Ich war zuvor noch nie beim Umtrunk vor dem Grassi-Museum mit Meister Oswald (Henke), dessen Patch ich seit einiger Zeit immer auf meiner Oberbekleidung trage – auf dem WGT wie auch sonst überall – und Thomas (Rainer). Das war eine tolle, ausgelassene, aber gar nicht betrunkene Stimmung. Sowas können nur Gothics: Zivilisiert miteinander (!) trinken, dabei saugut aussehen und immer etwas Interessantes zu berichten haben. Hut ab.
Und ich fand’s toll, dass unsere jüngste Studierende zur Eröffnung mit an unser DJ-Pult kam und sich mal alles angesehen hat. Eines Tages kann sie vielleicht von den alten Herren Oli, Elvis und Markito übernehmen.
Was war dieses Jahr besonders lustig?
Dass die meisten der von mir befragten Frauen so klare Meinungen zur Form und Länge von Ponys (der Haar-Frisur) haben: Lang, kurz, dreieckig, über oder unter den Augenbrauen und sooo vieles mehr. Und dass überall in der Stadt Plakate einer Partei hingen, die eine Lebenszeit von über achthundert Jahren verspricht. Unter diesen Plakaten habe ich einige Vampir-Fans fotografiert. Vampire werden ja bekanntlich tausende von Jahren alt und sind daher interessante Zeugen für die Ziele der AlterungsVerhinderungs-Partei.
Wie sah es dieses Jahr mit deinen eigenen Vorträgen aus? Wie hast du sie erlebt und was fasziniert unsere Szene an „100 Jahre Gangster in New York“ besonders?
Möp, wie immer habe ich jeden Tag einen Vortrag gehalten. Das war super, weil an einem der Tage auf einmal der Tod auftauchte, der nach mir dran war. Da seine schwarze Kutte natürlich leer und hohl ist und er trotzdem sprechen und singen kann, bin ich in seine Garderobe (ahem, drei Haken an der Wand in einer Lagerhalle) geschlichen und habe geschaut, ob ich Hinweise auf seine Geistergestalt finde. Da hing aber nur eine winzige Sense. Wir werden also vielleicht nie erfahren, wie der Tod ohne Umhang aussieht. Das Publikum bei meinen Vorträgen war superangenehm, zumal ich einen ganz anderen Vortrag gehalten habe, ohne Fäulnis und viel Blut, und trotzdem mehr interessierte Rückmeldungen als sonst kamen. Voll schön.
Im Laufe der Jahre hast du ja auch die verschiedensten „Trends“ miterlebt, wie das plötzliche Auftauchen und Verschwinden der Cyber zum Beispiel. Was war dein Eindruck dieses Jahr?
Ich habe nur noch eine Cyberin gesehen, ansonsten mischt sich vieles. Die Moderatorin des MDR, für die ich live von der Flaniermeile der Agra gesendet habe, fragte mich überraschend, was ich trage, und Ines und ich haben es hinterher ermittelt: „Romantic-Goth-Mantel, Punk-Schuhe, Steampunk-Kappe, Oldschool-Fingernägel und Destroyed-Stulpen sowie eine Polyester-Unterhose“.
Ich hatte mir kurz vorher in Bad Harzburg auch noch Emoji-Socken als Scherz fürs Fernsehen gekauft, aber die waren dann von meiner Zwanzigerjahre-Arbeiterhose verdeckt. Alles geht modisch drunter und drüber, aber nicht nur bei mir.
Ines hat sich dieses Jahr ja wieder in die verschiedensten tollen Outfits geschmissen. Welches hat vielleicht auch dich besonders überrascht?
Dazu nur ein Beispiel: „Mark! Arghgghghg! Einer meiner superlangen, spitzen Fingernägel, die ich stundenlang mit echten und Gel-Teilen und geheimen UV-Apparaten und eintausend Pinselchen und Zeugs hergerichtet habe, ist jetzt in der blöden Klo-Spülung abgebrochen! Macht aber nix. Es war die Sollbruchstelle.“ Ich hätte so viele Fragen dazu! (lacht)
Apropos Kulinarik … bei der Weinverkostung warst du ja wie schon erwähnt auch zugegen. Was ist dir hier in Erinnerung geblieben?
Dass die Polizei sich ferngehalten hat. Ines hat mich mal während einer Live-Radio-Sendung (radioeins der ARD) mit dem Logo des Senders dort tätowiert und wir hatten sehr schnell die verdeckten Kollegen, allerdings wahnsinnig schlecht getarnt, an der Backe. Gruftis mit Dämonen-Hörnern oder in Manga-Optik hingegen scheinen im Vergleich zu Ines und mir allein unverdächtig zu wirken. Sehr gut! Auch die Schrift-Zeile auf den Plattenbauten seitlich des weinkundlichen Treffens fand ich schön.
Hast du eigentlich eine Lieblings-Location in Leipzig?
Viele. Die Pusteblumen-Brunnen aus Metall vor der Blechbüchse am Goerdelerring finde ich beispielsweise toll. Erstens kühlen sie mich bei glühender Hitze, zweitens sehe ich die geisterhaften Reihen der Demonstrierenden seit der politischen Wende, erst mit Kerzen in der Hand, Jahrzehnte später dann mit Plakaten gegen fiese Menschen, dort vor meinem geistigen Auge entlang wandern. Und es gibt da einen der witzigen Erdbeer-Läden, die zur Erdbeerzeit aufgebaut werden und wie eine Erdbeere gestaltet sind. Ziemlich unwirklich.
Was hat das 31. WGT für dich ausgemacht?
Ich finde ja, es war das 33. WGT, weil ich während Corona mit Ines und ein paar anderen ja einfach trotzdem vor Ort war und gefeiert habe. Die Versammelten und deren Welten waren auf dem Treffen 2024 jedenfalls für einige Tage erkennbar im Ausgleich, „in Ordnung“, in Frieden, offen, schön, herzlich und angenehm, angenommen und annehmend, hinreichend heil und glücklich, vielfältig und in allen Farben der Finsternis anwesend. Wer weiß, wie oft wir das noch erleben. Wenn alles absäuft und abfackelt werde ich gerne an dieses WGT zurückdenken.
Was wünschst du dir für das nächste Treffen 2025?
Bitte remixed auch im kommenden Jahr alles durcheinander, Klamotten wie Musik. Freut euch an und mit unserer schwarzen Familie und vor allem: Kommt einfach vorbei. Das WGT ist das einzige Festival der Welt, wo für jeden, egal welchen Alters und welchen Budgets oder welcher schwarzen Interessen, einhundert Pro alles Mögliche dabei ist.