Glauben Sie an eine höhere Macht, Dr. Mark Benecke?

Quelle: Zimmer Eins / KBV Magazin, Juni 2018, Seite 11

 

Glauben Sie an eine höhere Macht, Dr. Mark Benecke? 

Nein. Ich bin Naturwissenschaftler und Rationalist. In meiner Welt ist kein Platz für höhere Mächte oder Gedanken an Gerechtigkeit. Es existiert nur die Wahrheit. Und als Forensiker ist es meine Aufgabe, sie zu fördern. Manchmal ist mir das sogar so wichtig, dass ich Spuren aus sehr alten Fällen auf eigene Faust nachgehe, weil ich schlecht damit leben kann, lösbare Rätsel nicht zu lösen. Aber so gewonnene Ergebnisse kann man vor Gericht natürlich nicht mehr einsetzen. Sie dienen einfach der Wahrheitsfindung. 

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Viele Menschen legen die Suche nach der Wahrheit in die Hände von höheren Mächten. Sie glauben an eine Art magischer Gerechtigkeit und lassen den Dingen daher ihren Lauf. Das ist  auch der Grund dafür, dass sie oft zu spät zu uns ins Labor kommen. Eben frei nach dem Motto: Die höhere Gerechtigkeit wird es schon richten. Und wenn der Fall nicht anders zu lösen sein sollte, können sich die Experten zur Not ja noch die Spuren anschauen. 

Die Wahrheit findet sich aber nicht von selbst — sie hat mit Bemühung zu tun, mit dem Ausschöpfen der möglichen Mittel und natürlich mit der Kenntnis dessen, was überhaupt möglich ist.  Wenn keiner die Spuren eingesammelt hat, sind sie weg. Oder sollen wir fünf Jahre später zum neuen Mieter kommen und sagen: Wir würden mal gerne die Tapete abkratzen, dahinter könnte sich ein brauchbarer Fingerabdruck verstecken?  

Dass wir nicht immer allen Spuren nachgehen können, hat häufig auch finanzielle Gründe. Einige unserer Klienten möchten unsere Arbeit gratis und verlieren das Interesse an Aufklärung, wenn sie von den Laborkosten hören. Selbst Menschen, für die der Sachbeweis die einzige Chance ist, um zu beweisen, dass sie es nicht waren, verzichten darauf, die Spur untersuchen zu lassen, weil sie sagen: Die Wahrheit wird vor Gericht so oder so ans Licht kommen — warum also dafür zahlen? 

Anderen fehlt es schlicht an Geld, um uns zu beauftragen. Für solche Fälle gibt es in anderen Ländern Hilfsprojekte, die eine kostenlose Spurensuche ermöglichen. In Deutschland kommt es oft auf die Zähigkeit der Betroffenen an. Ich habe zum Beispiel schon erlebt, dass eine Frau in ihrer Kirchengemeinde so lange Geld gesammelt hat, bis sie  die Spurensuche für eine zu Unrecht inhaftiere Frau bezahlen konnte. 

Sie hat selbst die Initiative ergriffen und ist so auf der Suche nach Wahrheit einen Schritt weitergekommen. 


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