WGT-Tagebuch 2023

Quelle: Orkus! Juli/August 2023 mit WGT Extraheft, Seiten 1–11

Das Tagebuch als .pdf

Mittwoch, 24. Mai 2023

Köln Dom Hauptbahnhof: Ines hat zum ersten Mal seit ich sie kenne drei Koffer dabei. Ihre Begründung: „1. Ich brauche mehr Platz, um beim WGT einkaufen zu können; 2. Ich muss das Gewicht verteilen, die Korsetts sind zu schwer, es ist so viel Stahl darin.“ Ich frage mich, ob in Korsetts wirklich Stahl ist. Früher bestanden sie aus Walfischbein.

Frankfurt: Ines ist erleichtert. Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, jetzt aber festgestellt, dass sie alles dabei hat. Auf Nachfrage, was besonders wichtig gewesen sei, antwortet sie: „Socken! Das ist das Wichtigste, wenn man auf dem WGT unterwegs ist, dass man Flauschsocken dabei hat, damit man sich die Füße nicht wund läuft.“

Beim Umsteigen im Frankfurter Hauptbahnhof treffen wir Julia, die regelmäßig die drei alten Herren (DJs) bei der Eröffnung des WGTs in der Agra bespaßt und bei Laune hält. Julia ist das Fuß-Blasenproblem bekannt. Sie hat dafür aber eine andere Lösung: „Unbedingt Compeed Blasenpflaster. Auf gar keinen Fall die Billigmarke von dm kaufen. Und schon vorher draufkleben. Nicht erst, wenn es zu spät ist.“ Mark: „Welche Vorteile hat das Blasenpflaster, was passiert dann?“ Julia: „Keine Blasen, das ist der Vorteil!“ (lacht). Mark: „Du hast einen sehr großen Koffer dabei. Was ist das Wichtigste da drin?“ Julia: (überlegt) „Da ist mein ganzer Hausstand drin.“ Mark: „Ein Gegenstand, der besonders wichtig ist, ohne den du nicht reisen könntest?“ Julia: (überlegt noch länger): „Meine Aufbeißschiene! Die kann man als einziges nicht nachkaufen.“

Der Zug nach Leipzig ist in Regenbogenfarben gehalten. Wir fragen uns, ob zum WGT nun auch die Leipziger WGT-Linie 32 – vormals schwarz – in bunt schillernden Regenbogenlinien durch die Stadt glitzern wird. Auf dem Boden des ICEs findet sich passend zum 30-jährigen Jubiläum des Wave-Gotik-Treffens ein „Happy Birthday“-Strohhalm mit goldenem Schleifchen. Passend? Sicher ist, es wird feierlich und glänzend.

Leipzig: Kaum sind wir am Bahnhof angekommen, finden wir schon ein riesiges Poster, das „The Beauty of Horror“ in den Promenaden, also den Einkaufsbereichen des Leipziger Hauptbahnhofes, verspricht: nicht weniger als „your darkest WGT experience“. „Ines, willst du überhaupt noch zur agra gehen, oder bleiben wir hier?“ Ines: „Wir können direkt hierbleiben, das hat ja schon vor zwei Tagen angefangen.“ Mark: „Was glaubst du, ist die darkeste WGT experience?“ Ines: „Das ist eine gute Frage, weiß ich nicht.“ Mark: „Ines hat nur Angst, es auszusprechen: In allen Läden sind die Socken ausverkauft! The darkest WGT experience!“

Donnerstag, 25. Mai 2023

10:48: Auf dem Bett liegen etwa sieben Schminkpinsel, fünf Kajalstifte und 16 Lidschattenfarben. Ines geht als aus dem „Sandman“ Comic- und Fan-Fiction bekannte Figur Death und ist bereits reichlich geschminkt. Da fällt ihr eine Sache ein: „Ich hab‘ meine Abschminksachen vergessen!“

Der Leipziger EMP-Store hält durch. Die diesjährige Überraschung im Fenster ist neben einer knuddeligen Fledermaus die allerdings weiße Magie betreibt (Pentagramm zeigt nach oben), der Scheitan höchstselbst. Unter dem Label „Kult Cuties“ trägt auch er – trotz Totenköpfen, Ziegenhörnern und weiteren satanischen Symbolen – das Logo der weißen Magie auf die Stirn gebrannt. Hat der Scheitan ins Team Wellness gewechselt?

Vor dem EMP-Store treffen wir Stephan und Sabine aus Augsburg. Mark: „Fühlt ihr euch auch angegruselt von den beiden Satansfiguren, die hier am Fenster stehen?“ Sabine: „Nee, angegruselt eigentlich ned!“ Stephan: „Nicht wirklich.“ Mark: „Hier sind auch Ouja-Boards. Habt ihr auch schon mal mit dem Jenseits gesprochen?“ Beide: „Nein.“ Mark: „Würdet ihr das gerne mal machen? Kennt ihr irgendjemanden im Jenseits, mit dem ihr gerne sprechen würdet?“ Beide: „Ja.“ Mark: „Also hier sind potenzielle Kunden.“

Wir treten aus dem EMP und treffen Niklas. Mark: „Dir ist an meiner originalen gruftigen Bekleidung etwas aufgefallen: Das wunderschöne Dunder Mifflin-Patch.“ Niklas: „Das fällt mir immer direkt ins Auge.“ Mark: „Neulich ist dir was passiert, da hast du auch eine Person mit so einem Patch gesehen.“ Niklas: „Ja genau, und zwar zufällig dieselbe Person!“ Mark: „Genau das war ich!“ (lacht)

14:44 Uhr: Ines ist soeben als 3D-Modell in der Neuroanatomie der Uni abgeformt worden. Die Oberflächennachbildung zeigt Fäulnisflecken in der Farbe von Pseudomonas, dem Leichenbakterium. Mit einer Augmented Reality-3D-Brille wird Ines, die jetzt gar nicht mehr auf dem Tisch liegt, wieder auf den Tisch gelegt. „Wie fühlst du dich?“ Ines: „Dupliziert. Und begeistert. Es hat alles funktioniert“

