Quelle: Mitteldeutsche Zeitung, 3./4. Juni 2023, Seite 16
Wieso Kriminalbiologe Mark Benecke diese Aktion unterstützt.
Von Regine Lotzmann
ASCHERSLEBEN/SEELAND/MZ „Wir leben im krassesten Artensterben, seit es Menschen auf der Erde gibt. Was für ein Satz!“, meint Mark Benecke, der als Deutschlands wohl berühmtester Kriminalbiologe und akribischer Sachverständiger für biologische Spuren ein Faible für Insekten hat. Auch und vor allem, weil er mit ihnen arbeitet. Denn mit Hilfe von Insekten, die Benecke bei seinen Untersuchungen auf Leichen gefunden hat, konnte er weltweit schon einige Verbrecher dingfest machen.
Deutlicher Rückgang
Doch gerade bei den Insekten macht sich der Artenrückgang derzeit am deutlichsten bemerkbar. „Seit spätestens 2003 hämmern die Hitze und die mangelnde Fläche zum Leben die Tiere weg. Zuletzt hat es jetzt die Ameisen erwischt, von denen ich bis vor zwei Jahren dachte, dass sie auch einen Atomkrieg überleben“, gibt der Forensiker zu.
Kein Wunder, dass Benecke den bis zum 11. Juni laufenden „Insektensommer“ – eine Zählaktion des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) – unterstützt. „Die Aktion soll vor allem die Freude am Entdecken der Natur fördern“, sagt Grit Liebelt vom Nabu Sachsen-Anhalt. Rund 34.000 verschiedene Insektenarten würde es in Deutschland geben. „Damit es überschaubar bleibt, wurden Kernarten für die beiden Zählzeiträume im Juni und August festgelegt“, erklärt sie aber.
Für diese Woche seien das Admiral, Asiatischer Marienkäfer und Florfliege. Im Sommer Blaue Holzbiene und Mosaikjungfer, Heupferd und Ackerhummel. „Trotzdem gilt natürlich: Alles, was sechs Beine hat, kann gezählt werden.“ Denn von den deutschlandweit eingesammelten Ergebnissen lassen sich Entwicklungstrends ablesen.
Unbedingt teilnehmen
„Es ist die letzte Gelegenheit, nochmal die Netze des Lebens zu sehen. Welches Tier geht warum und zu welcher Jahreszeit an welche Pflanze? Wo genau leben sieeigentlich? Und was nehmen sie wahr?“, erklärt Mark Benecke, warum sich die Leute unbedingt am Insektensommer beteiligen sollten.
Im vergangenen Jahr waren es deutschlandweit über 18.300 Naturfreunde, die mitgezählt haben – über 5.000 mehr als noch im Jahr zuvor. „Mit dem Insektensommer wollen wir den Insekten die Aufmerksamkeit geben, die sie verdienen“, macht Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller deutlich. Und meint: „Man kann es nicht oft genug betonen: Insekten sind für uns Menschen überlebenswichtig!“ Würden sie doch rund 80 Prozent der Nutzund Wildpflanzen bestäuben, ohne die der Mensch verhungert.
Kleine Anpassungskünstler
Auch der Biologe Mark Benecke ist von den kleinen Krabblern und virtuosen Flugkünstlern fasziniert. Warum? Dafür gebe es viele Gründe, sagt er. „Sie sind super angepasst an die irrsten Lebensräume: unter Teppichleisten, im Moos, an Blumen, am Teich, im heißen Sand. Schön sind sie überdies. Alle.“
Als Lieblingsinsekt würde der Forensiker, der seine Fans auch in Aschersleben schon mit spannenden Geschichten rund um den Tod in seinen Bann gezogen hat, spontan die Markus-Mücke nennen. Denn deren Pate ist der Wissenschaftler im Berliner Naturkundemuseum. „Die Wahrheit ist aber, dass ich alle Insekten sehr mag“, schiebt er gleich hinterher.
Immer Insektenzeit
Ob der Biologe selbst an der Zählaktion teilnehmen wird? „Wenn ich nicht gerade im Zug sitze oder einen Vortrag halte, dann ja“, bestätigt Benecke, der gerade erst von den Bahnhöfen und Stellwerken im Seeland auf seiner Facebook-Seite einige Schnappschüsse veröffentlicht hat (die MZ berichtete).
Dort und auf Instagram habe er in den letzten drei Jahren aber auch tausende Insekten-Fotos hochgeladen. Viele davon bekam er von seinen Fans zugeschickt. „So gesehen“, meint der Forensiker mit einem Achselzucken, „ist bei mir eigentlich immer Insekten-Zeit.“