Abbildung 1. Das Bauchmark wird seitlich von Nephridien flankiert. Im Kurs verwende man Durchlicht, die genannten Strukturen erscheinen dann dunkel. Anterior die acht dunklen Pigmentaugen. Der anteriore Saugnapf ist eingestülpt, der posteriore ragt vor. Vor ihm (dunkel) liegt ein Rest unverdauten Blutes im Magen.
Junge Blutegel eignen sich hervorragend als einfache lichtmikroskopische Untersuchungsobjekte. Ihre Körperwand ist durchscheinend und gibt den Blick frei auf das dunkel gefärbte Nervensystem sowie die Augen und den Kiefer. Die Tiere sind robust und müssen nicht angefärbt werden. Auch im zeitlich begrenzten Rahmen des AnfÄngerkurses an der Universität bzw. im Schulunterricht können sie als einfach zu handhabendes Anschauungsmaterial dienen.
Ausgewachsene Blutegel sind sehr leicht zu halten. Bereits ein kleines Aquarium (15 Liter) beherbergt bequem bis zu einem Dutzend erwachsener Tiere, die nur einmal pro Jahr gefüttert werden müssen. Pflege ist, abgesehen von gelegentlichen Wasserwechseln, so gut wie nicht nötig. Adulte Tiere legen pro Sommer bis zu drei Schaumkokons, aus denen je zehn bis dreißig Jungtiere schlüpfen.
Ausführliche Hinweise zur Haltung von Hirudo finden sich in der unten aufgeführten Literatur (Benecke 1995). Die Aufzucht der Jungtiere ist sehr mühselig; auch unter Normalbedingungen sterben derer viele. Daher ist es erlaubt, die juvenilen, ungefütterten Egel etwa einer Woche nach dem Ausschlüpfen in 80% Ethanol oder Methanol zu überführen und bis zur Präparation in einem durchsichtigen Filmdöschen im Kühlschrank (4°C bis 12°C) zu lagern. Das Nervensystem der gut zwei cm langen Tiere hellt durch längere Lagerung ein wenig auf, alle anderen Strukturen behalten ihre optische Qualität bei. Die Tiere flachen durch den alkoholischen Wasserentzug leicht ab. Wer Wert auf perfekt gestreckte, unverdrehte Präparate legt, muß die Tiere daher einige Tage in einem mit Alkohol gefüllten Uhrglasschälchen ausrichten.
Unter einem Deckglas (24X36 mm, ggf. mit Plastilinfüßchen) leicht gequetschte Einzeltiere werden im Durchlicht unter dem Binokular bzw. unter geringer Vergrößerung des Mikroskopes betrachtet. Auffällig sind die anterior liegenden Pigmentflecken (»Augen«, Abb. 1). Sie sind halbkreisförmig angordnet und helfen dem Egel, lichtgeschützte Unterschlupfe zu finden. Betrachtet man das Präparat ohne Deckglas, so wird die räumliche Anordnung der Augen sehr schön sichtbar. Laut Literatur soll die Zahl der Augen schwanken; in meiner Zucht liegen sechs Pigmentflecke dorsal, während zwei bis vier weitere randständig auf der Ventralseite zu finden sind.
Das Nervensystem der Blutegel besteht aus einem Bauchmark, auf d em gut zwanzig Ganglienpaare liegen. Ganglien und Mark sind deutlich sichtbar (Abb. 2) und können oft durch das gesamte Tier hindurch verfolgt werden. Auffällig ist die reiche Innervation der beiden Saugnäpfe; dort liegen die Ganglien besonders dicht beieinander. In der Höhe der drei Kiefer befindet sich das Cerebralganglion. Interessanterweise stimmt bei Hirudo die äußere Ringelung des Körpers nicht mit der inneren Segmentierung überein. Auf jedes echte (innere) Segment kommen mehrere äußere Ringel (Annuli). Das Nervensystem ist nicht in 33 echte Körpersegmente gegliedert, da die letzen 7 Segmente zu einer Haftscheibe verschmolzen sind.
Abbildung 2. Sägezähnchen der Kiefer.
Links und rechts flankieren Nephridien das Bauchmark. Sie sind als dunkle Punkte deutlich zu erkennen. Die drei Kiefer des Jungegels können problemlos mit zwei Nadeln oder dem Skalpell aus dem Tier herauspräperiert und gegebenenfalls wie Radulae von Schnecken in Entellan o.ä. eingebettet werden. Deutlich sind die Zähnchen zu erkennen (Abb. 3), mit denen die Egel eine sternförmige Wunde in die Haut der Wirtstiere sägen.
Weitere gut sichtbare Strukturen sind die beiden Saugnäpfe sowie der im Tod eingestülpte Schlund. Falls ein Jungtier Blut aufgenommen hat, ist auch der dunkle Magen(inhalt) zu sehen, der sich in sackartigen Auswölbungen durch das gesamte Tier streckt.
Der Einsatz selbstgezüchteter Jungegel kann die Präparation der mittlerweile recht teuren Adulttiere im Kurs ersetzen. Fixierte Hirudo sind haltbar, robust, gut handhabbar und vermitteln dem Praktikanten leicht ein Erfolgserlebnis. Ein weiteres motivierendes Element sind die zur Zucht erforderlichen lebenden Adulttiere, die sehr vielseitige Beobachtungen erlauben (Fortbewegungsarten, Menge aufgenommenen Blutes/ausgeschiedenen Wassers, Laufgeschwindigkeit; sogar Lernexperimente sind möglich [siehe Benecke 1995].
Literatur
Gruner, H.-E. (Hrsg.): Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Begründet von A. Kaestner. Band 1, 3. Teil. Gustav Fischer Verlag, Jena 1993.
Oken, L.: Allgemeine Naturgeschichte für alle Stände. Band 5, 2. Abteilung. Hoffmann, Stuttgart 1835.
Storch, V., Welsch, U.: Systematische Zoologie. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1991.
Verfasser: Mark Benecke, Zoologisches Institut der Universität, 50923 Köln (CURRENT ADDRESS: SEE VERY BOTTOM!)
Ich danke Einhard Schierenberg. Die Photographien entstanden in seinem Labor und unter seiner Mitwirkung.