Perfect Ink: Interview mit Dr. Mark Benecke

Quelle: Perfect Ink, Heft 1, August 2013, Seite 111

INterview mit Mark Benecke

Foto: Arne Vossfeldt

Dies ist die (lange) Roh-Version des Interviews, die im Heft gekürzt erschien!

Perfect Ink: Wie sind Sie als Wissenschaftler der Forensik in die Tattoo-Szene gekommen?

MB: gar nicht, ich bin -- in den worten unseres vorbildes herbert hoffmann -- als “fan” dazu gekommen. in koeln-muelheim bei “elektrische taetowierungen” schlich ich solange vor dem megaoldschooligen fenster rum, bis ich endlich rein bin und mir eine echse aus einem bestimmungsbuch fuer reptilien hab stechen lassen. das war vor ueber zwanzig jahren. ich fuehle mich nicht als teil einer szene, sondern ich bin einfach gerne mit spannenden menschen zusammen, die eier / eierstoecke in der hose haben. viele davon sind taetowiert.

Welche Ziele haben Sie mit Pro Tattoo?

Nur eins: wir bringen leute in sachen tattoos zusammen, die sich entweder nicht kennen oder normalerweise nicht miteinander sprechen und klaeren dann -- grundsaetzlich immer gemeinsam -- tatsachen: was ist mit tattoo-farben: sind die jetzt schaedlich oder nicht oder beides oder nichts? welche? wann? wie? wer finanziert ne brauchbare studie? was ist eine brauchbare studie? ist ein tattoo sowas aehnliches wie eine plastische operation? unter welchen bedingungen schliessen sich verbaende zusammen, um was genau warum genau zu bewegen? stimmt es eigentlich, dass politiker und behoerden alle fies und taetowierer alle cool sind? wer kennt jemanden, der...

Gibt es „Standard-Farben“ – im Sinne von Fabrikaten – die bevorzugt verwendet werden? Sprich: Ist in der Branche eine bestimmte Marke „state of the art“ und das Mittel der Wahl? Wenn ja, welche?

Nein. taetowierer sind sehr eigenverantwortliche und oft auch dickschaedlige menschen, die sich nicht reinreden lassen und ihre kauf- und kunst-entscheidungen so treffen, wie sie wollen. es gibt daher keine vereinheitlichung und keine standards. das ist auch gut so.

jeder taetowiert ja auch was anderes: es gibt kuenstler, die die irrsten farbverlaeufe verwenden und so ne art gemaelde erschaffen und es gibt oldschoolder, die eh nur vier farben (und vier sorten schwarz) brauchen und es gibt alles dazwischen.

Sind Farben von Wefa, die laut eigenen Angaben im Einklang mit der Ueta entwickelt werden, das beste Mittel der Wahl?

Kann man so nicht sagen. es kommt auf den einzelfall an = welche/r taetowierer/in macht warum was wann wie wo: groesse des tattoos? wie lange soll der effekt (z.b. bei farbverlaeufen) ueberhaupt sichtbar sein (es ist klar, dass ein oldschool-tattoo mit fetten schwarzen outlines auch nach 80 jahren noch erkennnbar ist, ein pschedelischer farbverlauf aber eher schon nach 30 jahren nicht mehr)? ist es ein mini-symbol (drei punkte, eine traene) oder ein ausgefeiltes portrait des lieblingswuffis? hat alles seine berechtigung, kann aber alles mit verschiedenen farb-arten/-typen gemacht werden.

Sind in Deutschland gefertigte Farben generell unbedenklich? Wenn ja, warum?

Sie sind oft gut kontrolliert, was beispielsweise die hygiene angeht: wenn das deutsche gesundheitsamt in deutschland farb-proben nimmt, kann man ggf. hinterher auch den deutschen hersteller ansprechen -- was schwieriger sein kann, wenn der hersteller in neuseeland sitzt. dass aber auch deutsche farb-hersteller in anderen laendern hergestellte bestandteile verarbeiten, ist auch klar. es geht ja jetzt nicht um milch oder butter von deutschen almwiesen.

grundsaetzlich kommts nicht aufs hersteller-land an, sondern darauf, ob der farbenhersteller erreichbar ist und zuhoert. wie oft habe ich von taetowierern schon gehoert: “ich moechte einfach wen beim hersteller ans telefon kriegen, der mir offen sagt, dass dieses und jenes klar geht -- etwa “keine allergie bei nem kunden, der oft allergisch ist” oder “warum in der zeitung stand, dass die farbe angeblich scheisse ist, obwohl ich sie seit zehn jahren gerne und mit besten ergebnissen verwende? raff ich nicht.

Wie so oft ist die Angst schnell groß, wenn jemand über mögliche Gefahren und Nebenwirkungen berichtet. Aus Ihrer Erfahrung heraus: Gab es überhaupt schon einmal Kunden, die gesundheitliche Probleme aufgrund der Tätowierfarben und deren Inhaltstoffe bekommen haben? Wie groß ist diese Chance?

Am aller-aller-allerhaeufigsten gehen die frisch taetowierten leutz, obwohl mans ihnen zehn mal mit tiefem blick in die augen gesagt hat, auf die sonnenbank oder ins meer oder schwimmbad, und dann gibts manchmal theater mit entzuendungen. das ist der haeufigste grund fuer probleme, hat aber nix mit den farben zu tun.

mit riesen-abstand dazu gab es frueher schon mal raetselhafte probleme mit hautreizungen. wenn man die leute aber wirklich ernst befragt, haben sie doch scheisse gebaut, z.b. klamotten ueber das frische tattoo schubbern lassen usw.

nachgewisenese faelle, dass die inhaltsstoffe der tattoos an sich problematisch waren, kenne ich nur von allergien (das kann aber auch mit nuessen, soja, aspirin, birkenpollen oder sonstwas passieren und hat also nix mit tattoos zu tun) . ein aktueller fall ist in meiner kolumne im TAETOWIERMAGAZIN in der aktuellen ausgabe; haenge ich an diese mail an. das ist eine absolute ausnahme, sogar die einzige, von der ich jemals gehoert habe.

wir (pro tattoo und andere) foerdern schon immer intensiv beweisbare, gute forschung zu diesem thema und sind gespannt auf die ergebnisse. tenor dabei: es lassen sich ja immer mehr leute taetowieren, da sollte man also bisschen mehr wissen als vorher, was noch weniger waren. ist ne rein statistisch-naturwissenschaftliche sicht.

moechte auch was aus eigenener erfahrung sagen: ich bin schon in den verranztesten und coolsten studios taetowiert worden, von medellin (kein witz), new york bis muenchen und im “hinterhof”, und ich hatte noch nie irgendein gesundheitliches problem. tattoos sind letztlich hautkratzer...

Wird bei der Diskussion um Inhaltstoffe „heißer Wind“ gemacht? Schließlich hat auch angebranntes Grillfleisch eine gewisse gesundheitliche Brisanz. Wie bewerten Sie aus wissenschaftlicher Sicht die kritischen Inhaltstoffe von manchen Tätowierfarben?

Ich finde es uebertrieben, weil essen, trinken, einkaufen usw. eben nie hundert prozent sicher sind. wer ein tattoo als was rein kosmetisches sieht und totale sicherheit haben will, sollte es einfach lassen. er/sie sollte aber auch bitte auf keinen fall jemals wieder tiefkuehlgerichte essen oder gar auto fahren. das meine ich todernst. tattoos sind fuer erwachsene.

Sorgen Sie sich um die Inhaltsstoffe Ihrer Tätowierungen?

Nein. meine tattoos sind bestandteil meiner seele und meines koerpers. alles, was in meiner seele giftig oder schoen, traurig oder aetzend, liebevoll oder gluecksbaerchig ist, gehoert dazu. ich habe mich entschieden, meinen weg zu gehen und mich taetowieren zu lassen, nicht meine taetowierer, nicht mutti, nicht der liebe gott, sondern ich.

es ist sehr gut, dass hygienische, “deutsche” standards gelten, es ist gut, dass die farbenhersteller aufpassen, ihre kunden nicht durch borniertes scheissegaltum verlieren wollen, aber das isses dann auch. man muss das jetzt nicht mit einer million boegen militaerisch durchgliedern.

hinweis: ich sende bei ebay-verkaeufen meine sachen auch schon los, bevor der andere bezahlt hat...meine entscheidung. man koennte es auch “informiertes vertrauen” nennen.

Gab es in der Tätowierer-Branche in der Wahl sowie in den Anforderungen an Qualität von Tätowierfarbe in den letzten Jahren eine Veränderung? Wenn ja: Welche und wie kam es dazu?

Ja, massiv. auch brummige, oldschoolige taetowierer wollen ihre kunden happy machen. da immer mehr stil-richtungen entstanden sind und auch viele kuenstlerisch und graphisch orientierte taetowierer nun mitmischen, wurde die frage nach der guete der farben bei deutlich groesserer farbpalette auf einmal viel wichtiger als vorher -- frueher galt schon der einsatz von weiss als supercrazy shit aus dem osten. ein neueres beispiel sind zombie-tattoos: es gibt da ganze farbsaetze, unter anderem mit gruen-toenen, um schoen fiese zombie-haut hinzukriegen. aeh, falls zombies technisch gesehen “haut” haben ;)

Wir haben stichprobenartig neun Farben testen lassen. Von diesen sind die Farben Atomic Sicily Yellow (Aerobes mesophilic sporulating bacteria), Intenze Basic Lemmon Yellow (o-Anisidine, Barium), Intenze Bob Tyrell Dark Tone (Acenaphtythlene, Pyrene), und Intenze Basic Bright Red (o-Anisidine) aufgrund hoher Anteile der jeweiligen Inhaltsstoffe laut des Chemical Technological Laboratory aus Bielefeld durchgefallen. Wie bewerten Sie diese Stoffe in den Farben?

Das mit den aeroben bakterien ist vermeidbar. das kann der hersteller sofort aendern, indem er im labor besser aufpasst und die arbeits-ablaeufe ein bisschen verbessert. den rest, also die “chemikalien”-grenzwerte, muesste man sich mal genauer ansehen: wer verwendet wann wieviel wann bei wem davon? kann man das durch den austausch von bestandteilen der farbe aendern, ohne, dass ein anderer farbton dabei rauskommt? bisher waren die probleme loesbar; in sehr wenigen faellen wurden auch schon farben vom markt genommen. die selbstreinigung des marktes funktioniert also gut. die serioesen hersteller sind zwar oft genug wilde voegel (so wie die kundInnen), aber dafuer stehen sie auch gerade, wenn sie scheisse bauen.

100. Tattoo ist eine Puffbohne

Quelle: Bild, Thüringen, 23. Dezember 2016, Seite 12

Von Peter Rathay

Er ist Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe, er ist der "Herr der Maden" und ein großartiger Unterhalter: Dr. Mark Benecke.

Und er ist ein bekennender Tattoo-Fan, das sieht man auf den ersten Blick. Nach seinem letzten Vortrag im Erfurter Kaisersaal ließ sich der 46-Jährige gleich noch ein neues Kunstwerk auf den Körper stechen. Eine Puffbohne. Dieses kleine Ding schmückt nun sein Rücken - in leuchtendem Rosa.

Für Benecke ist das Motiv perfekt gewählt. Denn aus seiner Vorliebe für das Thüringer Land macht der Forensiker keinen Hehl. Ich war schon zu zig Auftritten hier in der Region - und schließlich ist die Puffbohne das Wahrzeichen der Stadt Erfurt", verriet er. Spontan sei die Aktion in einem Erfurter Studio dennoch gewesen.

Aber alles kein Problem. Selbst seiner Frau Ines ist von dem neuen Tattoo total begeistert. Das aber liegt höchstwahrscheinlich an den Genen, denn sie ist selber Thüringerin.

Und irgendwie ist die kleine Puffbohne aus der traditionsreichen Gartenbau-Stadt auch ein Statement, das zum Leben von Mark Benecke passt. Denn der Mann, bei dem sich an normalen Tagen alles um Leichen, Blut, Eingeweide und Mörder dreht, ist bekennender Veganer. Und mit mehr als 20 Prozent Eiweißgehalt ist die heimische Hülsenfrucht ausgesprochen nahrhaft.

Rosa Tattoo hin - oder her: Im Herzen ist eben auch der gebürtige Rosenheimer Doktor eine echte Erfurter Puffbohne ...

"Es gibt viele Wege, die zum Ertrinken führen"

Quelle: t-online, 21. August 2024

Mark Benecke zum Fall "Bayesian"

Von Amir Selim

Bis Mittwochabend wurden aus dem Wrack der versunkenen Jacht "Bayesian" weitere Leichen geborgen. Ob die Vermissten an Bord während des Unglücks überhaupt eine Chance hatten, erklärt der Kriminalbiologe Mark Benecke.

Spezialisierte Feuerwehrtaucher setzten am Mittwoch die Suche nach noch sechs Vermissten der Super-Jacht "Bayesian" fort. Das 15 Jahre alte Luxus-Segelschiff war vor der italienischen Mittelmeerinsel Sizilien gesunken.

Nach Angaben der Feuerwehr ist das gesunkene Schiff auf dem Meeresgrund zur Seite gekippt, was die Suche nach den Todesopfern erheblich erschwerte. Hinzu kam, dass es praktisch keine Hoffnung auf Überlebende mehr gab.

Der Forensik-Experte Mark Benecke hat die Polizei schon in vielen Fällen unterstützt. Im Gespräch mit t-online erklärt er, aus welchen Gründen Menschen bei einem Schiffsunglück ertrinken, was mit ihnen dabei passiert und was die Einsatzkräfte bei der Bergung – auch von Leichen – beachten müssen.

t-online: Herr Benecke, die Vermissten sind während eines Sturms wohl auf einer Jacht ertrunken: Wie kann das passieren?

Mark Benecke: Das kann viele Gründe haben. Beispielsweise können Menschen in Schlaf-Kojen vom Wasser überrascht werden und dann in Panik nicht wissen, was zu tun ist. Das Wasser kann kalt sein, es kann ihnen etwas auf den Kopf fallen, sie können eingeklemmt sein oder das Boot hat sich gedreht, so dass sie nicht schnell genug herausdnden, wo oben und unten ist. Menschen können betrunken sein und zu langsam reagieren oder versuchen, andere zu retten und dabei aber zu tief unter Wasser geraten. Es gibt viele Wege, die auf Booten zum Ertrinken führen können.

Wie hoch sind die Überlebenschancen?

Bei echtem Ertrinken: null. Das Gehirn erhält unter Wasser weder Sauerstoff noch Nährstoffe und ist nach kurzer Zeit tot. Kinder können manchmal in eiskaltem Wasser erstaunlich lange überleben, aber das sind seltene Ausnahmen. Erwachsene haben keine Chance. Deren Gehirn schaltet einfach ab und kann nicht mehr hoch fahren. Das Zeitfenster für eine Rettung beträgt beim Ertrinken meist nur wenige Minuten.

Nun sollen die Vermissten rund 50 Meter unter Wasser im Wrack des Schiffs sein. Was passiert mit den Leichen?

Das hängt von der Wasser-Temperatur und den Lebewesen dort ab. Grundsätzlich verfaulen Leichen in fünfzig Meter Tiefe recht schnell, weil Bakterien aus dem eigenen Körper dort noch wachsen können. Das führt oft zum Aufblähen der Leichen. Aber wenn diese eingeklemmt sind, dann treiben sie trotz der Gas-Blähung durch bakterielle Gase nicht an die Oberfläche. Leichen sind – sie auch an Land – vor allem eine Nahrungs-Quelle, so dass je nach Gewässer Seesterne, Fische, Krebse und so weiter rasch an der sich ohnehin zersetzenden und erweichenden Leiche fressen.

Die Knochen halten länger aus.

Inwieweit spielt der Druck in der Tiefe eine Rolle?

Das spielt in fünfzig Meter Tiefe noch keine Rolle. Interessant wird es bei Opfern wie in der Titanic – dort lösen sich auch die Knochen der Leichen gleichsam auf, weil es in der Tiefe des Ozeans diese Stoffe oft nicht gibt, das ist so ähnlich wie bei Zucker, der in Wasser geworfen wird und sich dann augöst. Es geht natürlich langsamer als bei Zucker. Der Vorgang ist aber sehr ähnlich. Deshalb haben die Such-Roboter im Wrack der Titanic auch keine Knochen gesehen beziehungsweise gefunden. Wie gesagt, das alles betrifft aber Leichen in geringerer Tiefe kaum. Diese werden eher aufgefressen, von Bakterien zersetzt und die Knochen bleiben übrig.

Gibt es Unterschiede zwischen Leichen im Meer und im See?

Biologisch jede Menge. In Seen können beispielsweise Kieselalgen verschluckt und mit dem Wasser beim Ertrinken "eingeatmet" werden. Diese können dann bei den Ermittlungen helfen, indem sie verraten, wo die ertrinkende Person noch lebend Wasser verschluckte. Wasserleichen sind kriminalbiologisch schwer zu untersuchen, weil wir die Insekten, die dort an Leichen gehen, kaum kennen, und so die Liegezeit nur schwer bestimmen können. Manchmal geht es über Seepocken an Schuhen der Verstorbenen, aber auch nur ungenau. In kleineren Flüssen können auch Köchergiegenlarven-Hüllen eine Rolle spielen. Diese heften sich beispielsweise außen an ein Auto, das samt Insassen versenkt wurde. Anhand der Länge der Köcher lässt sich die Liegezeit bestimmen.

Was müssen die Einsatzkräfte bei der Bergung beachten?

Zunächst mal: Sich nicht selbst gefährden. Dann, wenn möglich, nicht wie früher Haken, Schlingen oder ähnliches an den Leichen anbringen, um sie herauszuziehen, da dabei weitere Veränderungen der Leichen auftreten können. Insgesamt können die Helferinnen und Helfer aber nur das tun, was machbar ist – Hauptsache, die Leichen können untersucht und bestattet werden. Das ist für die Angehörigen sehr wichtig.

Wie lange ist die Bergung noch möglich? Gibt es eine "Deadline"?

Bei solchen Unglücken kann es für die Angehörigen genügen, "nur" die Knochen zu bergen und zu bestatten. Technisch gesehen gibt es keine Eile, da sich die Knochen in dieser Tiefe länger erhalten. Menschlich eilt es aber schon, denn Trauerarbeit soll ja einen Abschluss beinhalten. Solange die Angehörigen noch nicht ganz genau wissen, was, wo, wer, wann und wie was geschehen ist, wird das Trauern schwierig. Falls die Frage eines Verbrechens auf oder in dem Boot aufkommt, eilt es immer, weil mit der Zeit zunehmend Spuren verschwinden, weg getrieben werden oder sich auflösen.


Verlinkungen: und ein bisschen hin und her-magie, gerne was mit wasser oder forensik, gerne auch obskures zeug und mit

https://home.benecke.com/publications/2013/8/24/kehlenschnitt-was-passiert-wenn-einem-menschen-der-hals-durchgeschnitten-wird

Kehlenschnitt

Was passiert, wenn einem Menschen der Hals durchgeschnitten wird


Under water criminalistics

Symposium | 2011


Float, explode or sink:

postmortem fate of lung-breathing marine vertebrates

"Ärzte haben sehr viel anderes zu tun"

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) S. 24 (mit großem Dank an die Redaktion), GUT ZU WISSEN, Do., 22. Aug. 2019, S. 24

Sollen nur noch Mediziner Tattoos per Laser entfernen dürfen? Nein, sagt Pro-Tattoo-Chef Mark Benecke

VON MELANIE HEIKE SCHMIDT
OSNABRÜCK. Jeder vierte Deutsche ist tätowiert, doch nicht alle lieben ihren Körperschmuck. Schätzungen zufolge lassen sich rund 1,2 Millionen Menschen im Jahr ein Tattoo per Laser entfernen. Derzeit bieten auch Kosmetiker oder Tätowierer solche Entfernungen an, doch ab Ende 2020 soll das allein Fachärzten vorbehalten sein.

