Quelle: Orkus!, Mai 2020 (Corona Special), S. 74
Inwiefern hat sich aufgrund von COVID-19 dein Alltag im Positiven wie auch im Negativen verändert?
Ines und ich haben wochenlang die Seite http://virusonline.de bestückt und viel darüber gelernt, was die Menschen so an biologischen Fragen über Viren haben. Ich habe als erster ein Rezept für wirksame Desinfektion zum Selbermachen rausgeballert, das ging viral, sogar die Bild-Zeitung hat ein Video dazu gebracht. Wir haben anfangs jeden Tag ein Video mit Fragen der Klickerinnen und Klicker gemacht und es online gestellt, egal, wo wir waren, und dazu tausende (wirklich) von Anfragen ausgewertet und bearbeitet. So was habe ich noch nie erlebt: Jetzt weiß ich, wann die Witt'sche Flut gekommen ist, harrharr.
Ich habe für alles die laufenden Veröffentlichungen aus den Laboren rausgesucht, auf Deutsch und ohne Fremdworte berichtet (das ist anstrengender als mit Fremdworten) und Ines hat unsere sozialen Medien und ich meine Mails nach neuen Fragen durchkämmt. Abgesehen davon haben wir endlich mal Zeit für frisch gekochtes Essen. So ab 23.00 Uhr ist immer Koch-Party, lecker. Kaiserschmarrn vegan klappt!
Wie sehr hat COVID-19 eine komplette Neuplanung deiner Arbeit erfordert?
Ich bin schneller mit meinem neuen Tierbuch fertig geworden, weil ich die Quellen — sehr alte Bücher und sehr seltene, neue Bücher — im Labor habe ... dort wäre ich sonst nicht so schnell wieder gewesen. Es war angenehm, die Seiten nicht immer zwischen zwei Terminen schnell abfotografieren zu müssen, sondern auch mal ein rares Buch aufschlagen und in Ruhe anschauen zu können. Und ich konnte mehrere Bücher zur Buchbinderei bringen, was auch immer etwas aufwändig ist, da wir die Schriftarten, das Marmor- oder Vorsatz-Papier und so weiter besprechen müssen.
Was war dabei wohl besonders tragisch?
Tragisch vielleicht nicht, aber: Kurzarbeit für meine Mitarbeiterinnen ... und seit Wochen arbeite ich gratis. Ostern mit zwei Meter Abstand zu meinen Eltern im Vorbeigehen im Park mit Masken war auch denkwürdig bis seltsam.
Wie versuchst du nun damit umzugehen?
Rheinisches Grundgesetz: Et is wie et is, et kütt, wie et kütt, et hätt noch emmer joot jejange.
Wann verlässt du das Haus und in welchen Situationen hast du ein ungutes Gefühl?
Dank der vielen tollen Masken, die mir Fans genäht haben, von Schnittmuskel und aus China sowie Dank großer Vorräte an Handschuhen, Waschmittel und Alkohol zur Desinfektion: Alles gut. Ich geh raus, wenn ich arbeiten oder einkaufen muss.
Mit welchen Gedanken oder auch Aktivitäten machst du dir und anderen Mut in der aktuellen Situation?
Fragen der Menschen nach allem, was mit Corona zusammenhängt, schnell und mit Quellen beantworten; Aktion „Schick mir dein Insekten-Foto" und gemeinsames Bestimmen (auf Insta und Facebook bei mir); Online-Parties wie zuletzt mit Micha Holtschulte (Totaberlustig); lecker nachts kochen; alleine im Naturalienkabinett Waldenburg (Sachsen) herumstreifen, da ich zum 350-Jährigen einen Beitrag für den Katalog schreibe; alle Buchregale abstauben und umräumen und neue Regale bauen; Sperrmüll der Nachbarn entsorgen, der im gemeinsamen Keller rumsteht; bizarren Lesestoff ausfindig machen („Die Struwwelliese", 1950); Sexualdelikte abarbeiten, die hier schon zu lange auf Halde liegen; neues, steriles Material fürs Labor bestellen und altes für den Kurs rauslegen; einem russischen Kollegen bei einem Fall mit abgenagten Knochen helfen; mit den MARKierten (Menschen mit Tattoo von Ines und mir) lustige Aktionen anleiern; Masken verschenken; schöne Seiten auf meiner Homepage für jedermann- und -frau bauen (SARS in China, Artikel aus dem Orkus!, Natur-Fotos); unsere neuen Lieder von Bianca Stücker & Benecke umbauen, Cover besprechen, von Bianca weitere Instrumenten-Spuren einfordern (Nyckelharpa, Hackbrett, Flöte), bis sie noch verrückter wird, und sehr vieles mehr.
Dr. Mark Benecke