16:31 Uhr: Wir fahren mit der Linie 9 aus der Neurochirurgie der Uniklinik, in die ich noch einen Abstecher in den Operationssaal während einer Wachoperation einer Patientin gemacht habe, zum Goerdelerring. Ein kleines Mädchen starrt Ines in der Straßenbahn mit großen Augen unumwunden an. Was ist passiert? Ines: „Sie hat zu ihrer Mama gesagt: ‚Mama, da ist ein Geist!‘ Die Mama hat aber ganz richtig gesagt: ‚Da ist kein Geist.‘ Dann hat das Mädchen geschlussfolgert: ‚Achso, Geister sind ja unsichtbar.‘ Ich winkte dann einfach zurück, das Mädchen winkte mir zu. Es glaubte, dass die Mutti das nicht sehen konnte.“ Mark: „Das Mädchen glaubt, die Mutti konnte dich nicht sehen?“ Ines: „Ja, weil ich ein Geist bin und die ja unsichtbar sind!“ Mark: „Das heißt, ich habe auch den sechsten Sinn, weil ich dich ja sehen kann.“

Am Goerdelerring bei den Pusteblumen-Springbrunnen zieht eine Kindergartengruppe Hand in Hand in Zweiergruppen an uns vorbei. Dahinter stehen drei in tiefstes Schwarz gekleidete Gruftis. Mark: „Ob die wohl dazu gehören?“ Ines: „Ist doch dasselbe!“ Bei der Bäckerei Brotgefühle gibt es dankenswerterweise alles in vegan. Es ist vermutlich kein Zufall, dass heute ausnahmsweise vieles schwarz ist, darunter die Gratis-Schokolade zum Kaffee, das schwarze Herz auf der Leipziger Lärche und der Mohnkuchen. Finsternis beim veganen Bäcker.

17:49 Uhr: Die Bändchen-Schlange ist sehr lang. Es ist die längste Bändchen-Schlange aller Zeiten. Die Stimmung ist gut.

19:28 Uhr: Wir haben aufgebaut. Es ist überhaupt noch niemand da, aber im Treffen-Café startet schon die Party. „Seit wie vielen Jahren bist du schon im Treffen-Café?“ DJ Ingo: „Das ist jetzt das ünfte Jahr.“ Mark: „Kannst du das empfehlen, fünf Tage und fünf Nächte durchzuspielen?“ DJ Ingo: „Ja, kann ich. Es macht einfach Spaß, es ist Lebensfreude, die man teilen kann.“ Mark: „Hast du

daraus irgendwas gelernt für dein Leben?“ DJ Ingo: „Vielleicht in der Vorschule besser aufpassen?“ (lacht)

21:03 Uhr: Internationale Gäste erscheinen jetzt in der Vorhölle vor der agra. „Ines, was weißt du über unseren kanadischen Gast, der neben dir sitzt?“ Ines: „Dass er unser Brot nicht so gerne mag.“ Mark: „Du hast aber auch allen Grund dazu. (lacht) Was hast du erwartet und was hast du bekommen?“ Justin: „Es ist gut. Es ist nur anders als amerikanisches Brot. Das ist alles.“ Mark: „Du bist sehr höflich. Ist das eher aufgrund deiner amerikanischen oder kanadischen Wurzeln?“ Justin: „100 Prozent kanadisch!“ Mark: „Bon appetit! Gibt es etwas, das du bereits interessant gefunden hast an dem diesjährigen WGT?“ Justin: „Mehr als 20 Goth-Personen auf einem Fleck!“ Justin kann auch deutsch sprechen. Er behauptet, dass er nur sehr wenig Deutsch kann, aber Ines bringt ihm schon allerlei Unsinn bei. „Was bringst du ihm bei?“ Ines: „Doch! Das ist ein sehr wichtiges Wort in Deutschland, weil wenn du recht hast, kannst du einfach ‚Doch!‘ sagen.“ Justin: „Doch!“ Mark: „Wo hast du Deutsch gelernt?“ Justin: „Vor zwei Jahren, im College habe ich zwei Jahre Deutsch gelernt. Weil ich bin ein Deutscher in der dritten Generation und wollte immer schon mal das Land besuchen. Endlich habe ich es geschafft.“ Mark: „Wie kommt es, dass du dazu das Wave-Gotik-Treffen auserkoren hast?“ Justin: „Ich habe Goth selbst entdeckt, weil wo ich herkomme, gibt es gar nichts. Also war es ganz natürlich, dass ich nun hier bin.“ Mark: „Du passt sehr gut hier her. Doch!“

Viele Produkte auf dem agra-Gelände bleiben gleich. Manche aber auch nicht. Dieses Jahr gibt es Penis- und Vulva-Waffeln. Ines meint: „Besser als der Zigarettenstand, der hier vorher war.“ Es haben sich zwei Kundinnen eingefunden, nämlich Mandy und Steffi. Mark: „Wie schmeckt dein Penis mit Glitzersternchen und einer weißen Spitze?“ Steffi: „Wirklich lecker und sehr fluffig!“ Mark: „Glaubst du, dass menschliche oder tierische Penisse anders schmecken?“ Steffi: „Aus Erfahrung: nein!“ Mark: „Du hast eine Vulva, wie würdest du die geschmacklich beschreiben?“ Mandy: „Fluffig und weich. Passt perfekt.“ Maik tritt hinzu und jammert: „Ich gehe leer aus!“ Mark: „Warum hast du nichts bekommen?“ Maik: „Ich warte auf Potatoes!“

Freitag, 26. Mai 2023

00:35 Uhr: Wir nehmen die rätselhafterweise letzte Bahn in die Stadt. Die Party mit Olli und Elvis war ein Traum. Das Publikum war in Massen herbeigeströmt. Für einen Moment ist die Welt wieder so, wie sie einmal war. 10:46 Uhr: Ines: „Ich muss mal Billie Eilish zitieren: Diese Haare sind verdammt schwer!“ Wie schön, denn dieses Problem habe ich nicht, harr haar. Doch wer ist die geheimnisvolle (altgriechische?) Philosophin Eilish und wo finde ich ihre Schriften?