Das stößt auf Kritik, etwa bei Mark Benecke. Der Kriminalbiologe — auch genannt „Dr. Made" — ist Deutschlands einziger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverstän-diger für biologische Spuren. Wer ihn bei seinen zahlrei-chen Vorträgen oder in TV-Dokumentationen sieht, entdeckt schnell: Benecke hat ebenfalls eine Leidenschaft für Tattoos. Wie viele der Kölner inzwischen hat, weiß er selbst nicht genau. Wichtiger ist ihm, in seiner Funktion als Vorsitzender des 2011 gegründeten Vereins Pro Tattoo über das Tätowieren „neutral und kritisch zu berichten".

Was Benecke über die ab 2020 greifende Neuregelung zum Entfernen von ungeliebten Tattoos denkt, erklärt er hier im Interview.

Herr Benecke, wer ungeliebte Tattoos loswerden will, wird damit schon bald ein Fall für den Arzt. Eine neue Regelung sieht vor, dass die Tattoo-Entfernung per Laser ab Ende 2020 nur noch von Medizinern übernommen werden darf. Was halten Sie davon?

Mark Benecke: Die Neuregelung ist sinnlos. Erstens kenne ich kaum Ärztinnen und Ärzte, die sich dafür interessieren, wie Tattoo-Entfernungsgeräte funktionieren. Zweitens haben sie meist sehr viel anderes zu tun. Besonders die hier kundigen Hautärzte sind schon jetzt Monate im Voraus wegen Allergien, Hautkrebs, Geschlechtskrankheiten und vielem anderem ausgelastet. Die meisten von ihnen haben bestimmt keine Lust, stattdessen Tattoos zu entfernen.

Dennoch werden die Ärzte ja mit diesen Anfragen zu tun haben, ebenso Tattoo-Studios, die bislang auch das Entfernen von Tattoos im Programm halten. Was glauben Sie, geschieht ab dem kommenden Jahr?

Entweder wird das durch Tricks gelöst, also die Praxis-Hilfe beim Arzt macht es unter Anleitung, obwohl das Delegationsverbot dies verbietet, oder durch Nicht-Hinschauen bei Tätowierern und Tätowiererinnen und Kosmetikern und Kosmetikerinnen.

Wir fragen uns bei Pro Tattoo auch, wie die vorgeschriebenen Sachkunde für Ärztinnen und Ärzte geprüft werden soll. Viele ärztliche Kollegen und Kolleginnen ersticken in Arbeit. Im Medizinstudium beschäftigen sie sich nicht mit Tattoo-Entfernung. Das Thema ist für Studierende in etwa so sexy wie eingewachsene Zehennägel.

Aber es gibt doch sicher Gründe, die für eine solche Änderung sprechen.

Mir fallen keine ein. Es gibt noch nicht einmal sichere Studien, die zeigen, dass die bisherigen Anbieter Tattoos schlechter entfernen als Ärztinnen und Ärzte es künftig alleine machen sollen. Das wird ein Riesen-Heulen und -Zähneklappern geben.

Warum das? Erstens werden die meisten Menschen nur schwer eine Ärztin oder einen Arzt für eine Tattoo-Entfernung finden. Zweitens werden sich ärztlichen Kolleginnen und Kollegen ungewöhnliche Gesprächsformen angewöhnen müssen.

Wie meinen Sie das?

Nach der Tattoo-Entfernung kann es bei schlampigen Menschen beim Baden, am Strand, durch Reibung an Kleidung und schlotzige Hände beispielsweise zu Entzündungen kommen.

Kosmetiker und Tätowierer kennen diese endlosen, immer gleichen Gespräche seit ihrem ersten Tag im Beruf. Ein Zettel mit Informationen wird kaum beachtet, viel besser sind ruhige, vernünftige Gespräche. Welche Ärztin und welcher Arzt hat dafür Zeit? Und vor allem: Wer möchte für diese Kundinnen und Kunden ärztlich haften?

Wie wird künftig wohl hierzulande die Tattoo-Entfernung ablaufen?

Vor allem könnte die Tattoo-Entfernung aus den genannten Gründen in Deutschland vielleicht sauteuer werden, in Polen, der Tschechischen Republik und Frankreich vielleicht aber nicht. Ich wette, dass das Ganze ins Hinterzimmer abrutscht, weil die Kundinnen und Kunden nicht ewig warten und dafür weit reisen wollen. Eine Tattoo-Entfernung dauert viele Stunden in mehreren Sitzungen.

Noch bescheuerter ist übrigens, dass ab Ende 2020 Kosmetikerinnen und Kosmetiker auch wegen dauerhafter Haarentfernung, elektronischer Muskel-Anregung und dergleichen eingeschränkt werden sollen. Warum zur Hölle?

Dass es Kenntnisse und Fähigkeiten braucht, um Tattoos sicher und fachgerecht zu entfernen, liegt aber doch auf der Hand. Wie könnte man dies sonst sicherstellen?

Was ist mit den ganzen Kosmetikerinnen und Kosmetikern, Piercerinnen und Piercern, Tätowiererinnen und Tätowierern, die nicht studiert haben, ihren Job aber nachweislich eins a machen? Wieso können sie nicht eine — von mir aus auch strenge — Zusatz-Einweisung mit Zertifikat und allem Drum und Dran erhalten und dann mit dem weitermachen, was sie bisher gut und für die Kundinnen und Kunden angenehm schon lange gemacht haben? Interessante Info am Rande: Auch die Deutsche Gesellschaft für EU-Konformität ist gegen die Neufassung der Regelungen.

Ich habe übrigens noch eine Idee: Menschen könnten sich vorher überlegen, was sie tätowiert haben wollen, in Ruhe einen Profi-Laden aussuchen und brauchen dann auch keine Entfernung. Ein Tattoo ist fürs Leben.

(Mit vielem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.)


Wie finde ich das richtige Tattowier-Studio?

ZDF-Interview


Fachbuch “Tätowierungen”

Vorwort


“Das Verbot ist beknackt.”

Tätowier-Farben

Ließe sich „Jack the Ripper“ heutzutage überführen?

Quelle: Von Yvonne Pannewitz, Abschlussarbeit zum Fall „Jack the Ripper“

Yvonne neun Jahre später

MB im Interview zu den Möglichkeiten moderner Ermittlungsmethoden

Yvonne: Ich bin Schülerin und besuche die neunte Klasse. Als Thema für meine Abschlussprüfung habe ich mir die Methoden des 19. und 21. Jahrhunderts, die der Aufklärung eines Mordfalles dienen, am Beispiel des Falles „Jack the Ripper“ ausgesucht.

Der Fall „Jack the Ripper“, der sich im Jahre 1888 im Londoner Stadtteil Whitechapel zugetragen hat und sich aus damaliger Sicht mit einer Mordserie an fünf Prostituierten beschäftigt, ist bis heute nicht lückenlos und eindeutig aufgeklärt. In unserem Interview möchte ich unter anderem gerne herausfinden, ob man mit den Ermittlungsmethoden im Jahr 1888 den Täter überhaupt hätte finden können und ob man den Täter gefunden hätte, wenn man über die Ermittlungsmethoden des 21. Jahrhunderts verfügt hätte.

Im Folgenden fasse ich einige wichtige Hintergrundinformationen über Sie zusammen, die ich recherchiert habe und die erklären weshalb ich Sie als Experte hinzuziehe:

Dr. Mark Benecke, Sie sind „Certified and Sworn In Forensic Biologist“ und bieten „International Forensic Research & Consulting“.

Sie sind der bekannteste forensische Biologe der Welt und insbesondere für eines Ihrer Spezialgebiete bekannt, die sogenannte Entomologie. Hier wird anhand von Insekten, die tote Lebewesen besiedeln, der Todeszeitpunkt eingegrenzt. Daher werden Sie häufig als der „Maden-Mann“ bezeichnet. Sie werden als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger oftmals von mutmaßlichen Tätern oder deren Angehörigen oder Angehörigen von Opfern sowie von der Staatsanwaltschaft beauftragt, um ungeklärte Mordfälle zu untersuchen. Oft handelt es sich dabei um Fälle die bereits einige Jahre zurückliegen und die wiederaufgenommen werden.

Sie haben Biologie, Zoologie und Psychologie in Köln studiert, Ihre Doktorarbeit in Medizinwissenschaften über genetische Fingerabdrücke von Menschen, bzw. genauer gesagt über genetische Fingerabdrücke forensischer biologischer Spuren wie Urin und Haare geschrieben und in den USA und Kanada weitere Kenntnisse zur Mordaufklärung erworben. Unter anderem über Blutspurenspritzmuster an Tatorten und deren Analyse, die Sicherung von Beweisen bei Vergewaltigungsopfern und Insekten und deren Rolle an Schauplätzen des Verbrechens.

Sie wurden von einem internationalen Team (Geheimdienst) damit beauftragt Hitlers Schädel auf Echtheit zu untersuchen und Sie haben mit einem bekannten kolumbianischen Serienmörder Luis Alfredo Garavito Cubillos gesprochen, um festzustellen um was für eine Art Mensch es sich bei ihm handelt.

Darüber hinaus unterrichten sie an deutschen Polizeischulen und unter anderem auch beim amerikanischen FBI (Federal Bureau of Investigation), halten weltweit Vorträge und sind Mitglied diverser forensischer Gesellschaften. Im Privaten lieben sie komplexe Aufgabenstellungen und das korrekte Sortieren von Bluerays. Sie ekeln sich vor Leberwurst und essen stattdessen vegetarisch, haben ein wenig Angst vor Spinnen, aber lieben Insekten, besitzen keinen Fernseher, verehren Sherlock Holmes, rauchen Pfeife, spielen Querflöte, sind verheiratet, haben Kinder, ein weißes Kaninchen, Schaben die fauchen können, gehören einer Partei an, die einen Dinosaurier als Bundespräsidenten anbieten möchte und wohnen in Köln, wenn Sie nicht gerade irgendwo auf der Welt unterwegs sind.

Haben Sie dem noch etwas hinzuzufügen?

M.B: Passt schon  ;)

Welche Tätigkeiten umfasst das Aufgabenfeld eines Forensikers bei der Ermittlung in Gewaltverbrechen?

Ich mache zwei Sachen. Zum einen bin ich als Spurenkundler tätig und gucke mir biologische Spuren bei vermuteten Gewaltverbrechen an. Mein Spezialgebiet ist die forensische Entomologie, das macht weltweit leider kaum jemand, obwohl einige Kolleg/innen und ich international Trainings anbieten. „Forensik“ nennt man die Aufklärung eines Kriminalfalls mit einer Mischung aus polizeilichen und naturwissenschaftlichen Techniken, durch Polizei und Rechtsmedizin, Entomologie heißt die Insektenkunde. Als Insektenforscher untersuche ich unter anderem Fliegen, Käfer und ihre Larven auf Leichen.

Die Leichenbesiedelung durch Insekten gibt Hinweise auf die Leichenliegezeit, Todesursache und Todesumstände. Auch bei lebendigen Lebewesen, Lebensmitteln und Gebäuden können Insekten Rückschlüsse zu bestimmten Umständen bieten.

Ich schaue mir also die Insekten an. Dann kann ich manchmal beispielsweise sagen, dass ein Insekt fünf Tage auf der Leiche gelebt hat, oder dass eine Leiche mit Sicherheit längere Zeit in einem Haus gelegen hat und nicht an der Stelle, wo sie gefunden wurde.

Ich suche und untersuche auch andere Spuren von Tatorten, also Blut, Haare, Sperma, Urin, Kot und Speichel.

Daraus ziehe ich dann Schlüsse über Tatzeit, Tatort und Tathergang. Der Rest des Falles ist mir dabei vollkommen egal.

Wenn es aber um mein zweites Aufgabengebiet, die Tatortrekonstruktion geht, hole ich mir alle möglichen Infos heran und rede mit jedem, der irgendetwas wissen könnte, um herauszukriegen, welche Spuren es noch geben könnte. Ich untersuche Fälle die Privatleute oder staatliche Stellen und andere sehr merkwürdig oder schräg finden und die in irgendeiner Sackgasse gelandet sind. Wir sehen uns Akten und Spuren an und versuchen, mit Leuten zu reden, die noch irgendetwas wissen.
Meist habe ich kniffelige Einzelfälle zu lösen. Da muss ich herumtüfteln und winzigen Spuren nachgehen: Wie lag der Tote da? Wie lange ist er schon tot? Ist der Fundort auch der Tatort? Wenn wir uns mit Spuren beschäftigen, schauen wir wo Spuren sein könnten, und stellen Fragen: Wo hat sich wer, wann, wie lange aufgehalten? Wie war sein Weg? Hat es geregnet? Laufen viele Menschen durch? Man muss vor Ort ein Bild bekommen.

Dann versuchen wir zusammenzuführen, was da passiert sein könnte, welche Alternativen möglich wären und so den Tathergang zu rekonstruieren.

Machen Sie auch Experimente um einen Tathergang nachzustellen und ihn sich besser erklären zu können?

So oft es geht -- das finde ich sehr wichtig. Erst dann kriegt man ein Gespür für die Abläufe: Kann man sich wirklich hinter dieser Tür verstecken, ohne gesehen zu werden? Was ganz genau sieht man, wenn man hinter diesem Stapel Kartons liegt und passt das zu dem, was das Opfer sagt und was die Blutspuren sozusagen erzählen?

Sind bestimmte Charaktereigenschaften wichtig für den Beruf des forensischen Biologen?

Man muss Details mögen. Also eine größere Vorliebe für das Spezielle haben als für das Allgemeine. Aber mögen reicht da nicht, man muss auch ein Auge dafür haben.

Kann man das lernen?

Ich glaube nicht! So wie ich das bisher beobachtet habe - bei Kollegen, Studierenden und bei mir - ist das eher so: Entweder man kann das von vornherein oder eben nicht. Entweder findet man Details langweilig oder interessant, dazwischen gibt es nix. Das ist so wie bei einer Schwangerschaft. Ein bisschen schwanger geht nicht...

Es ist ein unheimlich komplizierter Job.

Fälle durch Querdenken, verschiedene Techniken und Experimentieren fundiert und gerichtlich nachvollziehbar lösen. Das ist traumhaft. Aber für normale Leute ist dieses verwurschtelte Denken, das zu einer supereinfachen Lösung führen muss, oft ätzend.

Wie sieht das Vorgehen an einem Tatort genau aus?

Im Normalfall kommen zuerst die Leute, die Fingerabdrücke suchen. Danach die DNA-Spuren-Sicherer. Manchmal finden die Fingerabdruck-Spezialisten aber bereits einen blutigen Abdruck, dann melden die sich schnell bei den DNA-Leuten. Das ist natürlich sehr sexy für einen Ermittler: ein Fingerabdruck vom Täter mit Blut vom Opfer. Der kann jedenfalls nicht behaupten, zur Tatzeit nicht da gewesen zu sein. Ein Fingerabdruck allein kann ja auch zu einer anderen Zeit entstanden sein.

Ich gehe mit den Ermittlern zum Tatort und suche nach Insekten, die sich auf der Leiche angesiedelt haben. Aus der Größe und dem Entwicklungsstadium kann man zum Beispiel schließen, wie lange die Leiche schon liegt. Oder man findet in den Larven Gifte, die in der Leiche selbst schon nicht mehr nachweisbar sind. Ein anderes wichtiges Gebiet ist die Vernachlässigung von alten Leuten und Kleinkindern. Es gibt Insekten, die gehen nur auf Kot und Urin. Und wenn ich die in einer Windel finde, lässt sich errechnen, wie lange jemand vernachlässigt wurde. Bei Blutspuren geht es meist um die Verteilung des Blutes und wie sich die Personen bewegt haben, die blutig waren.

Erst einmal registriere ich alles, schreibe auf, fotografiere, notiere, beschrifte, katalogisiere, kartiere. Und wenn es dann um die Einordnung geht, was das alles für den Fall bedeutet, lautet die Regel: Ich glaube erst einmal gar nichts. Ich glaube auch nicht mir selbst. Schlechte Sachverständige denken, dass es eine Person auf der Welt gibt, auf die sie sich verlassen können: sie selbst. Aber das stimmt nicht. Erfahrungsgemäß macht man viele Denkfehler und steht sich selbst im Weg.

Die wichtigste Regel beim „Begehen“ eines vermuteten Tatortes lautet: bloß nichts anfassen! Zuerst muss man alles fotografieren. Das Zweitwichtigste ist, dass sich die Spezialisten vor Ort absprechen. Sonst verändert der Mensch mit dem Klebeband, der Faserspuren sammelt, vielleicht die Anordnung von Spuren. Oder die DNA-Spezialisten bewegen die Leiche, wenn sie Körpersekrete suchen, und verbringen Fliegenmaden an eine andere Körperstelle. Manchmal wird eine Leiche so schnell wie möglich weggebracht, damit die Presse keine Hinweise erhält und der Täter gewarnt wird, oder sonst was schief geht. Aber gerade der eilige Abtransport kann ein Problem sein. Manchmal werden auch aus Angst vor dem sagenumwobenen Leichengift, das es nicht gibt – sonst dürften die Leute auch keine Wurst und keine Schnitzel mehr essen, die Kleider und Gegenstände aller Toten schnell in eine große Biohazard-Tonne geworfen. Da können dann schon mal die wichtigen Beweismittel verloren gehen oder verwechselt werden.

Welche Ausrüstungsgegenstände nutzen Sie für die Untersuchung eines potentiellen Tatortes und in Ihrem Labor?

Lupe, Taschenlampe, Tatort-Aufkleber, Packpapier, Pinzette, Rechner, iPhone, Kamera, Ladekabel und Laserpointer.

Am wichtigsten ist zunächst mein iPhone! Im Ernst, wir fotografieren zunehmend mit dem iPhone durch unsere Mikroskope, die Bilder haben eine tolle Makroauflösung durch den Tubus. Aber das ist natürlich nicht alles. Um Proben zu untersuchen, benötigen wir zum einen Vergrößerungsgeräte, in den meisten Fällen analoge Lichtmikroskope. Dazu gehören aber auch UV-Licht und monochromatische Lichtquellen, mit denen wir die Proben beleuchten und Sekretspuren erkennen können, die für das bloße Auge unsichtbar sind. Für das Spurensammeln am Tatort habe ich meine LEICA-Kamera mit dabei und meine Taschenlampe – laut Hersteller kann ich mich damit sogar gegen Feinde verteidigen. Für mich wichtig ist allerdings, dass sie ein wirklich, wirklich helles Licht macht, mit dem ich den Tatort untersuchen kann.

In meinem Labor ist es ziemlich leer! In der Mitte steht ein großer Tisch, auf dem die Proben ausgebreitet werden. In Schränken bewahren wir die Lichtquellen und Mikroskope auf, die nach Bedarf hervorgeholt werden. Das ganze Labor passt in große, stabile Metallkisten, und wir haben es schon mal nach Bukarest und Palermo verschifft.

Ich habe recherchiert, dass den Ermittlern im Jahre 1888 aus heutiger Sicht dürftige Ermittlungsmethoden zur Verfügung standen und es auch weitere Schwierigkeiten gab. Verbrechensverhütung fand durch nächtliche Polizeistreifen statt. Verfolgungsjagden waren schwierig, weil nur sehr wenige Haustüren abschließbar waren und die Täter über Hinterhöfe entkommen oder sich in Häusern verstecken konnten. Die Ermittlungsarbeit bestand im Wesentlichen aus der Sicherung des Tatortes, dem Verhör von Zeugen, der Fotographie der Leichen, der Anfertigung von Tatortskizzen und dem Schreiben eines Berichtes.

Fingerabdruckanalyse kam in London 1888 nicht zur Anwendung, aber eine Identifikation der Opfer anhand der Augen und Ohren. Es wurde aus den gesammelten Informationen ein Täterprofil erstellt und anhand des Profils Verdächtige gesucht und verhört. Welche Ermittlungsmethoden aus dem 21. Jahrhundert hätten vor 126 Jahren in London bei der Ermittlung geholfen?

Der „ genetischen Fingerabdruck“. Da untersucht man in Körperzellen wie Haaren, Haut, Speichel oder Blut die DNA, also die Erbsubstanz. Der „Fingerabdruck“ der DNA ist für jeden Menschen einzigartig. Die Methode nützt besonders bei der Identifizierung des Täters, wenn man Vergleichsproben von Verdächtigen hat. Man kann sogar aus blutsaugenden Stechmücken am Tatort die DNA eines Täters ermitteln. Richtig durchgeführt, ist der „genetische Fingerabdruck“ die sicherste Methode überhaupt.

