Quelle: Meine Stadtwerke, Kundenmagazin der Stadtwerke Bochum, 23 | 04, Seite 22
Fragen: Nicole Lücke | Foto: Thomas van de Scheck
Mark Benecke? Er ist der bekannteste Kriminalbiologe Deutschlands und auf forensische Entomologie spezialisiert – bitte, was? Man könnte auch sagen: Er ist ein Fliegenkenner.
Ein forensischer Entomologe bestimmt an einem Tatort die dort vorkommenden Insekten und in welchem Lebenszyklus sie sich befinden. Daran lassen sich beispielsweise viele zeitliche Abläufe rekonstruieren. Finden Sie dabei weniger Insekten als früher?
Ja, schon seit 2003. Das war ein sehr heißer Sommer, und es gab plötzlich kaum noch Schmeißfliegen. Inzwischen ist das Insektensterben zwar bekannt, aber viele Menschen interessiert es einfach nicht. Das finde ich rätselhaft. Wie kann es denen, die älter als 40 Jahre alt sind und selbst noch massenhaft Schmetterlinge, Fliegen, Motten und Grashüpfer erlebt haben, so egal sein, dass diese Tiere jetzt nahezu fehlen?
Warum ist der Rückgang der Insektenmenge überhaupt solch ein großes Problem?
Insekten sind ein entscheidender Teil des Netzwerks des Lebens, in dem alle Arten direkt oder indirekt miteinander verbunden sind. Wir Menschen hängen mit darin, nur halt an der Spitze. Die Erfahrung der vergangenen fünf großen Artensterben ist, dass hinterher die Arten an der Spitze des Nahrungsnetzes verschwunden waren. Jedes einzelne Mal. Selbst wenn jemand keine Insekten mag, dann muss er oder sie einsehen, dass die Bestäubung von Pflanzen nicht nur von Bienen, sondern zu viel größeren Teilen von Motten, Wespen, Käfern und Fliegen erledigt wird.
Was sind die hauptsächlichen Ursachen für das Insektensterben?
Eine Ursache ist der Klimawandel. Arten, die kühlere Durchschnittstemperaturen brauchen, konnten vielleicht noch eine Weile in höhere oder nördlichere Gebiete ausweichen, aber irgendwann ist Schluss.
Eine weitere Ursache ist die auf Masse getrimmte Land- und Tierwirtschaft mit Acker-Giften, also Tier- und „Unkraut“-Vernichtungsmitteln.
Was kann jeder Einzelne tun?
Alles hochwachsen lassen, höchstens einmal im Jahr mähen. Das hilft vielen Insektenarten. Ein Garten muss grün und blühend sein, damit Insekten sich nähren und schüt zen können. Die Fläche, die Menschen privat insgesamt besitzen, ist so groß wie alle Naturschutzgebiete in Deutschland zusammen.