11:19 Uhr: Ines‘ selbst erklärtes Motto heute: „Nicht bücken, nicht aufs Klo, nicht atmen.“ – Das Korsett!

12:06 Uhr: In der Linie 11 zur agra treffen wir Karin und Corvin. Die beiden haben schwarze Tempo-Taschentücher dabei. Hier kommt die Geschichte. Karin: „Die habe ich mal im Supermarkt gesehen, war für Herren gedacht, und leider wurden sie nie mehr neu aufgelegt. Ich habe das ganze Regal leergekauft und gönne mir für jedes WGT exakt zwei Packungen.“ Mark: „Wann war das, als du das Regal leergekauft hast?“ Karin: „Vor fünf, sechs Jahren.“ Mark: „Wie lange hält dein Vorrat noch?“ Karin: „Bestimmt noch drei oder vier WGT.“ Mark: „Fühlen die sich anders an? Was machst du damit eigentlich? Nur Schweiß abtupfen?“ Karin: „Maximal die Stirn abtupfen.“ Mark: „Und was löst das in dir aus, wie fühlt sich das an?“ Karin: „Schwarze Heimat!“ Mark: „Dann kannst du dich überall schwarz heimelig fühlen.“ Mark: „Corvin, du bist nicht nach Matthias Corvinus benannt, sondern es lief anders ab.“ Corvin: „Meine Eltern haben in einem alten deutschen Namensbuch den Namen gefunden und ich bin in München geboren. Da musste der Name erst bewiesen werden, das heißt mein Vater ging zur Staatsbibliothek und hat in alten Amtsbüchern Corvinus gefunden mit dem ‚us‘ in Klammern und das wurde damit eingetragen. Es gibt in Bayern nur jüngere, keine älteren Corvins.“ Mark: „Warum wurde dieser Name von deinen Eltern ausgewählt?“ Corvin: „Hauptsächlich aufgrund der schwarzen Haare … ich hatte mal Haare, jetzt habe ich ja keine mehr.“ Mark: „Hättest du gern wieder schwarze Kopf-Haare?“ Corvin: „Irgendwie nein, aber meine Frau ja. Mir ist es egal, es ist einfacher so.“

16:37 Uhr: Das WGT hat noch nicht seinen vollen Schwung aufgenommen, mein erster Vortrag war aber allerdings schon zum Platzen voll. Wir treffen auf der Flaniermeile Elli und Charly. „Was habt ihr in den wenigen Stunden des bereits laufenden WGT erlebt?“ Elli: „Erst mal haben wir viele Leute in der Stadt getroffen und wir sind glücklich darüber, dass alle so ein glückliches Gesicht haben und dass wir wieder hier sind in Leipzig. Und ansonsten haben wir die Shopping-Meile besucht und erst mal schön Geld ausgegeben.“ Mark: „Was habt ihr denn so gekauft?“ Charly: „Armbänder, Buttons, so ganz viel kleinen Scheiß, den man Leuten auch mal in die Hand drücken kann.“ Mark: „Ihr verschenkt also auch was, ihr kauft nicht nur für euch, sondern auch für andere?“ Beide: „Genau!“ Elli: „Es ist schön, wenn man anderen Leuten eine kleine Freude machen kann.“ Mark: „Verschenkt ihr das auch an bunte Menschen oder nur an Gruftis? Charly: „Nur an Gruftis! Da ist man straight.“ Mark: „Wurdet ihr in der Stadt schon angesprochen von missionierenden Christen? Wir wurden in der Stadt schon mehrmals von Christen angesprochen.“ Beide: „Nein, wir umgehen die.“ Mark: „Woran erkennt ihr sie?“ Elli: „Sie kommen immer so gerade auf einen zu!“ Mark: „Ich drücke euch die Daumen, dass ihr ihnen auch weiterhin entwischen könnt!“

17:25 Uhr: Durch eine orangefarbene Weste hebt sich ein merkwürdiger, an den Schädelseiten glatt rasierter Mann ab. Es ist Delta-Romeo. Mark: „Warum bist du orange bekleidet?“ Delta-Romeo: „Weil wir vielleicht dasselbe Ziel haben heute?“ Mark: „Richtig, vor dir sitzt der Brigade-Arzt.“ Delta-Romeo: „Das weiß ich, dass du der offizielle Patenbrigade-Betriebsarzt bist!“ Mark: „Was denkst du, was ich da so mache als Betriebsarzt?“ Delta-Romeo: „Tja. Erstmal alle ordentlich abklopfen, sind sie denn trinkfest, die ganzen Zuschauer?“ Mark: „Und was stellst du dir vor, was ich gegenüber der Band machen muss?“ Delta-Romeo: „Na ja, erst mal den Kehlkopf untersuchen. Sind sie denn alle fit von der Stimme her, muss sie nochmal nachgeölt werden? Zum Beispiel mit Bier!“ Mark: „Glaubst du, es wird heute wieder ein riesiges Rohr geben, durch das Bier ins Publikum ausgeschenkt wird?“ Delta-Romeo: „Es wäre eine Schande, wenn es nicht so wäre!“

17:50 Uhr: Ines und Johan (Suicide Commando) haben Spaß. Wer die Aliens neben den beiden waren, haben wir nicht erfahren. Nice!

