„Den perfekten Mord gibt es nicht“

Quelle: Goslarsche Zeitung, 12. April 2022, https://www.goslarsche.de/lokales/liebenburg_artikel,-den-perfekten-mord-gibt-es-nicht-_arid,2484679.html

Weltweit bekannter Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke im Interview zum „Fall Manczak“ und anderen mysteriösen Kapitalverbrechen

Fotos: Maden und Würmer sind exzellente Hinweisgeber bei Mordfällen. Foto: K.A.S. Sandra // Im Labor aber auch an Tatorten ist Dr. Mark Benecke in seinem Element. Foto: Rocksau Pictures

Nordharz. Mark Benecke erblickte 1970 im bayerischen Rosenheim das Licht der Welt. Er heute 51-jährige studierte Genetik, Zoologie und Psychologie an der Universität in Köln und promovierte über genetische Fingerabdrücke. Danach beschäftigte er sich intensiv mit Rechtsmedizin und wurde unter anderem in der FBI-Academy ausgebildet. Benecke war an der Bearbeitung teils spektakulärer, internationaler Kriminalfälle beteiligt. Zur Frage, ob es den „perfekten Mord„ gibt, hat er eine klare Meinung. Darüber und auch über den noch immer unaufgeklärten mutmaßlichen „Mordfall Manczak“ hat GZ-Redakteur Holger Neddermeier mit dem Kriminalbiologen hat gesprochen.

Herr Benecke, direkt gefragt: „Was ist ihr spontaner Eindruck von dem Fall Manczak?“

Das ist ein kniffeliger Fall, da die Leiche des Mannes nicht gefunden wurde.

Sie sind Kriminalbiologe – worin sehen sie ihre Aufgabe – wie gehen sie an die teils sehr rätselhaften und oft auch sehr „unappetitlichen“ Fälle heran?

Wir versuchen, so schnell wie möglich biologische Spuren zu finden: Haut, Haare, Sperma, Urin, Kot, egal, was. Damit lässt sich dann etwas über den Ablauf der Tat, etwa von wo das Blut spritzte oder mittels Erbsubstanz über anwesende Personen sagen. In unserem Fach sind wir alle neugierig darauf, welche Spuren vorliegen – unappetitlich finde ich das Verbrechen, nicht die Spuren: Blut, Haare und Sperma haben viele lebende, frohe Menschen im und am Körper.

Sehen sie sich also als Analytiker, den die Schicksale, die hinter den Fällen stecken nicht wirklich interessieren?

Die Schicksale interessieren mich schon, wenn die Angehörigen hier sitzen und weinen, aber sie spielen bei der Untersuchung und Einordnung der Spuren keine Rolle. Das verstehen alle Beteiligten auch: Tränen nützen nichts, um den Fall wahr und sachlich zu beschreiben, Spuren-Beweise hingegen viel.

Der Vermisste in unserem Fall soll in seinem Garten möglicherweise mit einer Armbrust getötet worden sein. Was meinen sie, ist das ein adäquates Instrument, um jemanden relativ geräuschlos zu töten. Insbesondere jemanden, der Blut verdünnende Mittel nehmen muss?

Armbrüste sind gefährliche Waffen. Ich habe auf Kongressen in den letzten dreißig Jahren schon viele damit Getötete gesehen, auch Selbsttötungen, gerade vor wenigen Tagen erst wieder auf der Jahrestagung der Welt-Forensiker in Seattle. Eine Armbrust hat richtig viel „Wumms“ und durchschlägt auch Knochen. Oft sind die Pfeilspitzen auch mehrschneidig, sodass gleichsam mehrere Schnitte gleichzeitig entstehen. Ich würde in keine Wohnung eines Menschen gehen, der eine Armbrust an der Wand hängen hat – ernst gemeint.

Warum ist es so schwer jemandem einen Mord ohne das Opfer nach zu weisen – oder ist es das gar nicht?