Der genetische Fingerabdruck hat in den letzten 20 Jahren einen steilen Aufschwung in die Aufklärungsrate gebracht. Er nützt besonders bei der Täteridentifizierung, wenn man Vergleichsproben von Verdächtigen hat. Aber aus einer Spur ein Täterbild zu zeichnen, gelingt momentan noch nicht. Lediglich das Geschlecht und bestimmte Erbkrankheiten kann man sehen. Aussagen über Augen- und Haarfarbe aus einem Blutstropfen oder Speichelrest zu machen, ist technisch noch nicht gut möglich. Man kann bisher nur ausschließen, dass ein Täter genetisch rote Haare hat.

Richtig durchgeführt ist der genetische Fingerabdruck wie das Flugzeug bei den Verkehrsmitteln wie gesagt: die sicherste Methode überhaupt. Aber Vorsicht: Die Rechtsprechung sagt, man darf nicht allein aufgrund einer DNA-Probe verurteilt werden. Um einer Person eine Tat zuzuordnen, muss es ein Motiv geben, einen möglichen zeitlichen und räumlichen Ablauf und jemanden, der davon profitiert.

Bei meinen Recherchen zu der Mordserie von 1888 bin ich auf Schwierigkeiten der Ermittler gestoßen, wie zum Beispiel, dass es nur Schwarz-Weiß-Fotographie mit sperrigen, schlecht beweglichen Fotogeräten gab und dass trotz einem schriftlichen Hinweis auf die Möglichkeiten der Fingerabdruckanalyse, die Polizei nicht darauf reagiert hat. Außerdem dass die Polizisten nur über unzureichende Beleuchtungsmöglichkeiten mit schwachen Gaslampen verfügt haben und es keine Gerichtsmedizin im heutigen Sinne gab? Sehen Sie noch weitere Schwierigkeiten?

Also, in diesem speziellen Fall würde ich nicht groß schimpfen, es war halt damals so, wie es war. Wenn das heute passieren würde, dann würde ich aber in der Tat sagen: Wir könnten uns viel Gelaber sparen und ganz viele Fälle aufklären, wenn die Spuren häufiger angesehen und besser gesichert würden. Allein die Fotos vom Tatort! Früher gab es dafür professionelle Fotografen. Heute müssen es die Polizisten oft selbst machen. Die können es aber meistens nicht. Wie oft ich es schon erlebt habe, dass die Fotos vom Tatort verwackelt sind, total unbrauchbar. Wenn es ganz schlimm kommt, bleibt der Fall deswegen unaufgeklärt.

Können bei der Untersuchung des Tatortes auch Spuren zerstört werden?

Ja, das passiert unweigerlich, denn anders kann man einen Tatort nicht abarbeiten. Die naturwissenschaftliche Kriminalistik ist eine analytische Technik. Da zergliedern wir und zerstören. Darum muss man sich zuerst entscheiden, wonach gesucht wird. Eine heikle Entscheidung. Solange sich die Experten gegenseitig respektieren, geht es. Aber die Ermittler müssen natürlich wissen, welchen Sachverständigen sie brauchen. Nicht alle wissen aber, wann es einen Geologen oder einen Psychologen am Tatort braucht. Dazu gehört manchmal auch so eine Art ermittlerische Intuition und gelegentlich einfach die richtige Telefonnummer im Handy, weil man mal zusammen eine Limo getrunken hat.

Ergeben sich Schwierigkeiten durch Spuren die sich an einem Tatort befinden und die eigentlich nichts mit dem Fall zu tun haben?

Ja, Sekundärübertragungen nennt man das: Einer hat dem anderen eine Zeitung gegeben, der gibt die weiter, und wenn der dann tot ist, ist die Spur vom Ersten dran, den der Dritte gar nicht kannte. Genau darüber schreibe ich Gutachten. Wir ergänzen das in der naturwissenschaftlichen Kriminalistik wie gesagt durch experimentelle Serien.

Worauf sollte man heute noch achten, wenn man einen Tathergang untersucht?

Man darf nie Annahmen machen, sonst verstellt man sich den Blick auf die Lösung. Wenn man beispielsweise denkt: «Ah, da ist Sperma in der Vagina der weiblichen Leiche, dann handelt es sich also um ein Sexualdelikt» – das muss nicht stimmen. Das kann auch noch vom Vortag sein oder außerhalb in kalt gewaschener Bettwäsche zurückgeblieben sein. Oder man sucht nur nach Spuren am Boden, dabei ist es ein Blutspritzer an der Zimmerdecke, der zeigt, in welchem Winkel ein Messer aus der Person gezogen wurde.

Ein Beispiel: Eine Leiche mit Perücke auf dem Kopf, die Schuhe fein säuberlich parallel daneben. Merkwürdig, oder? Aus den Hosentaschen ziehen mein Team und ich Wasserschnecken. Da ist aber weit und breit kein Wasser! Erst von einem Jäger aus der Gegend erfahren wir, dass der Fundort einmal im Jahr überschwemmt wird. Also kannten wir schon mal den Tatzeitpunkt. War den Strafverfolgern aber alles egal. Die wussten, dass dort in der Gegend Junkies ihr Heroin verstecken. Und damit war klar: Der Tote ist uninteressant, die Sache wurde nicht weiter verfolgt. Warum die Frau eine Perücke trug? Die Polizisten sagten, das weise auf Prostitution hin oder auf Karneval (lacht).

Wäre eine Aufklärung der Mordserie von 1888 möglich gewesen, wenn man damals die kriminaltechnischen Ermittlungsmethoden des 21. Jhdts. gekannt und genutzt hätte?

Ja, hundert Prozent, weil es nur eine eingeschränkte Anzahl von Verdächtigen gab. Daher wäre die DNA-Auswertung einfach gewesen. Spuren vom Täter waren auch massenhaft an den Leichen: Sperma, Hautzellen, Speichel, Haare...

Ein Nachweis von Spuren an einem Tatort ist auch nach Jahren noch möglich, ist dies auch im Fall Jack the Ripper noch denkbar?

Ja, die Spuren an sich halten sich gut, besonders im Trockenen. Das geht also auch nach Jahren noch problemlos. Blut zum Beispiel. Wenn es gute Fotos gibt, ist da auch Jahre später noch Einiges möglich, Rekonstruktionen der Tatabläufe zum Beispiel.

Allerdings gibt es verschiedene Arten von „laufender“ Spurenzerstörung. Was man in unserem Bereich unter „laufend“ zusammenfassen könnte, wäre beispielsweise der „Regenwäscht-Blut-weg“-Effekt. Und es gibt noch weitere, zum Beispiel die Alterung von Fingerspuren. Werden Hautleistenabdrücke – also die Linien in der Haut – übertragen, altern sie und werden schlechter. Was sich hingegen sehr gut hält, ist DNA. Allerdings kann auch sie unter bestimmten Einflüssen kaputtgehen, beispielsweise bei einem bestimmten Licht oder bakteriellem Befall. Natürlich kann sie auch einfach weggewischt oder auf andere Art und Weise unbrauchbar werden. Demzufolge kämpfen auch wir mit Vergänglichkeit.

Würden Sie den Fall „Jack the Ripper“ als unlösbar bezeichnen?

Nee, er ist recht einfach lösbar, wenn man von den bisherigen, wenigen Verdächtigen Vergleichsproben besorgt (was teils gehen könnte; in Archiven liegen teils z.b. Briefe eines Malers, der in Verdacht ist) und noch irgendeinen Originalgegenstand der Opfer findet, auf dem Blut oder Sperma oder Haare des Täters sind. Unlösbar ist anders.

Ob es überhaupt unlösbare Fälle gibt, wissen wir nicht, denn die Besonderheit in meinem Job ist: Etwas, das ich nicht rauskriege, erfahre ich auch nicht. Ich kann nur beschreiben, was da ist oder was offensichtlich weggenommen wurde. Wenn zum Beispiel ein Täter in einer staubigen Wohnung noch die Geldbörse des Opfers klaut, dann erkennt man anhand der Stelle, wo kein Staub ist, dass dort etwas weggenommen wurde. Aber es kann auch etwas weggenommen werden und nichts weist darauf hin, dass es mal da war. Was wir also nicht sehen, das sind Spuren, von denen man gar nicht weiß, ob sie jemals da waren.

Was halten Sie von den Erkenntnissen des amerikanischen Unternehmers und Autors Russell Edwards, der ein Halstuch des vierten Opfers, das aus den Archiven von Scotland Yard stammt käuflich erworben hat und von dem die Beauftragten Experten anhand von DNA-Analyse herausgefunden haben, dass sich darauf DNA des im Jahr 1888 verdächtigen jüdischen Friseurs Aaron Kosminki befunden hat? Glauben Sie damit ist der Fall aufgeklärt, oder ist die Beweislage zu dürftig?

Die Idee mit dem Schal war super.

Man dachte ja auch kurz, der Fall sei durch DNA gelöst, aber der Kollege hat sich leider ein bisschen vertan. Genauer gesagt hat er die genetische Übereinstimmung der DNA auf dem Schal mit der DNA des Opfers geprüft, aber er hatte natürlich keine „reinen“ Vergleichsspuren des Opfers und des Rippers und der Menschen, die den Schal sonst so angefasst haben. Sein Ergebnis wurde daher kürzlich von anderen Experten im Bereich DNA angezweifelt. Die DNA-Spur ist jedoch nicht das einzige Indiz, das für Aaron Kosminski als Täter spricht. Und so wird er von Ripperologen immer noch als möglicher Täter angesehen.

Sie haben in einem Interview einmal gesagt, dass man als gutsituierter Mensch, der über Einfluss und Macht verfügt auch mit Mord davonkommen kann und dass Morde an einkommensschwachen Menschen, die sich am Rande der Gesellschaft bewegen mit weniger Akribie aufgeklärt werden als die an überspitzt gesagt „wichtigen Menschen“. War das auch 1888 in London der Fall, oder arbeitete das Ermittlerteam aus Ihrer Expertensicht von Anfang an akribisch an der Aufklärung der Prostituiertenmorde?

Der Staatsanwaltschaft hat eben nur eine bestimmte Summe für Ermittlungen zur Verfügung und muss eine Ermittlung immer begründen. Und dann untersucht man eben eher den Mord an einem respektierten Bürger als den an einem Alki, der tot im Park liegt. Und die meisten Leichen sind nun einmal die von Armen, Alkoholikern, Schizophrenen oder Drogenabhängigen. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben.

Aus Ihrer Sicht gibt es den perfekten Mord entweder indem man einen professionellen Killer beauftragt oder indem man sehr wenig plant. Wenn man die Spuren nicht verstehen kann, kann nicht nachvollzogen werden was passiert ist. Würden Sie die Tatsache, dass der Fall „Jack the Ripper“ bis heute nicht lückenlos und eindeutig aufgeklärt werden konnte auf „mangelnde Planung“ des Täters zurückführen?

Ja, durchaus. Das war eine wilde, verrückte, hauruckartige Tatserie, die wie eine Naturgewalt in die Gesellschaft brach.

Jede Tat, bei der man die Spuren nicht versteht wäre ein perfekter Mord. Je blöder die Tat, desto schwerer ist es meistens zu verstehen, was passiert ist. Aber generell würde ich sagen, man sollte einfach niemanden umbringen.

Nachdem Sie mit einem berüchtigten Serienmörder unserer Zeit gesprochen haben sind Sie zu dem Schluss gekommen, dass das armselige und langweilige Menschen sind, die in ihren Lügengespinsten und Zwängen gefangen sind. War Jack the Ripper vermutlich auch ein „armseliger Langweiler“?

Für mich schon.

Menschen, die kein ausgeglichen glückliches Leben — natürlich nach ihrem eigenen Geschmack — führen können, sind für mich Gefangene ihrer Zwänge. Ist auch kein Wunder, dass ich noch nie Täter getroffen habe, die sich selbst irgendwie cool fanden, wenn sie Taten begangen haben.

Serientäter sind zutiefst langweilig. Das, was man an ihnen in Filmen so spannend findet, ist überhaupt nicht vorhanden. Ich habe beispielsweise Luis Alfredo Garavito in einem Gefängnis in Kolumbien getroffen. Der Mann hat über 300 Jungs totgefoltert. Und was macht der? Will mir erzählen, dass er jetzt ein besserer Mensch sei und solche Dinge nicht mehr tun würde. Ich sagte nur: „Das glaubt Ihnen doch kein Mensch.“ Er meinte: „Doch, das war ein Dämon, und der ist jetzt verschwunden.“ Garavito ist der Inbegriff eines paraphilen, antisozialen Täters: er hat keinerlei Emotionen gegenüber seinen Opfern und kann sich an jede einzelne Tat erinnern, ohne jemals eine Aufzeichnung gemacht zu haben. Er kennt das Alter der Kinder, weiß, wo sie begraben sind – alle Details. Im Grunde ist das eine stinknormale Serientäter-Geschichte: Der Vater war Säufer, schon als Kind hat Garavito sexuelle Übergriffe erlebt – das ganze Programm eben. Die genetischen Einflüsse kennen wir nicht. Er ist jedenfalls antisozial, was aber keiner gemerkt hatte. Weil das Land so groß ist und dort solch ein Chaos herrscht, kam es zu dieser hohen Opferzahl.

Sie haben gemeinsam mit Ihrer ehemaligen Frau [...] das Buch „Die Dunkelkammer des Bösen“ geschrieben. Gibt es aus Ihrer Sicht böse Menschen? Sind sie von Geburt an böse oder wie kommt es dazu, dass Menschen wie der unter dem Pseudonym mordende „Jack the Ripper“ solche schrecklichen Taten begehen? Würde man heute als Ermittler beim Verhör eines Verdächtigen sofort erkennen, dass es sich um einen bösen Menschen handelt?

Ist Ansichtssache. Ich denke, wenn sich jemand klar unsozial verhält, es weiß und nix drauf gibt, dann ist er böse.

Das wirklich Böse sind Menschen, denen andere völlig egal sind. Antisoziale, psychopathische Menschen, die anderen Leid zufügen. Aber genaugenommen ist das Böse die unsoziale Tat an sich – nicht der Mensch.

Es sind genetische Faktoren und die Umwelt, die einen Menschen böse werden lassen. Wenn eine Veranlagung da ist, können etwa auch Traumata gewisse Entwicklungen auslösen. Es handelt sich hierbei nicht um ein Gen, sondern um eine unbekannte genetische Ausstattung oder einen von vielen erblichen Einflüssen. Schon seit langem ist der psychiatrischen Forschung bekannt, dass der Ursprung oft auch im Erbgut liegen muss. Wir werden da in den kommenden Jahren noch sehr viel lernen, weil sich zeigt, dass das Gehirn doch plastischer ist, als wir alle dachten.

Dass „die Gesellschaft“ daran schuld ist, ist immer ein wenig zu pauschal ausgedrückt. Natürlich werden Menschen aber durch ihr näheres Umfeld geformt. Es ist eine Mischung aus genetischer Voraussetzung und Beeinflussung durch das nähere Umfeld oder sonstige Taumata, die dazu führt, dass die Veranlagung tatsächlich ausgelöst wird.

Vielen Dank für das Interview Herr Dr. Benecke.

Sehr gerne, danke für deine Geduld bei meinen superlangsamen Antworten per Mail.


Erinnerungen an “La Bestia”

Kölner Stadt-Anzeiger | 2023


Jürgen Bartsch & Luis Alfredo Garavito Cubillos

Interview | Minerva Medicolegale


Totenstarre

Facharbeit

Book Review: 'Who They Were' by Bob Shaler (NYC OCME / WTC DNA) 🌇

This is very valuable book because it tells the inside view straight from the point of laboratory organization and management as well as techniques used after 9/11 in Manhattan. It will disappoint readers who want to know about life stories of single victims of the WTC attack; that is not the topic of the book.

Bob Shaler was very much driven to identify the victims as far as possible in-house and to coordinate as much as possible himself. The Office of Chief Medical Examiner was (and is) under direct command of the Mayor's Office, so it was bound to City of New York and during the WTC times many other policies. (Often, Institutes for Legal aka Forensic Medicine belong to universities, are academic institutions and are therefore run a bit differently.) Our* lab was massively expanding under Bob Shaler, at the end of the 1990s, we were around 50 scientists there. When 9/11 happened, the number of scientists had doubled. Sexual crime had become a focus of attention under then mayor Rudy Giuliani, so many "sexual assault kits" came in, containing underwear, swabs, hair and more, mostly taken from the victims. Shootings and knife wounds were less common compared what some people think because guns and knifes were already strictly banned at that point in the city. (For example, I was scolded twice by Bob Shaler for having a small swiss army knife in my pocket and had to remove it.)

In the middle of this lab expansion, the sexual crime stains pouring in and the urge to speed up case turnover time in the lab, as well as the police bringing in lots and lots of material which they thought might be useful for stain analysis — anything containing a stain which was a lot in blood stain cases, e.g., phone books, sneakers etc. —, the first World Trade Center Tower fell. 

The head of OCME, forensic pathologist Charles Hirsch as well as colleague Ristenbatt from the DNA department immediatly went downtown (which is not too far from the office) and got cought in the fall of the second tower: No more connection to them. This is one of the moments in the book where Shaler mentions that everyone was shocked but does not mention that both survived (until much later in the book). 

Shaler also mentions that he became "less happy" as a person over the course of the events, and that much later, bone fragments were found that came from the persons in the airplanes that crashed into the towers. I mention this as a warning that even though everyone was deeply affected by the events, the book is not emotional. If you wish to read an emotional account, this is not your book.

Instead, Shaler gives a very precise timeline of which laboratories he asked for help and who in the laboratory became responsible for which part of the DNA work. He mentions all the names of persons involved, and it sounds a bit like a historical writing to me — so that the facts will not disappear in time and space.

The determination he put into the WTC work is most obvious to me when the number of identifications went down and — in my opinion — very minor misidentifications took place. Shaler then set up a grid and tried the impossible: To match the three-dimensional structure including every single person who had still been in the building to the comparably two-dimensional, collapsed rubble into which the mostly very small body parts were mixed after the towers fell. I would have thought such calculations to be unfeasible — but he did it. I find the results amazing; they are in the book.

If you come from the field of forensic biology, you will not mind the numerous abbreviations that Shaler uses and that are common use in our field like SNP, STR, KADAP, OCME, DM, MDKAP, WTC CODIS, MFISys. All is explained, of course, but for a reader from a different field, you may wish to consult the glossray and the index at the end of the book. What I find very cool is the 'Cast of Characters', also at the end of the book. It is a honorable move to include many of the scientists and organizational staff that took part in the identification process.

After reading Bob's book, I understand the many decisions that had to be made in-house concerning the involvement of others. One of the software programmers for example, a mathematician, was quite a character and Shaler had to decide which parts of the statistical work (to connect stain to stain to anything the relatives of missing persons delivered, e.g. toothbrushes) to give him. 

Same for Craig Venter, then an absolutlely famous person for decoding the human genome after speeding the 'race for the human genome' to the max. He offered Shaler close to unlimited help which sounded possible and nice on the one hand. On the other hand, Venters experience was not forensics, and his company later decided (Shaler ponders) that unpaid or hardly paid work for a good cause might damage their revenue. 

Also, I now realize how difficult it is to communicate all to everone who needs information in a mass disaster situation (and probably also during day-to-day work in a large lab). 

Some stories are not told, of course, and since there may be a reason for this, I will leave it like that. 

Shaler's book is unusual since it is a popular science book that avoids tearful comments wherever possible and focuses on procedures, processes, genetic fingerprinting, agencies and persons involved. There are brief exceptions, though, mostly relating to the contact with the victim's families. The relatives had high hopes to science and identification even though they were often facing total destruction or decomposition of the body parts: "Their grief was exhausting, and while I tried to remain detached and not watch, it was impossible." 

What Shaler does not write is that the whole area around the office was literally plastered with self-made posters of missing persons, and that many people where standing in front of the Bellevue hospital entrance next to the OCME — quietly, looking for a glimpse of information, not walking away.  