19:00 Uhr: Die Patenbrigade beschließt, dass ich nicht nur die Ansage machen soll, sondern auch Marshall am Keyboard vertreten, Steine (Mauersteine) auf die Bühne schleppen und ein riesiges Plastikrohr halten soll, durch das von der Bühne aus Bier gefüllt wird, welches sich dann in die Münder und Becher des Publikums ergießt. Gut, dass ich meinen Kittel dabei habe. Neben mir steht Johan von Suicide Commando. Ich bitte ihn, mich bei diesen Tätigkeiten zu unterstützen. Er – offenbar ebenso ein schüchterner Gothic-Boy wie ich – schaut verlegen nach unten und sagt: „Dazu müsste ich erst noch etwas trinken ...“

20:35 Uhr: Heidnisches Dorf: Direkt am Eingang befindet sich die Bude für das „Fantastic- Mystic-Gothic-Rommé“. Sie ist leer. Was ist geschehen? Vor dem Bade- und Zuberhaus kocht ein schwarzer Kessel. Es steht zu befürchten, dass damit das heiße Wasser des Zubers zubereitet wird. Ines war schon sehr oft im Zuber. Wie fühlt es sich dort an? Ines: „Das ist sehr angenehm, aber das Wetter wäre heute viel zu kalt dafür. Es muss etwas wärmer sein, sonst friert man zu sehr.“ Mark: „Merke: wer im heißen Wasser des Zubers baden möchte, kann dies nur bei sommerlich heißen Außentemperaturen tun.“ Ines: „Ja, im Zuber sein ist ok, aber danach ist man nass. Man hat nasse Haare und nasse Unterwäsche normalerweise… und dann muss man mit den nassen Sachen noch eine Weile herumlaufen.“ Im Zuberhaus gibt es scheinbar keine Handtücher. Und das, obwohl gestern Welt- Handtuchtag war. Ich bin erschüttert.

20:44 Uhr: Zeit fürs Frühstück. Am Kaffee- und Tee-Zelt gibt es als einziges Gericht Lokum-Würfel. Dazu passt ein Schwarztee.

21:16 Uhr: Die Band Qntal leidet unter technischen Problemen, die sie nicht zu verantworten hat. Vor der Bühne treffen wir die stimmgewaltige Band Stimmgewalt, die sich zunächst Qntal und danach Lord of the Lost anhören möchte. Mark: „Alina, du hast ein Glitzerkorsett an?“ Alina: „Ja, mit dem Symbol von ‚Blood and Glitter‘ in Strass.“ Mark: „Glaubst du, dass Chris das sehen wird? Wird er dich erkennen?“ Alina: „Nein, aber er freut sich sicher trotzdem.“ Mark: „Würdest du Chris mit nach Hause nehmen heute Nacht, wenn er das entdecken würde?“ Alina: „Ich hab ein sehr kleines Bett, deswegen nein. Aber ich geb ihm das Korsett mit!“ Jan: „Ich glaube, Chris würde sehr gut aussehen mit diesem Korsett!“ Mark: „Chris, ich bring dir gleich ein Glitzer-Korsett mit!“

21:32 Uhr: Eigentlich hätte Qntal den insgesamt ungefähr 25. Auftritt auf dem Wave-Gotik-Treffen (mit dieser Band und dem Begleitprojekt Estampie) gehabt. Allerdings fallen die Boxen aus. Die Band kann seit einer halben Stunde nicht spielen. Wir sind gespannt, wie es weitergeht. Ines: „Er hat auch schon angefangen zu sprechen!“ Mark: „Das Publikum wünscht sich a cappella, aber die Band lehnt ab.“

21:50 Uhr: Es wird poetisch. Eskil (Covenant), der in anderen Sphären schwebt, nämlich denen des Todes und der Liebe, geistert über die Bühne. Als Daniel Myers auf der Bühne vom hellen Licht geblendet wird und äußert, dass er jetzt blind sei, erhält er von Eskil zur Antwort: „Light of Love!“ Hinter der Bühne treffe ich Eskil, dem ich berichte, dass wahrscheinlich zum ersten Mal seit langem dreimal während der Veranstaltung die Halle geschlossen werden musste, wegen Überfüllung. Der großartige, spirituelle und bescheidene Eskil dazu: „Ich bin nur das Tor, die Energie kommt von den Zuschauerinnen und Zuschauern.“ Es ist wirklich ein tolles Gefühl der Verbundenheit, das Autogramm von Eskil, seit sehr vielen Jahren auftätowiert, zu tragen. Damit endet unser Tag, denn morgen ist das Frühstück der Vampyre. Und zumindest Ines möchte dafür fit sein.

Samstag, 27. Mai 2023

00:20 Uhr: Lord of the Lost haben das Lied „Blood and Glitter“ dorthin gebracht, wo es hingehört, nämlich in die schwarze Gemeinde. So sehen es auch Chris und die restliche Band, die sichtlich gelöst und glücklich ein echtes Live-Set abrocken können. Anders als das Playback, das die Jungs in den letzten Wochen erdulden mussten.

00:45 Uhr: An der Straßenbahnhaltestelle ist der größte schwarze Wartehaufen eingetroffen, den das WGT bislang gesehen hat. Wo bleibt die Bahn? Auf der Anzeige wird behauptet, sie käme im 10-Minuten-Takt. Die Menge der Wartenden spricht eine andere Sprache.

