2016 07 AZ Muenchen: Forensiker Mark Benecke im Interview
Quelle: Abendzeitung München, 6. Juli 2016
Forensiker Mark Benecke im Interview
INTERVIEW: NATALIE KETTINGER
Jetzt wird es eng für Peggys Mörder. Denn selbst 15 Jahre nach der Tat gibt es noch Möglichkeiten, ihn zu überführen. Der 45-jährige Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke ist Spezialist für forensische Entomologie (Insektenkunde). Benecke stammt aus Rosenheim und erklärt im AZ-Interview, warum Spurensuche auch nach 15 Jahren noch erfolgversprechend ist.
AZ: Herr Benecke, was ist nach 15 Jahren Liegezeit noch vom menschlichen Körper übrig – außer Knochen?
MB: In dem konkreten Fall weiß ich das natürlich nicht, ich war ja nicht am Fundort. Aber normalerweise sind nach 15 Jahren im Erdgrab, im Wald oder im Wasser nur noch Knochen und Zähne übrig, wenn überhaupt.
AZ: Was lässt sich daraus noch schließen?
MB: Man kann eindeutige Identifizierungsmerkmale finden, über die Erbsubstanz oder indem man sich den Zahnstatus anschaut und ihn mit Röntgenbildern vom Zahnarzt oder dessen Notizen vergleicht.
AZ: Ist das alles?
MB: Nein. Bei Knochenbrüchen kann man manchmal sehen, ob das zu Lebzeiten passiert ist, weil jemand zum Beispiel gefoltert worden ist, oder nach dem Tod – etwa durch eine Zerstückelung.
AZ: Woran erkennt man das?
MB: Wenn schon ein Heilungsprozess eingesetzt hat, kann man das sehen – am besten natürlich an noch erhaltenem Gewebe, manchmal lässt es sich aber auch an Knochen erkennen. Wenn dem so ist, hat derjenige bei Eintritt der Verletzung noch gelebt. Oder: Wenn die Verletzung an einer Stelle ist, von der man weiß, dass man es nicht überleben kann, wenn jemand mit der Kettensäge dort hineinsägt, dann weiß man, dass das mindestens todesursächlich war oder unmittelbar danach der Tod eingetreten ist.
AZ: Lässt sich der Todeszeitpunkt feststellen?
MB: Wahrscheinlich nur noch in Kombination mit Aussagen des Täters. Am Knochen abmessen wie mit einem Messgerät lässt sich das nicht. Was ich zwar für abwegig halte, was aber wissenschaftlich möglich wäre: Wenn Peggy noch längere Zeit gelebt hat, könnte man das feststellen. Dann wäre sie älter geworden und das könnte man sehen.
AZ: Könnte die Polizei noch Spuren vom Täter finden?
MB: Problemlos! Massenhaft! Faserspuren, verlorene Gegenstände, Zigarettenkippen, Schnipsel, die ihm aus der Tasche gefallen sind – alles Mögliche. Da sind der Fantasie überhaupt keine Grenzen gesetzt: Pollen, Pflanzenteile. . .
AZ: . . . die nicht an den Fundort gehören hingehören?
MB: Ja – oder die dort in einer anderen Zusammensetzung vorkommen.
AZ: Was ist mit DNA? Wie lange ist ein "genetischer Fingerabdruck" haltbar?
MB: Wenn DNA trocken gelagert ist, hält sie sich quasi ewig. Also: Wenn man eine Briefmarke ableckt, so dass da die Erbinformation drauf ist, hält sich das bei trockener Lagerung Jahrzehnte – Spermien übrigens auch. Ob man noch etwas findet, hängt deshalb sehr stark von der Lagerung der Leiche und der anderen Gegenstände ab. Oft überdauern auch Hautschuppen vom Täter oder der Täterin an einer trockenen Stelle.
AZ: 15 Jahre lang?
MB: Ja, das ist schon vorgekommen. Die Frage ist natürlich, wie viel Energie man in die Suche steckt. Bei einem durchschnittlichen Fall wird man sich eher zurückhalten. Aber hier wird man wohl das ganz große Besteck rausholen und auch versuchen, nach Hautzellen zu suchen.
Mit großem Dank an Natalie Kettinger und die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.