Beneckes Begegnungen: Finnisches statt Knöcheldefin

Quelle: Tätowiermagazin 8/2015, Seite 128

Kolumne von Mark

Finnische Wörter sind cool, und ich habe selbst welche auftätowiert (»suojakänni«, »pinkkimeikkipillu« ...). Dass sie auch eine Lebenseinstellung ausdrücken können, beweist mein Co-Model Elli bei einem Fotoshooting mit mir.

Mark: Du hast einen großen Frauenkopf auftätowiert. Was ist das für ein Motiv?

Elli: Stammt von einem befreundeten Fotografen. Das Model kenne ich nicht.

Huch?

Das Bild ist relativ abgefuckt und passt zu dem Zitat, das daneben steht.

Hast du denn nicht mal das Bedürfnis gehabt, dem Model ein Foto davon zu schicken, per Facebook oder so?

Nicht so.

Du lebst die finnische Ruhe und das Understatement. Dazu passt das Wort »sisu«, das ich hier ebenfalls sehe.

Ja, »sisu« ist ein schwer erklärbarer Begriff, das sieht jeder anders. Man kann sisu sehen, schmecken. Es heißt immer: Wo andere schon lang aufgeben, da kommt der Finne und macht sisu.

Hat dich das Tattoo gestärkt?

Nö. Entweder man hat sisu in sich oder gar nicht.

Dein zweites finnisches Tattoo ist ein Schimpfwort.

Das hört sich so schön an – »voi perkele«. Umso mehr man das »r« rollt, umso mehr Bedeutung hat’s, umso intensiver ist es.

Hinter deiner und der finnischen wortkargen Art stecken also doch Emotionen.

Jeder hat insgeheim Momente, in denen er mehr grübelt und nachdenkt.

Du hast auch meinen Tatortaufkleber und eine meiner Fauchschaben fett auf einer besonders schmerzhaften Stelle.

Die Schabe fand ich irgendwie knuffig. Einen Knöcheldelfin oder ein Pony, das hat ja jeder.

Ja, ich zum Beispiel beides. Aber wozu der Tatortaufkleber?

Es war eine Kurzschlussreaktion, nachdem ich zum Spaß gesagt habe, ich lasse mir dein Autogramm stechen. Ich habe es einen Tag danach wirklich machen lassen.

Wenn du im Schwimmbad bist, sehen die Leute, dass du einen Tatortaufkleber mit Fauchschabe und meine Unterschrift auftätowiert hast – was sagst du denen?

Ich geh eigentlich nie schwimmen.

Und beim Sex?

Das bin halt ich. Ich hab, ehrlich gesagt, keinen Bock drauf, jedem meine Lebensgeschichte vorzukauen. Es gibt Dinge, die gehen keinen etwas an.

Als Model bist du auch etwas eigen.

Da lass ich mir nicht reinreden. Wenn ich auf ein Shooting Bock habe, dann hab ich Bock. Ich bin auch nicht der Mensch, der jedes Mal hochgeschminkt und mit irgendwelchem Firlefanz auf Strange oder Horror getrimmt wird. Beauty kann fast jeder.

In der Tat: Stille Wasser sind tief. Das weiß allerspätestens jetzt

der Eure -- Marky Mark

Beneckes Begegnungen: Gesichtstattoo im Knochenjob

Quelle: Tätowiermagazin 9/2015, Seite 128

Kolumne von Mark

Hamburg wirkt auf Fremde schon mal versnobt. Nachdem ich neulich mit einem universitätstypischen Riffelplastik-Kaffeebecher im Foyer des Institutes für Zoologie saß, schlenderte allerdings mit völliger Selbstverständlichkeit ein Mensch mit fettem Gesichtstattoo durch den Flur ins Uni-Museum. Wtf?

»Ich arbeite freiberuflich hier«, erklärt mir Lars. »Hauptberuflich leite ich ein Tattoostudio in Hamburg, das ›Lars Vegas Tattoo- Studio‹ in Altona. Angefangen habe ich vor siebzehn Jahren auf dem Hamburger Berg – die schlimmste Gegend bei uns. Ich habe meinen Lehrmeister dort vollgetextet, dass ich supertoll sei. Meine Zeichnungen waren grottenschlecht, aber er hat irgendwas in mir gesehen. Ich habe dann zwei Jahre lang eine Tätowierlehre gemacht, richtig oldschool mit Müll rausbringen, mit dem Hund Gassi gehen, Kaffee kochen. Mit fünfzehneinhalb habe ich meinen ersten Kunden tätowiert.

Hier im Museum habe ich zunächst Präparate gezeichnet. Von Anfang an fanden die Kinder bei Rundgängen meine Tätowierungen ziemlich faszinierend. Bei meiner ersten Führung alleine, habe ich aber trotzdem Blut und Wasser geschwitzt - mir lief der Schweiß aus dem Hemd raus, das war total peinlich. Nach einer halben Stunde hatte ich aber drei Jungs und drei Mädchen an den Händen, die alles total toll fanden.

Ich musste die Kinder danach zum Parkplatz begleiten, wo die Eltern warteten, und die sahen nur diesen zutätowierten Freak – damals noch mit Glatze – und dachten, ich wolle die Kinder entführen. Ein Riesengeschrei ... Das war herrlich.

Universitäten sind ganz, ganz konservativ, aber mein Chef im Museum ist cool gewesen. Ich hatte hier schon elf Monate ehrenamtlich gearbeitet, 240 Stunden im Monat ohne Bezahlung, weil es einfach unglaublich viel Spaß gemacht hat, und dann ist was ganz Lustiges passiert. Ich habe ein paar Freunden eine Führung im Museum angeboten und zufällig hat jemand aus dem Unipräsidialamt die Führung begleitet. Am nächsten Tag haben sie gesagt, dass sie mich als Pädagogen haben wollen.

Ich war nie ein guter Schüler in Biologie, aber das Team hier im Museum ist so genial, dass es mein Interesse geweckt hat. Jetzt ist es für mich die Hauptaufgabe, es auch bei den Kindern zu wecken. Die Begeisterung, die man in mir hervorgerufen hat, gebe ich jetzt weiter an die nächste Generation.

Beim gemeinsamen Mittagessen mit den Professoren und Doktoren rutschen mir öfter Begriffe aus dem Milieu raus, aber auch das wurde immer akzeptiert. Das ist in Hamburg auf jeden Fall einmalig und wäre in Köln oder München wohl nicht so.«

Genau so isses. Für mich ist Lars’ Story ein waschechtes Wunder. Und die gibt’s dann hoffentlich immer öfter und immer wieder.

Hofft stets der Eure: Marky Mark