More than once, Shaler mentions that probably god pushed him into the direction of his — this — job. For Bob, it was the most important task of his life. He also mentions that for younger scientists in the lab, it might be difficult to work on the most important case of their lives at the beginning of their careers because afterwards, work might be less intense. From my experience, this matters not because at the end of the day, a case is a case, and all cases should be treated equally. Probably his statements are proof to the shell shock that WTC caused to so many (including me). 

After the World Trade Center DNA investigation was closed, Bob Shaler resigned at the OCME. He then set up a forensic program at Penn State University. In 2010, he retired from forensic work.   

* I worked in the forensic biology (i.e., DNA) department of the NCY OCME  from 1997 to 1999. Bob Shaler was my direct boss; Mecki Prinz from the OCME DNA lab was my first forensic boss in Germany. Briefly after the WTC fell, I went to Manhattan, talked to my colleagues and wrote a popular science article about their DNA efforts → https://home.benecke.com/publications/nicht-sachen-sondern-menschen


The Batman, Riddler, Catwoman & Pinguin

September 2022


Der Herr der Maden

max | 1998


Das sind nicht Sachen, sondern Menschen

WTC


Der Zuckerfass-Mord

New York | 2018


Arbeitsplatz New York

Galerie


Mit Maden dem Täter auf der Spur

Das Goldene Blatt | 1999


Gutachten: Überführen Maden

1998

GEOlino Spezial: Spürhunde, -Ratten, -Delfine und -Fliegen 🪰

Quelle: GEOlino Spezial – Der Wissenspodcast für junge Entdeckerinnen und Entdecker, 21. August 2024

In dieser GEOlino -Folge geht es um Spürhunde. Die sind ihren zweibeinigen Kolleginnen und Kollegen in vielem eine Nasenlänge voraus. Wir haben den Diensthunden der Bremer Bereitschaftspolizei Bremen beim Training zugeschaut. 

Ratten erschnüffeln vergrabene Minen Delfine spionieren feindliche Schiffe aus und Bienen erschnüffeln Sprengstoff Ihren Super-Sinnen entgeht einfach nichts… 

Aber auch krabbelnde, surrende, sich windende Insekten helfen bei der Aufklärung von Verbrechen – und zwar dem Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke  

Was genau seine Arbeit ausmacht und inwiefern ihn die Krabbler unterstützen, das erzählt er Ivy in dieser Folge.


2. Symposium für Odorologie

Hamburg | 2015


Thierbuch

Kat Menschik & Mark Benecke


Der Fall Mirco

Interdisziplinäres Fachforum Bremen | 2012

Erschießung in den Kopf: Was geschieht dabei?

Quelle:  t-online, 23. August 2024

Mord im Frankfurter Hauptbahnhof: "Eine todsichere Tötung"

Kriminalbiologe Mark Benecke gab im Gespräch mit t-online zu verstehen: "Unten hinten im Schädel liegen Gehirn-Teile, die für die entscheidenden Lebens-Vorgänge wichtig sind. Auf die Frage, ob ein Genickschuss effektiver sei als ein Kopfschuss, antwortet Benecke: "Es hängt vom Kaliber, der Energie, also dem 'Wumms' des Geschosses, der Art der Munition und anderem ab. Grundsätzlich sind Schüsse in den unteren hinteren Teil des Gehirns, der die Verbindung zum ’Nerven-Kabel-Baum’ in der Wirbelsäule darstellt, megagefährlich."

Zur höheren Tötungswahrscheinlichkeit führt er weiter aus: "Ja. Wer absichtlich dorthin schießt, handelt mit höchstmöglichem Tötungs-Wunsch." Er führt aus: "Denn es hängt wie angedeutet von vielen Einflüssen ab, wie tödlich ein Schuss ist. Beispielsweise kann jemand den Kopf plötzlich bewegen, was Donald Trump zufällig das Leben gerettet hat. Beim Nachschießen in den Kopf wie hier geht es um eine ganz wörtlich todsichere Tötung."

Allerdings gebe es auch Täter, die einfach "Spaß am Töten haben". Er fasst zusammen: "Es kann auch alles zusammen kommen: Auf Nummer Sicher gehen plus Spaß am Töten plus Macht-Darstellung."

Was hat es mit einem sogenannten Genickschuss auf sich?

Unten hinten im Schädel liegen Gehirn-Teile, die für die entscheidenden Lebens-Vorgänge wichtig sind. Dringt eine "Kugel", also ein Geschoss, dort ein, gibt diese Energie ab und zerstört das Gewebe nicht nur direkt, sondern oft auch durch eine "Wundhöhle". Die entsteht, weil sich Gase sehr schnell ausdehnen, eine Blase bilden, das Gewebe ausweicht und dann blitzschnell wieder zusammenfällt. Das führt zu zusätzlichen Verletzungen im Gehirn. Die Folge: Total-Ausfall der wichtigsten Lebens-Vorgänge wie Atmen und Herzschlag.

Ist dieser effektiver als ein simpler Kopfschuss? 

Hängt vom Kaliber, der Energie (dem "Wumms") des Geschosses, der Art der Munition (beispielsweise: vorne abgefeilt oder nicht?) und anderem ab. Grundsätzlich sind Schüsse in den unteren hinteren Teil des Gehirns, der ja auch die Verbindung zum "Nerven-Kabel-Baum" in der Wirbelsäule darstellt, megagefährlich.

Ist die Tötungswahrscheinlichkeit höher? 

Ja. Wer absichtlich dorthin schießt, handelt nicht nur rechtlich gesehen heimtückisch — das Opfer sieht ja nicht, was vorgeht und kann sich nicht wehren —, sondern auch biologisch und medizinisch gesehen mit höchstmöglichem Tötungs-Wunsch.

Der Täter schoss seinem Opfer im Anschluss noch zweimal in den Kopf. Wollte er damit wohl sicherstellen, dass sein Opfer wirklich tot ist pder wohl eher als simple Machtdemonstration?

Vor allem, um sicher zu gehen, dass die Tötung gelingt. Denn es hängt wie angedeutet von vielen Einflüssen ab, wie tödlich ein Schuss ist. Beispielsweise kann jemand den Kopf plötzlich bewegen, was Donald Trump zufällig das Leben gerettet hat. Oder das Geschoss hatte einen Material-Fehler. Beim Nachschießen in den Kopf wie hier geht es um eine ganz wörtlich todsichere Tötung. Es gibt auch Fälle, wo Täterinnen oder Täter Spaß am Töten haben, das ist sogar ein Mord-Merkmal im Gesetz. Es kann auch alles zusammen kommen: Auf Nummer Sicher gehen plus Spaß am Töten plus Macht-Darstellung.


"Die Polizei verwendet ihre Zeit nur, wenn es sinnvoll ist"

t-online | 2024


War Hitler eine Frau?

Podcast | 2024


Lenins Leiche

Mit Kriminalbiologe Mark Benecke im Moskauer Mausoleum

Kriminalbiologe über die dunkle Liebe

Mark Benecke (39) in der Galerie Strychnin in Friedrichshain; Foto: Laessig

Mark Benecke spricht über Beziehungs-Todsünden und jenes Grauen, das der Liebe innewohnen kann.

Die Liebe ist eine Macht. Doch es gibt auch eine dunkle Seite der Liebe, geprägt von Furcht, Boshaftigkeit, Wut, Hass und Vernichtung. Wie gefährlich ist die Liebe? Mark Benecke (39) ist Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe. Ein Mann der Wissenschaft, der sich auf seinen Unterarm ein Herz mit der Aufschrift „Glaube, Liebe, Hoffnung“ tätowieren ließ und erklärt, wie das Böse in der Liebe tickt.

Warum schenkt uns Liebe die schönsten Momente – und die furchtbarsten?

Mark Benecke: Liebe und Hass sind Extreme ein und desselben Gefühls. Biologisch ist Liebe ein Zwangszustand, frisch Verliebte sehen alles durch die rosarote Brille. Auf der anderen Seite schließt sich der Kreis, wenn sich Hass entlädt.

Selbst der Liebe wohnt das Grauen inne, potenziell?

Man weiß nie, wohin die Reise geht. Allerdings kann man es gut vorhersagen, mit der Eheformel und der Kenntnis: Je mehr Gemeinsamkeiten man hat, umso länger hält die Beziehung.

Wovon hängt das ab?

Je mehr gemeinsame Interessen, desto besser für die Liebe. Konfliktlösungen sind charakterabhängig, der Charakter lässt sich nicht ändern. Aber egal wie psycho die Leute sind: Stimmen die Interessen überein, desto entspannter und langlebiger die Beziehung.

Benecke ließ sich auf seinen Unterarm ein Herz mit der Aufschrift „Glaube, Liebe, Hoffnung“ tätowieren; Foto: Laessig

Welche Interessen?

Was man gerne isst, hört, Kultur, Religion, Stil, Rauchen, Politik – alles, was klassische Partneragenturen auch abfragen.

Und wenn einer in die Berge will, der andere ans Meer?

Schlecht.

Wie wär’s damit: Einer verzichtet dem anderen zuliebe.

Auf Dauer muss das auch mein Interesse sein, sonst ist die Beziehungszerstörung angelegt.

Woran merkt man, dass man sich selbst verliert?

Wenn Außenstehende einem sagen: So kannte ich dich früher nie, du hast dich so verändert.

Sie sprachen von einer Eheformel. Gibt es die wirklich?

Entwickelt von einem Mathematiker und einem Psychologen, lässt sich damit die Ehedauer mit 94-prozentiger Wahrscheinlichkeit voraussagen. Man beobachtet das Paar beim Streit. Für Humor, Zuwendung und In-den-Andern-Eindenken gibt es Plus-, für Spott, Gejammer und Verachtung Minuspunkte. Gemessen wird auch, wie Charme oder Argumente des einen Partners auf den anderen wirken.

Eheliche Todsünden?

Motzen, murren, maulen. 69 Prozent aller Paare werfen sich gegenseitig Probleme vor, die von vornherein nicht zu lösen sind. Stabilisierend ist dagegen, Probleme zu erkennen und zu reparieren. Es darf auch laut zugehen – solange das Getöse sich nicht um den unabänderlichen Charakter des Partners, sondern um eine Konflikt-Lösung dreht.

Warum verfolgen Menschen andere mit ungewollter Liebe?

Eigentlich arme Würstchen. Die nicht raffen, dass der andere reagieren muss. Stalker sind gefährlich: Sie drehen durch, wenn sie merken, dass sie wirklich abgelehnt werden.

Was raten Sie?

Stalkern niemals Aufmerksamkeit geben. Der größte Fehler ist, mit ihnen zu reden – nicht eine Silbe! Ich kenne einen, der sprach drei Stunden lang mit der Stalkerin seiner Ehefrau und nahm ihr alle Illusionen. Sie blieb ganz ruhig. Kaum drehte er ihr den Rücken zu, schlug sie ihm einen Hammer auf den Kopf und stach ihn fast tot. Mich selbst verfolgt eine Frau mit Briefen und SMS, ich habe Zehntausende von Seiten.

Was will sie?

Was alle Menschen wollen: Geliebt und umsorgt werden.

Wenn Liebe zuschlägt – warum bleiben Menschen oft jahrelang bei einem Partner, der sie immer wieder verletzt?

Sie denken, sie sind glücklich. Sind sie aber nicht. Sie reden sich die Kloppe als emotionale Zuwendung ein: Dass er sich so aufregt beweist, dass er mich liebt! Erst die Haue, dann Versöhnungssex. Madlove. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich – das kann funktionieren, wenn es sonst viele gemeinsame Interessen und einen eher ruppigen Ton gibt. Eigentlich müsste man aber die abhängige Person da rausholen.

Im schlimmsten Fall wird aus Liebe Hass bis zum Mord.

Das ist tierisches Niveau.

Auch Tiere morden?

Natürlich! Es trifft Rivalen, die eigenen Nachkommen. Bei Affen gibt es sogar gezielten Mord. Die Grundlage der Todsünden in der Bibel ist nichts Höheres, so funktionieren alle Lebewesen. Evolutionäres Grundprogramm: Übermut, Habgier, Wollust, Völlerei, Neid, Trägheit, Rachsucht. Das menschliche Gefühl rasender Eifersucht ist exakt dasselbe wie bei Tieren.


Wie entsteht Hass, Dr. Mark Benecke

ZIMMER EINS — Das Patientenmagazin | 2019


Zum Liebespfeil der Schnirkelschnecken (Helicidae) 🐌 ❤️

Funktion und experimentelle Strukturaufklärung


Uralter Liebes-Olivenbaum 💞

Kreta

Strom aus Sonne & grüne Wände: So geht's 🍃

»Hallo Mark, wie gewünscht mein Erfahrungsbericht mit der PV-Anlage und der Fassadenbegrünung. PV-Anlage: Die Anlage wurde mir ca. 4 Wochen nach der Bestellung an zwei Arbeitstagen von 1KOMMA5° fertig installiert. Es wurde ebenfalls ein neuer Smart-Meter verbaut und alle Verbraucher über diesen einen Smart-Meter verbunden.

Zusätzlich existiert eine KI, die direkt an die Strombörse angeschlossen wurde und nach dem günstigsten grünen Strom sucht. Wenn z.B. mein Speicher voll ist, wird von diesem die Energie genommen. Sollte der Strom an der Börse weit unter dem Normalpreis liegen, wird umgeschaltet und dieser verwendet. Sollte mein Speicher leer sein, wird nicht nur der günstigste verfügbare Strom genutzt, sondern es wird auch mein Stromspeicher gefüllt. 1KOMMA5° garantiert in den ersten zwei Jahren, dass der Preis je kWh im Jahresdurchschnitt nicht über 15 Cent abgerechnet wird.

Weil wir i.d.R. nachts mehr Strom zur Verfügung haben, als gebraucht wird, habe ich alle stromfressenden Tätigkeiten (Waschen, E-Auto laden etc.) in den späten Abend verlegt. Mein Stromspeicher funktioniert quasi als Puffer, bis die Strompreise am Abend deutlich sinken. Je mehr Menschen diese Variante nutzen, desto mehr Strom wird dann auch am Abend oder in der Nacht verbraucht. Dies wiederum wird den Preis je kWh wieder nach oben treiben. Bin mit 1KOMMA5° und der Anlage sehr zufrieden.

Die Module werden von 1KOMMA5° selber in Deutschland hergestellt. Bei den Elektronikbauteilen hatte ich leider keine Wahlmöglichkeit, dass kommt leider alles China. Meine PV-Anlage wandelt im Sommer mehr Energie um als ich benötige. Da kann es auch passieren, dass der Speicher voll ist und ich gezwungen bin einzuspeisen. 1KOMMA5° arbeitet gerade daran, den Strom seiner Kunden zu bündeln und an der Strombörse anzubieten bzw. verkaufen. Das wäre aus meiner Sicht ideal, weil dann viel mehr „wirklich“ grüner Strom am Markt zur Verfügung steht.

Dieses Prinzip lässt sich sicherlich auch bundesweit praktizieren. Die Regierung müsste ein PV- Programm auflegen, dass auf alle Dächer (wenn sinnvoll) PV-Anlagen gebaut werden müssen. Dort wo nicht sinnvoll, wäre eine kleine WindkraFanlage (wenn sinnvoll) aufzubauen. Der ganze grüne Strom des Tages könnte in der Nacht kostenlos für alle Firmen zur Verfügung gestellt werden. Das wäre regelungstechnisch ohne großen Aufwand zu realisieren.

Das Geld für das PV-Programm wäre sehr einfach zu beschaffen. Rüstungsausgaben halbieren, Transaktionssteuer einführen und die Steuerpflicht an die Nationalität koppeln. Dann noch die umweltschädlichen Subventionen abschalten und schon hätten wir über 150 Milliarden Euro zur sinnvollen Verwendung. Dabei müsste niemand auf irgendetwas verzichten.

Das Thema der Fassadenbegrünung und Wiese ist eher unspektakulär. Um die vordere Fassade zu schützen, habe ich 8 Befestigungsösen in der Fassade verschraubt, ein Edelstahldrahtseil durchgezogen, die Enden des Drahtseils danach mit einer Schelle verbunden und mit an einen Seilspanner befestigt. Eine letzte Befestigungsöse habe ich dann in den Boden einbetoniert und den Seilspanner daran befestigt. Jetzt kann der Blauregen am Drahtseil entlang meine Fassade den Insekten zur neuen Heimat werden lassen. An der seitlichen Hauswand habe ich „Falschen Wein“ gepflanzt. Wie auf dem Bild zu sehen, lasse ich den direkt an meiner Fassade wachsen. 

Die unterschiedlichen Farben je Jahreszeit werden nicht nur den Insekten, sondern auch meinem Auge Freude machen. Nach Aussage des Landschaftsgärtners wachsen die Pflanzen pro Jahr mindestens einen Meter. Ich soll jedoch regelmäßig düngen, um den Pflanzen einen Wachstumsschub zu verleihen. Da bin ich aber noch sehr unentschlossen. Auch habe ich meine Frau überzeugt, dass wir weniger Rasen mähen. Sie argumentiert aber nicht ganz zu Unrecht, dass der Rasenmäher nach spätestens 8 Wochen nicht mehr durchkommt. 

Ich überlegte zurzeit, wie ich diesem Argument entgegentreten kann. Anregungen, Hinweise und Kritik wie immer willkommen. Noch ein Hinweis zum Schluss. Habe wegen meiner Streuobstwiese noch nicht aufgegeben. Es ist aber soooo schwierig, sich mit allen vermeintlichen Beteiligten abzustimmen und zu vereinbaren. Ich verstehe das wirklich nicht. Was gut ist soll doch einfach gemacht werden. 

Wenn es sinnvoll wäre auf meiner Wiese Palmen für Kokosnüsse zu pflanzen, würde ich das auch sofort machen. Wo ist das fucking Problem, den Menschen mal nicht im Wege zu stehen? Noch eine persönliche Sache.  Es ist mir ein großes Bedürfnis nicht arrogant rüberzukommen, weil ich ja alle diese tollen Sachen mache. Mir ist Deine Anerkennung genauso scheißegal wie die der anderen Menschen. 

Mir geht es ausschließlich darum, meine Verantwortung für nachfolgende Generationen wahrzunehmen. Es ist mir auch klar, dass mein Leben völlig bedeutungslos ist und ich spätestens einige Jahre nach meinem Tod vergessen bin. Und mit dieser Erkenntnis komme ich wunderbar zurecht. Ich versuche in meiner kurzen Zeit hier zu helfen, dass es anderen später nicht schlechter geht als mir und dass in einem minimalen und unbedeutenden Ausmaß. 

Bei mir hat der Begriff Verantwortung evtl. nur eine etwas andere Bedeutung. Der letzte Satz dann ist Ruhe. Ich möchte sehr gerne sehen können, wer zu meiner Beerdigung kommt. Nicht um zu hören was die Leute wirklich von mir denken oder gedacht haben. Ich möchte sehen, ob die Menschen die mich nicht gemocht haben so ehrlich sind, der Beerdigung fern zu bleiben. 

Klaus Kinski hat einmal so richtig gesagt: „Mich zu mögen ist meine Aufgabe, nicht Eure“. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. 

Herzliche Grüße: F.« 


Für Klaus Cölln

Nabu & Naturschutz


Tierschutz-Vortrag & Demo

Berlin | April 2024


Kommentar zu Ökozid-Gesetzen

Buch: Ökozid. Wie ein Gesetz schwere Umweltschäden bestrafen und Lebensgrundlagen besser schützen kann

Angst im Netz – Darf ich Spinnen töten?

Foto: Claus Pütz

Quelle: Spiegel, 18.Juli 2024

»Eklig« und »gruselig«: Spinnen haben ein Imageproblem – und keine Lobby. Der Biologe Mark Benecke erklärt, warum Sie trotzdem zögern sollten, bevor Sie den Staubsauger einschalten.

Aufgezeichnet von Veronika Silberg

Dass wir im Schlaf acht Spinnen pro Jahr verschlucken, ist Quatsch, aber ein Mythos, der sich hartnäckig hält. Genau wie Unbehagen und Angst beim Anblick der pelzigen Tierchen. Zu lange Beine, zu gruselig. Natürlich, da hilft nur der Staubsauger. Oder?

