Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger (Rhein-Sieg), Freitag, 31. Januar 2020, S. 32
Der Kriminalbiologe Mark Benecke sprach über Insekten und Vampirleichen
ANNETTE SCHRÖDER
Hennef. „Elli" hält still, lässt sich über den Panzer streichen, die Fühler betupfen. „Ganz unspektakulär" findet es eine junge Besucherin, das schwarzglänzende Tier auf der Handfläche zu halten. In weißer Schrift hat Ines Beneckevier Buchstaben auf den Rücken der großen Schabe gepinselt. Ein Kunstgriff, der Abwehr in Interesse verwandelt, was auch für „Trude" gilt. Zu jeder Veranstaltung nehmen Ines und Mark Benecke zwei Fauchschaben aus ihrem Terrarium mit. Diesmal ist Hennef das Reiseziel.
In der ausverkauften Aula der Gesamtschule Hennef-West drängen sich die Besucher um die Insekten aus Madagaskar, während Beats aus den Boxen dröhnen. Videoclips laufen zu einem gerappten Memento Mori über den Beamer. „Wir werden alle sterben, haltet euch bereit", singt ein Chor, der auch warnt, dass die Party zu Ende sei. Bestimmt aber nicht an diesem Abend.
Ganz in Schwarz steht Dr. Mark Benecke am Laptop, trifft die letzten Vorbereitungen zum Vortrag, während die Besucher Schlange stehen, um ein Selfie von sich und dem Kölner zu machen, der zum Popstar unter den Kriminalbiologen und Insekten-Spezialisten avanciert ist.
Fan-Kult und Fachseminar
Dabei fasziniert die Mischung aus Fan-Kult und Fachseminar auch an diesem Abend: Am Büchertisch kann man sich eine speziell von Benecke entworfene Grafik (mit Maden-Bild) in den jeweiligen Bestseller stempeln*, den der Meister in der Pause dann mit seiner Signatur veredelt. Andererseits duldet der 49-Jährige keinen Mucks in seinem Vortrag. Wer zu spät kommt, darf nicht mehr rein. Als ein Besucher kurz die Reihen verlässt, unterbricht der Doktor seinen rasanten Redefluss, um sich besorgt zu erkundigen. Denn es könnte jemand umkippen, was bei den Fotos von Leichen in diversen Stadien kein Wunder wäre. „Vampire und Vampirzeichen" sind diesmal das Thema - und wie der Glaube an Dracula & Co. entsteht, wie sich Phänomene wie spitze Eck-Zähne („die hat jeder von Ihnen"), die aus dem Erdreich ragende Hand und andere Gruselfaktoren erklären lassen.
“Bleibt wie ein Kind: neugierig", schärft der Naturwissenschaftler seinen Zuhörern ein. Eine entscheidende Eigenschaft für seine eigene Karriere. Schon den „Karohemd tragenden kleinen Benecke" interessierte die Welt der Spuren. So erzählt er, wie er mit dem Klebeband die Staubflocken hinter dem Kleiderschrank einfing und untersuchte.
Inzwischen ist er Deutschlands einziger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für biologische Spuren. Als Veganer wirbt er gleich zum Auftakt dafür, auf Tierprodukte zu verzichten und so einen entscheidenden ökologischen Beitrag zu leisten. Dass manchem im Auditorium der Appetit auf Fleisch vergeht, dafür sorgt der wortgewitzte Benecke ohnehin, für den ein Schinken nichts anderes als „vertrocknetes Leichengewebe" ist. Andererseits entdeckt der Punk-Sänger und Gothic-Fan mit Charles Baudelaire im Schmatzen und Rauschen der Maden („wie das Rauschen des Meeres") eine morbide Poesie**, die er gekonnt mit Wissenschaft verbindet. Wie letztere funktioniert, erfährt das Publikum aus der Foto-Strecke, die Benecke bei der Fahrt mit der S-Bahn ins Siegtal geschossen hat. Danach wird mancher vielleicht die Graffiti mit neuem Blick betrachten.
ZUR PERSON
Mark Benecke, Jahrgang 1970, promovierte an der Universität Köln. Er absolvierte fachspezifische Ausbildungen, etwa in den USA beim FBI. Mehrere spektakuläre Mordprozesse machten ihn bundesweit bekannt. Außerdem ist er Mitglied*** der Satirepartei Die PARTEI und der Donaldisten, die das Universum Entenhausens aus den Donald-Duck-Comics erfoschen. (EB)
* gratis
** eben von Baudelaire
*** Vorsitzender NRW
(Mit vielem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.)