Die letzte Generation im Knast (Teil 7): Moritz

Fette Haft-Strafe für Moritz von der Letzte Generation, während derzeit beim Welt-Klima-Gipfel die Zähren fließen — was ist da los? Kriminal-Biologe Dr. Mark Benecke fragt nach.

Mark: Lieber Moritz, was hast du im Gerichts-Saal gefühlt und gedacht, als du zu sechs Monaten Haft im echten Knast — nicht zur Bewährung — verurteilt wurdest?

Moritz: Ich konnte es nicht fassen. Es war sprichwörtlich unfassbar, im ersten Moment nicht greif- und bis jetzt nicht nachvollziehbar für mich. 

Die Begründung von Staatsanwaltschaft und Richter empfand ich als verletzend und herabwürdigend. Sie bezeichneten diesen politischen Protest als puren Vandalismus und leugneten, dass dies ziviler Ungehorsam gewesen sei. 

Besonders irritierend war, dass der Richter wegen einem rechtskräftigen Protest von mir in Frankfurt, bei dem ich eine "ölartige  Flüssigkeit" mit umgebauten Feuerlöschern auf eine Filliale der Deutschen Bank anbrachte (mein Feuerlöscher ging dabei nicht, aber ich war vor Ort dabei), dass ich genau gewusst hätte, dass die Farbe, die ich bei der dem Protest bei der Uni Heidelberg verwendet hatte, nicht mit Wasser zu reinigen war. 

Daraus einen Kausalzusammenhang zu schließen, ist so nicht richtig, da das unterschiedliche Flüssigkeiten waren.   

Was erwartet dich im Knast und wie bereitest du dich darauf vor?

So richtig weiß ich das gar nicht, was mich im Gefängnis erwartet. Ich saß bisher noch nicht im Knast. Ich habe bisher eine Nacht in einer Einzelzelle verbracht, länger war ich noch nie eingesperrt. 

Mein Wissen und meine Erwartung und sicher ein Teil der Vorbereitung stützt sich auf den Erfahrungen und das Wissen von Mitstreiter:innen. Wir haben sogenannte "Knasttrainings", die zumindest Licht ins unbekannte Dunkle bringen können und das hilft zumindest mental. Ohne diese bliebe es für mich selbst eine absolute Blackbox. 

Daher schätze ich dieses wertvolle Privileg, das ist auch ein Teil dessen, warum mir der Protest leichter fällt. 

Was aus dem Training erscheint dir beispielsweise wichtig?

Besonders in Erinnerung aus dem Knastttraining ist mir geblieben, dass Gefängnis ein Ort ist, in dem man sehr intensiv mit sich selbst konfrontiert ist. 

Deswegen ist es besonders wichtig, zu beobachten, in welcher mentalen Verfassung man ist und wieso, um diese lange Zeit durchzustehen. 

Helfen können verschiedene Tools, wie z.B. ein "mentales Tagebuch" in der man seine Gefühlslage jeden Tag für sich selbst notiert.   

Ein halbes Jahr echte Haft: Dafür muss ein Mensch normalerweise schon eine Körperverletzung begehen.  Wenn du deine Strafe mit anderen vergleichst, was denkst du dann?

Natürlich ist das unverhältnismäßig. Ganz klar. Weil die Farbe ließ sich entfernen. Geht man heute bei der Uni Heidelberg vorbei, erinnert weder an dem Gebäude, noch auf dem Boden oder den Treppen davor etwas an diesen Protest. Eine geschundene Menschenseele kostet aber weit mehr, nicht alleine darauf bezogen, was die dafür benötigten medizinischen Mittel betrifft. 

Und ja, auch der volkswirtschaftliche Aufwand für die mit der Klimakrise verbundenen psychischen Krisen wie Depressionen nimmt immer mehr zu und steigt mit steigenden Temperaturen an.   

Die Menschen stellen sich nicht massenhaft hinter euch, sondern warten großteils wie gelähmt auf das, was die Klima-Veränderungen bringen werden. 

Die meisten stellen noch nicht einmal ihre Ernährung um, sondern "nehmen sich etwas vor", das heisst, sie handeln nicht. Auch die Demos werden derzeit kleiner. Wie erklärst du dir das?

Ich erkläre es mir mit einer Ohnmacht vor der großen Herausforderung, vor der wir stehen. Die Klimakrise wird zumindest immer fühlbarer, dennoch zögern wir, weil die Maßnahmen eklatant massiv wirken. Und das macht uns Angst. 

Diese nutzen auch die Machthabenden gezielt, damit wir handlungsfähig bleiben. Solange eine Gesellschaft Angst hat, wird sie sich nicht gegen bestehendes Unrecht und gegen bestehende Ungerechtigkeit wehren, auch wenn es noch so legitim ist. 

Tatsächlich beobachten auch Expert:innen seit einiger Zeit eine gewisse "Klimamüdigkeit" oder gar "Klimaohnmacht" in Teilen der Gesellschaft. 

Es ist die Aufgabe der Regierung, die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass wir alle das Richtige tun, ohne täglich darüber nachdenken zu müssen.


Letzte Generation – Maja

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