11:44 Uhr: An der Straßenbahnhaltestelle treffen wir Jana. Mark: „Warum sind so wenige Gruftis hier? Ich sehe sehr viele bunte Menschen.“ Jana: „Ich glaube, die schlafen alle noch. Die sind alle fertig noch von gestern, dem ersten Tag.“ Mark: „Was hast du gestern als Letztes gemacht, woran du dich noch erinnern kannst?“ Jana: „Wir waren bis 21 Uhr auf dem Viktorianischen Picknick, sind dort ein bisschen versumpft und essen gegangen. Irgendwann lag ich dann im Bett.“ Mark: „Warst du auch auf dem Depeche-Mode-Konzert?“ Jana: „Nein!“ Mark: „Würdest du hingegangen sein, wenn dudas Geld gehabt hättest?“ Jana: „Ja!“

11:48 Uhr: Hinter uns ertönen Sprechchöre. Ines weiß sofort, dass es sich bei dem besoffenen Gegröle um das Wort „Schalke“ handelt. Die Stadt Leipzig hat offenbar entschieden, zum WGT und zusätzlich zum Depeche-Mode-Konzert auch noch Fußballfans in die Stadt zu bitten. „Ines, wie konntest du erkennen, dass es sich um Schalke handelte, obwohl wir beide absolut nichts von Fußball verstehen?“ Ines: „Ich kann betrunkene Menschen verstehen. Ich bin die Einzige, die das kann und muss immer als Übersetzerin der betrunkenen Menschen fungieren. Wenn wer verschwunden ist, man ihn anruft und man am Telefon nur ‚Äheehäähääm‘ hört, kann ich das übersetzen und sagen, wo er sich gerade befindet.“ Mark: „Auf vielen Festivals hilfreich, aber weniger auf dem WGT, wo sehr wenig Alkohol getrunken wird.“

11:51 Uhr: Neben uns in der Linie 11 sitzen zwei Zuhörerinnen meines heutigen Vortrages. Wir sind schon ziemlich spät dran. Ines und Claudia stellen zurecht fest: „Wenn man vor dem Professor zur Vorlesung kommt, ist man nicht zu spät.“ Ich bin in diesem Fall der Professor.

12:19 Uhr: Kurz vor dem Auftritt. Wir treffen die beiden, laut eigener Aussage, ältesten Security-Leute. Christiane: „Ich bin 70!“ Maria: „Ich werde 77!“ Mark: „Wie seid ihr zu diesem wunderbaren Job gekommen?“ Christiane: „Ob der wunderbar ist, bei zwölf Stunden stehen, ist natürlich fraglich. Aber für uns ist schön, ein bisschen was für die Rente dazu zu tun. Dann sehen wir auch nette Leute wie Sie heute und auch die vielen anderen tollen Leute, die hier ihr Wave-Gotik feiern.“ Mark: „Was ist euer Geheimnis, die zwölf Stunden durchzuhalten?“ Maria: „Unsere Fitness ist unser Geheimnis!“ Mark: „Was macht ihr zur Fitness?“ Maria: „Wir gehen auf den Trödelmarkt. Das hält fit! Und wir haben noch eine Kollegin mit, die ist sogar 80!“ Mark: „Habt ihr schon Probleme mit den Gruftis gehabt bisher?“ Beide: „Nein!“ Christiane: „Es gibt immer mal irgendwas, aber das machen wir mit links.“ Der Chef der Security ist deutlich jünger. „Was sagst du zu deinen älteren Mitarbeiterinnen?“ „Die besten Mitarbeiterinnen, die ich seit Jahren gehabt habe. Respekt vor den Damen, die das machen.“ Mark: „Was können sie am besten, was die Jüngeren vielleicht nicht so können?“ – „Kommunizieren und mitdenken!“

15:05 Uhr: Markus Heitz ist zu seiner Vorlesung, die um 15 Uhr beginnt, eingetroffen. Jetzt ist er aufgeregt und bereitet sich vor. „Wie fühlst du dich fünf Minuten nach Beginn deiner Veranstaltung?“ Markus: „Ich war schon 15 Minuten vor der Veranstaltung vor der Kirche, da war es auch sehr schön. Aber ich wusste nicht, dass ich schon rein muss.“ Mark: „Ist das dein erster Vortrag hier? Du weißt nicht, dass es Künstlereing.nge gibt?“ Markus: „Nein!“

15:55 Uhr: Neben mir steht stark verfrüht der Tod. Da er noch in seinem Inkognito ist, darf man nicht zu viele Fragen stellen. „Wie ist es für dich, als Tod vor lauter Untoten im Publikum aufzutreten?“ Tod: „Ich bin ja heute inkogniTOD! Ich freu mich natürlich. Untot ist gegen meine Arbeitsmoral, aber irgendwann krieg ich sie. Und jetzt freu ich mich, dass sie freiwillig zu mir kommen!“

15:20 Uhr: Beim Signieren erkenne ich ein sehr schönes Banner, das meinen (glaube ich sogar hier in der Orkus!) geprägten Satz „Endlich normale Leute“ weiterträgt. Recht so!

15:41 Uhr: Mein Vortrag ist vorbei, eine riesige Schlange steht am Bücherschrank und der Tod hat seine Bühne aufgebaut. Neben mir steht Tina. Mark: „Du hast eine sehr schöne Nachtmahr-Uniform an. Und du hattest auch schon Erfahrungen mit der Band?“ Tina: „Ja, ich war schon öfter auf Konzerten und in Nürnberg durfte ich auf die Bühne, da wurde mir der Hintern versohlt.“ Mark: „Wusstest du das vorher?“ Tina: „Nein.“ Mark: „Wie war’s?“ Tina: „Ein Erlebnis!“ (lacht) Mark: „Und jetzt gehst du wieder hin? Würdest du wieder auf die Bühne?“ Tina: „Immer!“

17:12 Uhr: Die Nachtmahr-Fans stehen gut gekleidet in der ersten Reihe. „Wenn ich noch nie von der Band gehört habe, was muss ich über Nachtmahr wissen?“ Fan: „Nachtmahr ist einfach nur eine geile Band!“ Mark: „Was unterscheidet sie von den anderen Bands?“ Fanin: „Eine geile Bühnenshow!“ Fan: „Gar nix. Alle Bands sind gleich.“ Mark: „Wie lange steht ihr hier schon in der ersten Reihe, damit ihr von hier aus die Band sehen könnt?“ Fan: „Seit 16:30 Uhr!“ Mark: „Wie macht ihr das, wenn ihr zwischendurch was trinken, essen oder aufs Klo wollt?“ Fanin: „Wir haben Getränke hier unten!“ Fan: „Hätte fast gesagt, der Sack ist voll!“

17:15 Uhr: Die Marketenderinnen vor der agra haben ein neues Gericht entdeckt: die Runensuppe. Welche Buchstaben sind wohl in einer Runensuppe? Wir sind sehr gespannt, werden es aber nicht mehr erfahren, weil wir von der schwarzen Masse auf die Flaniermeile gespült werden. (Erklärung: Es gibt verschiedene Runensysteme. Googelt es gerne mal.)

