Reiner Verwaltungsirrsinn

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ), 17. Februar 2020, Seite 26

Von Melanie Heike Schmidt

Darum hält Kriminalbiologe Mark Benecke das geplante Tattoofarbenverbot für sinnlos

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OSNABRÜCK. Mark Benecke, Kriminalbiologe und Vorsitzender des Vereins Pro Tattoo, hält das geplante EU-Verbot bestimmter Tattoofarben für „sinnlos“. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte Benecke: „Es gibt keinen biologischen Grund für ein solches Verbot. Zudem trifft es ausgerechnet die sauber arbeitenden Hersteller, die dann ihre Läden schließen müssen. Übrig bleiben Murxer und Keller-Labors.“

Auf Vorschlag der Europäischen Chemikalienagentur (Echa) plant die EU, die Tattoofarben „Blue 15“ und „Green 7“ zu verbieten. Der Grund: Es gebe keine ausreichenden Belege für die Sicherheit der Farben, laut Echa stehen diese Pigmente im Verdacht, Blasenkrebs zu verursachen. „Es gibt dafür keine Belege“, widerspricht Benecke. „Das Ganze ist ein reiner Verwaltungsirrsinn, für den sich bisher keine Politikerin und kein Politiker einsetzt.“ Angesichts des geplanten Verbots hatte Deutschlands Tattoo-Branche Alarm geschlagen. „Es droht ein Verbot von existenziellen Pigmenten für unsere Tattoofarben. Dadurch würden circa 66 Prozent der Tattoofarben vom Markt verbannt“, teilte der Bundesverband Tattoo mit.

Die Farben „Blue 15“ und „Green 7“ werden in vielen Mischfarben verwendet. In der Kosmetikindustrie sind sie bereits verboten, und was dort verboten sei, dürfe auch nicht unter die Haut gelangen, argumentiert Echa.

Pro-Tattoo-Vorsitzender Benecke schätzt, dass in der Folge des Pigmentverbots die Produktion von bunten Tattoofarben in die Illegalität gedrängt werde, was weitaus mehr Gefahren bergen würde. „Tattoofarben aus unklaren Quellen will niemand“, so der Kölner Kriminalbiologe. „Außerdem wandern vermutlich auch die Kunden ab: in den Keller, ins Ausland oder irgendwohin, wo man eben alle Farben bekommen kann.“ Streiche man ausgerechnet die Pigmente Grün und Blau aus dem legalen Farbenkatalog, blieben außer Schwarz zudem nur Rot- und Gelbtöne übrig. „Wer will sich schon Warnschilder tätowieren lassen?“, fragt Benecke.

Eine Online-Petition gegen das geplante Verbot, bei der mehr als 140 000 Unterschriften zusammengekommen sind, unterstützt Benecke ebenfalls. Sie hat zum Ziel, die Bundesregierung dazu zu bewegen, sich gegen das EU-Verbot einzusetzen. Laut einer repräsentativen Ipsos-Umfrage im Auftrag der „Apotheken Umschau“ aus dem Jahr 2019 ist in Deutschland jeder Fünfte (21 Prozent) tätowiert. Damit hat sich der Anteil der Tätowierten im Land in den vergangenen sieben Jahren fast verdoppelt: 2012 hatten noch 11,4 Prozent angegeben, ein oder mehrere Tattoos zu besitzen. Wie viele Tätowierungen farbig sind, ist unbekannt.

Der Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke – auch genannt „Dr. Made“ – ist Deutschlands einziger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für biologische Spuren. Wer ihn bei seinen zahlreichen Vorträgen oder in TV- Dokumentationen erlebt, sieht sofort: Benecke hat selbst eine Leidenschaft für Tattoos. Wie viele er hat, weiß er selbst nicht genau. „Das ist auch nicht so wichtig“, sagt er. Wichtiger sei ihm, in seiner Funktion als Vorsitzender des 2011 gegründeten Vereins Pro Tattoo über das Tätowieren „offen und nach dem neuesten Stand der Forschung zu berichten“.


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