Kriminalbiologie & Klimawandel

Quelle: Acher- und Bühler Bote / Badische Neueste Nachrichten (BNN)

Von Wilfried Lienhard

Wie kommen Sie von der Kriminalbiologie zum Klimawandel?

Mark Benecke: Die Umweltveränderungen sind an Tieren und Pflanzen schon lange zu erkennen. Viele sterben, andere wandern schneller als je zuvor in die letzten noch für sie besiedelbaren Gebiete. Das betrifft mich in meiner Arbeit seit dem Jahr 2003. Damals haben wir erstmals an Leichen im Studierendenkurs super viele Wespen gesehen. Besonders die blauen "Brummer"-Fliegen, deren Larven wir zur Bestimmung der Leichen-Liegezeit gerne verwenden, hat die Hitze geschafft. Sie kennen es aber sicher auch von den seit etwa fünf Jahren auf einmal eingewanderten Nosferatu-Spinnen, blauen Holzbienen und Gottesanbeterinnen.

Ich liebe vor allem Leben. Doch nicht nur die Insekten sind weg, sondern auch Regenwürmer, Frösche und Singvögel. Es wird einsam und das ist zum Heulen.

Ich fand die Klima-Veränderungen übrigens schon immer interessant. In meinem ersten Buch von 1998 handelt bereits ein ganzes Kapitel vom Klimawandel. Es hat auch andere interessiert: Das Buch ist bis heute in Neu-Auflagen erhältlich.

Ihren Vortrag betiteln Sie „Klima: Endspiel“. Wer ist der Gegner in diesem Finale?

Der Titel stammt vom Veranstalter. Meine Serie heißt 'Time is up' mit den immer neuesten Messungen zur Umwelt. Gegnerschaft ist es nicht, sondern eine 'Ist mir doch egal'-Haltung. Das klarste Beispiel dafür sind Menschen, die Tier-Produkte verwenden. Jede und jeder weiß, wie fürchterlich die Tiere behandelt werden und welche Umwelt-Schäden dadurch auftreten. Aber die meisten juckt es nicht. Sie verzehren weiter Schinken und Kuhmilch. 

Wenn überhaupt, dann ist der Gegner des Menschen der Mensch selbst. Denn es geht ja auch uns Menschen an den Kragen.

Bei welcher Temperatur stehen wir Ihrer Meinung nach am Ende dieses Jahrhunderts?

Das hängt davon ab, wieviel Erdöl wir verbrennen, wie viele Wälder wir vernichten und ob wir vielleicht mal insgesamt weniger verbrauchen, auch Kleidung und Elektronik. 

Das angebliche 1,5-Grad-Ziel gibt es jedenfalls schon seit Jahren nicht mehr, weil es hinter uns liegt. Wir haben die Marke gerissen, und auch die Zweigrad-Marke reißen wir ganz sicher bald.

Was bedeutet das dann für das Leben auf der Erde?

Die sechste, jetzt ja schon deutlich messbare Massen-Auslöschung von Arten. Für Menschen: Schwindende Lebensqualität, um es mal sehr vorsichtig zu sagen.

Sie sind promovierter Kriminalbiologe, Spezialist für forensische Entomologie, Ausbilder an deutschen Polizeischulen, Gastdozent in den USA, Autor populärwissenschaftlicher BücherWissenschaftler durch und durch also. Spüren Sie auch die Folgen der zunehmenden Wissenschaftsfeindlichkeit?

Ich spüre eher, dass Menschen mit Lügen immer besser leben können.  

Wie problematisch ist das gerade beim Thema Klimawandel?

Das ständige Lügen und der Selbstbetrug? Es führt dazu, dass schon die kleinsten Schritte — Begrünung von Mauern und Wänden, Entsiegelung von Städten, Umstellung auf pflanzliche Ernährung und öffentlichen Verkehr — nicht stattfinden. Stattdessen zeigen viele auf ihre Nachbarn, China, die USA, "die" Politik oder irgendwen, der angeblich gerade viele schlimmer ist. 

Das ist eine Mischung aus Faulheit und Wirklichkeitsverleugnung. Kein Mensch muss Naturwissenschaften spannend finden. Aber eine Messung wie auf einer Küchenwaage, die jemand ohne schwierige Worte erklärt und die von ganz verschiedenen Messenden bestätigt ist: Die setze ich doch auch beim Backen und Kochen ohne Herumgerede ein und um. 

So ist es auch mit dem Arten-Verlust und der Erd-Erwärmung. Was dagegen hilft, versteht jedes Kind. Einfach mitmachen statt rumeiern und schwatzen.

Was müsste geschehen, um die Folgen des Klimawandels abzumildern? 

Fluten, Brände und Ernte-Ausfälle lassen sich nicht abmildern. Was hilft, ist vorzubeugen, so dass sie möglichst selten auftreten. Ist übrigens wie in der Kriminalistik: Derzeit soll ein Programm mit Intensiv-Täterinnen und -Täter eingeschmolzen werden. Natürlich kosten die Taten hinterher viel mehr als die Vorbeugung. Aber irgendwer glaubt offenbar, dass sich begangene Morde und Raubüberfälle hinterher abmildern lassen. Dazu müsste man dann aber wohl in der Zeit zurück reisen.

Letzte Frage: Wie viele Stimmen erhoffen Sie sich bei der OB-Wahl in Köln?  

Letztes Mal, das war im Jahr 2015, wurde ich dritter. Da ich diesmal auch meine Paten-Tante aus Bayern sowie eine Freundin aus dem Erzgebirge hinter mir weiß, sollte es für Platz eins reichen. 

Ehrlich gesagt gibt es außer mir auch keine Kandidatinnen oder Kandidaten mit einem vernünftigen Programm. Ich hingegen fordere bürgernah den Rückbau der Kölner Oper: Sie wird seit 2012 "saniert" und frisst alles Geld auf, was die Stadt woanders braucht. Außerdem Straßenreinigung mit Kölnisch Wasser und freie Sicht auf den Kölner Dom weltweit. 

Seit meiner Aufstellung haben wir auch schon allerhand interessante Angebote erhalten. Bei mir gilt: Ich will, was ihr wollt. Das wird also schön.


Quelle: Bühler Bote, 8. November 2024, Ausgabe Nr. 259, Seite 25

„Dr. Made“ macht klare Klima-Ansage

Der Kriminalbiologe Mark Benecke kommt für einen Vortrag über den Klimawandel nach Bühl

Von Wilfried Lienhard

Bühl. Beginnen wir mit einem steilen Vergleich: Wo Mark Benecke ist, ist der Tod nicht weit. Der Kriminalbiologe hat mit seiner Expertise manche Ermittlung aus der Sackgasse geholt. In Büchern wie „Mordmethoden“, „Mordspuren“ oder „Aus der Dunkelkammer des Bösen“ erzählt der laut Verlag „bekannteste Kriminalbiologe der Welt“ von spektakulären Kriminalfällen, in denen schon mal Maden und Larven eine wichtige Rolle spielen.

