Quelle: Tagesspiegel (Berlin), 25. Febr. 2025
Mehlwurmpulver im Apfelkompott oder geröstete Grillen zum Salat? Ob sichtbar oder nicht – Insekten werden zunehmend als Nahrungsquelle genutzt. Fachleute ordnen ein, was auf dem Menü stehen könnte.
Von Kathleen Oehlke, Martin Smollich & Mark Benecke
Mark Benecke – Es ist weder eklig noch gesundheitsschädlich, Mehlwürmer zu sich zu nehmen. Wer aber meint, dass es für die Umwelt besser sei, statt Steaks und Schnitzel nun Insekten zu verspeisen, irrt. Insekten sind Tiere und egal, ob es sich um Kühe oder Mehlwürmer handelt, braucht es für deren Produktion viel mehr Landflächen, Wasser und Energie als für pflanzliche Nahrungsmittel. Deshalb empfiehlt der Weltklimarat IPCC und fast alle neuen Studien pflanzliche Ernährung und Verzicht auf tierische Produkte. Das heißt auch: keine Insekten. Anstelle von Rindfleisch Insekten zu essen, das wäre vielleicht vor ein paar Jahrzehnten noch ein kleiner, in die richtige Richtung führender Schritt gewesen. Aber die Zeit der kleinen Schritte ist im Klimaschutz längst vorbei. Zum anderen findet gerade ein dramatisches Massensterben von Insekten statt. Weltweit schrumpft sowohl die Menge der Insekten als auch die Zahl der Insektenarten. Da ist es nicht gerade hilfreich, sie jetzt als Nahrungsmittel zu etablieren.
Kathleen Oehlke – Mehlwürmer, die in der EU als neuartige Lebensmittel zugelassen sind, enthalten nach unseren Untersuchungen bis zu 30 Prozent Eiweiß, zwischen sechs und 23 Prozent Fett, bis zu 70 Prozent Wasser und etwa sechs Prozent andere Substanzen, wie Mineralstoffe. Der Eiweißgehalt kann durch gezielte Fütterung erhöht werden. Das Eiweiß enthält alle für den Menschen essenziellen Aminosäuren und ist so gut verdaulich wie das von Fisch oder Fleisch. Allerdings ist das Potenzial von Mehlwürmern zu beachten, allergische Reaktionen hervorzurufen. Der Fettanteil steigt an, je älter die Mehlwürmer werden. Er kann durch gezielte Fütterung reduziert werden. Auch die Qualität des Fettes kann stark beeinflusst werden. Fressen die Larven zum Beispiel Lein- oder Chiasamen, verändert sich das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren auf einen für die menschliche Ernährung günstigen Wert. Ob dies auch besonders nachhaltig mit Reststoffen aus der Lebensmittelherstellung als Futter gelingen könnte, wird gerade erforscht.
Martin Smollich – Unsere Essgewohnheiten prägen uns und Menschen sind in diesem Bereich äußerst konservativ. Deshalb werden Insekten in den nächsten Jahrzehnten in Deutschland keine große Rolle spielen. Global sieht das anders aus. Insekten werden künftig sicher häufiger verzehrt, insbesondere in verarbeiteter Form, etwa als Pulver. Was Menschen abschreckt, ist ja, wenn Insekten klar als solche erkennbar sind. In verarbeiteter Form könnten Insekten in der Nahrung hingegen akzeptiert werden – in Gummibärchen stecken schließlich auch Schlachtabfälle. Es gibt auch keinen Grund, warum Insekten prinzipiell weniger gesund sein sollten. Wenn man sich die ökologischen Folgen des Fleischkonsums vor Augen führt, ist eine nachhaltigere Alternative in Form von Insekten definitiv sinnvoll. Global betrachtet haben wir eine drastisch steigende Nachfrage nach Proteinen und Fleisch. In Deutschland allerdings stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit von Insekten als Proteinquelle kaum, da wir bereits ein Überangebot an Fleischprodukten haben.