MB: Wir sind in Meiringen und vor mir steht...
CW: Christine Winzenried.
Sie sind die neue Chefin des Museums.
Ich bin als Betreuerin angestellt. Der Kurator ist Hans Künzler. Es gefällt mir sehr gut, weil es kommen sehr viele Touristen, auch viele von England und Amerikaner. Franzosen und Russen hat es auch, und aus Japan oder China.
Sprechen Sie japanisch und russisch und englisch?
Nein, nur englisch und französisch und ein wenig italienisch. Ich hab ja das Walkie-Talkie [Audioguide] und dann frage ich „which language?“. Und dann sage ich „have a nice day“ – das verstehen alle.
Was glauben Sie denn, warum beispielsweise Russen kommen? Sind die Holmes-Geschichten in Rußland auch bekannt?
Ja, ich glaube, Sherlock Holmes ist weltbekannt. Auch die in Japan sind interessiert, das gefällt denen sehr.
Seit wann haben sie das neue Audio-System? Das war letztes Mal nämlich noch nicht da.
Seit etwa vier Jahren. Wann waren Sie das letzte Mal da?
Vor über zehn Jahren.
Nein, da hat’s keins gehabt.
Waren Sie am Anfang überrascht, was für Leute ins Museum gekommen sind?
Nein, ich habe mir das so gedacht. Es kommen verschiedene, sogar Schweizer, von überall. Ich finde das sehr schön, so multikulti. Hab’ ich gern.
Kommen Sie aus Meiringen?
Ich komme aus Meiringen und bin pensioniert.
Waren Sie schon als Kind oder Jugendliche hier im Museum?
Ja, ich war früher schon mal hier. Da hat es das Walkie-Talkie [Audioguide] noch nicht gehabt.
Haben Sie denn als Kind Sherlock-Holmes-Geschichten gelesen?
Ja, manchmal. Ich habe damals gesehen, daß da eine Einweihung war. Dann waren alle schön angezogen und es gab einen Umzug im Dorf. Das ist schon lange her.
Wann denn? 1987?
Ja genau, aber das Museum ist erst 1991 eröffnet worden.
Es ist also nicht so, daß Meiringer Eltern ihren Kindern Sherlock-Holmes-Geschichten am Bett vorlesen?
Nein, das glaube ich nicht. Eher die normalen Kinderbettgeschichten.
Ein normaler Meiringer identifiziert sich also so nicht mit Sherlock-Holmes-Geschichten?
Nein, aber vielleicht kommt das, jetzt, wo ich da bin, und wenn Sie das [Interview] ins Internet stellen.
Ja, wir packen das auch ins Internet, und in den Baker Street Chronicle. Der steht ja auch hier vorne bei Ihnen. – Wenn Sie als Kind oder Jugendliche den Wasserfall gesehen haben, haben Sie da in Sherlock Holmes gedacht?
Ich war in der Bahn [zum Reichenbachfall] und da war ich sehr beeindruckt. Man hat eine wunderbare Aussicht auf Meiringen und die Bahn ist ganz speziell, die Spur kreuzt sich in der Mitte. Das ist eine alte Bahn, und das ist supergut.
Haben Sie irgendeine Geschichte in Erinnerung behalten von Sherlock Holmes oder irgend etwas Besonderes, das Sie mit Sherlock Holmes verbinden, nachdem Sie jetzt hier arbeiten?
Bis jetzt noch nicht.
Haben Sie schon einen der Kinofilme gesehen?
Ja, den ganz modernen, ich weiß nicht, wie er geheißen hat, aber ich war beeindruckt. Ich habe gerne Action.
Dann haben Sie ja jetzt den ganzen Sommer Action, wenn die Touristen kommen.
Das glaube ich auch. Ich hoffe, es kommen immer so Leute wie Sie. Schicken Sie noch welche von Berlin?
Ja, wir schreiben jetzt einen Artikel und dann kommen bestimmt noch ganz viele.
Das ist sehr gut.
Haben Sie auch schon mal versucht, sich so wie wir anzuziehen?
Nein. Aber ich könnte.
Vor zehn Jahren ist ja jemand auf dem Bähnli verkleidet gefahren.
Ja, ein richtiger Sherlock aus Meiringen.
Fährt er immer noch?
Nein, er ist nicht mehr auf der Bahn. Hans heißt der, Hans Thöni. Ein hübscher Mann. Er läuft im Ort herum. Aber normal, nicht verkleidet.
Warum ist er nicht mehr auf der Bahn? Weil er zu alt ist?
Er hat keine Zeit mehr. Aber alle paar Jahre ist hier ein großer Umzug und die Leute kommen von überall her. Sie kommen aus ganz Europa und auch aus Übersee.
Wie sind Sie denn zu dem Job hier gekommen? Das ist ja ein ganz ungewöhnlicher Beruf.
Ich wurde gefragt. Die Leute wußten, daß ich zuverlässig bin und lustig und so weiter. Ich habe fünfundzwanzig Jahre auf [bei] einer Bank in Interlaken gearbeitet. Ich wohne eigentlich in Interlaken, aber meine Tante ist hier und ich schaue nach ihr. Sie ist fünfundneunzig.
Man hat also an Sie gedacht, weil Sie ein wenig bewegter sind und nicht so schweizerisch zurückhaltend.
Genau.
Wann haben Sie hier angefangen?
Vor drei Wochen.
Dann wünsche ich Ihnen noch ganz viele schöne Jahre mit den ganzen verrückten Touristen.
Hoffentlich kommen noch welche wie Sie.
Na klar, wir schicken noch welche vorbei.
Gerne aus Berlin. Berlin ist faszinierend!
Die Berliner mögen Sie besonders? Waren Sie schon mal in Berlin?
Ja, dreimal. Ost und West und einfach die Impulse, Theater, Musical!
Jetzt können Sie im Sommer aber nicht mehr reisen, weil Sie hier sein müssen.
Ich muß schauen, daß es nebeneinander vorbei geht.
Danke schön.
Bitte schön.