Seit Jahren treibt ihn aber ein weiteres Thema gewaltig um. Doch auch da ist der Tod nicht weit. Es ist der Klimawandel. In Vorträgen fasst der Wissenschaftler den Forschungsstand zusammen und benennt die Folgen, die eintreten können, wenn sich nichts ändert. Jetzt kommt er nach Bühl: Im Bürgerhaus Neuer Markt beginnt am Freitag, 15. November, um 18 Uhr der vom Gemeinwohl-Forum Baden veranstaltete Vortrag „Klima: Endspiel“.

Endspiel: Das klingt dramatisch. Der Titel stamme vom Veranstalter. Er selbst nennt seine Vortragsreihe „time is up“. Die Zeit ist abgelaufen. Der Endspielgegner des Menschen sei der Mensch selbst: „Denn es geht ja auch uns Menschen and den Kragen“. Da ist sie wieder, die Nähe zum Tod.

Die Umweltveränderungen seien an Tieren und Pflanzen schon lange zu erkennen: „Viele sterben, andere wandern schneller als je zuvor in die letzten noch für sie besiedelbaren Gebiete.“

Dabei liebe er vor allem das Leben: „Doch nicht nur die Insekten sind weg, sondern auch Regenwürmer, Frösche und Singvögel. Es wird einsam, und das ist zum Heulen.“

Wie es auf der Erde am Ende dieses Jahrhunderts aussehe, hänge davon ab, „wie viel Erdöl wir verbrennen, wie viele Wälder wir vernichten und ob wir vielleicht mal insgesamt weniger verbrauchen, auch Kleidung und Elektronik.“

Das angebliche 1,5-Grad-Ziel sei schon seit Jahren gerissen, „und auch die Zwei-Grad-Marke reißen wir ganz sicher bald“. Die Folgen: „Die sechste jetzt ja schon deutlich messbare Massenauslöschung von Arten. Für Menschen: schwindende Lebensqualität, um es mal sehr vorsichtig zu sagen.“

Fluten, Brände und Ernteausfälle ließen sich nicht abmildern. Vorbeugen könne helfen, dass solche Katastrophen möglichst selten auftreten. „Das ist übrigens wie in der Kriminalistik: Derzeit soll ein Programm it Intensiv-Täterinnen und -Tätern eingeschmolzen werden. Natürlich kosten die Taten hinterher viel mehr als die Vorbeugung. Aber irgendwer glaubt offenbar, dass sich begangene Morde und Raubüberfälle hinterher abmildern lassen. Dazu müsste man dann aber wohl in der Zeit zurückreisen.“

Seit 2003 ist Benecke mit dem Thema konfrontiert (ein Kapitel widmete er dem Klimawandel 1998 schon in seinem ersten Buch): „Damals haben wir erstmals Leichen im Studierendenkurs super viel Wespen gesehen. Besonders die blauen Brummer-Fliegen, deren Larven wir zur Bestimmung der leichen-Liegezeit gerne verwenden, hat die Hitze geschafft.“ Benecke ist seither auf vielen Kanälen unterwegs. Der promovierte Kriminalbiologe ist Spezialst für forensische Entomologie, Ausbilder an deutschen Polizeischulen, Gastdozent in den USA, Autor populärwissenschaftlicher Bücher und auch aus Funk und Fernsehen bekannt. „Nebenbei“ ist er seit 2011 Vorsitzender des Vereins „Pro Tattoo“, hat 2015 für „Die Partei“für das Amt des Kölner Oberbürgermeisters kandidiert und tut es jetzt wieder.

Bei so viel Wissenschaft: Bemerkt Benecke eine zunehmende Wissenschaftsfeindlichkeit, das Bestreben, gesicherte Erkenntnisse infrage zu stellen? „Ich spüre eher, dass menschen mit Lügen immer besser leben können.“ Deshalb würden schon die kleinsten Schritte wie Begrünung von Mauern und Wänden, Entsiegelung von Städten, Umstellung auf pflanzliche Ernährung und öffentlichen Verkehr nicht gegangen: „Stattdessen zeigen viele auf ihre Nachbarn, China, die USA, „die“ Politik oder irgendwen, der angeblich gerade viel schlimmer ist.“

Für Benecke ist das eine Mischung aus Faulheit und Wirklichkeitsverleugnung: „Kein Mensch muss  Naturwissenschaften spannend finden. Aber eine Messung wie auf einer Küchenwaage, die jemand ohne schwierige Worte erklärt und die von ganz verschiedenen Messenden bestätigt ist: die setze ich doch auch beim Backen und Kochen ohne Herumgerede ein und um.“ So verhalte es sich auch mit dem Artenverlust und der Erderwärmung. „Was dagegen hilft, versteht jedes Kind. Einfach mitmachen statt rumeiern und schwatzen.“


Quelle: Acher- und Bühler Bote, 18. November 2024, Seite 23

Am Oberrhein wird es am heißesten

Biologe Mark Benecke stellt in Bühl Statistiken und Messungen zur schnellen Verschlechterung des Weltklimas vor

Von Martina Fuß

Bühl. Mark Benecke schießt Sätze wie Pistolenschüsse ab. In ungeheurer Geschwindigkeit treffen seine brisanten Aussagen auf viele gespannte Zuhörerinnen und Zuhörer im Bürgerhaus Neuer Markt in Bühl. Dort spricht er über das „Klima:Endspiel". So lautet der Titel seines Vortrags, zu dem der Verein Gemeinwohl-Forum-Baden eingeladen hatte.

Dessen Vorsitzender Frohmut Menze erklärte in seiner Begrüßung, warum der Verein Benecke eingeladen hat. „Wie kommt es, dass Europa und die Welt das Wissen und die Technik, das Geld und die Institutionen haben, um den Klimawandel spürbar einzudämmen – und es passiert nichts! Schlimmer, der CO,-Ausstoß war noch nie so hoch wie in diesem Jahr. Mark Benecke wird uns zu dieser Frage einige Erkenntnisse liefern."

Nun also Mark Benecke. Eine schillernde Person mit weit gestreuten Interessen und Kompetenzen. Es gibt kaum einen gesellschaftlichen Bereich, in dem sich der promovierte Wissenschaftler keine Meriten erworben hat. Er ist Kriminalbiologe, hat in New York gearbeitet, daneben viele erfolgreiche Bücher geschrieben, im Radio und Fernsehen Kriminalfälle gelöst und Kinder-Experimentierkästen herausgegeben. Neu entdeckte Tiere sind nach ihm bekannt.

Er hat Musik und Theater gemacht und ist auch noch als Politiker für „Die Partei" auf allen Eben aktiv. „Ich zeige Ihnen heute neue Informationen, nachdem in den letzten Wochen viel passiert ist", sagt greift er zur Ausgabe der BNN an diesem Tag. Auf nahezu jeder Seite gibt es Hinweise zum Klima. Der Wald, die Wiesen, der Nationalpark, Ameisen, die Asiatische Hornisse – die Beispiele sind vielfältig. „Glauben gibt es bei mir nicht, nur Zahlen und Messungen", sagt Benecke und zeigt Statistiken und Schaubilder, über die sich alle Wissenschaftler in allen Regionen der Welt einig sind und die gemeinsam herausgegeben werden. Benecke weiß solche wissenschaftlichen Darstellungen auch für Laien nachvollziehbar zu erklären.

