Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger vom 21. Mai 2016 (darin: Thema des Tages), Seite 3
Das doppelte Leben des Manfred S.Auszug: Zitate von Kriminalbiologe Mark Benecke
VON PETER BERGER UND GEORG LEMPERT
Warum kann ein Doppelleben so lange unentdeckt bleiben?
"Weil es aus Sicht des Täters kein Doppelleben, sondern ganz normaler Bestandteil seines Lebens ist", sagt der Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke. "Woran sollte man einen Serientäter denn erkennen? Dass er mit Schaum vor dem Mund durchs Treppenhaus läuft? Der bringt genauso den Müll vor die Türe wie jeder andere auch."
Ein Doppelleben sei kein Merkmal eines Serientäters.
"Das wird nur von außen so wahrgenommen und ist viel normaler und weniger dämonisch, als man gemeinhin in Krimis liest. Aus deren Sicht ist das eine ganz normale Sache."
Bei Tätern wie Manfred S. handele es sich in aller Regel um Psychopathen.
"Sie glauben, dass sie die Größten sind, wenn sie Macht über andere ausüben können. Wenn das gepaart ist mit sexuellen Fantasien, echtem Sadismus und einer großen antisozialen Komponente, wird es gefährlich. Psychopathen haben keinerlei Mitgefühl mit anderen und treffen harte, emotionslose Entscheidungen."
Das lasse sich wie im Fall von Manfred S. durchaus mit einem scheinbar ganz normalen Familienleben vereinbaren.
"Es gibt viele Psychopathen, die ihre Familie schätzen", sagt Benecke.
"Ich hatte mal einen ähnlichen Fall, bei dem es nur zu einem Gewaltdelikt gekommen ist. Der Täter wollte unbedingt aus dem Gefängnis zurück zu seiner Familie. Aber nicht, weil er Sehnsucht nach ihr, sondern weil er das Haus finanziert hatte. Er konnte es nur nicht ertragen, dass seine Familie darin wohnt, während er im Knast sitzt."