Quelle: Bonner General-Anzeiger, 31. Jan. 2020, Seite 18
Vampire und Mythologie: Mark Benecke fasziniert Gruselfreunde mit einem Vortrag in der Aula der Gesamtschule Hennef-West.
HENNEF. Verfaulte Leichen, aufgedunsene Leiber, tote Gesichter, mumifizierte Körper — überlebensgroß präsentiert auf einer Leinwand. Nichts für zartbesaitete Gemüter war der Abend in der Aula der Gesamtschule. Dort gab Mark Benecke vor etwa 400 Zuschauern unter dem Titel „Vampire und Vampirzeichen" Dinge aus dem Gebiet der Forensik zum Besten, die man eigentlich gar nicht wissen möchte. Denn dass die Kiefer der Toten wegen des Trocknens der Haut auf- und zuklappen, sie aufgrund von von Bakterien verursachten Gasen dick werden oder sich bewegen, sind unappetitliche Fakten, mit denen sich nur Rechtsmediziner, Medizinstudenten oder Bestatter befassen müssen.
Doch von dort ist der Weg zu Vampiren und ihren Zeichen nicht mehr weit. In der Mythologie gab es schon immer Geschichten von blut-saugenden dämonischen Wesen. Die Gestalt des Vampirs nimmt jedoch erst Mitte des 18. Jahrhunderts auf dem Balkan Präsenz an, wie Benecke wissen ließ. „Wenn einer an Weihnachten starb, meinten die Leute, dass er von Gott verstoßen sei. Er müsse ein Vampir sein", machte der Spezialist für forensische Entomologie einen Erklärungsversuch*. Letztere ist ein Zweig der Forensik, bei der die Insektenkunde zur Aufklärung von Tötungsdelikten herangezogen wird. Aufgrund der Larvenstadien und der Besiedelung durch verschiedene Insektenarten kann man Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt** und die -ursache ziehen. Und genau dies ist das Spezialgebiet von „Dr. Made", wie er sich nennt***.
Biologische Spuren von Gewaltverbrechen auszuwerten, ist sein Job als Sachverständiger. Dessen Exotik hat ihm schon mehrfach Auftritte in Privatsendern**** eingebracht, etwa in Doku-Serien wie „Medical Detectives" oder „Autopsie — Mysteriöse Todesfälle". Dabei kommt ihm besonders sein zur Schau getragener Hang***** zur Gothic-Kultur und zu Tätowierungen zugute. Eine kleine Nickelbrille****** und ein kahl geschorener Kopf tun ein Übriges, um das Bild des „Dr. Made" komplett zu machen. Anhand von Fotos erklärte er den Zuschauern, dass eine typische Leiche bläuliche, gräuliche und tief tannengrüne Verfärbungen aufweise. „Viele Leute haben Angst vor Leichengift", sagte er und zog den Vergleich zu Menschen, die Fleisch essen.
„Leichen können nicht giftig sein", so der Veganer und erklärte, warum im 19. Jahrhundert Leichen das Herz entfernt wurde. „Damit sollte verhindert werden, dass sie zu ihrer Familie zurückkehren", sagte er in Bezug auch auf typische Vampirzeichen wie spitze Eckzähne. Die habe jeder Mensch, bei Leichen kämen sie nur mehr zur Geltung, weil die Haut um die Lippen austrockne und so die Zähne freilege. Auch Bilder von Schrumpfköpfen sollten nicht fehlen. Hierzu räumte Benecke mit dem Vorurteil auf, dass diese so klein seien, weil sie geschrumpft seien. Doch: „Knochen schrumpfen nicht", vermeldete er und erklärte, dass diese keine mehr enthielten. Schließlich entmythisierte er auch das Vampirzeichen Schwefelgeruch. Dieser entstehe durch den Zersetzungsprozess von Bakterien. Der siebte Auftritt des Forensikers in Hennef brachte wieder neue Erkenntnisse. spn
(Mit vielem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.)
* das haben uns die Leute vor Ort so erzählt
** auf die Leichenliegezeit
*** so nennen mich nur andere
**** sowie auf vielen öffentlich-rechtlichen Sendern, auf National Geographic, Youtube und Podcasts 😆
***** das ist meine Persönlichkeit, so bin ich
****** sie ist nicht aus Nickel 🤓