Demnach steigt der CO2-Gehalt exorbitant an. Sprunghaft, ohne Messfehler, in einer Geschwindigkeit, die selbst für Wissenschaftler kaum zu glauben ist. Benecke benennt das Phänomen, das insbesondere seit Mitte letzten Jahres die Wissenschaft aufschreckt.

In den vergangenen Monaten gab es Waldbrände in Griechenland, riesige ausgetrocknete Flüsse in Lateinamerika, einen Höllensturm in den USA und die „nie da gewesene Regen-Katastrophe in Spanien". Unwetter in Polen, Italien, Österreich. „Ausgetrocknet, abgefackelt und überschwemmt und alles hat eine gegenseitig verstärkende Wirkung. Das macht deutlich, was gerade hundertfach in Europa passiert. Es sind super-extreme Wetterereignisse außerhalb jeglicher bisher bekannter Aufzeichnungen", sagt Benecke und belegt die Situation mit Bildern und Messungen.

Die Katastrophe setze sich fort in der Tierwelt, im Meer, bei den Nährstoffen in den Böden, an den Erd-Polen und leider auch in Mittelbaden. „Sie verstehen das Problem, es wird auch Sie in Bühl tref-fen", sagt er und zeigt eine Vorhersage der Temperaturentwicklung in Deutschland. Die heißeste Region wird der Oberrheingraben sein. Seit 1970 werde all das vorhergesagt, aber die Schnelligkeit der Veränderungen habe niemand erwartet. Dabei wüssten die Menschen, was passiert. Zumindest wissenschaftlich gesehen. „Dennoch findet Klimaschutz nicht statt, obwohl die Menschen in Europa und insbesondere im wirtschaftlich starken Deutschland den größten Handlungsspielraum haben. Stattdessen gibt es immer noch Klima-Leugner, deren Wissen weit unterhalb von Kindergarten-Niveau liegt." Der Blick 450 Millionen Jahre zurück zeige, dass es mehrere Artensterben auf der Erde gab. Die hätten aber alle sehr lange gedauert. Nicht nur ein paar Jahrzehnte.

Die Schlussfolgerungen könne die Zuhörerschaft selbst ziehen: Der Schlüssel liege im Verbrauch durch die Menschen. Der Handlungsspielraum, den jeder Einzelne nutzen könne sei, weniger zu kon-sumieren, weniger Tierprodukte zu nutzen, weniger wegzuwerfen, im Garten ein Arten-Refugium zu schaffen und umzustellen auf erneuerbare Energien. Atomkraft? „Damit haben wir ein Problem, das noch viel größer ist und zehntausende Jahre besteht", sagt Benecke.

Er empfiehlt, umgehend zu handeln: „In der Zeit, in der ich über andere schimpfe, kann ich schon selbst vieles getan haben."



Caroline (Letzte Generation): Kein Knast

9. September 2024  

Hallo lieber Mark,

hier schreibt Caroline Schmidt. Du hast letztes Jahr ein schriftliches Interview mit mir gemacht, weil ich im Kontext von Straßenblockaden mit der Letzten Generation zu 8 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt wurde.

Am 22.08.24 fand mein Berufungsprozess statt. Die Haftstrafe wurde nicht bestätigt. Gerne hätte der Richter das Verfahren eingestellt, die Staatsanwaltschaft war jedoch dagegen. Das Urteil lautet 90 Tagessätze à 20 Euro. Das Strafmaß umfasst zwei Blockaden in Berlin (ein Versuch einer Blockade wurde in dem Verfahren fallen gelassen) und ein rechtskräftiges Urteil von 40 Tagessätze à 30 Euro in Köln. Außerdem wird mir die Hälfte der Gerichtskosten erlassen.

Der Prozess hat sich sehr bestärkend angefühlt. Der Richter bedankte sich ausdrücklich für meine letzten Worte und sagte, er würde aus diesem Prozess etwas mitnehmen.

Meine Einlassung und mein letztes Wort sende ich Dir im Anhang, für den Fall dass Du etwas damit anfangen möchtest. Falls Du Fragen hast, melde Dich gerne.

 Viele liebe, widerständige Grüße

Caroline


Einlassung 22.08. Berlin

Ich möchte Ihnen meine Motivation gerne darlegen und freue mich sehr über eine ausgewogene Zuhörerschaft.

Uns ist allen klar, dass wir in einer Nicht-Nachhaltigen Gesellschaft leben und dass wir das ändern müssten, wenn wir möchten, dass Kinder und Enkel noch eine Chance auf ein nicht zu hartes Leben haben.

Seit meiner Teenager-Zeit lebe ich in dem Bewusstsein, dass unsere Lebensart, hier im globalen Norden, die Zerstörung unserer Lebensgrundlage und Leid für sehr viele Menschen bedeutet. Sowohl im globalen Süden als auch hier zu Laden und für kommende Generationen.

Und während ich persönlich eine bescheidene Lebensart wähle, was ich nicht als Opfer empfinde, es kommt eher aus intrinsischer Motivation und ich erwähne es nur, damit Sie die Möglichkeit haben, sich möglichst in meine Perspektive zu versetzen.

Ich nehme wahr, dass um mich herum, Jahr um Jahr die Autos größer werden, die Werbung von allen Seiten suggeriert, dass wir mehr konsumieren müssen, um etwas zu gelten, wir jedes Jahr ein neues Handy brauchen und das Wachstum – Freiheit bedeuten soll.

Ich erkenne, dass es in unserer Lebens- und Wirtschaftsrealität Profiteure und Leidtragende gibt. Profiteure, die an Macht, Geld und Einfluss gewinnen und Menschen, die darunter massiv leiden müssen.

So z.B. die Menschen in den Kohleabbaugebieten des globalen Südens, wie z.B. dem Niger Delta: Sie atmen eine von Öl und Gas verseuchte Luft, ihr Wasser ist kontaminiert und sofern es überhaupt noch Fische in dem verseuchten Fluss gibt, sind auch diese vergiftet. Die einst so fruchtbaren und lebendigen Gebiete bedeuten jetzt Krankheit und Tod.

In Kolumbien befindet sich das größte Abbaugebiet für Steinkohle in Südamerika. Die abbauende Firma Glencore nimmt dem indigenen Volk der Yukpa ihre Territorien, ihr Wasser und verschmutzt die Luft, die sie atmen und die Nahrung, die sie essen. Nach eigenen Angaben war Glencore im Jahre 2022 mit 256 Milliarden Dollar das weltweit umsatzstärkste Bergbauunternehmen. In diesem Jahr haben sie vier Millionen Tonnen mehr Steinkohle aus Kolumbien gefördert als im Vorjahr. ...während dort Kinder an Atemwegserkrankungen sterben.

