Mit Maden dem Täter auf der Spur

Quelle: Das Goldene Blatt, Nr. 20, 12. Mai 1999, Seiten 62 – 63

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Die seltsamen Methoden des Dr. Benecke. Wir sprachen mit dem bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Von Ch. Helling

Foto am 1st Precinct des NYPD: Martin Schoeller

Es waren nicht gerade appetitliche Bilder, die Mark Benecke auf die Dia-Leinwand im Schwurgerichtssaal des Braunschweiger Landgerichts projeziert hatte: Maden auf einer Frauenleiche. Vorsorglich hatte der Kriminalbiologe sein Publikum gewarnt: Wer zart besaitet sei, solle besser rausgehen. Und so mancher wird hinterher auch gedacht haben: Wäre ich dem Rat bloß gefolgt …

Benecke ist Zoologe, Doktor der Rechtsmedizin und der zur Zeit bekannteste Kriminalbiologe der Welt. Er hat sich auf einen Außenseiterzweig der Kriminalistik spezialisiert. So seltsam

es auch klingt: Für ihn sind bei der Aufklärung von Tötungsdelikten nicht Schmauchspuren oder Blutspritzer interessant, sondern Maden, Fliegen und Käfer.

Um sie ging es auch in Beneckes Gutachten - und auf den schon erwähnten Bildern - im Mordprozeß gegen Pastor Klaus Geyer, Beneckes bisher spektakulärstem Fall in Deutschland. Das Gericht erwartete von Benecke den Nachweis über den genauen Todeszeitpunkt von Geyers Ehefrau Veronica.

An dem fraglichen Freitag, an dem nach Ansicht der Staatsanwaltschaft das Verbrechen geschehen war, hatte der Angeklagte für drei Stunden kein Alibi. Geyer wurde verurteilt - auch auf Grund der von Benecke zusammengetragenen Beweise.

Der erst 28jährige Experte für mysteriöse Todesfälle ist in Bayern aufgewachsen und hat in Köln studiert. Heute lebt er in New York, träumt aber von den Philippinen. Wo er sich zuhause fühlt? „Überall und nirgends."

Doch wer ihn genau anschaut, sieht das Lächeln, wenn er Köln sagt. Grund ist nicht die Stadt oder eine Freundin, nein: „Dort ist mir durchs Studium die Insektenwelt am vertrautesten." Ein Leben für die Wissenschaft? Benecke: „Wofür denn sonst?" Seine Arbeit beschreibt er ganz nüchtern - das Wort eklig kennt er nur im Zusammenhang mit Leberwurstbroten, die er verabscheut, nicht aber mit Leichen und Maden. „Man muß sich mit Insekten nur genau auskennen, dann verraten einem Größe, Kauwerkzeuge, Mageninhalt und viele weitere Details, wann beispielsweise die Maden aus den Fliegeneiern geschlüpft sind".

Viele solcher Mosaiksteine helfen Benecke, den Todeszeitpunkt zu berechnen. „Fliegen merken, wenn jemand tot ist. Sie lassen sich sofort auf Augen oder Wunden nieder und haben schon nach wenigen Minuten ihre Eier dort abgelegt." Die Fliege im Zimmer als verhängnisvoller Fehler in einem perfekten Mord?

Benecke kommt ins Schwärmen: „Genau! Wenn sonst keinerlei Spuren zu finden sind, die den Täter verraten, werden Maden als Zeugen herangezogen."

Doch so richtig aus der Schule plaudern will der Kriminalbiologe nicht: „Kein Wort über laufende Ermittlungen!" Ganz so wie Quincy oder auch Inspektor Columbo, an dessen absonderliche Methoden Beneckes Arbeit ein ganz klein wenig erinnert.


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