Aus dem Bundesnaturschutzgesetz geht streng genommen hervor: Nein. Es ist nicht okay, Spinnen zu töten. Dort steht: »Es ist verboten, wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten.« Und auch der Biologe Mark Benecke findet: Die kleinen Tiere seien viel zu faszinierend, um sie einfach platt zu machen. Warum Spinnen trotz Phobie verschont werden sollten und wieso es bei der Beseitigung vor allem auf die Beinchen ankommt.

Frage für einen Freund

Wie wollen wir leben? Lieben? Unsere Kinder erziehen? Können wir die Welt vielleicht doch nicht retten? Wo beginnen Vorurteile? Es gibt unangenehme Fragen, die wir in Gesprächen ironischerweise manchmal so beginnen: »Frage für einen Freund«. In dieser Serie beschäftigen wir uns mit genau diesen Fragen. Wenn wir uns einen umweltunfreundlichen Urlaub gönnen möchten, wenn wir mitbekommen, wie ein Kollege ungerecht behandelt wird, wenn wir kein Trinkgeld geben wollen: Wie handeln wir dann möglichst richtig – oder falsch? Expertinnen und Experten helfen bei der Antwort – und Sie können abstimmen.  

Das antwortet Mark Benecke:

»Ehrlich gesagt hole ich meistens meine Frau, wenn ich in unserer Wohnung eine Spinne entdecke. Ich selbst habe Sorge, ich könnte sie verletzen oder zerdrücken. Das passiert rasch. Achten Sie gerade bei großen Tieren besonders auf die Beine! Etwa bei Hauswinkel- und Kellerspinnen. Die haben wie alle Spinnen ein Außenskelett, wenn das kaputt ist, bleibt es kaputt. Und meist versuchen die sich mit ihren Beinchen irgendwie aus dem Glas herauszuwinden.

Die Spinne einfach töten? Mir ist völlig unklar, wieso man das machen sollte. Man muss andere Lebewesen nicht mögen – aber man kann sie doch trotzdem in Ruhe lassen. Mir ist bewusst, dass viele Menschen Angst vor Spinnen haben. Das sehe ich ein. Aber menschliche Angst und das Leben der Spinne müssen sich ja nicht ausschließen, finde ich. Nur, weil ich sie nicht in meiner Wohnung haben möchte, muss eine Spinne ja nicht sterben. Wenn das Tier unangenehme Gefühle bei mir auslöst, kann ich es einfach nach draußen tragen, wo es sich ein neues Zuhause suchen kann. Am besten ist es, wenn dort mehr als nur ein einzelner Zierbaum steht. Sie können die Spinne für den Transport auch in eine Pappschachtel mit Luftlöchern packen.

Oder Sie behalten Ihren neuen Mitbewohner. Es gibt Spinnen, die sehr gern in Wohnungen leben. Viele Zitterspinnen etwa, die Hauswinkelspinne oder die Kellerspinne. Gerade im Keller stören die niemanden. Meist leben die dort jahrelang, ohne dass wir es überhaupt mitbekommen. Machen Sie das Licht an und treten Sie laut auf, verstecken sich die großen Spinnen meist sofort. Die Tiere haben berechtigterweise mehr Angst vor Menschen als andersherum.

»Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie hier auf eine ›gefährliche‹ Spinne treffen, ist in etwa so hoch, wie die Gefahr, dass Ihnen ein Ziegelstein auf den Kopf fällt.«

Zu befürchten haben Sie im Übrigen nichts. In Deutschland sind so gut wie alle Spinnen ungefährlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie hier auf eine ›gefährliche‹ Spinne treffen, ist in etwa so hoch, wie die Gefahr, dass Ihnen ein Ziegelstein auf den Kopf fällt. Wenn Sie jetzt über eine Stadt sprechen, betonen Sie auch nicht ständig das Risiko, von einem Ziegelstein erschlagen zu werden, oder? Sie sprechen darüber, wer in der Stadt lebt, welche Gebäude es gibt und wie das Wetter ist.

Spinnen sind beeindruckende Tiere. Darüber reden wir zu wenig. Persönlich fasziniert mich besonders, wie alt ihre Lebewesengruppe ist. Überlegen Sie mal, was diese Art schon alles miterlebt hat! Welche historischen und kulturellen Veränderungen. Vor Tausenden von Jahren sind auch schon Spinnen durch Wohnungen gekrabbelt. Ist es nicht großartig, dass eine so uralte Erbgutprogrammierung sich so lange durchgesetzt hat?

Mich überraschen Spinnen zudem immer noch. Zu Springspinnen etwa wird gerade viel geforscht: Sie können offenbar planen, sich mit anderen austauschen, sich erinnern – vielleicht sogar träumen . Wer sie zu Hause hält, kann sie auf seine Hand springen lassen und wieder zurück.

Wenn Sie dieser Gedanke gruselt, kann ich Sie beruhigen: Eine echte sogenannte Arachnophobie lässt sich behandeln. Sie können zu einer Psychologin oder einem Psychologen gehen, um sich das abzugewöhnen. Oder Sie testen gemeinsam mit Freunden eine Expositionstherapie. Man sieht sich das Tier genauer an und nimmt es langsam und vorsichtig auf den Arm. Meist bieten sich große, eher träge Spinnen an, weil sie nicht so schnell davon krabbeln. Je mehr sie beobachten und lernen, desto weniger Angst haben Sie. Mit mir studierte damals der heutige Leiter der Spinnen-Abteilung des Senckenberg-Museums Frankfurt am Main vorbei und hatte unserem Kurs eine Spinne mitgebracht. Am Anfang wollte keiner so richtig ran, aber spätestens nach zwanzig Minuten wollten sie alle mal anfassen. Am Ende musste man die Spinne vor den ganzen Studierenden retten.

Tatsächlich hat sich die Einstellung gegenüber Spinnen über die vergangenen Jahre hinweg stark verbessert. Neuerdings werden sie vor allem im Internet zunehmend beliebter. Springspinnen besonders, mit ihren dunklen Kulleraugen. Leider liegt die neue Freude an Spinnen jedoch auch daran, dass es schlicht weniger gibt als früher. Ihre Nahrung stirbt aus – und damit auch zahlreiche Spinnenarten. Wir leben in der Zeit des größten Artensterbens, seit es Leben auf der Erde gibt.

Klar, eine getötete Spinne macht da für manche keinen großen Unterschied mehr. Aber ist das nicht Grund genug, sich mit den Tieren zu beschäftigen, die um uns herum leben? Sehen Sie genau hin, solange Sie und die Spinnen noch da sind.«


Brauchen Kakerlaken ein besseres Image?

Deutschlandfunk Nova | 2024


Wie Fauch-Schaben mich zu einem besseren Menschen machten

Artikel-Sammlung


Insektenplage?

t-online | 2023

Brauchen Kakerlaken ein besseres Image? 🪳

Deutschlandfunk Nova hat Fragen an Mark Benecke, der seit Jahrzehnten Fauch-Schaben als Haus-Tiere hält, darunter diese:  

+ Mark: Andere machen bei Schaben: iiiihhh. Was machst du?? + Was bewunderst du an Schaben besonders?? + Ich kenne dich, weil du mal Fauchschaben quasi als Haustiere hattest. Ist das noch so? + Was glaubst du: Was brauchen deine Fauchschaben um gut über die Runden zu kommen? + Was machen die so den ganzen Tag? + Hast du den Namen gegeben?? + Wenn du dir was aussuchen könntest: Welche Fähigkeit hättest du von denen gerne?? + Die einen nennen sie Schaben andere sagen Kakerlaken: Was ist aus deiner Sicht korrekter?? + Wir bleiben beim Wort Schaben. Aber da gibt es ja gar nicht die EINE. Wie viele Arten soll es in etwa gegeben?? + Jetzt ist eine Studie rausgekommen, dass gerade Deutsche Schabe die verbreitetste Kakerlake der Welt ist. Wieso gerade die? + Forschende haben sich das Ganze mal genauer angeschaut: Wie findet man so etwas raus? + Hat dich das überrascht?? + Heißt: Diese Art ist besonders widerstandsfähig? + Das Besondere ist ja: Die Kakerlake/Schabe halten sich gerne in der Nähe von uns Menschen auf: Warum? + Wir finden das andersherum nicht geil: In ein paar Städten in Deutschland heißt es, seien besonders viele Kakerlaken unterwegs. Nimmt die Verbreitung zu? + In unseren Köpfen ist immer der Gedanken: Sind Kakerlaken in der Wohnung/im Raum, dann stimmt was mit der Hygiene nicht. Aber du sagst: Stimmt nicht.. Wie ist es denn richtig? + Aber richtig ist: Schaben/Kakerlaken sind potentielle Krankheitsüberträger!?? + Was tu ich denn, wenn ich feststelle: Aii: Hier ist ein Kakerlakenbefall? + Und was mache ich dann? + Wer erst gar nicht in die Situation kommen will: Wie verhindere ich das?? + Du hast mal bei uns im Gespräch gesagt, dass du glaubst, dass die Kakerlake die Weltherrschaft einmal übernehmen wird. Glaubst du weiterhin daran? + Woran machst du das fest? + Ein Forscher hat die mal die Superhereos genannt. Auch deine Worte? + Haben die irgendwas Positives für uns Menschen?

30. Mai 2024

Die meisten wollen Schaben aus guten Gründen nicht in ihrer Wohnung haben. Kriminalbiologe Mark Benecke schon. Er liebt Kakerlaken. Und sagt: Sie haben ihn zu einem besseren Menschen gemacht.

Bis zu 10.000 Kakerlakenjunge je Muttertier: Sich ausbreiten ist das, was die Deutsche Schabe besonders gut kann. Anfang April musste das Hauptgebäude einer Grundschule in Bochum-Wattenscheid vorübergehend geschlossen werden, um die Tiere mit Giftködern zu bekämpfen.

Klar, die Tiere können passiv Keime verschleppen, weil sie wirklich überall herumlaufen. Außerdem verteilen sie ihren Kot im ganzen Gebäude.

Kriminalbiologe Mark Benecke freut sich eigentlich über jedes lebende Insekt. Er selbst hält Fauchschaben als Haustiere. Ein paar hundert könnten es wohl sein. Holzglänzend, wunderschön und friedlich, so nimmt er seine Schaben wahr, und auch akustisch machen sie was her.

Nächtliches Fauchtier

Denn die Tiere haben ihren Namen von dem eigenwilligen Geräusch, das sie produzieren – besonders nachts und tagsüber, wenn sie gestört werden.

Als Mitbewohner im Schlafzimmer möchte Mark Benecke die Kakerlaken deswegen nicht mehr haben. Wie sie fauchen, ist ihm nicht ganz klar. Sie ziehen ihren Körper zusammen und dabei entweicht Luft, vermutet er.

Mark Benecke, Forensiker, Kriminalbiologe und Fauchschabenhalter

Podcast:


Große Thierbuch-Show

RBB Berlin


“Der Benecke”

Radio-Eins-Sendung


“Insekten auf Leichen”

Podcast-Folge vom MfN Berlin


Wie Fauch-Schaben mich zu einem besseren Menschen machten

mehrere Beiträge


Darf ich Spinnen töten?

Spiegel | 2024

Forensic Entomological Examinations for Animal Welfare Offices under Suboptimal Preservation Conditions

Source: Forensic Sci. 4:387–395. https:// doi.org/10.3390/forensicsci4030023

→ The article as .pdf

German version of this article

Kristina Baumjohann & Mark Benecke

Abstract

A female dog had allegedly been alive one day before its death. The veterinary office thought about accusing the dog’s owner for animal cruelty and commissioned forensic entomological expertise for the calculation of the time of insect colonization on the dog’s body. The statement of the dog’s owner was proven false by us on the grounds of (a) the advanced state of decomposition and (b) the minimal developmental time of fly larvae found on the dog’s body. The darkening and deformation of the fly maggots as well as insufficient temperature data made case work trickier than usual. We worked through the case by creating forensic entomological temperature scenarios. The court used the entomological evidence and issued a penalty order.

Keywords

forensic entomology; insect traces; minimum time since death; neglect; sampling

1. Introduction

Insects, mostly flies and beetles, can colonize human and animal wounds or bodies both during life and after death. If colonization takes place during life, it is referred to as myiasis. Myiasis may occur in cases of neglect; in such cases, it is sometimes possible to calculate the period of neglect using the development of insects [1–3].

The time of development of insects is temperature-dependent: low temperatures slow down insect development and high temperatures accelerate it. Different insect species develop at different rates at the same temperature [4].

The preference of adult flies to deposit eggs in wounds and body openings applies equally to humans and wild or domestic animals [5,6]. In cases of myiasis, eggs are also laid in the soiled diaper area [1–3]. This applies to soiled cushions in dog baskets and soiled blankets, too.

In neglect cases, the collection and subsequent preservation of fly maggots should be carried out separately according to the place of collection (diaper area, open wounds, or natural body openings) in order to record the possibly different developmental ages of the animals at the different colonization sites of the same body.

In cases of animal cruelty and neglect in wild and domestic animals, the entomological evidence collected from living or deceased animals may also provide investigating authorities with information on the circumstances of death [7–12].

The condition of the preserved insect specimens that reach us do not always allow for easy species determination. The case presented here shows that, despite poorly preserved insect material, the difficulty in calculating a possible development time of fly maggots can be narrowed down by creating various temperature scenarios.

Unlike in high-profile forensic cases, the veterinary office initially left the question open if time since death or time since the beginning of neglect including a possible maggot infestation had to be determined by us. We communicated that in this case, it would be best to operate with colonization time, irrespective of whether this was the colonization time of wounds of the living dog or the colonization of the dead dog.

2. Case Description

In connection with the death of an approximately two-year-old, female French bulldog, a German veterinary authority issued an order to calculate the minimum colonization period of the fly maggots collected from the dead dog.

The dog owner stated that she had left her dog in her uncle’s apartment several days before the dog’s death and had looked after him there every day during her work breaks. She had allegedly last provided the dog with water and food on 23 July 2022; she claimed that the dog was still alive at that time. When she went to pick up her dog from her uncle the next evening, 24 July 2022, the dog had died.

That same evening, the animal mortician collected the dead dog and froze it in the funeral home at −3 °C, according to his statement. The mortician had noticed “heaps of maggots” on the dead dog’s body when he handed it over for examination, i.e., the dog had already been severely decomposed at this point. The veterinary office received the corpse on 25 July 2022; the dog was frozen there at unknown temperatures. On 30 August 2022, the animal’s corpse was sent to an Institute for Veterinary Pathology and examined there on 2 September 2022. The fly maggots collected from the dog’s body were then frozen at −20 °C until shipment.

The owner’s statements were made to officers of the local veterinary authority. Police was not involved since the case was considered to be low-key. The veterinary office then contacted the prosecutors’ office. The dog owner did not have to give a sworn statement since it was clear that the case would be handled by the district court and the penalty would be very low because the dog owner had no criminal record and most of such cases are not prosecuted at all in Germany.

Figure 1. Condition of the emaciated dog’s body on delivery to the mortician; the dog had allegedly been alive and well the day before its death. (Note: the insufficient image quality of Figures 1 and 2 is due to the fact that the veterinary pathologist did not allow the use of original images, so copies from the report of the veterinary office had to be used.).

3. Veterinary Pathological Examination of the Dog

According to the veterinary pathologist, the dog was already in a high state of “autolysis to putrefaction”. There were numerous fly maggots on the dog’s body, there were nits (louse eggs) in the fur, and the beginning of skeletonization at the right upper jaw was noted.

The dog had no subcutaneous fat and no structural fat deposits: kidney capsule fat, coronary fat, and intestinal mesentery fat were missing. The stomach was empty; the animal was in a highly reduced nutritional state (Figures 1,2).

4. Forensic Entomological Examinations

4.1. Material and Methods

Figure 2. Eyes and brain of the dog missing due to the feeding activity of fly maggots and advanced decomposition. (Photo quality: see remark in Figure 1.)

The sample from the Institute of Veterinary Pathology included 146 individual fly maggots and eight clusters of several maggots that were connected (as if glued) together.

The previously frozen fly maggots were sent to us by the veterinarian in 96% ethanol and reached us on 16 January 2023. The thawed maggots were predominantly brown to black in color (Figure 3), the tissue was rubbery, and the animals were predominantly deformed. The discoloration and deformations made it difficult to determine the fly species, as certain body characteristics must be visible to do so. The length of a stretched maggot is used to determine age and cannot be measured correctly if the animals are bent and contorted. The proper and immediate storage of the fly maggots at the mortician’s office could have prevented the discoloration and tissue deformation [13].

Species determination was performed based on morphological features using stereomicroscopes (Leica Mz 12.5, Leica S9E, Wetzlar, Germany) and a light microscope (Leica DM LM, Wetzlar, Germany) with identification keys from Szpila [14,15].

One third of the maggots were therefore placed in an 8% potassium hydroxide solution (KOH) at room temperature. The tissue of the maggots was so firm and tough that it only became soft enough to micro-dissect after about a week in the softening solution. The bleaching effect of the potassium hydroxide made body features relevant to determination largely visible again (Figure 4).

The length of 20 blow fly maggots was measured, the stage of development determined, and their species identified (see Section 4.2). After examination, the maggots—with some body parts removed during the examination (anal plate, head capsule, and mouth parts)—were each transferred to a reaction tube (1.5 mL).

The remaining maggots left in the potassium hydroxide solution were placed in a container of methylated spirits for further storage. The sample also contained a maggot of a flesh fly species: this maggot was also placed in 8% KOH solution for one week at room temperature and then examined microscopically.

4.2. Results of the Species Identification

All 20 blow fly maggots examined belonged to the species Lucilia sericata (Meigen, 1826); the average length of the animals was 1.3 cm. All maggots had reached the third and thus last larval stage of development. It was not possible to determine whether the animals had already emptied the intestinal contents in preparation for the subsequent pupation phase (so-called postfeeders) or whether they still possessed them at the time of preservation due to the dark tissue discoloration.

Figure 3. Discoloration and deformation of the fly maggots to be examined

The single, 2 cm long flesh fly larva belonged to the species Sarcophaga argyrostoma (Robineau-Desvoidy, 1830) in the third (and last) larval stage of development.

4.3. Results of the Calculations of a Possible Egg-Laying Time

4.3.1. Temperature Data

Fly maggots develop depending on the surrounding temperature. The temperatures at which the animals developed until the body was found are therefore required.

Figure 4. Dark discoloration of the flesh fly maggot (top) and clear tissue after treatment with KOH (bottom)

Normally, the following steps are necessary to recalculate the temperatures in the best case [16]:

• Comparison of hourly temperatures over a certain period of time (e.g., three days or longer) between the location and a nearby weather station;

• Calculation of temperature deviations between these locations;

• Calculation of a correction factor;

• Recalculation of the temperatures for the location where a corpse was found for the time before it was found = time in which the insects developed on the body.

The temperature data from a weather station for this period and a previously calculated correction factor are used for this purpose. In our case, the German Weather Service (DWD) provided daily average, maximum, and minimum temperature values for the period from the beginning of June to the end of July, but no hourly temperature readings.

However, a privately operated weather station, which was located 6.8 km away from the dog owner’s uncle’s home, transmitted hourly air temperature values for the period from the beginning of June 2022 to the end of July 2022.

4.3.2. Calculating the Development Time of Fly Maggots

The steps listed above for calculating the development times of the fly species could not be carried out in this case due to the lack of data and information. The development time of the fly maggots could still be approximated by creating various “temperature scenarios” based on the hourly temperature data from the private weather station and developmental data from the literature.

4.3.3. Development Data for Lucilia sericata and Sarcophaga argyrostoma

The calculation of the time of oviposition of Lucilia sericata was carried out using the developmental data of Wang et al. 2020 [17]. Table 1 shows the results of the calculation of the development time of the maggots of Lucilia sericata under the influence of different temperatures.

Due to the dark coloration of the fly maggots, it could not be determined whether intestinal contents were present at the time of collection. Fly maggots empty their intestinal contents before pupation (postfeeding larvae; so-called postfeeders): maggots without intestinal contents are therefore older than those with intestinal contents. A possible influence of the KOH solution on any remaining intestinal contents (which were no longer visible after the KOH treatment because the tissue was brightened too much) could not be ruled out due to the long soaking time.