Das ist vielleicht eine rechtliche Schwierigkeit, weil der Tod der Person dann nicht offenkundig bewiesen ist. Spurenkundlich macht es keinen großen Unterschied: Wenn eine Person auf einmal grundlos verschwindet und ich aus den Spuren heraus erkenne, was wann wo wie geschehen ist, dann ist der Fall aus unserer Sicht gut zu bearbeiten. Spuren an einer Leiche sind natürlich unabhängig davon besonders aussagekräftig, etwa die Erbsubstanz einer „fremden“ Person an der Leiche: Wie ist die da hin gelangt? Welche Erklärungen gibt es, welche sind ausgeschlossen? Das Ausschließen ist manchmal sogar wichtiger als der klassische Einschluss: Gemäß Arthur Conan Doyles Sherlock Homes: „Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag.“ – Sherlock Holmes, aus „The Adventure of the Beryl Coronet“.

Ein Mörder, der eine solche Tat aus niederen Beweggründen und geplant ausführt – wie muss der „gestrickt“ sein. Können sie dazu was sagen aus ihren eigenen Erfahrungen heraus?

Menschen sind mal freundlich, mal unfreundlich, mal mörderisch, mal hilfsbereit und alles dazwischen. Einige Persönlichkeits-Störungen führen eher zu einem Verbrechen – etwa die antisoziale, aber die verschiedensten Menschen morden, lügen und betrügen. Es steht niemandem auf die Stirn geschrieben.

Was ist die beste und effektivste Möglichkeit einen Leichnam zu beseitigen?

Es nicht dazu kommen lassen, dass eine Leiche „beseitigt werden muss“.

Im Fall Maddie soll der Verdächtige angeblich gegenüber einem Zellengenossen gesagt haben: „Schweine fressen alles.“

Das stimmt.

Gibt es aus ihrer Sicht das perfekte Verbrechen? Oder geht das nur, wenn man keinen Bezug zum Opfer hat?

Ich mag keine Verbrechen und finde die Idee des „perfekten“ Mordes und ähnliche Gedankenspiele völlig unerklärlich.

Wie kann das perfekte Verbrechen aussehen (ohne hier eine Anleitung zu geben)?

Gar nicht. Das gibt es nicht. Schwierigkeiten bitte besprechen und lösen oder weggehen.

Sie waren es, der im Fall des Pastors Geyer aus Beienrode bei Königslutter, wegen Totschlags an der Ehefrau zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, maßgeblich zu dessen Überführung beigetragen hat. Was war hier für sie der Schlüssel?

Ich habe nur die Larven von der Leiche untersucht. Und das Gericht hatte eine interessante Zusammenstellung aus vielen polizeilichen Beobachtungen – etwa: Wer hat wann, von wo aus telefoniert? – und spurenkundliche Hinweise wie die von mir, dass die Besiedlungszeit der Leiche mit dem bekannten Zeitraum des Verschwindens übereinstimmte, rechtlich bewertet und daraus dann das Urteil erstellt.

Konkret in unserem Fall – in welchem Zustand müsste der Leichnam sein, damit sie als Spezialist, noch nützliche Hinweise zur Todesursache und zum Täter finden können?

Das geht beliebig lange. In und an Knochen können Spuren von Schnitten bis zu Giften vorhanden sein, es können Insekten etwas darüber verraten, wo die Leiche gelagert wurde, die Täter verlieren öfters auch Gegenstände und natürlich Erbsubstanz. Es lohnt sich immer, genau hin zu sehen.

Gebe es also auch die Möglichkeit ein Skelett auf sachdienliche Hinweise hin zu untersuchen?

Ja. In jedem Fall.

Was glauben sie wo müsste man suchen, um die Leiche in unserem speziellen Fall zu finden?

Das ergibt sich am ehesten aus dem Bewegungsbild verdächtiger Personen. Die Polizei legt sozusagen ein zeitlich-räumliches Gitter über die möglichen Täter. Davon ausgehend lässt sich dann mit vielen Verfahren, beispielsweise mit Suchhunden, nach einem möglichen Grab suchen.

Ist es also aus ihrer Sicht nicht die Frage ob, sondern wann ein Verbrechen aufgeklärt werden kann?

Ganz genau.


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