17:17 Uhr: Backstage läuft mir Erk von Hocico über die Füße. Wir beschließen spontan, dass ich ihn anmoderiere. Beim Herausgehen läuft uns die gesamte Security-Mannschaft entgegen, die aus rätselhaften Gründen in erstaunlich guter Stimmung ist. Vor der Tür der Security hängen Lappen zum Trocknen. Diese sind in gedeckten Farben gehalten. Vermutlich, damit der Fußboden beim Wischen nicht in zu fröhlichbunte Stimmung gerät.

20:00 Uhr: Ines ist erstaunt, dass Erk deutsch spricht. Er hat eigentlich nur gesagt: „Danke, wir sehen uns.“ Dies scheint Ines aber schon genügend Anzeichen zu sein, dass flüssige Deutschkenntnisse vorliegen.

20:27 Uhr: agra-Shoppinghalle. Angelockt vom Versprechen, dass alles vegan sei, betreten wir den Halsband-Verkaufsstand. Ines ist besonders begeistert davon, dass auch die Verkäufer und Verkäuferinnen vegan sind. „Was muss ich beachten, wenn ich meiner Sub ein passendes Halsband kaufen möchte? Oder meinen punkigen Freunden ein Nietenhalsband?“ Aaron: „Das Wichtigste ist, dass es auch passt! Das häufigste Problem, wenn man irgendwas im Internet bestellt: Es passt nie richtig. Wir passen alles direkt an die Körpermaße an, auch wenn sie nicht der Norm entsprechen.“ Mark: „Abgesehen von dieser menschenfreundlichen Herangehensweise gibt es aber auch peinliche Momente.“ Aaron: „Ich habe gerade zwei Kundinnen davon überzeugen wollen, dass die Produkte mega reißfest sind, und das Material reißfester ist als Leder. Beim Reißtest ist eine Niete rausgeflogen. Das waren noch alte Nieten, die ich früher verwendet und noch nicht ausgetauscht habe.“ Mark: „Welche Nieten sind die besten?“ Aaron: „Ich habe Schraubnieten, vorher waren es Pressnieten.“

Sonntag, 28 Mai 2023

Nachts: Tief in der Nacht findet das alljährliche Treffen der WGT-All-Stars statt. Mit dabei: Peter

Spilles und viele andere ... viel Freude mit dem Suchbild. (Siehe oben)

11:09 Uhr: Auf dem Weg zum Vampyrfrühstück begegnen wir Ivy und Andi. „Ihr habt heute Nacht wach gelegen und euch Gedanken gemacht. (Gelächter) Was ist euch durch den Kopf gegangen?“ Ivy: „Bei deinem Vortrag gestern haben wir die Diskussion gehabt, was wäre, wenn dieses abgestürzte UFO voll wäre mit einer Flüssigkeit, die dann verdampft, das heißt, das Alien zermatscht, das Flüssige aber in der Wüste verpufft und nicht nachweisbar wäre.“ Mark: „Ein interstellarer Alien-Super-Airbag. Wo kommt ihr her?“ Ivy: „Aus Winterthur!“ Mark: „Was ist das Wichtigste, das die Deutschen über Winterthur wissen müssen? Außer, dass es dort eine Versicherungsmarke gibt.“ Ivy: „Wir sind nicht Zürich!“ (lacht)

11:17 Uhr: Ich bin keinen Meter weitergekommen und schon laufen mir die nächsten Schweizerinnen und Schweizer in die Arme. „Wo kommt ihr her?“ Jacqueline und Sascha: „Aus Zürich und Wallis.“ Mark: „Ich habe gerade gelernt, dass Winterthur nicht Zürich ist. Wie ist eure Meinung dazu?“ Jacqueline: „Das stimmt! Ich habe auch in Winterthur gewohnt, aber ich bin eigentlich aus der Stadt Zürich.“ Mark: „Ihr habt vor einiger Zeit einen Vortrag von mir gehört. Was ist euch in Erinnerung geblieben?“ Jaqueline: „Ich fand es ziemlich wichtig, dass die Toten gepflockt wurden, weil sie Angst hatten, dass sie wieder auferstehen.“ Mark: „Das würdest du nicht machen?“ Jacqueline: „Nein! Und es war noch witzig mit diesen Fingernägeln. Dass alle gedacht haben, sie leben noch, weil die Leichen-Fingernägel so aussahen, als würden sie weiter wachsen.“ Mark: „Aber in der Schweiz glaubt ihr nicht an lebende Tote, Vampire und dergleichen?“ Jacqueline: „Es wäre schon witzig, aber in der Realität geht das sicher nicht. Aber ich schaue schon gerne Vampirfilme.“ Mark: „Wie erklärt ihr euch die große Vorliebe der Schweizerinnen und Schweizer für Vampirfilme, Trash-Horror, billige Zombie-Filme, ‚Mad Heidi‘. Was ist da los in der Schweiz?“ Sascha: „Wir haben viele Mythen und Sagen. Vielleicht deshalb.“ Jacqueline: „In Bern gibt es einen Brunnen, der heißt Kindlifresserbrunnen. Ich denke, von dem her kommt das vielleicht. Alles Mystische, Interessante.“

