Quelle: KURIER.at, 8. November 2024
Von Birgit Seiser
Nachgefragt. Immer noch ist offen, wann der Doppelmörder Roland Drexler gestorben ist. Experte Mark Benecke erklärt, welche Faktoren für die Bestimmung des Todeszeitpunkts essenziell sind.
Fünf Tage lang suchte eine Hundertschaft an Polizisten Wälder im oberösterreichischen Bezirk Rohrbach (OÖ) nach dem mutmaßlichen Doppelmörder Roland Drexler ab. Am Samstag stand fest, dass er tot ist, seine Leiche wurde in seinem Jagdgebiet entdeckt. Mit Spannung erwartete das ganze Land das Ergebnis der Obduktion, das aber weiter Fragen offen ließ. Der genaue Todeszeitpunkt konnte nicht bestimmt werden. Nun sollen forensische Entomologen das Rätsel lösen.
Einer der bekanntesten Vertreter dieses Fachs ist Dr. Mark Benecke. Der Kriminalbiologe, der auch als "Dr. Made" bekannt ist, erklärt im KURIER, wie man den Todeszeitpunkt bestimmen kann und wie Insekten dabei helfen. Die folgenden Zeilen sind nichts für Menschen mit schwachen Mägen.
Leiche als Brutstätte
"Bei einer frischen Leiche erkennt man den Todeszeitpunkt beispielsweise über die Reizbarkeit der Muskeln mit Strom, die Auskühlung des Körpers und die Beweglichkeit der Pupillen, wenn etwas hineingetropft wird. Auch, wie sich die Gelenke biegen lassen, gibt Aufschluss über den Todeszeitpunkt", sagt Benecke.
Ist der Tod schon vor längerer Zeit eingetreten, gibt es andere Merkmale, die zur Aufklärung beitragen können. Insekten nutzen Leichen als Brutstätte und Nahrungsquelle: "Je länger eine Leiche liegt, umso mehr zersetzt sich der Körper. Dann kann man das Alters der Larven von Schmeißfliegen verwenden, die wie eine Uhr ticken, also wachsen", erklärt der Kriminalbiologe. Käsefliegen oder Aaskäfer, die Leichen erst später besiedeln, können ebenfalls zur Bestimmung des Todeszeitpunkts beitragen. In manchen Fällen können sogar Pflanzen und deren Wurzeln untersucht werden, die über oder durch die Leiche hindurch wachsen.
Genau solche Merkmale sollen nun helfen, den Todeszeitpunkt von Roland D. festzustellen. Dass er schon länger tot gewesen sein muss - sich möglicherweise direkt nach dem Doppelmord am Montag das Leben genommen hat - kann durch das Auftreten von Insekten aber nicht zwingend abgelesen werden.
"Insekten können superschnell auf einem Leichnam zu finden sein. Ich habe es schon erlebt, dass die schwangeren Fliegen-Weibchen sofort nachdem die Leichen ins Freie gelegt wurden, beispielsweise im Studierenden-Kurs oder auf der Body Farm, angesaust kamen. Fliegen können Butanol und Methylsulfid, das aus Leichen strömen kann, sehr gut riechen."
Störfaktoren
In der forensischen Entomologie gibt es aber selbstverständlich auch Störfaktoren, die Untersuchungen erschweren können. "Wenn eine Leiche verlagert, also von einem Ort an den anderen gebracht wurde, kennt man die jeweiligen Temperaturen der Orte vielleicht nicht. Die brauchen wir aber, um die Wachstums-Geschwindigkeit der Larven zu errechnen. Manchmal werden Leichen auch versenkt oder irgendwo eingeschlossen, wo die Tiere nicht sofort dran gehen. Oder es ist zu kalt oder regnet", sagt Benecke.
Die Witterungsbedingungen dürften in der vergangenen Woche so gewesen sein, dass sie keine negativen Auswirkungen auf die kommenden Untersuchungen haben sollten. Die Temperaturen lagen deutlich im ein- bis niedrigen zweistelligen Bereich; an drei Tagen regnete es, aber nur sehr mäßig. Die Leiche wurde laut Polizei außerdem nicht eingeschlossen oder in Wasser versenkt, entdeckt, sondern soll offen in dem Waldstück gelegen haben.