Data from Wang et al. [17] for the developmental transition from the second to the third developmental stage did not fully fit because the maggots were clearly in the third larval stage; any transitional stage would have been recognizable by morphological characteristics, e.g., half-shed skin and breathing spiracles. The maggots examined corresponded best with the data for transition from the third to the postfeeder developmental stage. As postfeeders, the maggots migrate from the dead body to pupate, so later developmental stages are not expected on a corpse.

Females of flesh flies, to which Sarcophaga argyrostoma belongs, lay live young larvae on decaying tissue in the first stage of development [18]. Since flesh fly larvae of this species do not randomly feed on a living organism but are attracted to decomposed tissue, we calculated the development time as a possible colonization time for this maggot based on the temperature and development data of Grassberger and Reiter (2002) [19] (Table 2).

4.4. Answering the Client’s Questions

Our calculations were based on both the fluctuating daily temperatures of the weather station 6.8 km away from the uncle’s home and constant temperatures, e.g., 15 °C for a possible colonization in the basement room, 24 °C for an indoor room in summer (during the day), and 30 °C daytime temperature for the outdoor colonization in that summer.

Further influences on egg laying and larval development such as rain [20–23], night, and dark conditions [23–29] were disregarded since we were told that the case took place inside or close to the apartment.

Since the maggots of both fly species had reached the third and last stage of development as larvae (before pupation), the larvae could not have developed within one day (e.g., from 23 to 24 July 2022) from oviposition.

We do not know whether the dog was still alive at the time the eggs were laid. It is possible that the dog was neglected and that its wounds were colonized by fly maggots during its lifetime. Lucilia sericata and Sarcophaga argyrostoma are fly species that may colonize living yet neglected bodies [9].

Since we also did not know whether the fly maggots sent in for examination were the oldest maggots that had developed on the dog, the calculated time periods were the minimum development time of the larvae.

The extensive maggot infestation of the oral cavity, the loss of substance on the muzzle due to autolysis, and the strong odor of decomposition before the body was frozen also spoke against the statement that the dog had been healthy and alive on 23 July 2022.

5. Discussion

5.1. Temperatures

Temperature data from the colonization site of the dog were missing. Therefore, the temperatures at which the insects colonized the dog before 24 July 2022 could not be mathematically reconstructed.

If the owner claimed to have visited the dog at about the same time on both days, the maximum PMI hypothesis to test would be approximately 24 h. Assuming the most rapid development rates in the reference papers [17,19], both a 13 mm third larval instar of L. sericata and a 20 mm third larval instar of S. argyrostoma would be too old for the owner to have told the truth, irrespective of the temperatures of the dog carcass.

We decided to use local weather data as well as the most recent developmental data including ADH information to build and check our temperature scenarios (Table 1). Since only one Sarcophaga larva was sent to us and since no recent developmental ADH data were available, we decided to use an older data set for this species that did cover the temperatures we used in our scenarios. This was sufficient because the statement of the owner of the dog was found to be false in all our calculations.

We decided to use the most current data for Lucilia sericata that also include ADH values. Since we observe a massive impact of climate change in Europe, we considered the most modern data to be the most reliable in this particular case. For Sarcophaga argyrostoma, we had to rely on the older data set because the most recent data sets did not cover the temperature ranges that we needed to include in our “check the scenarios” tests.

5.2. Colonization Site of the Dog

It remained unclear whether the dog was colonized inside the house or outside and if windows were closed or not. “Closed” doors in Germany often provide access points for flies, as the adults can squeeze through old keyholes or gaps between the door and the floor.

5.3. Fly Maggots

It is unknown to which colonization wave the fly maggots collected from the dead dog belonged, and especially, if there were older developmental stages of the flies or other insects in the vicinity of the dog. In a strict court room setting, one could also question if the maggots had been alive on the dog. The color changes and conservation state of the maggots did not allow a reliable length measurement. Our measured lengths were minimum lengths.

Concerning a possible lack of information in the scientific literature relating to the variability of the postfeeding stage, we restricted ourselves to the information contained in the sources that we used [17,19]. In the Lucilia larvae as well as the single Sarcophaga larva, we saw three slits in the abdominal (posterior) spiracles. Therefore, we decided that any developmental interval beginning from the transition from larval stage 2 to larval stage 3 until the possible postfeeding stage should be considered. Our minimum developmental estimate already excluded the dog owner’s statement, so in this particular case the question was answered without further examination of a possible postfeeding stage.

We did not aim for the inclusion of larval length data because on the one hand, we wanted to support the veterinary office even though hardly any budget was available and we thought that a discussion about larval lengths might lead to further unpaid work. On the other hand, our approach using scenarios sufficiently covered the questions that we were asked to answer. Since exact environmental information (the dog’s exact place of death, etc.) were unknown, we decided to work on the simplest and safest level so that a possible defense could not use a confusion strategy over numbers. Finally, in our lab, we are hesitant to work in an overprecise manner when larvae arrive in a hardened state. In higher profile cases, we would naturally determine the minimal developmental time from shrunken, hardened maggots, but this case had to be handled under minimalistic conditions, yet with simple and safe conclusions due to the circumstances described above.

5.4. The Dog Owner’s Statement

Strictly speaking, it is unknown whether the dog may have died elsewhere and was then transported to the uncle’s apartment.

5.5. Conclusions

Despite all limitations, our measurements show that the dog could not have been healthily alive on the evening of 23 July 2022. This entomological exclusion matches the observation that the dog’s brain was severely decomposed and largely missing.

The dog was colonized by cadaver flies on the morning of 21 July 2022 at the latest; if the dead or living animal had been in a colder environment than 30 ◦C outside temperature, then colonization could even have taken place much earlier.

In the trial, the court warned the dog owner and ordered her to pay 1200 Euro to a charitable organization. She was banned from keeping animals for one year. After that, the owner may legally own animals again.

Even though the larvae were in poor condition and not all data were available, the question of the animal welfare office could be answered in a useful, legal way. This allowed the office to go on trial.

We believe that this case might remind veterinarians and veterinary pathologists to preserve and document entomological traces in the best possible way. In more difficult cases, a better preservation of the maggots would have been necessary. Here, the relevant question could be answered sufficiently


Insects under the skin?

Ziploc and matchbox evidence in the expert forensic stain laboratory


Mind your decompositional assumptions

forensic sciences | 2022


Schussverletzung oder Käferfraß?

Rechtsmedizin | 2024

20 Jahre Die PARTEI: Bundes-Feier in Köln

Was für ein Fest! Die PARTEI wird zwanzig und die schönsten und coolsten Menschen geben sich die Ehre. Nicht nur aus Nord, Rhein, West und Falen, sondern auch aus aller Mütter Länder, darunter Luxembourg (der König des Landes) und Belgien (Martin Sonneborn aus dem Europa-Parlament und aus einer Torte steigend) 🎂 Ausserdem Anna Glockenhell und Tom Hintner, die sich noch an frühe Aktionen erinnern sowie natürlich die besten Bands, darunter Hgich.T 🎭 Die PARTEI Köln hatte fünfzehn Kilo Kartoffeln für einen pflanzlichen Kartoffel-Salat geschält, der bis zum letzten Krümel verzehrt wurde und zeigte, wer im Gebäude 9 und Europa regiert. Nämlich wir: Kartoffeln auf die eins!



Pommes-Wahlkampf

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Detmold | 2022


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BMXnet Body Modification Conference, Berlin 2024

18th bmxnet Body Modification Conference in Berlin (August 1-4, 2024)

Speakers (most likely):

Alessandro Ceccato, Alex Pereiro, Andre Berg, Andrea Venhaus, Ansger Fritze, Bethrah Szumski, Beto Rea, Brian Skellie, Bruno BMA Valsecchi, Cale Belford, Caro Ley, Chandler Barnes

Charlyne Chiappone, CoCo Katsura, Corey Torok, Cristiano Aielli, Ðana Ribarević, Daniel Hetz, Daniel Lemon, Danila Tarcinale, Dorsch, Dr Matt Lodder, Dr. Ines Schreiver, Dr. Mark Benecke, Eden Thomson, Enrico Podjaski, Eugenia Monti, Fiona Hughes, Flo, Francesco Capodicasa, Gábor Zagyvai, Haillim Herrera, Isabell Defiebre, J’son D’souza, Jana Reuter, Jane Absinth, Johannes Holfeld, Kenneth Crespo, Kevin Jump, Kim Hutchinson, Kim Partheymüller, Lemmi, Lola Slider, Loreia, Lumina Obscura, Luna Duran, Lynn Loheide, Manfred Kohrs, Marcus Meyer, Marcus Strohner, Martin Siedler, Marzena Warneke, Masahiro Kahata, Matt Kirk, Michael Kolar, Nahuel Burgos, Necro Black, Nicholas The Geezer, Nora, Pam von Falkenstein, Patrick McCarthy, Paul King, Paul Lüpke, Paulina Peszka Paoli, Rob Hill, Roberto Avilés, Rubén Triguero, Ryan Ouellette, Ryoichi Keroppy Maeda, Sana Sakura, Shawn Porter, shiva 108, Steve Haworth, Stuart Hofman, Svenja Herrmann, Taku Oshima, Tanja Podjaski, Torben Teichmann, Travelin’ Mick, Urban Slamal, Victoria Lickfeldt, Xhules as well as performances, e.g., by Louis Fleischauer

Star-Gast: Rolf Buchholz

Including two birthdays 🎂



BMXnet Konferenz

2021 | Berlin


BMXnet Konferenz

2022 | Essen


BMXnet Konferenz

2019 | Essen

Trains, Steam Engines & Eisenbahn-Fotos 🚂

Mark fährt viel mit dem Zug. Hier sind einige Fotos. 

Star-Gäste unter anderem: Deutsche Bahn (🚆) mit ICE und Bimmelbahn, Selfkant-Bahn, Severn Valley Railways & die Harzer Schmalspur-Bahn

Verwendung der Fotos nur nach schriftlicher Absprache mit Mark.

Use of photos only with written consent of MB.


Selfkant-Bahn

Steam train 🚂


Eisenbahn-Porträt

Der Eisenbahner | 2024


Selfkant-Bahn

2023

WGT-Tagebuch 2024

Quelle: Sonic Seducer, Juli, Seiten 85 – 95

→ Den Artikel gibt es hier als .pdf

31. Wave-Gothic-Treffen | 17. – 20. Mai 2024

Auf nach Leipzig hieß es an Pfingsten wie der traditionell, zum inzwischen 31. Wave-Gotik-Treffen. Und viele Gruftis aus aller Welt sind dem Ruf des größten deutschen Subkultur-Festivals gefolgt, manche zum ersten, manchen zum zigsten Mal. Und das mit durchaus unterschiedlichen Motiven. Während die einen möglichst vielen Konzerten der insgesamt 219 Bands und Musiker lauschen wollten, zog es die anderen zu Lesungen, zum Mittelalter-Flair ins Heidnische Dorf oder zum Viktorianischen Picknick. Wie jedes Jahr wurden dabei die Rufe laut, dass das WGT vielen nur noch als Instagram-Maskenball diene und die Szene zudem immer mehr zur Kommerzveranstaltung geriete. Fakt ist, das inoffizielle Rahmenprogramm, das man in Leipzig auch ohne Festivalbändchen erleben kann, war auch in diesem Jahr wieder üppig. Freier Eintritt in diversen Museen, das Steampunk-Picknick am Kleingärtnermuseum, der Dark Affair-Markt mitten in der Leipziger Innenstadt und natürlich das Gothic-Pogo-Festival am Werk II.

Im Mittelpunkt stand für die meisten der vom Veranstalter genannten Besucherzahl von 18.000 aber wohl wieder einmal die Musik, wobei es auch dies es Jahr wieder zahlreiche Highlights zu erleben gab. Neben dem Mitternachtsspecial der Editors erfreuten sich auch Prayers aus Mexiko, Dernière Volonté im besonderen Ambiente der Kuppelhalle, Diva Destruction, die Reaper-Reunion-Show, aber auch Newcomer wie SDH (Semoitics Department O f Heteronyms) oder die Schweden von Emmon regen Zuspruchs.

Viel zu hören und zu sehen also beim 31. WGT. Und wer ganz genau hinschaute, der konnte sogar den ein oder Straßenbahnfahrer der Leipziger Verkehrsbetriebe in entsprechender Gothic-Gewandung erhaschen.

Marc Urban

Aber nun übergeben wir das Wort an Dr. Mark Benecke und wünschen gute Unterhaltung mit seinem exklusiven WGT-Tagebuch 2024!


11. Mai 2024

22:05 Uhr: Letzter Tag vor der Abreise zum WGT. Davor noch eine Autismus-Konferenz. Ines ist erst jetzt eingefallen, dass sie ihre Haare noch grün färben muss.

12. Mai 2024

11:27 Uhr: Ines’ Haarfarbe sieht genauso aus wie vor dem Färben. Sie meint aber, der Grünton sei jetzt viel intensiver. Da ich den Unterschied nicht bemerke, bescheinigt sie mir Farbenblindheit. Ich kann offenbar grün nicht von grau unterscheiden.

Köln, Hauptbahnhof:

Wochenalter Geruch von Urin und Crack strömt uns entgegen. Im sauberen Sachsen, besonders in den kameraüberwachten Promenaden, dem Einkaufsparadies im Leipziger Hauptbahnhof, wird es garantiert anders aussehen und auch anders riechen.

13. Mai 2024

10:55 Uhr: Unser Festival-Banner-Motiv von Tikwa trifft ein. Seine großartigen Geschichten von Engeli und Teufeli erfreuen mich schon seit Ewigkeiten. Jetzt bin ich Teil dieses traumhaft gruftigen Universums. Tikwa hat sich sogar in Motten hineingefuchst und lässt diese aus meinem Herz steigen.

Berlin, Friedrichstraße: Nach einem Kongress zu verschollenen Büchern in der Staatsbibliothek, beschleicht uns beide das Gefühl, etwas Wichtiges für das WGT vergessen zu haben. Und tatsächlich: Ines vermisst ihr Patchouli-Parfum. Sie schlägt vor, in den hiesigen Darkstore zu gehen. Da Ines die Angewohnheit hat, sich die exotischsten Patchouli-Sorten zu kaufen (Ines: „Zuletzt habe ich mir Patchouli-Marzipan geholt.“), hoffen wir, dass der Laden auch solche besonderen Düfte anbietet.

14. Mai 2024

18:34 Uhr: Berlin Friedrichshain: Wir erreichen den Darkstore. Verkäuferin Kati begrüßt uns: „Ihr habt Glück, denn wir haben schon 80 Prozent unserer Ware weggeräumt“. „Wo räumt ihr diese hin?“, will ich wissen. „In Lkw, mit denen wir zum WGT fahren. Und ich hoffe, dass nichts mehr zurückkommt“ (lacht). Kati und Olaf, der für den „Kleinkram“ (vor allem Werkzeuge) verantwortlich ist, ist auch auf spezielle Wünsche eingerichtet ... zum Beispiel verschiedene Patchouli-Sorten. „Letztes Jahr hat uns ein Besucher nach Patchouli-Pflaume gefragt“, erzählt Olaf. „Wir konnten aber nur Patschuli-Erdbeer und Kirsche anbieten.“ Ines empfehlen die beiden übrigens Patchouli mit Kaffee.

16. Mai 2024

9:06 Uhr: Mein Vortrag auf der Autismus-Konferenz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung der Humboldt-Universität und der Goethe-Universität im Senatssaal der Humboldt-Universität steht unmittelbar bevor. Über Nacht hat sich Ines’ Nagelfarbe auf einmal verändert. Die Nägel sind jetzt schwarz. Doch Zweifel quälen sie: „Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich meine Nägel schwarz oder weiß lackieren soll.“

9:44 Uhr: Im Publikum der ersten Reihe sitzt Jörn, ein Gothic. Er trägt eine silberne Fledermaus, Mittelscheitel und ein Edgar-Allen-Poe-T-Shirt. Ich frage ihn, welche Farbe Ines für ihre Fingernägel nehmen soll. „Ich bin für schwarz, aber es ist ihre Entscheidung“. Jörn nimmt an der Konferenz Teil, weil er selbst Autist und Mitglied beim Verein „White Unicorn“ ist, der Autistinnen und Autisten befragt und in dessen Vorstand ich bin.

14:10 Uhr: Wir stehen vor dem ICE nach München, werden aber von unseren reservierten Sitzplätzen verscheucht mit den Worten: „Warum wollen eigentlich alle nach Leipzig? Gehen sie bitte raus.“ Auf Nachfrage, ob dieser Zug denn nach Leipzig fahre, sagt der Begleiter: „Ja, dies könnte der Zug nach Leipzig sein. Gehen sie aber bitte trotzdem raus.“ Wir sind verwirrt.

14:28 Uhr: Ein Zugteil fährt, der andere nicht. Gegenüber fährt ein weiterer Zug, aber nur bis Bitterfeld. In weiser Voraussicht (oder auch aus Panik) reserviere ich direkt weitere Zugverbindungen, die später am Abend fahren.

16:33 Uhr: Endlich in Leipzig. Eigentlich müssten wir in einen Karnevalsladen, um schwarzes Konfetti zu kaufen. Außerdem braucht Ines Helium für die Jubelfeier der Vampyr-Community. In diesem Moment entdecken wir eine Steampunk-Ausstellung. Die örtliche Bevölkerung bewundert diese. Besonderes Staunen ruft bei einem Mann in Camp-David-Übergangsjacke ein goldener Helm hervor. Preis des Steampunk-Helms: 4.500 Euro.

17:06 Uhr: Die Bändchenschlange harrt im strömenden Regen aus. „Morgen wird das Wetter schön, und dann werden wir picknicken“, glaubt Ceyda, die zusammen mit Silvio geduldig wartet. Fürs Picknick haben sie alles dabei: Käsehäppchen, Nüsschen, Sektchen. „Und vielleicht hole ich noch eine Leipziger Lerche.“

17:24 Uhr: In der Linie zwölf treffen wir Sage und Jules, die sich darüber freuen, auch auf der Hinfahrt so viele „buntschwarze“ Menschen getroffen zu haben. Für Sage ist es das erste WGT. „Ich bin sehr aufgeregt und gespannt, wie die Leute so drauf sind, und möchte mit Menschen zusammenkommen, die die gleiche Musik hören, und vielleicht neue Freundschaften schließen.“ Sie freut sich vor allem auf [x]-RX. Jules, der schon öfters in Leipzig war, hat ihr versprochen, dass sie nach diesen Tagen inspiriert nach Hause fahren wird.

17:33 Uhr: Schlimm, schlimm! Der europäische Fußballverband UEFA führt hier irgendeine Registrierung durch. Einige der internationalen Gäste schauen die hereinströmende Schar von Menschen in schwarzer Kleidung, mit bunten Rastazöpfen und in für sie offenbar wie Spitzenwäsche scheinender Oberbekleidung oberflächlich gleichgültig, aber doch mit zahlreichen erkennbaren Seitenblicken an. Sollen wir ihnen sagen, dass wir keine Fußballfunktionäre oder gar aktive Sportler sind?

19:48 Uhr: Wie sich herausstellt, müssen wir in zwölf Minuten an der Agra sein, sind aber erst im Bahnhof. Es wird schwierig.

20:05 Uhr:Wir sind noch nicht weit gekommen, allerdings haben wir Ines verloren. Wo ist Ines? Dafür steht jetzt neben mir eine jahrhundertealte Vampirin, die wie aus einem Manga entsprungen scheint. „Ich muss mir noch einen alten Namen geben“, meint sie. „Agnes! Ich heiße Agnes.“

20:39 Uhr: DJ Elvis und DJ Olli, die auf der Eröffnungsfeier des WGT auflegen werden, sind eingetroffen. Festival-Chef Sven hofft, dass die beiden ob ihres fortgeschrittenen Alters bis zur Eröffnungsfeier durchhalten werden. Nach der Eröffnungsparty, die ich mit dem Zünden einer Konfettibombe mit unzähligen weißen Schmetterlingen zu einem zauberhaften Erlebnis machte (so rede ich es mir wenigstens ein), treffen wir an der Haltestelle zur letzten Straßenbahn Pandora und Melanie. Pandora hat wie Ines einen spitz zulaufenden Pony. Da stellt sich die Frage: Pony dreieckig geschnitten? Oder doch lieber gerade? „Dreieckig, weil das einfach fancier ist“, meint Pandora. Auf dem Nachhauseweg kommen wir am WGT-Teich vorbei. Eine der wiederkehrenden, brennenden Fragen von Ines: Welche Farbe hat der Teich? „Er sieht ein bisschen grün aus. Wegen der Algen“, vermutet sie. Vielleicht sind es auch andere Sachen.

