Insektenplage? Wir haben ein ganz anderes Problem

Quelle: t-online, 12. Juni 2023

Von Laura Helbig

Wenn es warm wird, sind Mücken und andere Insekten nicht weit. Warum wir uns darüber aber eigentlich freuen sollten, erklären Experten t-online.

(Kriminal-)Biologe Mark Benecke: Er hat eine große Leidenschaft für Insekten. (Quelle: Tomas Rodriguez)

Der Sommer ist für viele die schönste Jahreszeit. Hohe Temperaturen und Sonnenschein sorgen für gute Laune – wären da nicht kleine Plagegeister wie Mücken, Wespen und andere Insekten, an denen sich viele Menschen stören.

Aktuell scheinen davon sehr viele unterwegs zu sein. Aber ist das wirklich so – oder ist das Problem in Deutschland eher, dass es zu wenige Insekten gibt? t-online hat dazu mit zwei Experten gesprochen: dem bekannten Biologen Dr. Mark Benecke und Magnus Wessel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Es gibt aktuell zwar mehr Insekten – insgesamt sieht der Trend aber anders aus

Wessel zufolge gibt es derzeit tatsächlich viele Insekten – das liegt aber vor allem an der Jahreszeit: "Die Insekten haben durch die Wärme der letzten Tage alle noch einen gewichtigen Schub bekommen." Insekten seien, im Gegensatz etwa zu Säugetieren, für die Verbreitung auf die richtige Außentemperatur angewiesen. Die erste "Welle" an Insekten kommt daher jedes Jahr gegen Ende Mai und Anfang Juni.

Hinzu komme, dass Insekten derzeit noch reichlich Futter zur Verfügung haben. Besonders im eigenen Garten oder in der freien Natur sieht man dadurch vermehrt Insekten. Das bedeutet aber nicht, dass es mehr Insekten gibt als noch vor einigen Jahren. Denn laut Wessel deuten die Prognosen eher darauf hin, dass es weniger Insekten gibt.

So sieht es auch Mark Benecke: "Alle Messungen der letzten Jahre haben deutlich gezeigt, dass sowohl in Naturschutzgebieten, als auch in Wäldern und überall sonst die Zahl der Insekten – Arten ebenso wie Menge – stark abgenommen hat."

Klimawandel und Landwirtschaft sind großes Problem für Insekten

Die Gründe dafür sind vielfältig, der Klimawandel spielt allerdings eine große Rolle. Auch wenn es wetterbedingt von Jahr zu Jahr Fluktuationen in der Population gibt, sind viele Insektenarten von Trockenheit und hohen Temperaturen bedroht. Andere, wie etwa die Libelle, haben sich erholt. Wieder andere Arten profitieren gar vom veränderten Klima. So haben sich in Teilen Deutschlands neue Arten angesiedelt – etwa die Gottesanbeterin oder die Nosferatu-Spinne.

Doch auch, wenn die invasiven Arten immer wieder als Grund für das Verdrängen von heimischen Populationen angeführt werden, sieht die Realität laut den beiden Experten anders aus. "Verdrängung ist das kleinste Problem, falls sie überhaupt in der in Deutschland komplett zerstörten Natur stattfindet", so Benecke.

Stattdessen sei abgesehen von der Klimakrise auch die Landnutzung ein Problem. Neben den großen Mengen an Pestiziden, die noch immer eingesetzt werden, mangele es an Vielfältigkeit und Lebensraum, wie Wessel und Benecke anmerken. Es gibt wenige naturbelassene Wiesen und Grünflächen in Städten.

Aber: "Das Insektensterben hat schon dazu geführt, dass sich die Städte mehr Gedanken darum machen", so Wessel. Das größere Problem bleibe die industrielle Landwirtschaft, "die für die wilden Insekten kaum noch Platz lässt." Auch Mark Benecke hält die Landwirtschaft für ein Problem.

Insekten vertreiben – oder doch lieber helfen?

Statt die Insekten also aus unseren Gärten und von unseren Balkons zu vertreiben, könnte man den bedrohten Krabblern auch helfen. Etwa indem man in seinem Garten oder auf dem Balkon möglichst viele an Nektar und Pollen reiche Pflanzen anpflanzt. Zudem helfe es, eher zu Obst und Gemüse aus Bio-Anbau zu greifen, da dort "drastisch weniger Spritzmittel eingesetzt werden", erklärt Wessel.

Und wer sich doch an Mücken oder Wespen stört, greift am besten zu natürlichen Mitteln. Die Experten raten dazu, Düfte zu benutzen – beispielsweise verbranntes Kaffeepulver, Zitrusduft oder auch Patschuli. Auch Insektenschutzmittel für den Körper gibt es auf natürlicher Basis.

Oder, so Wessel: "Manchmal hilft tatsächlich auch einfach die Freude an der Beobachtung." Denn wer weiß, wie lange das noch möglich sein wird.


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