Quelle: Freie Presse, Westsachsen, Montag, 24. April 2023, Seite 12
Glauchau — Am 4. Mai gastiert Dr. Mark Benecke im Glauchauer Stadttheater. Der Sachverständige für biologische Spuren, Forensiker, Kriminalbiologe und Kriminalist ist vielen als „Madenpapst" bekannt. Wie bei fast allen mit ihm geführten Interviews entschied sich Dr. Benecke auch im Gespräch mit Torsten Piontkowski fürs Duzen.
Freie Presse: Du reist mit Deinem Team jährlich etwa 200 Mal querbeet durchs Land. Nach welchen Kriterien sucht Ihr die Veranstaltungsorte aus?
Mark Benecke: Wer fragt, kommt dran, sofern es noch in den Zeitplan passt. Ich lasse mich gerne überraschen, wie es dann vor Ort aussieht, riecht und schmeckt und vor allem, wie sich die Menschen fühlen und verhalten.
In vermutlich 99 Prozent der Anmoderation wirst Du als „Madenpapst" angekündigt. Wie sehr nervt das?
Ich bin in Köln aufgewachsen und habe das Erblühen von RTL live miterlebt. Wir hatten hier auch die Boulevard-Zeitung „Express". Mich stört es daher nicht, wenn etwas knackig oder lustig aufbereitet wird.
Du bist Natur- und Klimaschützer. Wie viel Verständnis fiir die Klebeaktionen der „Letzten Generation" steckt in Dir?
Was würdest du machen, wenn deine Eltern sichtbar und messbar an einer heilbaren Krankheit sterben würden und niemand etwas macht, außer dir immer nur „alles Gute, wir haben Verständnis, wir reden mal darüber" zu wünschen und mitzuteilen?
Du sprichst Dich für Erdbestattungen aus. Welche Bestattungsrituale anderer Religionen entsprechen Deinem Empfinden am ehesten?
Ich finde alles gut, was im Kreislauf des Lebens steht: Auffressen lassen von Tieren (Geier), Verwesen ohne Sarg, Kompostieren, ins Wasser werfen - alles, was keine Zusatz-Energie verbraucht oder die Nährstoffe für Jahrtausende in die Luft bläst.
Du bist Pate der Markusmücke im Museum für Naturkunde. „Besuchst" Du sie ab und an?
Die Insekten-Sammlung ist hinter einigen Türen, da will ich die Kolleginnen und Kollegen nicht dauernd aufscheuchen. Ich besuche das Museum aber oft und halte dann Vorträge — am tollsten war die Eröffnung des Welt-Fliegenkundleninnen-Kongresses durch mich, ich habe dazu meine kolumbianische Kollegin Maria Wolff nach vorne geholt, die danach das Insekt Ptecticus benecki sp. nov. aus einer Höhle mit Fledermauskot nach mir benannt hat.
Hast Du einen Lieblingswitz über Maden?
Über Insekten, es ist auch der einzige Witz, den ich mir merken kann: ‚Warum gibt es in Kirchen keine Fliegen?" „Weil sie Insekten (in Sekten) sind."
Du trägst zahlreiche Tattoos. Welches ist Dir von der Bedeutung her am wichtigsten?
Jedes. Wir haben vor kurzem gerade mit drei sehr freundlichen Tätowiererinnen drei Striche (stehen für drei Scheiben Toast) auf mein Ohr tätowiert sowie den neuen Spitznamen meiner Frau, „Bastet", allerdings in phönizischer Schrift tätowiert.
Was ist die erstaunlichste Geschichte, die Du Insekten bisher entlocken konntest?
Kerbtiere leben in einer fantastischen Welt, in die wir durch die Fälle eintreten dürfen. Das ist wie ein Vorhang, den wir beiseite ziehen, um in die wirkliche Welt zu blicken. In dieser finden wir in einem Löffel Erde mehr Lebewesen, als es Menschen auf der Erde gibt.
Wie lange nach dem Tod eines Menschen kann man Dich als Spezialisten hinzuziehen? Hitlers Zähne konntest Du dem Diktator ja auch zuordnen?
Ja, Hitlers Zähne haben wir als seine erkannt. Ich habe vom britischen Geheimdienst und einer mittelamerikanischen Quelle die Röntgenbilder des lebenden Hitler erhalten– alles passt zu seinen Zähnen, die ich in Moskau beim russischen Geheimdienst FSB untersucht habe.
Gibt es noch irgendetwas, das Du ekelig findest?
Haare im Abfluss. Alle Fleischgerichte finde ich ebenfalls ekelig. Eine Brandleiche riecht genauso wie ein gebratenes Stück Fleisch, beim Metzger riecht es nach Leichenteilen. Kein Wunder, es sind ja auch welche. Aber die meisten verwenden dennoch Tiere, was der Hauptgrund für Wasser- und Landverbrauch ist.
Was verbindet Dich mit der Dark-Gothic-Szene?
Gruftis raffen dramafrei, dass wir nur eine Runde auf dieser Erde haben. Nicht zwei und auch nicht drei. Anlass, ein sinnvolles, soziales und friedliches Leben anzustreben – so gut es halt geht.
Worüber wirst Du in Glauchau sprechen?
Ich spreche über meine Arbeit als Forensiker und ungewöhnliche Kriminalfälle.