12:52 Uhr: Vor dem Brunch der Vampyre treffe ich Ino. Er ist nicht in romantischem Schwarz gekleidet, sondern aus einem anderen Grund hier. Ino: „Ich bin mit der Musik aufgewachsen, seit vielen Jahren, als ich ein junger Kerl war, habe ich mich nur für schwarze Musik interessiert und höre die bis heute im Auto. Die Playlist ist voll davon. Aber in der normalen Gesellschaft ist es schwierig geworden, noch Clubs zu finden, wo die Musik gespielt wird, oder auch Leute zu finden. Ich habe Auszubildende, die 20 sind, und die kennen überhaupt nichts von der Szene. Die sind eher verschreckt, wenn sie mit mir im Auto fahren. Aber ich zieh das durch und mein großer Traum war es, mal zum WGT zu fahren. Obwohl ich jetzt 49 bin, hat es so lange gedauert!“ Mark: „Du hast einen Ruhrgebietsstimmlaut. Kommst du aus dem Ruhrgebiet?“ Ino: „Ich komme aus dem Ruhrgebiet aus Lippstadt und trauriger Weise musste ich gestern nach Dortmund fahren zum Fußballspiel, bin aber direkt wieder zurückgefahren, da das WGT mir so wichtig war.“ Mark: „Hat gestern nicht Schalke gespielt?“ Ino: „Ja, aber darüber reden wir nicht.“ Mark: „Warst du beim Depeche-Mode-Konzert?“ Ino: „Ja, mit Depeche Mode habe ich angefangen. Es hat mir total gut gefallen. Die Musik ist zwar etwas alt, aber meine Lebensgefährtin, die für unsere Musikrichtung nicht so viel Verständnis hat, war wegen Depeche Mode hier und auch total begeistert. Jetzt zeige ich ihr mal das WGT und was es für tolle Leute gibt, die tolle andere Musik hören.“ Mark: „Sag mir mal zwei, drei Bands, die du ihr zeigen willst oder schon gezeigt hast.“ Ino: „Goethes Erben, Das Ich, Deine Lakaien“.

16:50 Uhr: Nach dem Konzert der Band Stimmgewalt, zu deren zehnjährigem Bestehen in der Peterskirche (eine der singenden Personen ist ein ehemaliger Student von mir und kennt sich mit Leichengerüchen aus) wird nachgeschminkt. Kobold taucht einen pinken Pinsel in eine klare Flüssigkeit. Wie ist das möglich? Kobold: „Weil der Pinsel mittlerweile von so vielen verschiedenen roten Lippenstiften eingefärbt ist, deshalb ist er rosa. Das ist eine spezielle Flüssigkeit aus Alkohol, Mandelöl und Schellack, die den Lippenstift fixiert.“ Mark: „Für immer?“ Kobold: „Bis du es abschminkst.“ Mark: „Was denkst du über Für-immer-Lippenstift, Ines?“ Ines: „Wäre praktisch, dann müsste man den nicht immer nachschminken. Aber dann müsste man sich für eine Farbe entscheiden.“ Mark: „Welche würdest du wählen?“ Ines: „Die, die ich jetzt drauf habe, ist ganz gut.“ Mark: „Wie heißt sie?“ Ines: „Die haben alle so fancy Namen. Mal sehen, wie die heißt: Straps off!“ Mark: „Wie heißt deine Lippenstiftfarbe?“ Kobold: „Mediaval Kiss!“ Mark: „Warum sieht dein Farbgefäß wie ein Taschenvibrator aus?“ (Gelächter) Kobold: „Das ist eine Marke, bei der sehen alle so aus.“ Mark: „Wusste ich nicht, werde ich hoffentlich gleich wieder vergessen.“ P.S.: Soeben fällt mir ein, dass ich von einer Kirchenkanzel aus eine Ansage – für Stimmgewalt – gemacht habe. Mit Vampirzähnen. Hölle und Verdammnis!

19:38 Uhr: Heido. Die Band Skálmöld bittet darum, mitzusingen. Sie kommt allerdings aus Island und niemand versteht die Texte. Also kann niemand mitsingen. Die Fans recken dennoch begeistert die Hände in die Luft.

19:40 Uhr: Skálmöld zieht im Heido – offenbar auf isländisch – den Stock-Fisch derart hart vom Dinkel-Brot, dass ich lieber ein paar Fotos mit den Besucher:innen und MARKierten (unsere Fan-Gruppe: Menschen mit Tätowierung von Ines und mir) mache. Wie gut, dass LotL mir zum Glitzer-Outfit geraten haben, sonst wäre ich spätestens jetzt echt underdressed.

Montag, 29. Mai 2023

00:15 Uhr: Das fantastische, auf den Punkt gebrachte, wunderschöne, von Liebe getragene Konzert der Lakaien – sie haben heute vorwiegend alte Melodien und Stücke vorgetragen – hat die Herzen des Publikums erreicht. Sogar Ines, berühmt für ihre schwere Entflammbarkeit, wurde ins Herz getroffen. „Wie fühlst du dich?“ Ines: „Sehr berührt, wirklich. Und traurig.“ Mark: „Warum denn traurig?“ Ines: „Es ist ein sehr trauriges Lied.“ Mark: „Love Me to the End?“ Ines: „Ja!“ Wir möchten den Lakaien wirklich unseren tiefsten Respekt aussprechen und verabschieden uns damit mit Freude und Dankbarkeit in die Nacht.

12:00 Uhr: In der agra-Halle beim Stand von Cyberesque, der extrem guten Fetish-Ware. Ich trage bereits die knorke Luna-Hip-Bag und erwerbe jetzt außerdem noch einen Holy-Holster. Ich erfahre von Chefin Noraly, dass ich bereits seit einem Jahr ein Geheimnis mit mir trage. Noraly: „Das Geheimfach!“ Mark: „Was empfiehlst du, was wäre das Coolste, das man ins Geheimfach reintun könnte?“ Noraly: „Ähm …“

12:20 Uhr: Am Haupteingang der agra befindet sich ein gynäkologischer Stuhl. Ohne weitere Erläuterung wird darum gebeten, diesen gratis zu benutzen. Bisher haben wir niemanden gesehen, der es getan hat, fragen uns aber auch, was ganz genau hier vorgesehen war.