Und Deutschland kauft die Steinkohle, um den Wohlstand nicht zu gefährden. Dies sind nur wenige Beispiele, die aber die Machtverhältnisse in der Welt sehr deutlich darstellen. Als Bürgerin eines Landes, das genau von diesem Gefälle wirtschaftlich profitiert und damit eine Verantwortung für die Zerstörung unserer Lebensgrundlage trägt, sehe ich es als meine moralische Pflicht an, mich diesem „weiter so“ in den Weg zu stellen. Wer kann das als verwerflich bezeichnen?

Wir befinden uns längst nicht mehr im Spektrum des „Nicht-wissen-könnens“ sondern sind längst im „Nicht-wissen-wollen“ angelangt. Und alle hier im Saal können nicht so tun, als ginge sie das nichts an und als würden andere das Problem lösen.

Seit Ende der 70ger Jahre wissen Ölkonzerne um die Auswirkungen der CO2-Emissionen durch das Verbrennen fossiler Rohstoffe. Ölkonzerne und Politik wissen um die hohe Wahrscheinlichkeit eines menschengemachten Klimawandels und dessen Folgen. Doch anstatt einen Paradigmenwechsel anzugehen und erneuerbare Energien auszubauen, wird die Abhängigkeit von fossiler Energie immer weiter verstärkt.

Und 40 Jahre später hat sich daran nichts geändert: Statt beim Ausbau der erneuerbaren Energien voranzukommen und einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden, wurde auf immer mehr Erdgas gesetzt. Das setzt sich aktuell beim Aufbau der LNG-Infrastruktur fort. Die Schäden dieses Lobbyeinflusses belasten heute unsere Gesellschaft: milliardenschwere Fehlinvestitionen, weitere Abhängigkeit vom fossilen Erdgas, hohe Gasrechnungen und weiter anhaltende Treibhausgasemissionen.

Wir wissen um den menschengemachten Klimawandel und den Kipppunkten – den sich verstärkende Elemente im Klimasystem, die wir mit hoher Wahrscheinlichkeit erreichen oder sogar schon erreicht haben:

  • Die Arktis schmilzt.

  • Eisflächen reflektieren mehr Sonnenstrahlen als der dunkle Ozean, welcher Wärme besser aufnimmt. Je kleiner die Eisfläche wird, desto größer ist die dunklere Wasserfläche, welche dann mehr Wärme aufnehmen kann. Umso kleiner wird wiederum die Eisfläche, auf Grund der Erwärmung des Ozeans...usw.

  • Das Grönländische Eisschild kippt.

  • Die Eismassen dort schmelzen schneller ab, als sie sich neu bilden können. Dadurch sinkt die Eisoberfläche logischer Weise in immer tiefere und damit wärmer Luftschichten ab, was zur Folge hat, dass das Eis noch schneller schmilzt... usw. Das Eis, das noch aus der letzten Eiszeit stammt.

  • Sheperd, ein Wissenschaftler des IPCC Berichtes sagt: „Nach den aktuellen Trends werden durch das Abschmelzen des Eises in Grönland gegen Ende des Jahrhunderts jedes Jahr 100 Millionen Menschen Überschwemmungen erleiden“ Berücksichtigen wir auch den Eisverlust in der Arktis, werden 400 Mio. Menschen betroffen sein.

  • Der Amazon-Regenwald kippt, und stößt dann mehr CO2 aus, als er aufnimmt

  • Durch die Klima-Erwärmung (und ihre Folgen) verliert der Wald an Widerstandsfähigkeit. Dadurch sterben bei den häufiger werdenden Dürren und Bränden noch mehr Bäume. Dadurch wird CO2 frei, was wiederum die Erderwärmung anfacht. Das wiederum macht den Wald noch anfälliger…

  • Ab ca. 2 Grad durchschnittlicher Erwärmung würde der Amazonas-Regenwald wahrscheinlich ganz absterben und zu einer Savanne werden, was wiederum ungeheure Mengen an CO2 in die Atmosphäre entlassen würde.

  • Permafrostböden stehen kurz davor zu tauen: In diesen Böden ist sehr viel Kohlenstoff in Form von Pflanzenresten eingefroren. Die Hälfte des gesamten im Boden gespeicherten Kohlenstoffs befindet sich im Permafrost. Aber nicht mehr lange, denn die Böden tauen auf und Kleinstlebewesen beginnen die Pflanzenreste zu zersetzen. Dadurch entweicht Methan in die Atmosphäre, ein Treibhausgas, welches 80mal stärker wirkt als CO2! Dadurch erwärmt sich das Klima weiter und die Böden tauen noch schneller auf... usw. Wenn der Permafrost kippt, ist es wahrscheinlich, dass sich eine 3 Grad wärmere Welt nicht mehr abwenden lässt.

Und wir wissen um die wissenschaftliche Prognosen, die es zu den Folgen des Klimawandel gibt und die wir zum Teil schon jetzt zu spüren bekommen: Folgen des Klimawandels sind:

- großflächige Überflutungen und Hitzetote

- Wasser und Nahrungsknappheit

- Zusammenbruch von Infrastruktur

- Kriege

- territoriale Abschottung

- sowie die brutale Verteidigung der Außengrenzen

- und es ist sehr unklar, wie der Umgang miteinander innerhalb dieser Grenzen aussehen wird.

Schon jetzt lassen wir Menschen an den Außengrenzen Europas sterben und beschneiden das Grundrecht auf Asyl. Ich habe lange in der Gastronomie gearbeitet und wenn ich mir anschaue, wie ausgelassen und sorglos die Menschen in ihren 20iger und 30iger Jahren ihr Leben feiern und genießen und mir dann klar mache, dass die heutigen Kinder in ihren 30ger Jahren eine immer lebensfeindlicher werdende Welt erleben müssen – überkommt mich eine große Traurigkeit und Beklemmung.

Denn obschon wir wissen, dass es – wenn überhaupt – nur noch ein kurzes Zeitfenster gibt, in dem wir entschlossen handeln können, um den Klimawandel abzumildern, verhalten wir uns nicht danach. Wir wissen, dass bis Ende 2030 eine durchschnittliche Erderwärmung von 1,5°C erreicht wird. Beim aktuellen Kurs landen wir (laut IPCC) bei einer Erwärmung von 3,2 Grad bis Ende des Jahrhunderts. Deshalb wurde sich 2015 in Paris darauf geeinigt, die Erhitzung auf 1,5 Grad oder deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Diese Einigung ist ein völkerrechtlich bindendes Abkommen.

Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, 2045 klimaneutral zu werden, um das Pariser Abkommen einzuhalten. Am Ende wird es nicht reichen, das Klimaabkommen fast erfüllt zu haben, um Kipppunkte aufzuhalten. Es braucht entschlossenes Handeln und eine ehrliche Kommunikation. Durch seine wirtschaftlichen Beziehungen und seinem internationalen Ansehen, hat Deutschland hier eine Schlüsselrolle inne. Doch was passiert statt dessen: Trotz Massenprotesten für einen effektiven Klimaschutz, verfasste die Bundesregierung ein Klimaschutzgesetz, das nicht ausreichend ist und somit verfassungswidrig. Damit verstößt Deutschland gegen ein völkerrechtlich bindenden Abkommen und die Regierung hält die Ziele des ohnehin zu schwache KSG nicht ein. Die Regierung verstößt gegen unser aller Grundgesetz Art. 20a GG: “Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewaltund die Rechtsprechung.”

Anstatt alles zu tun, um den Klimawandel abzumildern und zum Schutz der Bevölkerung zu handeln, setzen die Regierenden auf Technologien, die weder im angemessenen Maße existieren, noch von Ihrer Umsetzung und Energieverbrauch verhältnismäßig sind und deren ergebnisoffene Entwicklung ohnehin noch viele Jahre dauern wird. Jahre, in denen wir den Individualverkehr ausbauen und weiter fossile Rohstoffe verbrennen. Die Regierung steht nachweislich unter starkem Einfluss der fossilen Lobby.

Lobbycontrol hat über 30 ehemalige Politiker:innen zusammengetragen, die als Schlüsselfiguren für die Gaslobby dienten und dienen. Unser Bundeskanzler hat sogar das Framing der Gasindustrie übernommen und fossiles Gas zu einem zentralen Akteur der Energiewende aufgewertet – trotz der Warnungen von Wissenschaftler:innen vor den enormen Klimaschäden und den entsprechend hohen Kosten für die Gesellschaft.

Eine umfassende Aufklärung über die Situation, in der wir uns befinden, passiert hingegen nicht (obschon eine Aufklärung, wie wir bei Corona erlebt haben, sehr effektiv möglich wäre). Solange Politik sich nicht den Umständen des Klimawandels entsprechend verhält und diesen hingegen weiter verharmlost – wie schon vor 40 Jahren – wird die Dringlichkeit der Transformation bei den Bürger*innen nicht angemessen ankommen.

Konfrontiert mit aktuellen Alltagssorgen, scheint der Klimawandel und seine Folgen für einen Großteil der Bürger*innen zu weit weg, da wir die Auswirkungen hierzulande bisher erst verhältnismäßig schwach spüren: Oder Menschen haben bereits resigniert uns sagen, es sei ohnehin zu spät. Oder Menschen bewerten diejenigen Informationen bzw. Desinformationen zum Klimawandel höher, die sich mit dem eigenen Verhalten decken (viele Menschen die sich der FDP angehörig fühlen, erscheinen mir hier ein gutes Bespiel zu sein). Oder das Individuum denkt sich, was kann ich alleine schon ausrichten, ich selber tue doch schon was ich kann (Spannweite von Wasser sparen und Mülltrennung bis zum Verzicht auf das Auto und Flugreisen).

Was auch immer die eigene Handlungsohnmacht verursacht, es ist klar, dass das Thema Klimawandel und seine Folgen für die einzelnen Personen viel zu groß, komplex und schmerzhaft ist, als dass sie sich diesem alleine zu stellen vermag. Und nun bin ich mir all dessen Bewusst, wie kann ich darauf vertrauen, dass unsere Bundesregierung mich und den Rest der Bevölkerung schützen wird, indem sie alles dafür tut, der globalen Erderwärmung entgegenzuwirken?

Als Bürger*in muß man den gewählten Repräsentant*Innen vertrauen, dass sie komplexe Themen prüfen und nach bestem Wissen und Gewissen die richtigen Entscheidungen treffen. Laut dem Expert*Innenrat für Klimafragen der Bundesregierung, tut unsere Regierung dies jedoch nicht. Wie soll ich noch auf einen Paradigmenwechsel in der Klimapolitik vertrauen?

In einer Welt, die geprägt ist durch ein unfassbar großes Ungleichgewicht, von Profiteuren und Leidtragenden und einer Regierung, die auf der falschen Seite zu stehen scheint. In diesem Bewusstsein bin ich im Sommer 2022, an einem irrsinnig heißen Tag, auf ein Plakat der Letzten Generation aufmerksam geworden. Darauf hieß es: “Wir haben einen Plan”: Ein friedlicher Protest, der Alarm schlägt, und die Gesellschaft sowie die Politik fordert, sich mit der größten, epochalen Bedrohung unserer Menschheitsgeschichte auseinanderzusetzen und erste, einfache Maßnahmen, wie ein Tempolimit und günstigen öffentlichen Nahverkehr für alle zu fordern - und zwar zum Wohle aller.

Und ich fand, das ist allemal ein Versuch wert: Denn die Menschen, die in Deutschland am meisten von den Folgen betroffen sein werden (Kinder und kommende Generationen) sind jetzt noch nicht in der Lage, für ihre Rechte zu kämpfen. Wenn sie dazu in der Lage sind, für ihre Rechte einzustehen, sind Klimakipppunkte längst erreicht, wenn wir heute nicht entschlossen handeln.

(Erfahrung aus der entsprechenden Blockade:)

Ich erinnere mich noch gut an die erste Blockade am 17.10.22. Ich war unglaublich nervös und hatte große Angst. Angst davor, dass ein Mensch sich in seiner Wut doch dazu entscheiden könnte, aufs Gaspedal zu treten und mir oder einem meiner Mitmenschen etwas zustößt. Wir sind auf die Straße getreten und haben uns in einer Reihe vor die stehenden Autos aufgestellt. Ich habe meine orangene Warnweste angezogen und ein Banner gehalten. Dabei habe ich Blickkontakt zu dem vor mir stehenden Kraftwagenführer gesucht, um eine Verbindung zu finden, und versuchte ihm, über meinem Blick, mein Bedauern über die Situation auszudrücken.

Es hat sich furchtbar angefühlt, diese Menschen auf Ihrem Weg aufzuhalten. Ihre Wut und ihre Nöte zu spüren. Und gleichzeitig breitet sich in meinem Bewusstsein ganz deutlich die Erkenntnis aus, dass dieser Protest notwendig ist, dass die Bedeutung des Klimawandels viel größer ist, als ich, der Mensch vor mir oder sonst irgendeiner Person, und dass die Folgen uns alle betreffen, auch dem Menschen, der seine Tochter zur Schule bringen möchten, auch dem ungeborenen Kind, dass im Leib seiner Mutter zu Hause auf seinen Vater wartet oder der Person, die sich für einen Job auf einen weiten Weg gemacht hat, um ihren Kindern zu Hause mal “ein besseres Leben” zu ermöglichen.

Doch wenn wir jetzt nichts ändern – denke ich mir – werden all diese Kinder kein besseres Leben erwarten, egal von welchen Jobs ihre Eltern zu diesem Zeitpunkt erwartet werden. Während wir in dem Protest beschimpft werden, kommt eine Frau an mir vorbei. Sie beugt sich zu mir runter und sagt: “Ich finde es klasse, was ihr tut und meine Tochter auch. Vielen Dank!” Angesichts der bisher beschriebenen wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umstände was kann ich tun?

