Quelle: BZ, 13. Februar 2010
Mark Benecke spricht über Beziehungs-Todsünden und jenes Grauen, das der Liebe innewohnen kann.
Die Liebe ist eine Macht. Doch es gibt auch eine dunkle Seite der Liebe, geprägt von Furcht, Boshaftigkeit, Wut, Hass und Vernichtung. Wie gefährlich ist die Liebe? Mark Benecke (39) ist Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe. Ein Mann der Wissenschaft, der sich auf seinen Unterarm ein Herz mit der Aufschrift „Glaube, Liebe, Hoffnung“ tätowieren ließ und erklärt, wie das Böse in der Liebe tickt.
Warum schenkt uns Liebe die schönsten Momente – und die furchtbarsten?
Mark Benecke: Liebe und Hass sind Extreme ein und desselben Gefühls. Biologisch ist Liebe ein Zwangszustand, frisch Verliebte sehen alles durch die rosarote Brille. Auf der anderen Seite schließt sich der Kreis, wenn sich Hass entlädt.
Selbst der Liebe wohnt das Grauen inne, potenziell?
Man weiß nie, wohin die Reise geht. Allerdings kann man es gut vorhersagen, mit der Eheformel und der Kenntnis: Je mehr Gemeinsamkeiten man hat, umso länger hält die Beziehung.
Wovon hängt das ab?
Je mehr gemeinsame Interessen, desto besser für die Liebe. Konfliktlösungen sind charakterabhängig, der Charakter lässt sich nicht ändern. Aber egal wie psycho die Leute sind: Stimmen die Interessen überein, desto entspannter und langlebiger die Beziehung.
Welche Interessen?
Was man gerne isst, hört, Kultur, Religion, Stil, Rauchen, Politik – alles, was klassische Partneragenturen auch abfragen.
Und wenn einer in die Berge will, der andere ans Meer?
Schlecht.
Wie wär’s damit: Einer verzichtet dem anderen zuliebe.
Auf Dauer muss das auch mein Interesse sein, sonst ist die Beziehungszerstörung angelegt.
Woran merkt man, dass man sich selbst verliert?
Wenn Außenstehende einem sagen: So kannte ich dich früher nie, du hast dich so verändert.
Sie sprachen von einer Eheformel. Gibt es die wirklich?
Entwickelt von einem Mathematiker und einem Psychologen, lässt sich damit die Ehedauer mit 94-prozentiger Wahrscheinlichkeit voraussagen. Man beobachtet das Paar beim Streit. Für Humor, Zuwendung und In-den-Andern-Eindenken gibt es Plus-, für Spott, Gejammer und Verachtung Minuspunkte. Gemessen wird auch, wie Charme oder Argumente des einen Partners auf den anderen wirken.
Eheliche Todsünden?
Motzen, murren, maulen. 69 Prozent aller Paare werfen sich gegenseitig Probleme vor, die von vornherein nicht zu lösen sind. Stabilisierend ist dagegen, Probleme zu erkennen und zu reparieren. Es darf auch laut zugehen – solange das Getöse sich nicht um den unabänderlichen Charakter des Partners, sondern um eine Konflikt-Lösung dreht.
Warum verfolgen Menschen andere mit ungewollter Liebe?
Eigentlich arme Würstchen. Die nicht raffen, dass der andere reagieren muss. Stalker sind gefährlich: Sie drehen durch, wenn sie merken, dass sie wirklich abgelehnt werden.
Was raten Sie?
Stalkern niemals Aufmerksamkeit geben. Der größte Fehler ist, mit ihnen zu reden – nicht eine Silbe! Ich kenne einen, der sprach drei Stunden lang mit der Stalkerin seiner Ehefrau und nahm ihr alle Illusionen. Sie blieb ganz ruhig. Kaum drehte er ihr den Rücken zu, schlug sie ihm einen Hammer auf den Kopf und stach ihn fast tot. Mich selbst verfolgt eine Frau mit Briefen und SMS, ich habe Zehntausende von Seiten.
Was will sie?
Was alle Menschen wollen: Geliebt und umsorgt werden.
Wenn Liebe zuschlägt – warum bleiben Menschen oft jahrelang bei einem Partner, der sie immer wieder verletzt?
Sie denken, sie sind glücklich. Sind sie aber nicht. Sie reden sich die Kloppe als emotionale Zuwendung ein: Dass er sich so aufregt beweist, dass er mich liebt! Erst die Haue, dann Versöhnungssex. Madlove. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich – das kann funktionieren, wenn es sonst viele gemeinsame Interessen und einen eher ruppigen Ton gibt. Eigentlich müsste man aber die abhängige Person da rausholen.
Im schlimmsten Fall wird aus Liebe Hass bis zum Mord.
Das ist tierisches Niveau.
Auch Tiere morden?
Natürlich! Es trifft Rivalen, die eigenen Nachkommen. Bei Affen gibt es sogar gezielten Mord. Die Grundlage der Todsünden in der Bibel ist nichts Höheres, so funktionieren alle Lebewesen. Evolutionäres Grundprogramm: Übermut, Habgier, Wollust, Völlerei, Neid, Trägheit, Rachsucht. Das menschliche Gefühl rasender Eifersucht ist exakt dasselbe wie bei Tieren.