"Coole Schule" an der Hatzfeldtallee

Quelle: Reinickendorfer Allgemeine Zeitung, 18. April 2023

Dr. Mark Benecke im Interview mit Schülern des Humboldt-Gymnasiums, Foto: ks

Tegel – Reger Betrieb herrscht am Tegeler Humboldt-Gymnasium ausnahmsweise an einem Sonntag. Allerdings ist es kein Regelbetrieb. Vielmehr steht am 2. April in der Aula des ehrwürdigen Schulgebäudes in der Hatzfeldallee unter den strengen Blicken der beiden Namenspaten eine Veranstaltung anlässlich des Weltautismustages auf der Agenda. „Schule und Autismus“ heißt das Motto an diesem Abend, zu dem Schüler, Lehrer, Eltern und Interessierte geladen sind. Es soll zu eine der zentralen Aktionen zum Thema deutschlandweit avancieren, das Bundeministerium für Bildung und Forschung gehört zu den Unterstützern. Rund 150 Besucher kommen.

Kein geringerer als der vielfältig engagierte Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke betätigt sich bei dieser Gelegenheit als Referent und Moderator gleichermaßen. „Doktor Made“, wie der gebürtige Kölner oft liebevoll ironisch genannt wird, hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit der Autismus-Problematik bei Kindern und Jugendlichen beschäftigt, Vorträge dazu gehalten und Fachartikel veröffentlicht. „Autisten sind ziemlich leicht schlicht überfordert“, analysiert Benecke als wichtigste Ursache der neurologischen Charakteristika. Diese Überforderung käme insbesondere durch Reizüberflutungen zustande. Ganz banale Dinge wie Sonnenlicht, Lautstärke oder Unordnung könnten zu scheinbar unkontrollierten Handlungen führen, erläutert der Fachmann weiter. Wildes Armfuchteln, permanentes Fingerschnippen, intensives Kaugummikauen oder Kugelschreiberklicken seien in diesem Zusammenhang als Beispiele der häufigen, aber eher harmlosen Konsequenzen genannt.

„Barrieren im Schulbetrieb abbauen“ lautet dann auch die wichtigste Forderung aus Fachkreisen im Allgemeinen sowie auf der Veranstaltung im Speziellen. Eine Forderung, die am Humboldt-Gymnasium bereits seit längerem nicht nur Gehör findet, sondern aktiv umgesetzt wird. Die Reinickendorfer Bildungseinrichtung mit ihren rund 1.150 Schülern darf als Pilotprojekt in Sachen Autismus gelten. Auf die Bedürfnisse Betroffener wird hier im so genannten TeamPlus besonders geachtet. Rund 29 von ihnen gibt es derzeit in allen Altersstufen. Sie haben mit der Inklusionsbeauftragten Sarah Andersohn eine direkte Ansprechpartnerin. „Es ist schön, wenn die Schülerinnen und Schüler zu mir kommen, eine Auszeit brauchen“, erzählt die gelernte Erziehungswissenschaftlerin im Gespräch. Gesonderte Orte der Ruhe und Entspannung seien dabei von großer Bedeutung, weiß sie zu berichten. Selbst in Zeiten von Raummangel müsse man daher erfinderisch sein. „Wir haben sogar schon Besenkammern in Aufenthaltsräume verwandelt“, schildert Andersohn.

Es sind Worte und Taten, die gerade bei Schülern mit Autismus-Diagnose Anklang finden. Drei von ihnen kommen an diesem Abend coram publico zu Wort. „Es gibt hier viele Rückzugsmöglichkeiten, viele Ansprechpartner“, meint etwa Henrik Hellwig. Man sei immer für Anregungen offen, kann der 17-Jährige, der zugleich Schülersprecher ist, viel Positives feststellen. Verbesserungswünsche gebe es trotzdem. Kleinere Klassen etwa wären wünschenswert. „Pausen machen, wann man will“, meint ein anderer Schüler im Interview.

Den Raumbedarf sieht Schulleiter Martin Roth als größte Aufgabe. Der Pädagoge zeigt viel Verständnis für die Anforderungen der inklusiven Schule. Er selbst hat ein autistisches Patenkind. „Es ist ein Ort, an dem man gut aufwachsen, gut lernen kann“, sieht der gebürtige Rheinländer das Humboldt-Gymnasium auf dem richtigen Weg. Dr. Mark Benecke bringt es kurz und knapp auf den Punkt: „Coole Schule“, so sein Resümee. ks


Autismus-Woche

Chemnitz 2023


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