Als Mensch der sich dieser Situation bewusst ist und als Bürger*in einer Demokratie, die ihrer Verantwortung als Bürgerin eines wirtschaftsstarken und einflussreichen Landes gerecht werden möchte. Die gesehen hat, was schon alles versucht worden ist und was alles nicht ausgereicht hat, um eine Aufklärung und einen angemessenen Kurswechsel herbeizuführen im Gewahrsein dessen, dass es eine übermächtige Fossile Lobby gibt, die unsere Politiker*innen stark beeinflusst und deren Interesse besonders dem Profit fossiler Unternehmen und Nutznießern gilt

Welche Möglichkeiten gibt es noch nachdem von Warnungen der Wissenschaftler*innen Petition, Diskussion, eine Parteigründung bis zu Massenprotesten schon alles versucht wurde? Mein Gewissen hat mir keine andere Möglichkeit gelassen, als den strikt gewaltfreien, zivilen Ungehorsam. Das Protestieren auf eine Weise, die nicht ignoriert werden kann.


Letztes Wort 22.08. Berlin

Sechs von den neun planetaren Grenzen sind bereits überschritten. Diese wurden mal definiert, als Maßstäbe eines globalen Ökosystems, an das wir uns als Menschen angepasst haben, in dem wir prosperieren und dessen Bedingungen für unsere Existenz maßgeblich sind. Doch anstatt, dass wir uns diesem Ökosystem weiter anpassen, zerstören wir es, bzw. lassen wir es zu, dass es zerstört wird. Und häufig höre ich, die Menschen sind einfach so.

Aber stimmt das, sind „die Menschen“ wirklich so? Oder haben wir uns viel mehr ein Wirtschafts- und Sozialsystem gebaut, dass keinen anderen Schluss mehr zulässt. Weil das Wirtschaftswachstum einen höheren Stellenwert hat als die Soziale Entwicklung und das ideelle Wachstum?

Und welches Produkt kann diese Entwicklung wohl deutlicher versinnbildlichen als das Auto? Das fossile Instrument des Individualverkehrs, Statussymbol und in vielen Fällen eine notwendige Voraussetzung, um den Arbeitsplatz überhaupt zu erreichen, da es an entsprechender Infrastruktur für den ÖPNV fehlt. Die Beteiligung an den Straßenprotesten habe ich aus der tiefen Überzeugung heraus getan, dass ich im Sinne des rechtfertigenden Notstandes nach § 34 StGB handelt und das sehe ich immer noch so, aus folgenden Gründen: Die “gegenwärtige, nicht anders abwändbare Gefahrenlage für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder eines anderen Rechtsguts”, sind längst gegeben. Die gegenwärtige Gefahr der Klimakatastrophe und ihre Folgen steht nicht unmittelbar bevor, wir befinden uns längst mittendrin. Wir müssen jetzt entschlossen tiefgreifende Veränderungen vornehmen, um die schlimmsten Folgen noch abwenden zu können. Anders, als wir es im Zusammenhang mit diesem Gesetz gewohnt sind, liegen der Handlungszeitpunkt und der Eintritt der Bedrohung weiter auseinander, als wir es bisher kennengelernt haben.

Beispiel: Wir kennen es bisher so, dass wenn ein Haus brennt und wir einen Wasserschlauch mit einer Wasserquelle verbinden müssen, um das Feuer augenblicklich löschen zu können, es uns erlaubt ist einen unumgänglichen Regelbruch zu begehen, um den Schlauch am Hydranten zu befestigen. Der Regelbruch ist nach §34 StGB nicht strafbar. Beim Klimawandel hingegen liegen zwischen dem Anschließen des Schlauches am Hydranten und dem Wasser, welches das brennende Haus löschen kann, viele Jahre. Das ist nun mal so und es wird sich daran nichts ändern, auch nicht wenn wir einfach nur noch länger abwarten.

Im Gegenteil, bis das Löschwasser aus dem Schlauch kommt, müssen wir dringend weitere Maßnahmen ergreifen, um den Brand nicht noch weiter zu füttern und den Schaden nicht noch größer werden zu lassen. Auch das ist ein notwendiger Eingriff, um eine gegenwärtige Gefahrenlage abzuwehren. Und gerade weil das Zeitspektrum – das uns aus physikalischen Gründen gegeben ist – ein anderes ist, als wir es bisher gewohnt sind, müssen wir unsere Gesetzesauslegung entsprechend anpassen.

Nur weil Hamburg nicht schon morgen unter Wasser steht, heißt das nicht, dass wir heute nicht schon entschlossen handeln müssen, um genau das zu verhindern. Wie ich in meiner Einlassung schon erwähnt habe, kann ich nicht darauf vertrauen, dass die Regierungsverantwortlichen aus eigenem Antrieb alles dafür tun, um den Wasserschlauch - um bei der Metapher zu bleiben – anzuschließen, noch um den bereits vorhandene Brand einzudämmen. Weder Demonstrationen, noch Petitionen, Klagen vor Gericht, Partei Gründung, etc. haben Ausreichendes bewirkt und dürfen nicht als effektive Mittel angesehen werden, um die Regierung zum angemessenen Handeln zu bewegen.

Im Gegenteil, diese Mittel, wider besseren Wissens, weiterhin als angemessen zu bezeichnen, erscheint mir fahrlässig. Und es ist äußerst unvernünftig anzunehmen, dass die nächste Demonstration, Petition oder Parteien Gründung daran etwas ändern wird. Denn das Umfeld in welchem wir uns bewegen, bleibt das Gleiche: Ich fasse noch einmal zusammen:

Als Big Player unsere Gesellschaft, haben wir fossile sowie energie-intensive Unternehmen, die über ihre Lobby einen enorm hohen Einfluss auf Politik hat: Wenige große fossile Konzerne (wie beispielsweise Uniper, Wintershall DEA oder RWE) dominieren die Gaslieferkette und haben damit weitreichenden Einfluss auf die Grundversorgung und die kritische Infrastruktur in Deutschland. Dies führt zu einer gesellschaftlichen und auch politischen Abhängigkeit. Zugleich haben diese Konzerne auch die energieintensiven Unternehmen wie z.B. BASF als Verstärkung ihrer Lobbymacht im Rücken. Die bundeseigenen Deutsche Energieagentur DENA ermöglichte Steakholdern der Gasindustrie teils exklusive Treffen mit Beamt:innen des Ministeriums um sich austauschen zu können.

Und gemeinsam mit dem Lobbyverband Zukunft Gas gründete sie die LNG Taskforce. Wo sind hier die Vertreter*innen von Umweltverbänden und Klimaschutz? Wir wissen, dass Wissenschafler*innen bereits vor fast 50 Jahren vor dem menschengemachten Klimawandel und seinen Auswirkungen gewarnt haben und dass die fossile Industrie zu Beginn der 2000 Jahre – trotz besseren Wissens – eine erfolgreiche Desinformationskampagne gestartet hat, um die Klimawissenschaft in Zweifel zu ziehen.

