Blutige Angelegenheit

Quelle: Märkische Allgemeine (Zeitung) / MAZ, Februar 2023

Mark Benecke, der bekannte Kriminalbiologe und Forensiker, füllt Säle, wo immer er hinkommt - im Neuruppiner Kulturhaus sprach er diesmal über Blutspuren

Von Regine Lox

Neuruppin. Blut ist ein ganz besonderer Saft – das wusste schon Mephisto in Goethes "Faust". Mark Benecke sieht das ähnlich. „Es gibt keine Ersatzflüssigkeit für Blut mit seinen ganz eigenen Klebe- und Fließeigenschaften", weiß der Kriminalbiologe aus zahlreichen Experimenten, die er in vielen seiner Fälle als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger durchführte, um etwa anhand der Blutspuren am Tatort den Tathergang zu rekapitulieren. Der Auftreffwinkel des Blutes an der Wand lässt sich ermitteln, auch die Fließspuren sprechen eine deutliche Sprache. Auch Tropf- und Abrinnspuren sowie die Tropfhöhe verraten ihm viel. Waren die Fußabdrücke unter dem Blutfleck? Oder ist der Täter erst später darüber gelaufen. Wurde das Opfer bewegt? Viele Fragen. Benecke geht ihnen auf seine Art nach: „Wir denken, glauben, meinen, erklären nichts: Wir messen", sagt der auch als Doktor Made bekannte Forensiker und Insektenexperte, den auch das FBI schon mal für knifflige Fälle bestellt. Und er experimentiert – auch mit seinen Studenten. Benecke ist Ausbilder an deutschen Polizeischulen sowie als Gastdozent im Ausland tätig. An einigen seiner Fälle lässt er am Freitagabend das Publikum im ausverkauften Neuruppiner Kulturhaus teilhaben. Seit vielen Jahren schon füllt er den Saal zuverlässig. Diesmal mit dem Vortrag „Blutspuren". Der war zwar schon 2016 dran – ist aber diesmal völlig anders. Benecke kann aufgrund seiner vielen Erfahrungen mühelos neue Fälle präsentieren. Dazu kommt: Benecke ist nicht nur – beim Lesen seiner Vita wird einem fast schwindelig – ein Workaholic. Er ist auch ein Talkaholic. Kaum einer vermag es, wissenschaftliche Inhalte ganz ohne Fachchinesisch mit der lässig-witzigen Art eines Entertainers dem Publikum schmackhaft zu machen und grausig bis eklige Fotos so zu kommentieren, dass die Gäste dennoch Spaß haben. Gut, ein wenig bedient er auch die Sucht nach dem Morbiden. Mit echten Fällen und Hintergrundwissen, Tatort und Co. können da meist nicht mithalten. Vorab gibt's eine Warnung: „Es sind Leichen und Blut zu sehen. Wenn Sie das nicht möchten, dann bitte nicht hierbleiben." Tatsächlich gibt es einige, die mit Fortschreiten des Abends den Saal verlassen – mehr als in den Jahren zuvor. Benecke macht dann jedes Mal eine kurze Pause. Ein Hörsaal, in dem ständiges Kommen und Gehen herrscht, ist seine Sache nicht. Ein Gast klappt gar direkt vor der Pause um. Rettungskräfte schauen wenig später nach ihm. Für alle anderen ist der Abend faszinierend: Viele kommen Jahr für Jahr, um Benecke zu lauschen, wenn er über Maden und Schmeißfliegen schwadroniert, in die Köpfe von Kannibalen und Pädophilen leuchtet oder den Exkurs in para-normale Bereiche wie Selbstentzündung oder Blutwunder wagt. „Das schöne Grauen", könnte man sagen. Er zeigt ein blutiges Tatortfoto – Benecke-Neulinge ziehen jetzt scharf die Luft ein – und erklärt die Blutspuren, rekonstruiert den möglichen Tathergang. Er misst, vergleicht, schließt aus. Mit, wie er sagt, kindlicher Neugier. Alles ist möglich. Und er glaubt keinem, nur den Naturgesetzen. Leute, die hinterher sagen, sie hätten es schon vorher gewusst, sind für ihn „postmortale Herumklugscheißer". Nächstes Foto – mit blutigen Schmierspuren. „Manchmal versuchen Männer, den Tatort zu putzen", sagt er. Gelächter im Saal. Frauen auch, räumt er ein, aber anders. Männer verschmieren mehr. Er jedenfalls habe noch nie einen Täter gesehen, der unter dem Waschbecken geputzt hätte. „Sieht man ja nicht", lästert Benecke. Er dagegen schaut überall nach. Er redet über die Echtheit von Enthauptungsvideos der Al Kaida, zeigt ein Tier mit durchtrennter Kehle. „Im Supermarkt denkt dann jeden glückliche Tiere, die totgestreichelt wurden", sagt der Veganer, der sich für Tierschutz engagiert, aber auch für bessere Schulbedingungen für Autisten und als Botschafter für den Verein „Verwaiste Eltern". In der Pause lassen sich viele Fans eines von Beneckes Büchern signieren. Gut gelaunt beantwortet „Doktor Made" Fragen, lacht und macht Selfies mit den Fans. Der Pausenwecker heult: „Bitte nicht schießen, es ist nur ein Wecker", hat Benecke das Wolfsgeheul schon vorab angekündigt. Klar, man ist in Brandenburg vorsichtig. Benecke verrät, dass Maskenbildner in Vampirfilmen keine Ahnung haben, was Blutspuren betrifft. Er gibt einen Exkurs anhand gruseliger Leichenfotos einer alten Frau über blaue Flecken in allen Stadien. „Frage Nummer 1: Wer macht sowas?" , fragt er. Und erklärt: Die allermeisten Täter – männlich oder weiblich – sind persönlichkeitsgestört und ohne Hemmungen. Er rollt den Fall des US-amerikanischen Footballstars noch mal auf, der vom Mord an seiner Ex-Frau freigesprochen wurde. Für ihn ganz klar ein Boarderliner mit der krankhaften Angst, verlassen zu werden. Der habe später ein Buch geschrieben: „ If I did it" (Wenn ich es getan hätte). „Das 'If' winzig und in einem Grau, dass man es kaum lesen kann – da steht also 'I did it' " , konstatiert Mark Benecke. „Er weiß, dass man in Amerika für dieselbe Sache nicht zweimal angeklagt werden kann." Zum Abschied verweist er noch auf seinen Radio-l-Auftritt samt Podcast. Da verrät der Chemie-Begeisterte dann schon auch mal, wie man Kokain so umwandeln kann, dass es die Spürhunde nicht riechen. „Aber der Zoll weiß das auch schon", schließt er und schickt die Gäste mit Glitzereinhom-Bildchen für gute Träume in die Nacht.


Mark im FM4-Film-Podcast

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