17. Mai 2024

11:28 Uhr: In der Straßenbahn kommen wir mit Nina ins Gespräch. „Ich freue mich riesig darauf, wenn Leipzig wieder schwarz – oder besser gesagt buntschwarz – wird.“ Sie selbst ist zwar kein Gothic, aber sie liebt das Treiben zu Pfingsten. „Endlich wieder mal was los“, so ihr Fazit.

12:33 Uhr: Das Wasser im Brunnen scheint wirklich grün zu sein. Es liegt wohl doch nicht an den Algen, denn laut eines Schildes der Stadt Leipzig, das Wasser chemisch behandelt worden sei. Apropos Farbe: Ich habe mir einen schwarzen Nagellack gekauft, aber vergessen, ihn mitzunehmen. So kann ich natürlich nicht auftreten. Aber Rettung naht: In der Agra-Halle baut der Darkstore just seinen Verkaufsstand auf. Olaf rechnet dort damit, dass Netzstrumpfhosen wieder der Verkaufsschlager sein werden. „Netzstrumpfhosen sind aber auch ein bisschen wie die Teelichter eines schwedischen Einrichtungshauses“, fügt Kati hinzu. „Selbst wenn man nichts kaufen wollte, geht man mindestens mit ein paar Netzstrumpfhosen wieder raus“. Ines hat sich mit Patchouli eingedeckt.

“Dieses Mal ganz langweilig mit Vanille“, meint sie. Anyway: Ines hat ihr Patchouli, ich habe meinen Nagellack. Jetzt steht dem Auftritt nichts mehr im Wege.

12:48 Uhr: Da der Aufbau in der Agra-Halle noch andauert, habe ich jetzt die Möglichkeit – Ihr ahnt es bereits – mir die Nägel zu lackieren. Nur unsere Buchhändlerin Kathrin ist schon komplett vorbereitet und so etwas wie die Insel der Vernunft im WGT-Chaos.

16:07 Uhr: Die Bar versorgt die Besucher während aller Vorträge. Als Besonderheit empfiehlt Barfrau Jana „Purple Fire“, einen alkoholfreien Cocktail in Lila. „Da ist Curacao drin, sowie Grenadinesirup, Maracuja-, Orangen-, Ananas- und Zitronensaft.“ Klingt gesund. Ines indes überlegt mit Blick auf die Ananas, die auf der Theke steht, wie wohl die Mehrzahl von Ananas heißt.

16:31 Uhr: Backstage in der Agra ist neben DJ Elvis auch Fischi. Sie trägt einen gerade geschnittenen Pony. Was mich zu meiner Hauptfrage des diesjährigen WGT bringt: Pony spitz zulaufend wie bei Ines, oder gerade geschnitten? „Eindeutig gerade“, sagt sie. Ihr Argument: „Er ist einfach leichter zu stylen.“ Elvis will sich auch einen Pony schneiden. Das zeigt, wie wichtig dieses Thema ist.

16:37 Uhr: Im Agra-Backstage herrscht ameisenartige Betriebsamkeit. Techniker Nico bewacht ein selbst gemachtes Plakat. „Das ist unsere Botschaft an die etwas nervigeren Künstler, angelehnt an Monty Pythons großartigen Film ,Die Ritter der Kokosnuss’. In der Szene, wo eine Burg von den Franzosen besetzt worden ist, kam der Satz vor: ,Now go away or I shall taunt you a second time!’“ Ob er denn überhaupt schon nervige Künstler erlebt habe, wollte ich wissen. „Des Öfteren“, so seine Reaktion.

17:15 Uhr: Der Mitteldeutsche Rundfunk taucht auf und wird eine Live-Schalte vor der Agra machen. Ich habe bei meinem Vortrag das Publikum aufgefordert, sich zu beteiligen, da solche Live-Übertragungen nicht geschnitten werden können. Ob das eine gute Idee war?

18:43 Uhr: Neben dem Stand von „Hands“, die uns mit feinstem Noise beschallen, ist Maskenbildnerin Natascha Zenig mit ihrer Kunst vertreten. Heute verkauft sie Horrorkreaturen auf Tassen und Taschen. „Normalerweise entwerfe ich Zombies, die ich in einer passenden Location von einem Fotografen ablichten lasse und stelle diese Bilder dann aus“, erklärt sie. „Da ich aber keine Bilder mitnehmen konnte, habe ich mir gedacht, dass ich meine Werke mal auf Tassen drucken lasse, um auszutesten, wie die Gäste das annehmen werden.“ Die Liebe zu Gruselwesen ist für die gebürtige Kärntnerin schon immer vorhanden. „Schön kann jeder, schiach [österr. für „hässlich“] muss man können.“

18:55 Uhr: Selten habe ich Ines so stark auf einen Gegenstand fixiert gesehen. Es handelt sich um eine Geruchskarte mit gefühlt 100 Patchouli-Düften. Sie murmelt leise: „Patchouli-Erdbeer … abgefahren!“ Nun hält sie mir ihre Hand unter meine Nase: „Patchouli-Pflaume.“ Der Duft, nach dem so viele Besucherinnen und Besucher fragen.

19:25 Uhr: Am Stand von „Schnittmuskel“ steht die Chefin Denise inmitten von Kleidern, die man problemlos auch in der Metropolitan Opera tragen könnte – allerdings sind sie „destroyed“. „Wir haben asymmetrische, ausgefranste Säume an die Kleider genäht, sowie Karabinerhaken oder übereinandergelegte Stoffe. Das ist hier quasi die Mode der feinen Gesellschaft nach der Apokalypse.“

19:54 Uhr: Chris und Lucy von Ravenchild sind auch auf dem Marktplatz der Agra-Halle. Sie haben die Ausstellung „Steampunk trifft alte Meister“, die wir bei der Ankunft am Leipziger Bahnhof bewundern konnten, gestaltet. „Wir haben 200 Steampunks aus ganz Deutschland und 20 Fotografen organisiert“, erklärt Chris. „Diese sollten sich dann so positionieren wie die Figuren aus den Originalgemälden.“ Sogar ein Mädchen aus der Ukraine nahm daran teil. Sie wurde als „verwundeter Engel“ – das Bild stammt aus dem Jahre 1903 und ist vom finnischen Maler Hugo Simberg – dargestellt, um auch ein politisches Statement zu setzen. Lucy stand für mehrere Aufnahmen als Model vor der Kamera. „Es hat mir total viel Spaß gemacht, weil die Menschen, mit denen ich arbeiten durfte, sehr nett waren.“

20:17 Uhr: Peter Spilles von Project Pitchfork läuft auch durch die Hallen. Er ist einer der wenigen Künstlerinnen und Künstler, die sich trauen, sich unters Volk zu mischen. „Kann ich jedem meiner Zunft nur empfehlen“, meint er. „Man wird auch nicht die ganze Zeit angesprochen, weil Gothics dann doch eher schüchtern sind.“ Er selbst wird aber nachher auch wieder Backstage verschwinden, um, wie er sagt, „den anderen Bands die Getränke wegzutrinken und weiterzufeiern“.

22:04 Uhr: Gerade hatte Peter Heppner ein ruhiges, sehr feinsinniges Konzert auf der Hauptbühne in der Agra gegeben. Auch Ines ist überwältigt: „Eine zehn von zehn. Eigentlich müsste er elf Punkte bekommen.“

22:10 Uhr: Peter Heppner ist bei mir und schildert seine Eindrücke vom Auftritt: „Die Agra-Halle ist schwer zu bespielen, weil es darin unheimlich hallt. Aber es war ein schönes Konzert.“ So schön sogar, dass das Publikum am Ende der Zugabe dem Musiker auch noch „Danke“ zugerufen hat. Das habe ich in dieser Art noch nie bei einem Konzert erlebt.

18. Mai 2024

10:54 Uhr: Feueralarm im Hotel. Die Menschen strömen in den Vorhof. Es regnet, niemand hat einen Regenschirm dabei.

11:02 Uhr: Der Alarm ist aus, die Feuerwehr leute stehen etwas ratlos da. Der Gratis-Kaffee ist fürdie Hotelgäste freigegeben. Tag drei auf dem WGT kann nun endlich beginnen.

11:40 Uhr: Am Bahnsteig ist Sara mit einer Pride-Flag unterwegs. Ob das nicht zu bunt wird für die Grufties. „Hä?“, lautet ihre berechtigte Gegenfrage. Ich habe auch ein buntes Accessoire, nämlich mein verrücktes buntes Einhorn auf meiner Tasche. „Das ist schon cool“, befindet Sara. „Aber ein Dino wäre noch cooler gewesen.“ Sie ist zusammen mit ihrer Freundin Lilly bereits das – geschätzt – vierte Mal unterwegs. Lilly mag die Menschen, die auf dem Festival rumlaufen. „Auch wegen der Einhorn-Taschen.“

12:07 Uhr: Hanspeter und Ilse aus Honnef stehen mit mir an der Agra. Hanspeter betreibt akribische Festivalvorbereitung, wie Ilse erklärt. „Er hört sich jede Band, die auf dem WGT auftritt, an, hat drei Bildschirme am Start, liest sich die Biografien auf Wikipedia durch, schaut sich auf YouTube die neuesten Songs an, vergibt Sternchen, macht Excel-Tabellen ...“ Dennoch waren sie vom gestrigen Auftritt von Theatre Of Hate und Christian Death im Täubchenthal nur mäßig begeistert. „Da kam leider keine Stimmung rüber“, kritisiert Hanspeter. Für heute hat er aber keine Bedenken: „Agonoize werden uns nicht enttäuschen.“

16:10 Uhr: In wenigen Sekunden tritt der Tod auf. „Es ist ja wie ein Nachhausekommen. Home sweet home“, erklärt er mir. „Die Grufties sind ja wie Groupies. Die laufen mir ja ständig hinterher. Das kenne ich sonst ja nicht.“

16:57 Uhr: Der Tod singt Weihnachtslieder mit dem Publikum. „Tödliche Weihnacht überall, singen alle Gänse saftig prall. Weihnachtsbaum abgebrannt, bei Glatteis mutig losgerannt. Tödliche Weihnacht überall, singen alle Tannen vor dem Fall ...“

18:08 Uhr: Was für ein Konzert: In Strict Confidence in der Agra. Da muss man selbst dabei gewesen sein. Man kann sich gar nicht entscheiden, wer hübscher ist: Die Frontfrauen oder Sänger Dennis? Oder alle zusammen? Hinter der Bühne erzählt mir Chris von Agonoize von einem denkwürdigen Auftritt im Jahr 2007. „Wir waren gerade beim dritten Song, als ich feststellte, dass irgendwie die ganze Zeit Flüssigkeit von mir runterlief. Es stellte sich heraus, dass ich mir die Nase gebrochen hatte. Ich weiß bis heute nicht, wie das passiert ist. Obwohl ich nüchtern war.“ „Dem Publikum fiel es nicht auf, weil bei Agonoize-Konzerten sowieso immer viel Kunstblut läuft“, fügt Ines hinzu. Heute haben die Veranstalter gebeten, keine rote Flüssigkeit zu verteilen. Macht aber nichts: „In Berlin werden wir nächsten Monat 20 Jahre Agonoize feiern. Da wird dann wieder jede Menge Blut fließen.“

18:22 Uhr: Im Agonoize-Crew-Raum. Jede Menge Menschen hier (wollen vermutlich alle Blut spenden). Ich lerne Beatrice kennen, die eine Gemeinsamkeit mit mir hat: das gleiche Tattoo am Handgelenk. Es ist die Unterschrift von Chris.

18:52 Uhr: Dennis Ostermann von In Strict Confidence hängt nach dem Konzert in den Seilen. Ich treffe ihn liegend vor. „Die Klimaanlage war kaputt und die Heizung an“, scherzt er. Nach einem sensationellen Konzert ist er selbst so ausgebrannt, dass er gerade keine Adjektive für dieses Gig finden kann.

18:56 Uhr: Elvis und Mark besprechen die nächste Moderation. Es stellt sich nämlich heraus, dass eins der Konzerte auf eineinhalb Stunden angesetzt war, die Band aber nur ein Set von ungefähr einer Stunde hatte. „Macht nichts, wir werden einfach dazwischen moderieren und die Leute ein bisschen befragen“, löst Elvis das Problem.

18:57 Uhr: Das schönste Kompliment, das ich bekommen konnte, stammt heute von Daniel Myer, bekannt für seine sehr gute Musik in verschiedenen Projekten wie Covenant und Haujobb, aber auch für seine Brillen. Er ist vollsten Lobes über mein Sehgestell. „Sie ist futuristisch, mattschwarz. Das Beste, was es gibt.“ Der Musiker verrät, dass er aus den USA nach Leipzig gekommen ist und seitdem nicht mehr geschlafen hat, deswegen ist der Backstage sein Lieblingsort. „Ich bin auch schon mal auf einem Sofa neben einer Bühne eingeschlafen.“ Blöd nur, dass er auftreten sollte. Seinen eigenen Auftritt zu verpennen – das soll ihm erst mal einer nachmachen.

19:35 Uhr: Wir sind am veganen Essensstand, als uns Jenny und Björn vom Auftritt der Band Irdorath im Heidnischen Dorf erzählt. „Die Gruppe stammt aus Weißrussland und wurde 2021, nachdem sie auf einer Friedensdemo auftrat, zu zwei Jahren Haft verurteilt. Das ist ihr erstes Konzert auf einem Festival nach ihrer Entlassung gewesen. Es war sehr emotional. Die Band steht in engem Kontakt mit Corvus Corax und in Deutschland bleiben. Wir unterstützen sie bei ihrer Crowdfunding-Kampagne, damit sie das Asylverfahren bezahlen können.“ Der absolute Burner kommt aber jetzt: Björn hat die PC-Fantasy-Spiele „Gothic“ und „Gothic 2“ entwickelt, und Irdorath war der Name einer Insel aus dem zweiten Teil. „Bei einer Roleplay Convention um 2014 rum habe ich dann die Band kennengelernt, die im Regen für fünf Leute ein Konzert gaben“, erinnert er sich. „Die haben mich gefragt, ob ich damit ein Problem hätte. Im Gegenteil: Ich fühlte mich geehrt. Es ist für mich wie ein Ritterschlag, wenn Menschen sich von dem Kram, den wir uns erdacht haben, inspirieren lassen.“ Meine Herzens-Geschichte des WGT 2024!

23:35 Uhr: Linie 11E. Neben mir steht der halb entkleidete Don Camillo. Er war beim Leichenwagentreffen, fährt aber jetzt Straßenbahn. Warum? „Weil ich getrunken hab“, gibt er zu. „Und weil ich noch auf die Obsession-Bizarr-Feier will. Mit dem Leichenwagen dort hinzufahren, könnte vielleicht einen falschen Eindruck erwecken.“ Ansonsten liebt Don Camillo die Bequemlichkeit seines Wagens. „Vor allem das Bett, das ich hinten eingebaut habe, ist sehr gemütlich.“

19. Mai 2024:

9:46 Uhr: Ich erwache. Neben mir liegt anstatt Ines eine Zusammenstellung mir unbekannter Gegenstände. So, wie sich Vampire in tausend Fledermäuse verwandeln können, hat sich Ines anscheinend in Schminkstift, Kajal und andere undefinierbare Gegenstände verwandelt. Ich bin gespannt, ob ich sie aus diesen Teilen wieder zusammensetzen kann. Drückt mir die Daumen.

10:38 Uhr: Der Mitschnitt des MDR trudelt ein. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich die Moderatorin schwer geschockt habe, als sie mich ahnungslos fragte, wovon meine Vorträge denn handeln, und ich von verfaulten Leichen, die aus der Erde gegraben werden, berichtete. Sie sagte nur noch: „Wir sehen uns dann.“ Was meinte sie wohl damit?

12:09 Uhr: Neben mir steht Fledi. Fledi trägt einen gerade geschnittenen Pony. Ihr salomonisches Urteil zu meiner Haupt-Frage des Festivals: „Man muss einfach alles mal ausprobieren. Und es hängt auch davon ab, wie gut man einen Pony stylen kann, weil es morgens nie wie ein Pony aussieht, sondern wie ein Iro.“

12:39 Uhr: Meine diesjährigen Vorträge, die täglich in der Agra-Halle stattfinden, handeln von der Mafia und den fünf Großfamilien. Giulia hat Verbesserungen zu meiner italienischen Aussprache: „Es heißt Cannoli und nicht Cannolo.“ Die sizilianische Sü.speise wird also auch im "Chessa"Singular so ausgesprochen. Aber Giulia beruhigt mich: „Wenn du in Süditalien ,Cannolo’ bestellen würdest, passiert nichts. Die denken dann bloß: Ein Tourist.“

12:51 Uhr: Die freundliche und mittlerweile auch in der milden, unbesoffenen, friedlichen, herumflatternden Welt der Gothics angekommene Security leistet einen doppelten Dienst. Erstens sorgen sie dafür, dass nichts passiert, zweitens – und das finde ich noch viel wichtiger – sind sie das erste freundliche Gesicht, das neue WGT-Besucherinnen und Besucher als erstes zu sehen bekommen.

14:54 Uhr: Ich lerne Katrin kennen, die zu Hause „Benecke raten“ spielt. „Immer, wenn wir dich im Fernsehen sehen, versuchen wir anhand deiner Tattoos und deiner Brille herauszufinden, von wann der Mitschnitt war.“

15:10 Uhr: GRASSI Museum. Eva und Thomas, die wie ein Weinköniginnenpaar gewandet sind, halten eine Flasche Sekt aus Karl-Marx-Stadt aka Chemnitz in der Hand. „Chemnitz ist 2025 Kulturhauptstadt“, sagt Eva stolz. Der Perlwein stammt allerdings aus Trier. Hat sich hier ein Westprodukt eingeschlichen? „Karl Marx ist in Trier geboren“, erklärt sie. Somit schließt sich der Kreis.

15:17 Uhr: Dani, Petra und Olga tragen Pony. Natürlich auch hier meine Festival-Frage: Wie soll der Pony frisiert und geschnitten sein? „Tiefer langer Pony, sodass die Haare die Augenbrauen gerade noch freilassen“, meint Dani: Sie findet Augenbrauen schön. Petra dagegen will die Haare über die Brauen tragen, damit sie diese nicht schminken muss. Olga würde es wie Dani machen, den Pony aber noch kürzer schneiden.

15:19 Uhr: Ich spotte Thomas Rainer von L’Âme Immortelle und Oswald Henke von Goethes Erben, die Gastgeber der ihre Weinverköstigung vor dem GRASSI Museum. „Das ist jetzt das achte Mal, dass wir das machen“, erklärt Oswald. „Die Idee war, zu den Ursprüngen des Festivals zurückzukehren und eine nichtkommerzielle Veranstaltung zu machen. In ungezwungener Atmosphäre bringt jeder seinen Lieblingswein mit und stellt ihn vor. Daraus entstehen anregende Gespräche und man lernt tolle Weine kennen – und natürlich tolle Menschen.“ Das kann ich nur bestätigen: Die Stimmung ist wirklich außergewöhnlich.

