Quelle: CityNEWS Köln, online-Ausgabe vom vom 6. Juni 2016
Mark Benecke zieht Bilanz:„Als OB würde ich alles anders machen!“
VON ASTRID WALIGURA
(Anm.: Das PDF entstammt der Print-Ausgabe der CityNEWS Köln, Heft 02/2016, in der auf den Seiten 4 bis 5 eine gekürzte Version des unten stehenden Interviews wiedergegeben ist.)
Dr. Mark Benecke ist nicht nur Deutschlands populärster Kriminalbiologe, sondern seit vielen Jahren auch engagierter Politiker. Im Oktober vergangenen Jahres hätte sich der Paradiesvogel gerne noch einen weiteren Titel auf die Fahnen geschrieben. Mit der Satire-Partei „DIE PARTEI“ im Rücken wollte der 44-Jährige Oberbürgermeister von Köln werden. Er würde vieles anders machen als Henriette Reker.
CityNEWS: Wie hast Du die Niederlage weggesteckt?
Dr. Mark Benecke: Mein PARTEI-Team und ich haben den Sieg (bester Wert aller Dritten jemals – besser, als es die FDP jemals geschafft hat) fett gefeiert. Ich fand es erdrutschartig. Es war das beste Ergebnis nach dem Krieg!
CityNEWS: Henriette Reker ist mittlerweile weit über 100 Tage im Amt. Wie schätzt Du ihre Arbeit bisher ein?
Dr. Mark Benecke: Ich habe ein paar Bäume für mein Veedel gekauft und aufstellen lassen. Die Einzäunung ist seit Monaten kaputt, die Stadt verspricht mir seit Monaten, sie zu reparieren – business as usual.
CityNEWS: Was würdest Du als OB anders machen?
Dr. Mark Benecke: Alles. Bei uns rücken ja grundsätzlich PARTEI-Mitglieder/-innen mit höchstens vierstelligen Beitrittsnummern in die hohen Posten und Pöstchen, weil sie schon so lange dabei sind. Damit wären schon mal alle Dezernate anders besetzt. Außerdem hätte ich, wie auf den Kongressen der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, die Redezeit im Rat auf vier Minuten begrenzt. Alles Wichtige kann in der Zeit gesagt werden. Falls nicht, hätte ich es auf eine Minute heruntergesetzt, das machen wir in Harvard bei den Spaßnobelpreisen so. Wenn sogar Nobelpreisträger in einer Minute alles Wichtige ausdrücken können, sollten es die Ratsmitglieder/-innen auch können.
CityNEWS: Du bist immer für einen Spaß gut. Kannst Du eigentlich auch mal ernst sein?
Dr. Mark Benecke: Jederzeit. Es muss halt nur um etwas Ernstes gehen.
CityNEWS: Wie geht es mit Dir und Deiner politischen Heimat von „DIE PARTEI“ weiter?
Dr. Mark Benecke: Wir sind im Europaparlament, in den Stadtparlamenten von Lückeck bis Krefeld, haben bei OB-Wahlen immer gut abgeschnitten (Greifswald, Köln …) und vorgestern bin ich wieder zum NRW-Landesvorsitzenden des größten PARTEI-Verbandes gewählt worden. Et läuft!
CityNEWS: Welchen Einfluss hat das auf Köln?
Dr. Mark Benecke: Falls ich im Landtag sitze (ich bin auf Platz 1 der Liste – anders als auf dem Kölner Wahlzettel auch mit Doktortitel), wird erst mal Düsseldorf abgespalten und eingemauert, Altbier verboten und Köln auch formell wieder Hauptstadt. Außerdem führe ich das Stapelrecht wieder ein, also das Vorkaufsrecht für alle Güter, die über den Rhein transportiert werden.
CityNEWS: Von der Politik zur Religion. Wie hältst Du es damit?
Dr. Mark Benecke: Na ja, mein Zivildienst im Kloster war vielleicht nicht die beste Idee des Priesters, bei dem ich zuvor ganz gerne Messdiener gewesen war. Danach bin ich sofort aus „der“ Kirche ausgetreten. Ansonsten bin ich eher aspergerisch, das heißt, für mich sind Religionen dasselbe wie Märchen: interessante Lehrstücke aus der Vergangenheit. Ich selbst bin Dudeist nach „The Big Lebowski“ – der Film ist mein Gottesdienst: The dude abides.
CityNEWS: Apropos Religion: Die momentane Flüchtlingswelle beherrscht immer noch die Medien. Wie stehst Du eigentlich zum Islam?
Dr. Mark Benecke: Ich finde Weltanschauungen angenehm, wenn sie Frieden und Liebe beinhalten. Ich war lange Messdiener in Köln, keine Beschwerden bis dahin. Es kann jeder glauben, was er will, solange er andere damit in Ruhe lässt. Abgesehen davon ist Religion absolute Privatsache und sollte wie Sex im Privaten bleiben. Das gilt für alle Weltanschauungen, von Islam bis Pastafarianismus.
CityNEWS: Pastafaria-was?
Dr. Mark Benecke: Das sind die Anhänger des Fliegenden Spaghettimonsters. Einer der Feiertage ist der 19. September, dann feiern Pastafaris als Piraten gekleidet den „Sprich wie ein Pirat“-Tag, an dem man jedem Satz am Ende „Arrrrrr!“ hinzufügen muss.
