Dr. Mark Benecke: Der charismatische Insektenflüsterer

Quelle: Welt Vegan Magazin, S. 14—16, der Artikel als .pdf

Text & Interview: Markus Megyeri

Dieser Typ hat etwas Interessantes, etwas Geheimnisvolles, etwas Anderes und sein Sprachgebrauch ist wahrlich eine Wonne. Ich spreche von Mark Benecke. Ein weltweit anerkannter Spezialist für forensische Entomologie. Kriminalbiologe, Musiker, Tierschützer, Schauspieler, Politiker, Veganer und noch vieles mehr. Sein Gesicht ist in den letzten Jahren vermehrt im Deutschen TV zu sehen. Marks Expertise ist gefragt und offensichlich lädt man den in Köln aufgewachsenen Vater einer Tochter gerne ein und hört ihm gerne zu. Die vorgegebenen Themen der Shows sind nicht für alle immer spannend, doch die Art, wie Mark seine Erfahrungen und sein Wissen mitteilt, schon. Wer den Mann mit den vielen Tattoos, der für die vegane Bewegung sehr wichtig ist, noch nicht kennt, sollte das anschließende Interview unbedingt lesen.

WVM: Du kommst viel rum in der Welt. Wo schreibst du diese Zeilen jetzt?

Dr. Mark Benecke: In den Zügen auf dem Weg von Luxemburg nach Köln. Der zweite Zug ist liegen geblieben, der nächste (also der hier) wurde gerade wegen Suizid zurück geschleppt. Über Belgien konnte ich wegen Corona-Vorschriften nicht fahren. Es ist derzeit recht abenteuerlich.

WVM: Bei all den Veranstaltungen und Auftritten , die du absolvierst, bleibt da noch Zeit für Nichts(tun)?

Dr. Mark Benecke: Klar, ich schlafe nachts (ernst gemeint). Das mache ich auch sehr gerne. Ist zwar nicht „Nichts“, sondern mega nützlich, aber es kommt deiner Frage vielleicht am nächsten.

WVM: Von außen betrachtet könnte man meinen, du bist ein Getriebener, kommst nicht zur Ruhe. Ist das so?

Dr. Mark Benecke: Könnte sein, es fühlt sich aber nicht so an. Ich bin gerne unterwegs, treffe Menschen irgendwo auf der Welt nach Jahrzehnten wieder, liebe Kongresse, auch aus Nachbar-Forschungsrichtungen und fahre sehr gerne Zug.

WVM: Was machen deine Erfolge mit dir? Sind diese für dich einfach nur die logische Folge deiner Arbeit, deiner Art die Dinge so zu erklären, und werden deshalb nicht so hoch gewertet oder freust du dich schon über Erfolge?

Dr. Mark Benecke: Ich habe keine Erfolge. Ich arbeite einfach nur meinen Kram ab. Mir gefällt es nicht, wenn Vorgänge unnötig lang offen sind.

WVM: Gibt es Dinge, die für dich unerklärt bleiben dürfen und dir keine schlaflose Nacht bereiten?

Dr. Mark Benecke: Ja, alles, was ich nicht messen kann, ärgert mich nicht und treibt mich daher auch nicht um. Beispiele: Geschieht vorwiegend „Gerechtigkeit“? Messbar nein. Gibt es hauptsächlich menschenfreundliche Handlungen? Messbar nein. Gibt es Gott? Nicht messbar. Ist die Blutspur aus einem Winkel von sechzig oder siebzig Grad auf den Schrank aufgetroffen? Kann ich messen.

Seltsam finde ich, dass die gemessenen Tatsachen kaum jemanden zu Handlungen bewegen. Da dies eine vegane Zeitschrift ist: Durch pflanzliche Ernährung spare ich messbar drei Viertel Wasser und Land, außerdem trage ich nicht zur Tierfolter bei. Welchen Grund gibt es also Tierprodukte zu verwenden?

WVM: Steht die Psychologie der Biologie manchmal im Wege, oder ergänzen sich beide in ihrer Welt?

Dr. Mark Benecke: In der Kriminalistik hat sich die Psychologie sehr weit Richtung Biologie bewegt. Bei Kongressen sprechen die Psychologinnen und Psychologen oft über den Aufbau des Gehirns und der Nerven und selten noch über alte Vorstellungen über menschliches Handeln. Die Fachgebiete fließen also durchaus zusammen.

WVM: Du engagierst dich enorm für Tiere und lebst vegan. Du moderierst auch die PETA Tierrechts-Konferenz. Was ist das Besondere an dieser Konferenz?

Dr. Mark Benecke: Sie ist sehr ernst und tief. Philosophen und Philosophinnen oder Theolog*innen treffe ich sonst nicht. Ich hätte auch nie von der Jahrzehnte langen Geschichte der Tierrechts-Bewegung erfahren, da ich mich eher für Tier-Befreiung und Biologie interessiere.

WVM: Das was bisher von der Regierung in Sachen Tierschutz und Tierrecht umgesetzt wird ist ein Witz. Als Politiker in und mit der PARTEI kannst du viel Gutes für Tiere tun, wenn du gewählt wirst. Oder ist das dann, wie bei den anderen Parteien und es passiert praktisch nichts?