19:04 Uhr: Backstage im Heidnischen Dorf. Hier ist Teufel von In Extremo in aufgeregter Stimmung. Sein persönliches Highlight: „Ein Wein vom Chaos-Treffen 1999, den ich geschenkt bekommen habe. Es ist der Hammer.“ Ob ihm beim Betrachten der Flasche irgendwelche Gedanken durch den Kopf gingen? „Nur, dass wir diesen Wein schon damals getrunken haben. An alles andere kann ich mich nicht mehr erinnern.“ (lacht)

20:44 Uhr: Das Orgelkonzert in der Paulskirche ist tatsächlich ein Orgelkonzert, aber anders, als gedacht. Spätestens dann, als das Publikum, angestachelt durch Orgelspieler Nico Wieditz, gemeinsam „Skandal um Rosie“ rief, und bei einer Coverversion von Miley Cyrus’ „Wrecking Ball“ und einem mir nicht näher bekannten Volkslied Kreistänze vollführte. Bereits im letzten Jahr, als Stimmgewalt hier zu Gast waren, hat sich die Paulskirche zu einem der seltsamsten Orte des WGT im positiven Sinne entwickelt. Doch dass „God Is A DJ“ von Faithless zusammen mit einem klassischen Kirchenlied durch die Hallen donnern würde, hätte wohl bis heute niemand geahnt. „Ich bin total überw.ltigt“, sagt Ines. Sie war aber die Einzige, die nicht getanzt hat. Immerhin ging mein Video der reichlich beschwingten Gothics durch die Decke.

21:34 Uhr: Backstage in der Moritzbastei. Zu unserem Erstaunen treffen wir eine der besten Bands überhaupt: Welle: Erdball. Heute sagen M.A. Peel, Honey und ich aber nur an. Morgen spielen sie ersatzweise für Vive La Fête. Probleme bereitete die innerhalb nur einer Stunde zu besorgende Abendgarderobe. „Es gelang uns aber, bei H&M, Zara oder Calzedonia irgendetwas zu finden, das gut aussieht“, beschwert sich die Band.

20. Mai 2024

11:38 Uhr: Ines ist heute als Vampir-Waldwesen mit neu erworbenem Schmuck und einem Efeu-Haarband von Schnittmuskel unterwegs. Am Hauptbahnhof fährt weder die WGT-Straßenbahn (Linie 1), noch sind irgendwelche Grufties unterwegs. Was ist denn jetzt schon wieder los?

11:51 Uhr: Chilliger letzter Tag. Es sind doch noch einige Gothics da. Desy aus der Schweiz genießt ihn und geht noch zur Agra-Halle, um Freunde zu treffen. Ihr Geheimnis gegen einen Kater: Kirsch-Met-Slushie. „Das hält einen fit.“ In der Schweiz gibt es übrigens das Aare-Wasser. „Da hat jede Bar ihr eigenes. Es ist blau und süß, aber man merkt den Alkohol nicht so sehr, deswegen: Aufpassen!“

20:40 Uhr: Backstage in der Agra. Wie wir schon wissen, musste für den spontanen Gig von Welle: Erdball noch vieles neu angeschafft werden. „Ich bin jetzt eine Stewardess in Puderrosa“, meint Lady Lila. Darunter verbirgt sich aber noch ein Glitzerkostüm. „Ich finde, dass wir diese Klamotten ruhig noch einmal nehmen können“, glaubt M.A. Peel. Yonca verwaltet die Setlist, die sie soeben mit Filzstift aufgeschrieben hat. Yonca stand auch schon mal als Ersatz für Lady Lila in Glauchau auf der Bühne, als Welle: Erdball Support für VNV Nation waren. „Nach der Show kam Ronan noch zu mir und hat mir gesagt, dass ich das ganz toll gemacht hätte.“

22:41 Uhr: Neben mir steht Reina. Wir machen ein Selfie. „Vor zwölf Jahren waren wir schon mal gemeinsam auf einem Foto, als ich beim Forensic Biology Day bei dir zu Hause war. Aber die Leute, die das Bild gemacht haben, schickten es nicht weiter.“

00:16 Uhr: Kirlian Camera liefern ein wirklich denkwürdiges Konzert ab. Mastermind Angelo Bergamini hat eine dermaßen fette Abmischung seiner Songs hingelegt, dass Elena Fossi nur noch zaubern musste. Das Publikum hat so lange getobt, dass Herr Bergamini sich genötigt sah, nach vorne an die Bühne zu kommen und mit den Worten „Zeit ist kaputt“ mitzuteilen, dass es keine Zugabe geben könne. Das Publikum hat aber diesen Satz nicht verstanden und weitergetobt, sodass es am Ende doch noch eine Zugabe gab.

01:03 Uhr: Wir verlassen das Agra-Gelände. Die Traktoren kommen und transportieren die Bänke und Gitter ab. Über uns grüßen zum Abschied zauberhafte Wolken und flüstern uns zu: „Kommt nächstes Jahr wieder!“ Das war das WGT 2024. Wir sehen uns wieder.

Dr. Mark Benecke

Transkribiert & überarbeitet von: Daniel Dreßler

Fotos: Mark Benecke, Ines Azrael, Rene Danners,

Alexander Mühlhausen, Laura Fatteicher

www.wave-gotik-treffen.de

www.benecke.com


Sowas können nur Gothics

Orkus! | 2024


WGT 2024

Leipzig


WGT-Tagebuch

2022

Lenins Leiche: Mit Kriminalbiologe Mark Benecke im Moskauer Mausoleum

Podcast “Die Geschichtsmacher”

Foto: National Geographic TV

Mitten auf dem Roten Platz in Moskau steht das Lenin-Mausoleum. An diesem Ort liegt seit 1924 der Leichnam des Kommunisten-Führers. Dabei hatte Lenin verfügt, dass er keinerlei Totenkult wünsche. Warum er doch dort landete und wie er bis heute frisch gehalten wird, das erklärt in diesem Podcast über die Geschichte von Lenins Leiche Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe. 

Lenin's embalmer Ilya Borisovich Zbarsky (Илья Борисович Збарский), Moscow, Photo by Mark Benecke

Auf einer Reise nach Moskau hatte Mark Benecke die Chance, den Körper Lenins näher unter die Lupe zu nehmen und mit Lenins Leichen-Präparator Ilya Zbaski zu sprechen.

Wie dies im Fall Lenins mehr oder minder gut gelungen ist. Warum immer wieder in der Geschichte der Menschheit versucht wurde, Tote vor dem Vergehen zu retten. Wie das am besten gelingt und was all das mit der Russischen Mafia zu tun hat, das erfahrt ihr in diesem Geschichts-Podcast über Lenins Leiche.

(Auf dem Foto ist eine Mumie im Institut für Rechtsmedizin in București zu sehen.)


Lenins Leiche

Die Zeit | 1999


Wissenschaft & Crime

Podcast “Not too old”


War Hitler eine Frau?

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Sowas können nur Gothics

Quelle: Orkus! Juni 2024, Seiten 34 – 36

Dr. Mark Benecke über das WaveGotik-Treffen 2024

Von Claudia Zinn-Zinnenburg

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Ein Wave-Gotik-Treffen ohne Dr. Mark Benecke? Das geht natürlich nicht! Also haben wir ihn zum Interview gebeten. Immerhin war dieses 31. WGT laut eigenen Angaben ungefähr sein zwanzigstes. „Gut, dass ich bei der Eröffnung in der Agra mit Oli und Elvis schon eine Wolke weißer Papierschmetterlinge in die nebelgeschwängerte Luft entlassen habe, das erkläre ich jetzt einfach mal als Jubiläums-Party-Gimmick“, grinst er.

Orkus: Wie hast du die Anfahrt erlebt? Hat es euch die deutsche Bahn schwer gemacht?

Mark Benecke: Es war wie immer völliges Chaos, Zugteile fehlten, das Personal wusste auch nix und dergleichen. Da ich keine Gehstöcke mehr auf längere Reisen mitnehme – der letzte Stock mit Silbergriff flutschte auf die Gleise in Leipzig, das war gar nicht gut –, ging es aber immerhin ohne Verluste ab. Wir kamen von der Autismus-Konferenz in der Humboldt-Universität Berlin, die ich nicht nur moderiert habe, sondern wo ich auch „den“ großen Vortrag nach fünf Jahren Arbeit mit unserem Autismus-Verband White Unicorn, zwei Universitäten und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung liefern durfte. Mein Gehirn war also sowieso Matsch. Am lustigsten war, dass uns bei der Ankunft in Leipzig eine Zugführerin aus dem Flixtrain begrüßte. Mit dem waren wir aber gar nicht gefahren. Es fing also sofort schön und wild an.

Wo führt es dich als erstes hin, wenn du in Leipzig angekommen bist?

Beim WGT immer zur Ausstellungsfläche der „Promenaden“, also der riesigen Verkaufsflächen des Bahnhofes. Dort war diesmal eine Steampunk-Ausstellung zum WGT aufgebaut, mit tollen Bildern und Ausstellungsstücken. Die Chefin der Ausstellung trafen wir dann später sogar auf dem WGT in der Agra.

Was hatte es mit diesem Feueralarm im Hotel auf sich?

Unser Schicksal in dichter besiedelten Hostels mit engeren Räumen. Jüngere Menschen vergessen offenbar, beim Duschen auch mal zu lüften (Wasserdampf!) oder – wie diesmal – Brötchen nicht in der Mikrowelle verkohlen zu lassen (schwarzer Qualm). Es war echt lustig, einen Riesen-Haufen Gothics vermischt mit Fußball-EuropameisterschaftsVerwaltungs-Menschen, alle ohne Kaffee und alle ohne Styling im Regen im Hof zusammen zu sehen. Die Stimmung war entspannt und gut. Anders als die Feuerwehrleute in der Agra wollten die Feuerwehr-Spezialist:innen für Hotelbrände aber nicht mit uns aufs Foto. Hm, vielleicht sahen wir in Unterhosen und mit KajalResten vom Vortag doch zu gruselig aus?

Was waren deine besonderen Highlights? – Musikalisch gesehen?

Welle:Erdball & Kirlian Camera, deren Unterschriften ich auftätowiert habe, nacheinander auf der großen Agra-Bühne, was willste mehr? Und Massiv in Mensch, mit denen ich den Song „Magicicada“ gemacht habe – diese Tiere schlüpften 2024 auch wieder in einer superspannenden Wellenbewegung – in der Moritzbastei mit Honey & M.A. Peel anzusagen, war auch der Brenner. Honey hatte den Fans noch Dave Gahan als vierten Moderator angekündigt, aber der kam nicht mehr rechtzeitig. Buuuh, Dave Gahan! Und In Strict Confidence waren auf der Hauptbühne! Und Chris von Agonoize ist mitten im Set verschwunden, wir vermuten, ins Catering, er sang aber live weiter. Und Heppner und Tanzwut und Polka tanzende Schwarzgekleidete zu Orgelklängen in der Peterskirche und ... oh mein Goth. Fettes Lob für die Wahnsinns-Breite der Bands und Acts und Angebote. Von wegen immer dasselbe – es gibt jede Menge Überraschungen beim WGT.

Kannst du uns mehr über die magischen Zikaden erzählen?

2024 schlüpfen diejenigen Tiere, die 13 Jahre als Larven in der Erde waren, zusammen mit denen, die 17 Jahre in der Erde waren. Und zum ersten Mal seit dem Jahr 1803 treffen sich die Zikaden-Linien XIX und XIII. Hach, toll.

Was waren deine menschlichen, szene-technischen Highlights?

Sehr angenehm. Die Irrungen und Wirrungen der letzten Jahre mit einigen durch die Seuche angeschlagenen Künstlerinnen und Künstlern waren passé, es fluppte schön und fein. Es zeigt sich, dass auf dem WGT alle mit allen sprechen und sich in die Augen sehen können. Find ich angenehm und es passiert sonst nicht so oft. Außerdem knie ich vor Tikwa nieder, der für mich Engeli und Teufeli (Gruftschlampe-Comics) wieder hat auferstehen lassen. Danke, Tikwa <3

Welche Begegnungen sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

Ich war zuvor noch nie beim Umtrunk vor dem Grassi-Museum mit Meister Oswald (Henke), dessen Patch ich seit einiger Zeit immer auf meiner Oberbekleidung trage – auf dem WGT wie auch sonst überall – und Thomas (Rainer). Das war eine tolle, ausgelassene, aber gar nicht betrunkene Stimmung. Sowas können nur Gothics: Zivilisiert miteinander (!) trinken, dabei saugut aussehen und immer etwas Interessantes zu berichten haben. Hut ab.

Und ich fand’s toll, dass unsere jüngste Studierende zur Eröffnung mit an unser DJ-Pult kam und sich mal alles angesehen hat. Eines Tages kann sie vielleicht von den alten Herren Oli, Elvis und Markito übernehmen.

Was war dieses Jahr besonders lustig?

Dass die meisten der von mir befragten Frauen so klare Meinungen zur Form und Länge von Ponys (der Haar-Frisur) haben: Lang, kurz, dreieckig, über oder unter den Augenbrauen und sooo vieles mehr. Und dass überall in der Stadt Plakate einer Partei hingen, die eine Lebenszeit von über achthundert Jahren verspricht. Unter diesen Plakaten habe ich einige Vampir-Fans fotografiert. Vampire werden ja bekanntlich tausende von Jahren alt und sind daher interessante Zeugen für die Ziele der AlterungsVerhinderungs-Partei.

Wie sah es dieses Jahr mit deinen eigenen Vorträgen aus? Wie hast du sie erlebt und was fasziniert unsere Szene an „100 Jahre Gangster in New York“ besonders?

Möp, wie immer habe ich jeden Tag einen Vortrag gehalten. Das war super, weil an einem der Tage auf einmal der Tod auftauchte, der nach mir dran war. Da seine schwarze Kutte natürlich leer und hohl ist und er trotzdem sprechen und singen kann, bin ich in seine Garderobe (ahem, drei Haken an der Wand in einer Lagerhalle) geschlichen und habe geschaut, ob ich Hinweise auf seine Geistergestalt finde. Da hing aber nur eine winzige Sense. Wir werden also vielleicht nie erfahren, wie der Tod ohne Umhang aussieht. Das Publikum bei meinen Vorträgen war superangenehm, zumal ich einen ganz anderen Vortrag gehalten habe, ohne Fäulnis und viel Blut, und trotzdem mehr interessierte Rückmeldungen als sonst kamen. Voll schön.

Im Laufe der Jahre hast du ja auch die verschiedensten „Trends“ miterlebt, wie das plötzliche Auftauchen und Verschwinden der Cyber zum Beispiel. Was war dein Eindruck dieses Jahr?

Ich habe nur noch eine Cyberin gesehen, ansonsten mischt sich vieles. Die Moderatorin des MDR, für die ich live von der Flaniermeile der Agra gesendet habe, fragte mich überraschend, was ich trage, und Ines und ich haben es hinterher ermittelt: „Romantic-Goth-Mantel, Punk-Schuhe, Steampunk-Kappe, Oldschool-Fingernägel und Destroyed-Stulpen sowie eine Polyester-Unterhose“.

Ich hatte mir kurz vorher in Bad Harzburg auch noch Emoji-Socken als Scherz fürs Fernsehen gekauft, aber die waren dann von meiner Zwanzigerjahre-Arbeiterhose verdeckt. Alles geht modisch drunter und drüber, aber nicht nur bei mir.

Ines hat sich dieses Jahr ja wieder in die verschiedensten tollen Outfits geschmissen. Welches hat vielleicht auch dich besonders überrascht?

Dazu nur ein Beispiel: „Mark! Arghgghghg! Einer meiner superlangen, spitzen Fingernägel, die ich stundenlang mit echten und Gel-Teilen und geheimen UV-Apparaten und eintausend Pinselchen und Zeugs hergerichtet habe, ist jetzt in der blöden Klo-Spülung abgebrochen! Macht aber nix. Es war die Sollbruchstelle.“ Ich hätte so viele Fragen dazu! (lacht)

Apropos Kulinarik … bei der Weinverkostung warst du ja wie schon erwähnt auch zugegen. Was ist dir hier in Erinnerung geblieben?

Dass die Polizei sich ferngehalten hat. Ines hat mich mal während einer Live-Radio-Sendung (radioeins der ARD) mit dem Logo des Senders dort tätowiert und wir hatten sehr schnell die verdeckten Kollegen, allerdings wahnsinnig schlecht getarnt, an der Backe. Gruftis mit Dämonen-Hörnern oder in Manga-Optik hingegen scheinen im Vergleich zu Ines und mir allein unverdächtig zu wirken. Sehr gut! Auch die Schrift-Zeile auf den Plattenbauten seitlich des weinkundlichen Treffens fand ich schön.

Hast du eigentlich eine Lieblings-Location in Leipzig?

Viele. Die Pusteblumen-Brunnen aus Metall vor der Blechbüchse am Goerdelerring finde ich beispielsweise toll. Erstens kühlen sie mich bei glühender Hitze, zweitens sehe ich die geisterhaften Reihen der Demonstrierenden seit der politischen Wende, erst mit Kerzen in der Hand, Jahrzehnte später dann mit Plakaten gegen fiese Menschen, dort vor meinem geistigen Auge entlang wandern. Und es gibt da einen der witzigen Erdbeer-Läden, die zur Erdbeerzeit aufgebaut werden und wie eine Erdbeere gestaltet sind. Ziemlich unwirklich.

Was hat das 31. WGT für dich ausgemacht?

Ich finde ja, es war das 33. WGT, weil ich während Corona mit Ines und ein paar anderen ja einfach trotzdem vor Ort war und gefeiert habe. Die Versammelten und deren Welten waren auf dem Treffen 2024 jedenfalls für einige Tage erkennbar im Ausgleich, „in Ordnung“, in Frieden, offen, schön, herzlich und angenehm, angenommen und annehmend, hinreichend heil und glücklich, vielfältig und in allen Farben der Finsternis anwesend. Wer weiß, wie oft wir das noch erleben. Wenn alles absäuft und abfackelt werde ich gerne an dieses WGT zurückdenken.

Was wünschst du dir für das nächste Treffen 2025?

Bitte remixed auch im kommenden Jahr alles durcheinander, Klamotten wie Musik. Freut euch an und mit unserer schwarzen Familie und vor allem: Kommt einfach vorbei. Das WGT ist das einzige Festival der Welt, wo für jeden, egal welchen Alters und welchen Budgets oder welcher schwarzen Interessen, einhundert Pro alles Mögliche dabei ist.


WGT 2024

Leipzig


Songs of Love and Sorrow

2024


We want it darker

A Tribute To Leonard Cohen


WGT-Tagebuch

2024

Gutachten: Überführen Maden

Quelle: Bild am Sonntag, 22. Februar 1998, Seite 6

Von RENA PANKOW

Diplombiologe Dr Mark Benecke forscht in New York am staatlichen Institut für Rechtsmedizin (Office of Chief Medical Examiner, Forensic Biology Dept.), zuvor arbeitete er an der Universität Köln. Sein Forschungsgebiet, auf dem er weltweit zu den zwanzig führenden Experten zählt: Forensische Entomologie – rechtsmedizinische Insektenkunde.

Im seit Anfang Februar laufenden Indizienprozeß gegen Pastor Klaus Geyer (57) kommt dem von der Staatsanwaltschaft beauftragten und vorn Gericht geladenen Wissenschaftler eine entscheidende Rolle zu: Sein Gutachten, das nach BamS-Informationen unmittelbar vor den Schlußplädoyers verlesen wird, soll belegen, daß Veronika Geyer-Iwand (53) am Freitag, dem 25. Juli 1997, erschlagen wurde – und zwar in einem Zeitraum, für den der Angeklagte kein Alibi besitzt.

Bislang kann Oberstaatsanwalt Ulrich Hennecke über den genauen Todeszeitpunkt der Pastorenfrau nur spekulieren: Dem zuständigen Göttinger Gerichtsmediziner gelang es lediglich, den Tattag (Freitag) zu bestimmen. Ohne die Festlegung der Todesstunde fehlt jedoch im Prozeß gegen den Angeklagten Klaus Geyer das wichtigste Indiz. Dafür soll jetzt Mark Benecke sorgen – durch Untersuchungen von Maden, die auf der Leiche von Veronika Geyer-Iwand sichergestellt und, in Formalin konserviert, an Beneckes New Yorker Labor geschickt wurden.

Der Diplombiologe erklärt in BamS, wie diese äußerst selten angewandte Methode funktioniert: „Leichen, die im Freien liegen, ziehen bereits nach kurzer Zeit unterschiedliche Arten von Fliegen und Insekten an, die ihre Eier ablegen Aus diesen Eiern schlüpfen Maden, die sich von der Leiche ernähren.


Karl Denke – Der Kannibale von Münsterberg 🦴

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Die Polizei verwendet ihre Zeit nur, wenn es sinnvoll ist

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