12:31 Uhr: Ines freut sich seit vier Tagen auf die veganen Sandwiches. Bisher waren sie jedes einzelne Mal ausverkauft. Nun endlich scheint es diese zu geben. Ines versäumt sogar den Aufbau und stellt sich lieber in der Schlange an. Als ich Ines wenig später an der Bühne, wo ich meine Vortragstechnik aufbaue, wiedertreffe, sind die Sandwiches verschwunden. Ines dazu: „Ich wollte sie eigentlich mit zur Bühne bringen, doch als sie vor mir waren, musste ich sie sofort aufessen. Ich konnte nicht widerstehen.“ In der Hand trägt sie nur noch einen Kaffee: Der traurige Rest von Ines‘ WGT-Frühstück. Ich frage mich so langsam, ob es die Sandwiches überhaupt gibt, oder ob sie nur in Ines‘ Fantasie ihr fettiges Dasein führen.

18:42 Uhr: Auf dem Zeltplatz treffen wir Lisa und Emrah. Mark: „Lisa, du hast Glitzersandalen und blaue Zehennägel. Ist das true, ist das echt gothic?“ Lisa: „Wahrscheinlich nicht!“ (lacht) Mark: „Stört dich aber nicht?“ Lisa: „Nein.“ Mark: „Wie bist du sonst noch gekleidet? Du hast ein T-Shirt von In Flames an. Was ist das für eine Musikrichtung?“ Lisa: „Metal.“ Mark: „Bist du genügend mit Metal versorgt, oder ist es dir zu elektronisch und gruftig und poppig hier?“ Lisa: „Ich mag beides gern.“ Mark: „Welche Metal-Band fandest du bisher cool? Die Isländische, die gestern gespielt hat?“ Lisa: „Skálmöld haben wir leider nicht gesehen, wir kommen gerade von Manntra, die fand ich sehr gut.“ Mark: „Hast du einen Tipp, wie man nach einem Festival-Tag auf einem staubigen Zeltplatz die Fü.e gut sauber kriegt?“ Lisa: „Nee, leider nicht wirklich. Wir sind im Wohnmobil und da habe ich eine Dusche.“ Mark: „Welche Seife benutzt du?“ Lisa: „Was gerade da ist!“

19:21 Uhr: Nun gibt es erst einmal ein herzhaftes Frühstück: Zimt-Bananen-Waffeln.

20:30 Uhr: Hinter der Band Eisfabrik stehen Eisfiguren mit riesigen Fü.en, Fantasiewesen, bärtige Männer. Wie passt das mit dem Wetter zusammen? Der Frost: „Ich verstehe die Frage nicht.“ Ich wurde von Ines ausgelacht, weil ich während des ganzen Festivals mit Ski-Unterwäsche, also langen Unterhosen und langem Unterhemd zusätzlich zur normalen Unterwäsche sowie einem dünnen Schal, herumgelaufen bin. Jetzt zeigt sich, warum die sinnvoll und angemessen war: Es schneit!

21:31 Uhr, agra: Alles schließt so langsam, aber Bricabracomania ist noch hier. Mark: „Warum liegt da ein Auge in der Zahn-Prothese?“ Ieva: „Das ist schnell erklärt: Das Auge gehört einem Freund, der eines seiner Augen unglücklicherweise verloren hat. Jetzt muss er jährlich die Prothese wechseln, weil sein Augenlid ein wenig der Oberfläche abreibt. Ich bin die Recycling-Tonne für diese Augen – diese Augen hier drüben gehörten auch alle meinem Freund. Ich habe auch noch ein paar viktorianische Glas-Augen, die ich ebenfalls in Schmuck verarbeiten werde.“ Mark: „Hier steht eine riesige Knoblauchzehe, sie dient dem Guten – warum?“ Ieva: „Die meisten Vampire, die zu meinem Schmuckstand kommen, lieben Knoblauch. Ich wollte mal ausprobieren, was passiert, aber bisher gab es nur interessante Anmerkungen und Gespräche dazu.“ Mark: „Zu Knoblauch kann eben jeder etwas sagen.“

23:06 Uhr: Stage-Manager Ernst trägt seit längerem Monster-AG-Schuhe. Er zieht dies seit Tagen durch und kann nun folgendes dazu feststellen: „Ich kann das nur empfehlen, gerade bei Knieverletzungen ist das sehr tauglich, aufgrund der Weichheit wird der Fuß extrem entlastet und gut gepolstert.“ Mark: „Was meinst du, deine Kolleginnen und Kollegen sollten das nächstes Jahr auch alle so machen?“ Ernst: „Ich würde dazu plädieren, weil ich hab das jetzt hiermit schon mal so auf den Weg gebracht.“ Mark: „Vielleicht tragen die Bands das dann auch!“ Ernst: „Ich denke, das könnte eine Art Bewegung werden.“

Dienstag, 30. Mai 2023

11:07 Uhr: Ines trägt ein Kleid mit grauem Print. Das erscheint mir auffallend fröhlich. Sie erklärt: „Ich fühl mich fancy, weil nach dem WGT bin ich sehr fröhlich.“ Mark: „Heute Nacht hast du aber einen Traum gehabt, der darauf hinweist, dass es auch anstrengend war.“ Ines: „Ja, ich war so müde, dass ich geträumt habe, dass ich schlafe. Das heißt, ich habe mehrschichtig geschlafen. Das ist ein besonders erholsamer Schlaf.“ Damit endet das 30. WGT. Es war ein Traum.

Euer Mark Benecke


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