Dr. Mark Benecke: Schwer zu sagen, ich bin einer der ganz Wenigen in der PARTEI, die sich pflanzlich ernähren und kleiden. Es müssen wohl noch einige Jahre vergehen, bis das alles auch bei verrückten Politikerinnen und Politikern ankommt. Ich selbst habe Martin (Sonneborn) im Europa-Parlament schon zu einer Entscheidung zugunsten von Kaninchen gedrängt. Aber wie du schon schreibst, das sind so kleine Änderungen, dass es fast keinen Unterschied macht. Ich kämpfe trotzdem um jeden Millimeter.

WVM: Wir „wissen“ alle weshalb das Thema Tierrecht und Tierschutz nicht radikaler angegangen wird. Doch wir sägen am eigenen Ast, schon lange. Wie können wir das endlich ändern?

Dr. Mark Benecke: Vermutlich gar nicht. Gier, Dummheit und Faulheit scheinen in diesem Fall zu siegen. Wie gesagt, mein Maßstab ist die „Streichholzbreite“, wie es Staatsanwalt Fritz Bauer in einem anderen Zusammenhang gesagt hat. Es muss einfach jede und jeder sein „Streichholz“ beitragen, dann passiert vermutlich etwas Größeres und Politisches.

WVM: Der Mensch liebt Hund und Katze. Auch Rind, Schwein und Huhn, solange diese noch am Leben sind. Doch tot auf dem Teller sind die letzten drei kein Problem, die ersten beiden jedoch unmöglich. Welcher Urinstinkt steckt dahinter?

Dr. Mark Benecke: Gleichgültigkeit.

WVM: Das Golden Retriever-Gulasch oder ein Wellensittich-Geschnetzeltes klingt für den Tierfreund grausam. Wegen seiner Kulturhistorie und Konditionierung. So einfach?

Dr. Mark Benecke: Nein, es ist einfach doppelte Buchführung. Das machen auch alle, die fremdgehen: „Das ist was anderes“, „das zählt jetzt nicht“, „es ist alles so schwierig“, „ich meine es doch nicht böse“. Es ist einfach nur Wortgeklingel, um sich eine fiese Entscheidung schön zu reden.

WVM: Glaubst du, wenn die Schlachthäuser gläsern wären, dann würde niemand mehr Fleisch essen?

Dr. Mark Benecke: Ja. Der soziale Druck über die Kids auf Papi und Mami wäre dann wohl zu groß. Deshalb zeigen mehrere soziale Medien ja auch keine Videos dazu.

WVM: Gelebte Doppelmoral sehe und erlebe ich täglich viele Male. Gerade in Bezug auf Tiere. „Wasser predigen, aber Wein saufen“. Warum ist diese Doppelmoral so stark verankert?

Dr. Mark Benecke: Weil es bequemer ist.

WVM: „Wir Tiere“ von Ingrid Newkirk ist ein geniales Buch. Wie schön Ingrid beschreibt, zu welch beeindruckenden Leistungen unsere Mitbewohner fähig sind. Sollte Jeder dieses Buch lesen?

Dr. Mark Benecke: Klar. Meine Formel: Ein Prozent lesen, neunundneunzig Prozent vor die Tür gehen und Tiere anschauen, fotografieren, beobachten, aber nicht stören. Machen wir jetzt mit meinen Fans auf Insta und Facebook seit zwei Jahren, klappt sehr gut: Einfach alles wild hoch wachsen lassen und mal gucken, was so alles wächst, fliegt, summt und krabbelt.

WVM: Du bist auch Musiker. Bitte in einem Satz. „Musik ist für mich...“

Dr. Mark Benecke: Eine schöne Art der Zusammenarbeit ohne wissenschaftliche Messungen.

WVM: Die Zuschauer (auch ich) hören dir gerne zu, wenn du sprichst und erklärst. War das schon immer so?

Dr. Mark Benecke: Das hoffe ich... Das würde mich freuen. Geredet und geschrieben habe ich schon früher zu Dingen, die seltsam scheinen, aber Viele betreffen. Beispielsweise als Schülersprecher und Schülerzeitungs-Chef.

WVM: Deine Tattooliebe begann wo/wie...?

Dr. Mark Benecke: ...weil ich öfter am (glaube ich) ersten, legalen deutschen Tätowierstudio vorbei gelaufen war und es für etwas Normales halte. Als ich rechnerisch erwachsen war, bin ich dort hinein gegangen und habe im Laufe der nächsten dreißig Jahre viele tolle Menschen kennengelernt, die Tätowierungen ebenfalls schätzen.

WVM: Noch ein Wort zu Dracula. Habe ich als Kind geliebt. Anziehend, schön, gefährlich, spannend, mysteriös. Gibt es ihn doch?

Dr. Mark Benecke: Auf jeden Fall! Alle Menschen, die dir Zeit und Energie stehlen, sind kleine oder manchmal auch große Vampire.

Vielen Dank für deine Zeit und das unheimlich spannende Interview.


Einsame Affen

im Zoo Krefeld


Tierschutz-Konferenz

PeTA


Krabbeltiere überall

Vorwort von Mark


Lebenshof Gut Weidensee

gerettete Tiere


Ptecticus benecki

Waffen-Fliege aus Fledermaus-Kot 🦇💩🪰