CityNEWS: Hand aufs Herz – würdest Du einen Flüchtling bei Dir aufnehmen?
Dr. Mark Benecke: Ich lebe im Labor bzw. in der Bibliothek – ich glaube kaum, dass das für irgendjemanden – außer meiner Frau und mir – hinnehmbare Lebensbedingungen sind. Ich penne auch öfters auf dem Boden. Es gibt zudem keine Privatsphäre, weil meine Mitarbeiterin einen Schlüssel hat und kommt und geht, wann sie will. Wenn ich eine normale Lebensumgebung hätte, würde ich gerne Menschen aufnehmen. Habe ich aber nicht.
CityNEWS: Haben die Ereignisse am Kölner Hbf aus der Silvesternacht einen nachhaltigen Einfluss auf Dich ausgeübt, d. h., machst Du deshalb etwas anders als vorher? Wenn ja, was?
Dr. Mark Benecke: Ist einfach von vorne bis hinten scheiße gelaufen. Katastrophen passieren jeden Tag, nur interessiert es sonst keinen. Ich mache – weil ich in anderen Ländern genug gesehen habe – nix anders, sondern stelle höchstens Fotos von Junggesellinnenabschieden (es gibt auch lustige) und dergleichen von der Domplatte ins Netz. Angst wäre die schlechteste Lehre, die wir aus dem Silvesterding lernen könnten.
CityNEWS: Köln gilt ja als besonders tolerant, manche Menschen meinen deshalb, sie könnten sich hier alles erlauben. Wer oder was ist schuld an diesem zweifelhaften Image, das über den Jahreswechsel seinen bisher traurigsten Höhepunkt erlebte?
Dr. Mark Benecke: Ich habe keine Ahnung, ob Menschen wirklich glauben, sie könnten sich in Köln alles erlauben. Besoffene und Bekloppte glauben das meines Wissens überall auf der Welt. Dass in Köln mal eben eine Bohrung einstürzt – mit zwei Toten – und stets geklüngelt wird, bis der Arzt kommt, liegt daran, dass Köln einerseits eine obrigkeitsscheue, andererseits aber sehr bürgerliche Mittelschicht hatte. Köln war wegen der Vorkaufsrechte am Stapelmarkt immer sehr reich und auch ein bisschen faul, entsprechend war hier auch mehr „Luft“ für Spaß an der Freud. Die bürgerliche rechtskonservative Auslegung, dass andere die kölsche Toleranz ausnutzen, kann ich als jemand, der seit dreißig Jahren ständig in anderen Regionen arbeitet und zurückkommt, nicht bestätigen.
By the way: Ich bin saufroh, in Köln zu leben, und hoffe, dass die ängstlich-zitternde Feindlichkeit gegen „das andere“ hier so schnell wieder verschwindet, wie sie gekommen ist. Sie passt nicht zu uns. Stattdessen habe ich – wie schon gesagt – in der Südstadt, zusammen mit der Stadt Köln, ein paar Bäume pflanzen lassen. Die nützen allen und erzeugen frische Luft. So sollten es alle anderen auch machen: durchatmen.
CityNEWS: Bei Deinem Beruf: Schockt Dich im Alltag eigentlich noch irgendetwas?
Dr. Mark Benecke: Ja, alle Formen von Gewalt. Zunehmend, ich bin mittlerweile auch Veganer, zwar mehr, weil’s logisch ist, aber auch, weil ich die Gewalt bei der Tierherstellung und -verwertung immer mehr geistig an mich ranlasse. Ich bin irgendwie ein Blumenkind, das Gewalt zum Kotzen findet. (Meine Frau sagt gerade, dass ich eher eine Prinzessin bin. Kann ich auch mit leben.)
CityNEWS: Du bist viel unterwegs: WAS treibt Dich derzeit WO um?
Dr. Mark Benecke: Ich sitze gerade auf dem Dach eines Hostels in Berlin und schaue über die Stadt – sehr geil, wirklich, das alles über die Jahre wachsen und erblühen zu sehen. Vorher habe ich heute im Robert-Koch-Institut gearbeitet, wo mit Fliegen aus Afrika die Verbreitung von Milzbrand geprüft werden soll. Hinterher gabʼs noch eine Führung ins Hochsicherheitslabor.
CityNEWS: Was vermisst Du am meisten an Köln, wenn Du lange auf Achse bist?
Dr. Mark Benecke: Mein Bett. Ach ja und natürlich den Dom. Ich halte mit meinem Rad immer vor ihm an und fahre nie einfach vorbei – ein unfassbar geiles Bauwerk.
CityNEWS: Apropos Fahrrad: Du hast kein Auto, kein TV etc. Wofür gibst Du gerne Geld aus?
Dr. Mark Benecke: Ich war jahrelang auf der Suche nach einer sehr präzisen Uhr, die gut auch eine andere Zeitzone und den Tag als Wort und Zahl angeben kann. Das war unglaublich schwierig und hat mich einiges an Geld gekostet, weil ich immer alles in Ruhe ausprobiere und die Modelle dann immer wieder kaufen und verkaufen musste. Ich habe jetzt aber endlich ein gutes Modell gefunden, das nicht teuer war, aber zuverlässig ist.
Mit herzlichem Dank an Astrid Waligura und die Redaktion für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.