Wohlgemerkt, Wissenschaftler der fossilen Industrie kamen zu den gleichen Ergebnissen, wie die mahnenden Klimawisschenafler*innen. Im Gutachten des Expert*innenrats von 2022 heißt es, dass es unabhängig davon, ob es einen Paradigmenwechsel gibt oder nicht (wir also unser Konsum- und Produktionsverhalten ändern), in jedem Fall sinnvoll ist, kontraproduktiv wirkende und komplexitätserhöhende Elemente im derzeitigen Instrumentenmix konsequent abzubauen.

Unser Bundeskanzler baut sie derzeit aus, Stichwort: Erdgas. Die Gefahr ist da und unsere Volksvertreter*innen handeln im Sinne der Abwendung dieser Gefahr, wissentlich kontraproduktiv. Unsere Regierung, als Weichensteller, erkennt die Gefahr nicht angemessen an und verstößt gegen das Grundgesetz Artikel 20a und damit gegen unsere Verfassung und darüber hinaus gegen ein völkerrechtlich bindendes Abkommen. Es werden Technologien zur CO2-Regulierung propagiert, die nicht ausgereift sind oder noch gar existieren. Der Klimawandel wird heruntergespielt und verharmlost. Unser Bundeskanzler spricht nicht ehrlich zu seinen Mitmenschen und ist nicht bereit sich öffentlich zum klimawissenschaftlichen Konsens zu äußern: Z.B. dass der CO2-Gehalt in der Luft viel zu hoch ist (0,42 ‰). Es befinden sich bereits jetzt hunderte Gigatonnen zu viel CO2 in der Luft. Dabei könnten wir die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch abmildern, wenn wir jetzt entschlossen handeln. -> lt. IPCC Sachstandsbericht ist dafür jedoch eine Vollbremsung unserer CO2 Emissionen erforderlich. Der Weltklimarat zeigt einen Weg (SSP1-1.9 “1,5°-Pfad”), mit dem die Menschheit die beste Überlebenschance hat.

Für eine Vollbremsung gibt es bereits anwendbare Konzepte. Als Beispiel sei hier das Vorbild der englischen Kriegswirtschaft im 2. Weltkrieg genannt. Jetzt könnten wir die Gesellschaftliche Transformation noch steuern. Es wird einen Zeitpunkt geben, da sind wir nur noch mit Aufräumen und Neuorganisation beschäftigt, dann können wir auf die Folgen des Wandel nur noch reagieren, aber nichts mehr wirklich gestalten.

Um aber gestalten zu können, brauchen wir wiederum eine ehrliche Kommunikation seitens der Politik. Denn bisher wird die bevorstehende Klimakatastrophe von einem Großteil der Gesellschaft verdrängt, die abstrakte Bedrohung der Klimakrise scheint für viele Menschen nicht in Gänze zu fassen zu sein, vielleicht, weil seitens der Gesellschaft weder Zeit noch Energie vorhanden sind, um sich damit tiefer zu beschäftigen, vielleicht, weil die Realisierung dieser Krise zu schmerzhaft ist (mir selbst ging es lange genauso). Dadurch verliert die gewaltige Bedrohung der Zukunft ihre Relevanz in der Gegenwart. Und all das steht für eine fatale Entwicklung, der wir alle, die sich mit dieser Situation auseinandergesetzt haben, mit friedlichen Mitteln und allem, was wir haben, entgegenwirken müssen. Durch den Klimawandel und das nicht-handeln unsere Regierung, ist außerdem unsere Demokratie enorm gefährdet: In einer stark erwärmten Welt besteht die große Gefahr, dass Demokratien dem Druck nicht standhalten werden.

Zur Erinnerung: Zur Zeit ist es wahrscheinlich, dass der durchschnittliche Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts (also in 76 Jahren) 3,2°C erreicht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die schweren täglichen Herausforderungen von Wasserknappheit und Ernteausfälle begleitet sind.

Irgendwann bricht die Infrastruktur zusammen. (z.B. Schiffe können in den flachen Flussbetten nicht mehr verkehren, Bahngleisen verformen sich durch große Hitze oder werden unterspült, Straßen und Bahnstrecken werden durch Extremwetter zerstört) – entsprechend reißen Lieferketten ab, was die Wirtschaft – auf die wir gegenwärtig doch gerade Alles setzten - stark beeinträchtigt.

Es wird große Migrationsbewegungen geben, weil in anderen Teilen der Welt schlicht und einfach nicht mehr gelebt werden kann. Es ist zu heiß. Es entsteht Krise auf Krise und die Krisen werden nicht nacheinander kommen, sie kumulieren sich zur Polykrise. Künftige Generationen droht ein Leben im permanenten Notstand Das alles macht es sehr wahrscheinlich, dass der Druck für unsere demokratische Grundordnung irgendwann zu hoch sein wird. Gesellschaftssysteme fallen zusammen oder das Leben darin wird faktisch so unfrei, dass es nichts mit dem zu tun hat, wie wir unser Leben jetzt kennen.

Antidemokratische Kräfte können dies ausnutzen und die Demokratie mit Leichtigkeit stürzen Nochmal: Es handelt sich natürlich um eine Gefahrenlage, in der gegenwärtig gehandelt werdenmuss!

- Unsere demokratische Grundordnung ist gefährdet. Im Art. 20 GG heißt es: “Gegen jeden, der es unternimmt, diese (demokratische) Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.”

Die Regierung ist durch ihr Nichthandeln im Begriff unsere demokratische Grundordnung zu beseitigen, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass dies die Folge ihrer Entscheidungen sein wird. Dieser Umstand berechtigt alle Deutschen zum Widerstand. Die Demokratie zu verteidigen und zu bewahren ist die Pflicht aller Bürger*innen. Angesichts dieser Umstände und der immensen Bedrohung für die Menschheit, die sie mit sich bringt,braucht es den Zivilen Ungehorsam stärker denn je.

Ziviler Ungehorsam, der dann legitim ist, wenn eine große moralische Ungerechtigkeit besteht und alle milderen Mittel, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, ausgeschöpft sind. Bei dem Protest, an dem ich teilgenommen habe, wurde der Alltag kurzzeitig unterbrochen, um die Lücken und die Fragilität innerhalb unseres “wohlständigen” Alltags aufzuzeigen. Aufzuzeigen, dass wir eben nicht weiter unbegrenzt auf den Straßen ohne Tempolimit fossile Rohstoffe verheizen können. Aufzuzeigen, dass wir miteinander ins Gespräch kommen müssen und gleichzeitig Druck auf die Regierung aufbauen müssen. Denn in der Regierung sind die Menschen, die sich bewusst für Entscheidungsverantwortung entschieden und einen Eid geschworen haben, unsere Verfassung einzuhalten und Leid von uns allen als Bevölkerung abzuwenden. Es braucht Zivilen Ungehorsam, der Regeln überschreitet um Zukunfts- und Gerechtigkeitsrelevante Mißstände sichtbar zu machen.

