Quelle: Die Zeit, Ausgabe 43/1998, Seite 52
An der Harvard-Universität wurden zum achten Mal die Ig-Nobelpreise verliehen
Von Mark Benecke
Eine kleine gelbe Badewannen-Ente, ein Buch der Annals of Improbable Research, eine Plastikmundharmonika und eine Rolle Klebeband: "Das isr ja wirklich nicht viel mehr wert als drei Dollar", wundert sich der kanadische Urologieprofessor Jerald Bain über seinen Preis. Verliehen wurde er für Bains Forschungsarbeit, die er nach einer bösen Bemerkung seiner Schwiegermutter begann: Den von ihr behaupteten Zusammenhang zwischen Schuhgröße, Körpermaß und Penislänge konnte Bain dabei vollständig widerlegen.
Kein Wunder, daß ihm diese Arbeit einen der zehn diesjährigen Ig-Nobelpreise einbrachte, verliehen für "Forschungsergebnisse, die nicht wiederholbar sind oder besser nicht wiederholt werden" (Ig steht für ignoble: unwürdig). "Machen Sie die Studie aber bitte nicht nach. Es ist nicht so einfach, Penislängen zu messen", versuchte der Statistik- Preisträger (Schuhgröße 38) die Teilnehmer eines eigens anberaumten Seminars zu überzeugen.
Ein weiterer Laureat ist Jacques Benveniste. Der Franzose glaubt im Wasser ein Gedächtnis nachgewiesen zu haben. Nur so sei die Wirkung homöopathischer Arzneimittel erklärbar. Seine Experimente aber konnten nie reproduziert werden. Dafür erhielt er schon 1991 den Ig-Nobel für Chemie.
Nun will er die homöopathische Wirkung auch per Telefon übertragen können eine Leistung, die ihn prompt erneut qualifizierte. Mara Sidoli aus Washington dagegen erhielt den Literatutpreis für ihren einfühlsamen Bericht über einen elfjährigen Jungen, der unter chronischen Blähungen litt. "Das Furzen", schrieb Sidoli, "sei eine Abwehr gegen unausgesprochene Ängste." Vielleicht hilft dem armen Kerl die Quantenphysik. Der Kalifornier Deepak Chopra glaubt, sie mache das Leben glücklicher. Sein Lohn: der Ig-Nobel für Physik.
Auch Richard Seed, der angekündigt hat, sich selbst klonen zu wollen, wurde bedacht - mit dem Ig-Ökonomiepreis. Den Friedenspreis teilen sich die Staatsoberhäupter Pakistans und Indiens "für ihre extrem friedlichen Atomexplosionen", und Weichtierforscher Peter Fong vom Gettysburg College gewann den Biologie-Ig, nachdem er das in den USA weitverbreitete Antidepressivum Prozac an seine Muscheln verfüttert und sie durch "das gesteigerte Mutterglück" zu einer rascheren Vermehrung angeregt hatte. "Die Anerkennung ist schön, aber in meinen Lebenslaufwerde ich sie wohl nicht aufnehmen", vermeldete Fong.
Die Arbeit, die in Harvard mit dem Medizin-IgNobel gekrönt wurde, hatte 1996 Aufnahme in das Fachjournal Lancet gefunden. Ein britisches Ärzteteam beschrieb hier den mysteriösen Fall des Patienten Y. Der Mann hatte sich in den Finger gestochen und verbreitete in Folge mehr als fünf Jahre lang einen penetranten Verwesungsgeruch.
Die eigentliche Ig-Zeremonie, wie üblich stilvoll im viktorianischen Sanders Theatre der Harvard-Universität abgehalten, stand in diesem Jahr unter einern besonders verbindenden Motto: "DuckTape", ein in Deutschland vor allem von Wassersportlern und Karnerateams eingesetztes, nahezu unzerstörbares Klebeband. Minikleider und Krawatten aus dem Wundermaterial bestimmten entsprechend das Outfit der 1200 Zuschauer.
Wie viele abendliche Zusammenkünfte von Wissenschaftlern uferte die Preisverleihung rasch aus. So schlichen sich während der Weltpremiere des Dreiakters La Forza della Duct Tape zu Opernklängen von Verdi und Mozart die echten Nobelpreisträger Dudley Herschbach (Chemie, 1986) und Sheldon Glashow (Physik, 1979) an einen der Sänger und fixierten ihn an einem Bühnenmöbel - natürlich mit einer Rolle Duck Tape. Auch die offiziellen Ig-Nobel-Delegationen sorgten für Chaos: Die "Befreiungsfront junger Menschen für Enten" etwa protestierte quakend gegen den Mißbrauch des Federviehs als Logo des Klebebandherstellers.
Die Stars des Abends waren jedoch der Naturbursche und Grizzlybärforscher Troy Hurrubise und die elfjährige Emily Rosa. Hurtubise hat für die Arbeit mit seinen unberechenbaren Tierfreunden einen minen-, hitze- und schußfesten Anzug entwickelt. "Gegen meinen Anzug sieht der Robocop wie ein Haufen Blechbüchsen aus. Ob Nasa, Uno oder irgendwelche Biologiedoktoren mit meiner Erfindung einmal wirkliche Nobelpreise gewinnen, ist mir egal. Ich verkaufe die Dinger, nehme das Geld und gehe zurück zu meinen Grizzlys", versicherte der Preisträger für Sicherheitstechnik unter donnerndem Beifall. Kurz darauf ersteigerte er für 100 Dollar eine gut erhaltene Einkaufszettelsammlung des kauzigen Chemienobelpreisträgers William Lipscomb.
Die elfjährige Emily Rosa schließlich, die zwei Jahre zuvor einen Forschungsbericht beim angesehenen Journal of the American Medical Association eingereicht hatte, nahm anstelle der verärgerten Dolores Krieger aus New York den Preis für Wissenschaftserziehung entgegen. Krieger hatte die Therapiernethode der "Energiefeldkorrektur durch heilende Hände" populär gemacht. Emily Rosa hatte für ein Projekt ihrer vierten Klasse überzeugte Heilerinnen aus Colorado gebeten, ihr Energiefeld blind zu erspüren - sie positionierte sich dazu unsichtbar für die Probandinnen links oder rechts hinter einen Pappkarton. Die Trefferquote von etwa 50 Prozent ließ nur einen Schluß zu: Die Heilerinnen hatten schlicht geraten.
"Ich habe nun schon einige Jahre in Cambridge verbracht", sagte Marc Abrahams, Mathematiker und Herausgeber der Annals of Improbable Research, die die Verleihung veranstalteten. ,,Aber die Vorlesungen vonTroy Hurtubise und Emily Rosa waren vielleicht die besten, die ich hier jemals gehört habe."
Mark Benecke ist Mitherausgeber der "Annals of Improbable Research" und arbeitet als Biologe in New York .
Mit großem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.