Quelle: ZIMMER EINS, Magazin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (https://zimmereins-daspatientenmagazin.de), Herbst 2020, https://zimmereins-daspatientenmagazin.de/artikel/tag-oder-nacht-dr-benecke/
Hier schreibt Dr. Mark Benecke, wie man Nachtfaltern nachspürt, wo es noch richtig dunkel wird und was man als Vorsitzender der Dracula-Gesellschaft alles macht
Unter Gruftis gibt es einen Ausspruch: „Erst in der Dunkelheit kann man die Sterne sehen.“ Das mag banal klingen, ist aber tiefgründig: Wir sehen nachts Dinge, die immer da sind, aber nur im Dunkeln erforscht werden können.
Ein gutes Beispiel sind Nachtfalter. Klar, die meisten Menschen kennen Schmetterlinge. Dabei handelt es sich allerdings meist um Tagfalter. Doch nachts sind genauso viele Faltersorten unterwegs. Und die kennt fast niemand. Dabei sind sie wunderschön. Sie aufzuspüren und anzulocken erfordert viel Zeit und Energie. Man muss Bäume mit einer Mischung aus Wein, Apfelsaftkonzentrat und Honig beschmieren – und dann auch noch für die richtige Beleuchtung sorgen. Es ist das schwerer Zugängliche, für unsere heutigen Lebensgewohnheiten Lästige, was mich an der Nacht reizt.
An anderen Orten der Welt gilt das noch viel mehr als in Europa. Denn unsere Nächte sind ja vergleichsweise hell erleuchtet. In den 1990er Jahren habe ich auf den Philippinen gearbeitet. Eines Tages war ich unterwegs, ohne auf die Zeit zu achten. Plötzlich ging die Sonne unter – und ich sah: nichts. Es war stockfinster. So eine Dunkelheit hatte ich noch nie erlebt. Seitdem trage ich immer eine gute Taschenlampe am Körper.
„Letztlich sind wir immer von Umweltbedingungen abhängig. Sie haben oft mehr Einfluss auf unser Verhalten als Wahlen und wirtschaftliche Voraussetzungen.“
Die im übertragenen Sinne dunklen, also wenig beleuchteten Dinge regen mich an. Schon lange bin ich Vorsitzender der Transsylvanischen Dracula-Gesellschaft. Diese Aufgabe nehme ich ernst. Das Motto unserer Forschungsgesellschaft: Alles, was man sich vorstellen kann, gibt es wirklich. Wir tagen in kleinen rumänischen (manchmal auch deutschen) Orten, halten Vorträge, diskutieren und geben Bücher heraus. Sogar ein Nachfahre des echten Woiwoden Dracula, des rumänischen Volkshelden, der im Rest Europas eher als Monster bekannt ist, schaute regelmäßig vorbei, bis er zu gebrechlich wurde.
Was am Tag besser ist als an der Nacht? Die Menschen fühlen sich sicherer und sind deshalb ruhiger. Und Graf Dracula läuft man garantiert auch nicht über den Weg.