Ein Regelbruch ist dabei nicht automatisch mit einem Gesetzesbruch gleichzusetzen. Im Fall der Straßenblockaden z.B. entsteht durch den plötzlichen Stillstand auf der Straße, eine Schwebe, eine Unsicherheit, die Raum für Diskussion, Austausch und schließlich Veränderung schafft. Auch wenn diese Dinge nicht unbedingt direkt und zeitgleich eintreten, schaffen sie doch den Raum zum Austausch und der damit einhergehenden Diskursverschiebung in der Folge. Natürlich weiß ich vor einem Protest nicht, wie wirksam die Protestform letztendlich sein wird - das ist unmöglich. Doch angesichts der Lage, in der wir uns befinden, ist friedlicher ziviler Ungehorsam ein notwendiges und legitimes Mittel, die Zivilbevölkerung sowie unsere politischen Vertreter*innen aufzurütteln, um endlich handlungsfähig zu werden. Unsere Gesellschaft und der Schutz unserer Demokratie braucht den zivilen Ungehorsam sowie den Raum, der es ihnen ermöglicht, den wirksamsten Protest zu finden.

Eine Sanktionierung der aktiven Zivilbevölkerung und somit das Beschränken von potenziell wirksamen Klimagerechtigkeitsprotesten, schadet letztlich der Allgemeinheit am meisten. Im Sinne des Gemeinwohls, ist der friedliche zivile Ungehorsam, angesichts des Regierungsversagens in der Klimapolitik, ein notwendiges und legitimes Mittel. In diesem Fall möchte ich darüber hinaus –behelfsweise – anmerken, dass der Tatbestand der Nötigung nach der Verwerflichkeitsprüfung nicht als rechtswidrig anzusehen ist.

Der Protest der LG ist friedlich und gewaltfrei. Hier mit dem Gewaltbegriff der 2.Reihe Rechtsprechung zu argumentieren, ist äußerst kurz gegriffen. Den Protestierenden über eine mittelbare Täterschaft über den ersten Fahrzeugführer die Anwendung von Gewalt zu unterstellen, ist ein abstrakt konstruierte Gewaltdefinition. Auf diese Weise umgeht mensch eine tiefgreifende Abwägung der Protestursachen und diffamiert notwendige Proteste. Die mit der Sitzblockade bezweckte Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für bestimmte politische Belange lässt den Schutz der Versammlungsfreiheit nicht entfallen. Vielmehr erhält die Blockade gerade erst dadurch den Charakter einer Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. (1) GG - so das BVerfG.

Außerdem stellt das BverfG klar, dass die Versammlungsfreiheit nicht deswegen eingeschränkt werden kann, weil die Versammlung nicht unmittelbar an dem Ort stattfindet, der einen engen räumlichen Bezug zu dem gewöhnlichen Aufenthalts- oder Arbeitsort der Entscheidungsträger hat oder sich unmittelbar gegen diese richtet. Es reicht insofern ein „weiter“ Sachbezug. Wird doch von uns allen als Tatsache angenommen, dass die Klimakrise in der wir uns befinden, eine größte Bedrohung für die Menschheit darstellt und die Regierung zu wenig unternimmt um diese Krise einzudämmen, ist die Beeinträchtigung der Freiheitsrechte der Verkehrsteilnehmenden in größerem Maße sozial verträglich und deshalb hinzunehmen – (...außerdem können die Autos auch verlassen werden).

Es entspricht verfassungsrechtlichen Anforderungen, dass für die Mittel-Zweck Relation wesentliche Umstände und Beziehungen erfasst werden und eine Abwägung der auf dem Spiel stehenden Rechte, Güter und Interessen nach ihrem Gewicht in der sie betreffenden Situation erfolgt. Ich verstehe, dass Gesetze und Justiz einer gewissen Konversivität bedürfen um Stabilität und Sicherheit zu bieten. Andererseits jedoch spiegeln wir so auch gesellschaftliche Verhältnisse wider und zementieren diese. Schauen wir jetzt unsere gesellschaftlichen Verhältnisse an, und was daran, angesichts der Klimakrise, geändert werden muß, ist es dringend notwendig, diese Gesetzgebungen zu entwickeln und anzupassen. Und wenn Sie jetzt noch nicht bereit sind, hier einen deutlichen Schritt zu gehen und mich freizusprechen, dann setzten Sie doch wenigstens ein konstruktives Zeichen.

Nochmal: Laut IPCC Sachstandsbericht könnten wir die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch abmildern, wenn wir jetzt entschlossen handeln. Und wir alle hier im Saal können nicht so tun, als ginge uns das nichts an und als würde sich dieses Problem mit allen Verstrickungen von alleine lösen.

Letztes Wort: Ich nehme an den Protesten der Letzten Generation teil, weil ich an uns Menschen glauben möchte, daran, dass wir es besser können, als wir es hier im globalen Norden gerade tun.

Ich glaube, dass wir gemeinsam Wege finden können, der Klimakrise zu begegnen. Wir uns gemeinsam neuen Herausforderungen stellen und für neue Probleme, Lösungen finden können.

Wir könnten schon jetzt schwere Entscheidungen treffen, die für die Zukunft relevant sind. Deutschland ist die 4. größte Wirtschaftsmacht, unser Verhalten trägt zur Klimaentwicklung bei. Es ist notwendig, unsere Privilegien zu nutzen, um unserer Verantwortung in der Welt und gegenüber kommenden Generationen gerecht zu werden.

…Zeit, dass wir uns gemeinsam für eine gerechtere Welt mit einem liebevollen und fürsorglichen Miteinander einsetzen. Wir haben die Intelligenz, das technische Know- how und die Soft Skills

dafür. Wir können alle den Mut dafür aufbringen. Den Mut zu mehr Demokratie - und zwar jetzt, um sie für die Zukunft zu schützen. Mut zur Veränderung, sich auf neue Wege zu begeben. Die konventionellen Pfade zu verlassen, mindestens da, wo es nötig und gegeben ist.

Wir haben noch eine echte Chance, wenn wir aufhören zu zaudern. Und uns für den erst mal unbequemen Weg entscheiden. Klar kostet das Überwindung, doch gibt es auch immer Menschen, die

unterstützen. Wir tragen alle Verantwortung durch die Entscheidungen, die wir treffen. Zuletzt eine Frage, an Sie alle hier im Raum, auf die Sie für sich eine ehrliche Antwort finden können: Glauben sie daran, dass es unserer Regierung gelingt, in den nächsten 2 Jahren eine Wende einzuleiten, hin zu einerstarken Nachhaltigkeit, zu einer globalen Gerechtigkeit, auf einen Weg, der auch für die kommenden Generationen einen lebenswerten Planeten erhält?

Haben Sie dieses Vertrauen?



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