Besuch bei der Bestie

Quelle: Express Köln vom 5. Februar 2004, Seite 6

250 OPFER Benecke befragte den Mörder im Knast von Villavicencio. Seine Analyse: "La Bestia" kennt keine Reue und kein Mitleid

VON CHRISTlAN RENZ & TOBlAS MORCHNER

Villavicencio – 250 Kinder fielen ihm zum Opfer. Luis Alfredo Garavito (47) tötete sie nur aus einem Grund: Lust am Leid. Psychiater aus aller Welt bemühten sich nach einer Festnahme um ein Gespräch mit "La Bestia" (Die Bestie) - vergeblich. Erst der Kölner Mark Benecke durfe den 47-Jährigen befragen. Sein Bericht über eine Reise ins Grauen:

Die Mauern sind fünf Meter hoch, weiß verputzter Beton mit einer Krone aus messerscharfem Stacheldraht. Überall patroullieren Militärs, die entsicherten Schnellfeuergewehrt um die Schulten gehängt. Das Gefängnis von Villavicencio - wer einmal drin ist... Garavitos Brief hatte mich im Frühherbst 2002 erreicht. Drei Jahre nach meiner ersten Anfrage. Umso mehr überraschten mich die höflichen Worte: "Ich habe es mir überlegt. Sie dürfen mich besuchen. Kommen Sie bald. Gott schütze Sie", stand da in krakeliger Schrift.

Jetzt, drei Wochen später, stehe ich mit meinem Freund und Übersetzer, Dr. Miguel Rodriguez (JD), vor den Strafmauem von Villavicencio. Erst nach eineinhalb Stunden werden wir vorgelassen, die Kontrollen und groben Leibesvisitationen mussten wir kommentarlos über uns ergehen lassen ...

Die Tür geht auf. Wir werden in einen Käfig-Raum geführt. Sechs Männer warten, alle stehen. Es riecht nach Schweiß und Ungeduld. Einem nach dem anderen schütteln wir die Hände - zuletzt dem Mann, der als Einziger saubere Kleidung trägt, eine Jeans und ein weißes Hemd. Der Gefängnisdirektor, denke ich. Doch dann sagt einer der Wärter den Namen "Garavito" und deutet auf das sauber angezogene Männlein: "La Bestia", wie die Kolumbianer den Killer nennen, steht genau vor mir ...

Mit einem Schlag wird mir klar, warum Luis Alfredo Garavito so viele Menschen täuschen konnte - Opfer wie Polizisten: Sein Blick ist freundlich, aufgeschlossen. Sein Gesicht strahlt Ruhe aus und Liebenswürdigkeit. Ein netter Kerl. Von Verschlagenheit, gar Mordlust keine Spur. Er gibt mir die Hand, Warm, labberig. "Wollen Sie Kaffee", fragt Garavito mit sanfter Stimme auf spanisch. Kaffee, das weiß ich, lässt er sich immer nur von einer einzigen Wärterin bringen - aus Angst vor Vergiftung. Nur dieser Frau traut er ...

Unvermittelt zieht der 47-Jährige ein zerknittertes Foto aus der Hosentasche. Ein Bild seiner Familie. "Die werde ich nie mehr wieder sehen", sagt "La Bestia" und beginnt zu weinen. Momente später steckt er die Aufnahme weg ... und beginnt zu grinsen. Nicht aus Verschlagenheit. Er hat bereits den nächsten Gedanken im Kopf. Garavito, das werde ich später immer häufiger feststellen, kann sich nicht lange auf eine Sache konzentrieren. Er verliert schnell die Spur.

250 Morde - nach dem "Warum" brauche ich gar nicht erst zu fragen. Garavito, der Gelegenheitsarbeiter, hat das Töten zu seinem Lebensmittelpunkt gemacht. Weil er die Qual und das Sterben seiner Opfer sehen wollte. Dennoch sagt er am zweiten Tag unserer Gespräche: "Ich weiß, dass ich Schreckliches getan habe. Aber selbst wenn ich mal rauskäme, ein Kind würde ich nicht mehr töten. lch bin mit mir im Reinen.

Alles Lüge. Ich weiß: Dieser Mann kennt die Bedeutung des Wortes Reue nicht. Garavito, so schrieben die Zeitungen gern, tötete wie im Rausch. Doch im Gegenteil., es ist nichts Rauschhaftes an seinen Taten. Er kann sich haargenau an jeden Mord, an jeden Toten erinnern. Er hat eine Landkarte des Todes in seinem Kopf.

Am dritten Tag hat er sich Punkte aufs Gesicht gemalt. .. es sollen Pusteln sein. "Das Essen hier macht mich krank", lamentiert die Bestie. Dann fordert er: "Ihr zahlt mir ab heute das Essen, gutes Essen aus der Gefängnis-Cafeteria." lch lehne ab. Und schon will er nicht weiterreden, sagt nur noch: "Das ist geizig." Am vierten Tag ist Schluss. Garavito hat keine Lust mehr. Er hat stolz über die Morde berichtet, analysieren lassen will er sich aber nicht.

Der Abschied ist kurz - und zeigt den Wahnsinn von "la Bestia" genau: "Passen Sie auf den Straßenverkehr auf. Der ist hier in Kolumbien besonders gefahrlich." Er spielt auf das Risiko an, entführt zu werden. Der Serienkiller als Menschenfreund ...

Der schlimmeste Serienkiller aller Zeiten

"Garavito schnitt den Kindern die Kehle durch"

Bogota - Luis Alfredo Garavito, der Mörder von 250 Straßenkinder - sein Geständnis löste Entsetzen aus, in einem Land, das sich an Gemetzel und Grauen bereits gewöhnt glaubte. Sieben Jahre, von 1992 bis 1999, hat der schmächtige Gelegenheitsarbeiter sein Heimatland Kolumbien mit Tod und Trauer überzogen.

Seine Masche: so einfach wie wirkungsvoll. Garavito war als Handlungsreisender in Sachen Mord unterwegs. Fuhr jeden Tag mit dem Bus in eine andere Stadt, Verkleidete sich als Mönch, als Indianer oder Straßenhändler. So gelangte er ohne Aufsehen auf Schulhöfe und Spielplätze. Oder er sprach seine Opfer auf der Straße an, versprach Süßigkeiten, Limo, Geld damit die Kinder mit ihm "spazieren" gehen. Das war ihr Tod. An abgelegenen Stellen vergewaltigte er die Kinder, folterte sie mit einem Messer, schnitt ihnen zuletzt die Kehle durch. Häufig wurden die Leichen mit abgetrennten Geschlechtsteil im Mund gefunden. "La Bestia" (die Bestie), wie Garavito von den Menschen genannt wird, wurde im Sommer 1999 festgenommen. Knapp ein Jahr später, im Mai 2000, verurteilte ihn ein Gericht zu 835 Jahren Gefängnis.

Mit herzlichem Dank an Tobias Morchner, Christian Renz und die Express-Redaktion für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.


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Luis Alfredo Garavito Cubillos: Criminal and legal aspects of serial homicide with over 200 victims

Abstract | Archiv für Kriminologie