrationszwecken gezeigten Bildern zu heftig wurde, riet er dazu, seinem Vortrag für ein paar Minuten ruhig mit geschlossenen Augen zu lauschen.

Er selbst zeigte sich begeistert von dem aufgeschlossenen, interessierten Publikum in der Uckermark und versprach bald wiederzukommen. Als Schlussbild gab es ein glitzerndes Einhorn zu sehen, das dieses später als „Einschlafhilfe“ in seine Träume mitnehmen sollte, so der Wunsch des 55-jährigen Kriminalbiologen an das applaudierende Publikum. Wie groß das Interesse an seinen Erfahrungen und Erkenntnissen ist, zeigte sich einmal mehr an den Bücherstapeln, die viele Besucher auf dem Nachhauseweg mit sich trugen. Versehen mit einem besonderen „Madenstempel“.