Quelle: like-online.de, 10. Juni 2016
Im exklusiven Interview mit Mark BeneckeMark Benecke im Interview zum Kinostart des Films Conjuring 2
INTERVIEW: ALEXANDER PAWELSKI
Am 16. Juni kommt Conjuring 2 in die Kinos - Wir haben mit dem Kriminalbiologen Mark Benecke gesprochen und folgendes hinterfragt: Gibt’s Geister tatsächlich? Und warum finden wir diese so faszinierend?
Herr Benecke, CONJURING 2 behandelt einen der vielen Fälle des US-Dämonologen-Pärchens Warren, die mit ihren paranormalen Ermittlungen viel Aufsehen erregten. Wie ist Ihre Einstellung zu solchen „Geisterjägern“?
Ich kenne ganz nette GeisterjägerInnen, die nach winzigen Bewegungen von Ketten, kaum messbaren Temperatur-Schwankungen und ähnlichem suchen. Meist ist ihre Ausrüstung nicht so toll, das Abenteuer an verlassenen oder sonstwie vollgegruselten Orten dafür umso toller. Leider streiten sich solche GeisterjägerInnen öfters darum, wer der coolste ist. Das finde ich nicht so cool. Außerdem gibt es noch wissenschaftliche PsychologInnen, PsychiaterInnen, KulturwissenschaftlerInnen und so weiter, die sich fragen, warum und was Menschen alles glauben können oder wollen und warum das so ist. Die mag ich auch. Nur wenige davon wollen aber, glaube ich, GeisterjägerInnen genannt werden. Ich finde den Begriff nicht so schlimm, vermutlich auch, weil ich Fan der beiden 'Ghostbusters'-Filme bin und mich bis heute vor der vergeisterten Bibliothekarin erschrecke. Vor auf Speichern herumspringenden Katzen übrigens auch.
Was macht in Ihren Augen einen paranormalen Ermittler aus?
Eine Festlegung dessen, was als paranormal gilt. Sehr häufig finden sich in Geisterhäusern kalte Luftzüge oder Temperaturschwankungen, auch Knarren, Türenklappern und so weiter. Ab wann ist das so ungewöhnlich, dass es untersuchenswert ist? Oder ist einfach das menschliche Gehirn hier der spannendste Teil, nicht unbekannte Energien von außen?
In CONJURING 2 wird die Familie Hodgson auf eine übernatürliche Präsenz aufmerksam , weil sich Möbel von allein bewegen, sie unheimliches Klopfen hören und Gegenstände durch die Räume fliegen. Welche übernatürlichen Erscheinen haben Sie im Laufe Ihrer Karriere miterlebt bzw. von welchen wurde Ihnen berichtet?
Ich habe mal ein „Medium“ untersucht, das anhand von Tatort-Fotos prüfbar wahre Informationen zu den Umständen der Tat, dem Aufbau der umliegenden Räume und dergleichen erkennen wollte. Ich hatte aber so genannte „Falschpositive“ in den Test eingebaut. Das sind Spuren, die gar nicht zu einer Tat gehören. Das „Medium“ sah also beispielsweise auch in einer Zigarettenschachtel am Straßenrand ein Verbrechen mit vielen Details. Es war aber nur ein Schnappschuss aus dem Rinnstein vor meiner Tür gewesen. Abgesehen davon finde ich Menschen gruselig: Sie können sich manchmal geistig stark verändern.
Was muss ich tun, wenn ich Opfer eines Geistes oder gar Dämonen werde?
Bei Fällen von „Besessenheit“ unbedingt zum Psychiater/in oder psychologischem Psychotherapeuten/in gehen — es könnte sich um Schizophrenie, Traumaeinwirkungen oder ähnliches handeln. Das geht nicht von selbst weg. Bei „Poltergeistern“ würde ich mir den meist kindlichen oder jugendlichen Quatschkopf schnappen, der Steine oder sonst was schmeisst.
In Filmen tauchen Dämonen oft dadurch auf, dass Rituale (z.B. unfachmännisches Herumspielen mit einem Ouja-Brett) falsch ausgeführt werden. Welche vermeintlichen Wege der Dämonenbeschwörung kennen sie?
Am ehesten tauchen sie auf, wenn Menschen eine Erinnerung unterdrücken oder unter großer Anspannung leben oder sich etwas vorlügen. Das führt dann zu geistiger „Überspanntheit“ und schon achten sie auf alles Mögliche, werden zittrig und ängstlich. Die wichtigste Voraussetzung für Beschwörungen ist aber Leichtgläubigkeit. Wenn beim Sitznachbarn auf einmal übersinnlicher Schaum aus Mund kommt, kann ich eine Probe davon zur Labor-Untersuchung mitnehmen und muss nicht vor Angst auf die Knie fallen. Ich finde jede Beschwörungsart gut und kenne viele. Es gibt sie ja auch in vielen Religionen. Als Kind — ich war lange Messdiener — fand ich beispielsweise die Transubstantiation ganz interessant. Dabei wird durch Worte und Rituale eine übernatürliche Kraft beschworen, die Wein zu Blut und Brot zu Fleisch verwandelt.
CONJURING – DIE HEIMSUCHUNG wurde zum großen Erfolg, CONJURING 2 wird von vielen bereits sehnlichst erwartet. Weshalb sind wir auch heute noch so sehr von Geistern, Dämonen und paranormalen Ereignissen fasziniert, obwohl wir uns eigentlich fürchten müssten?
Weil es da draußen wirklich viel mehr gibt, als wir im Alltag anschauen. Jeder Mensch, der in den Sternenhimmel guckt, wird demütig oder abenteuerlustig (oder beides). Wenn ich Insekten oder Tintenfische anschaue, erkenne ich Lebensmöglichkeiten, die fantastisch und jenseits der normalerweise Verstehbaren liegen. Viele Menschen haben auch irgendwas seelisch versteckt, das im mottenbesiedelten Schrank rappelt.
Wir alle wissen das eigentlich, suchen aber eher schnelle und einfache Lösungen und Erklärungen von außen — in Geistern und Psi-Kräften. Es ist viel interessanter, den Wundern und Problemen in langen Zügen auf die Pelle zu rücken. Nix gegen geisterhafte „Cheap Thrills“ — man braucht nur keine Angst vor ihnen zu haben, sondern sollte was draus lernen.
Zum Abschluss die alles entscheidende Frage, Herr Benecke: Fürchten Sie sich vor Geistern und/oder Dämonen?
Eher vor Menschen. Ich gehe ungern in dunkle Heizungskeller, und auch in der Kölner Rechtsmedizin war es früher sonntags, wenn ich alleine dort gearbeitet habe, auf der Leichenetage mit dem langen Flur und Neonlicht etwas spooky. Einmal war beispielsweise der Chef auf der anderen Seite einer Milchglasscheibe und machte einige Millisekunden verzögert, was ich auch machte: Mich nach links und rechts bewegen, um zu sehen, ob es ein Schatten oder sonst was auf der gegenüber liegenden Seite der Scheibe war. Das war schon echt gruselig, da wir beide nicht voneinander wussten, dass wir im ansonsten völlig leeren Haus waren. Im Laufe der Jahre habe ich aber gemerkt, dass es immer nur die eine Lösung gibt: Ganz genau hingucken, experimentieren und drüber reden. Dann wird alles gut.
Mit großem Dank an Alexander Pawelski und die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.